Officium I / b Tribunus Laticlavus

  • Der Tribunus laticlavius („Militärtribun mit breitem Purpursaum“ an der Tunika) war ein junger, etwa 22-jähriger Aristokrat aus dem Senatorenstand (Ordo senatorius). Er war der ranghöchste der sechs Militärtribunen und rangierte als zweithöchster Offizier der kaiserzeitlichen Legion und Stellvertreter des Legatus, des Legionskommandanten.

    In der Regel blieb er nur ein bis drei Jahre auf dem Posten und setzte im Alter von etwa 25 Jahren seine zivile senatorische Karriere (Cursus honorum) fort. Das Amt bereitete ihn darauf vor, im späteren Verlauf seiner Karriere selbst als Legat oder Prokonsul den Befehl über eine Legion zu übernehmen. Der Latiklavtribun besaß einen eigenen Stab und verfügte neben beratenden Funktionen auch über militärische und richterliche Befugnisse. Er leitete die Übungen der Legion und ließ exerzieren. Beim Ausfall des Legaten vertrat er diesen und führte dann den Titel eines Tribunus prolegato

  • Officium des Tribunus Laticlavius

    Galeo Seius Ravilla


    Principia1.png


    Unmittelbar nach seiner Ankunft ließ Ravilla sich sein neues Officium zeigen. Wohlwollend nahm er den Hinweis auf eine Fußbodenheizung zur Kenntnis. Sein neuer Arbeitsplatz lag gleich links neben dem Fahnenheiligtum, während auf der rechten Seite, gespiegelt, das des Legionskommandanten zu finden war, mit dem er künftig eng zusammenarbeiten würde. Ihm wurde bewusst, dass er künftig als zweithöchster Offizier der Legion vorstehen würde, gleichsam als Stellvertreter des Legatus Legionis fungierte.


    Gespannt betrat Ravilla das geräumige, edel eingerichtete Officium. Ein Vorraum, dessen Schreiber es künftig zu überzeugen galt, trennte den geneigten Besucher vom eigentlichen Dienstzimmer des neuen Tribuns.

  • Cinna kam vom Tor. Er wirkte dafür, dass er diesen tristen Dienst versah, guter Dinge. Der Abend dämmerte, doch es war noch nicht zu spät, um sich in der Principia blicken zu lassen. Er trat in das Vorzimmer, wo er sich respektvoll beim Schreiber anmeldete. "Salve, ich bin Legionarius Umbrenus. Ich habe hier einen Brief für den Tribun Seius."

  • Jener fleißige Scriba bat, ihm den Brief auszuhändigen. Hernach durfte Umbrenus Cinna zurück zu seinem Posten gehen. Die meisten Schriftstücke wurden im Vorzimmer durch des Schreibers Hand beantwortet und einzig vom Tribun unterzeichnet, doch einige bedurften der persönlichen Aufmerksamkeit des neuen Offiziers. Als die Sonne den Waldsaum berührte, die welkenden Blätter in rotes Licht tauchte, fand unter anderem auch jenes Schreiben seinen Weg auf den Schreibtisch von Galeo Seius Ravilla, der das dichte schwarze Haar nun kürzer trug und auf Anraten des Legionskommandanten auf das Pudern mit Diamantstaub verzichtete.


    Ad

    Galeo Seius Ravilla

    Tribunus Laticlavius


    Legio XXII Primigenia


    Salve Tribun Seius.

    Ich darf dir mitteilen dass die Reaktion deines Erscheinens und die erfolgte Benachrichtigung dem Legaten sehr erfreut hatte.

    Aus diesem Grund wünscht er dich umgehend zu sehen und auch zu sprechen. Hierfür bist du eingeladen dich morgen zur Mittagsstunde in der Regia einzufinden und persönlich vorstellig zu werden.


    Mfg


    Paullus Germanicus Cerretanus

    Princeps praetorii


    Germania Superior


    Gleich morgen Mittag! Ravilla würde dies und jenes umorganisieren müssen! Mit rauschender Toga eilte er in sein Vorzimmer, diskutierte rege mit dem Scriba, der seinerseits den berstenden Terminkalender konsultierte. Der gute Mann blätterte und verlieh seinem Missfallen lebhaften Ausdruck durch das Runzeln der Stirn. Doch diese Pflicht oblag nun einmal ihm, sei sie machbar oder nicht, da der Legat höchstselbst es so wünschte.


    Ravilla, ein wenig beleidigt ob der zur Schau gestellten Runzeln, verabschiedete sich in den Feierabend, den unglücklichen Schreiber mit der kaum lösbaren Aufgabe zurücklassend, auf Biegen und Brechen diese Lücke zu schaffen, während bereits andere Termine mit der gleichen Anforderung ihren Weg in den Kalender gefunden hatten. Es war Mitternacht, als der Scriba alles organisiert und erledigt hatte, und eher in Richtung Bett kroch, anstatt noch aufrecht zu gehen, während der Tribun in seiner Villa schon den Schlaf des Gerechten schlief.


    Am nächsten Mittag folgten sie beide ihren Pflichten, der Scriba im Vorraum, zerknittert und missgestimmt, Ravilla in der Regia, ausgeruht und bester Dinge.

  • In jenen Tagen ward der junge Tribun zumeist beschäftigt, administrativen Obliegenheiten nachzukommen. Bei der Etablierung der Legio XXII Primigenia in Germania superior hatte es sich nicht um eine bloße Umbenennung gehandelt, sondern um die Versetzung einer ganzen Legio. Ravilla war der erste Tribunus laticlavius dieser Einheit vor Ort und übernahm einen wesentlichen Teil der anfallenden organisatorischen Aufgaben, die damit einhergingen.


    Man versuchte, an die Vernetzungen und Methoden der Vorgänger anzuknüpfen, doch gab es Dinge, die wollte der recht motivierte und feurige Legat anders handhaben, um nicht als passiver Nachahmer zu gelten, und so wurden sie geändert. Für wichtig befunden wurde, wie schon zwischen der damaligen Ala II und der Legio II forciert, eine engere Zusammenarbeit der stationierten Einheiten. Diesen Punkt hielt man für obligatorisch und ausbaufähig. So sollte künftig auch die Classis eingebunden werden. Gemeinsame Übungen sollten fortan nicht Ausnahmen bilden, sondern Regel werden. Die Organisation und Planung dessen legte man vertrauensvoll in Ravillas gepflegte Hände.


    Jene Tätigkeiten aber, die man gemeinhin mit einem Offizier assoziierte und mit direktem Kontakt zu den Soldaten einhergingen, waren ihm hingegen bisher nicht zugefallen. Sicher würde sich dies mit der Zeit ändern, aber noch schien dieser Tag fern. Die meisten Männer seiner Position mögen auf diese Verbannung in ein Büro womöglich pikiert reagiert haben, war das Tribunat doch zugleich Evaluierung ihrer Eignung als Offizier. Ravilla jedoch erblühte in seiner warmen Schreibstube und laborierte gründlich und mit vorzüglicher Laune, während vor seinen Fenstern graue Regenschleier langsam über das kälter und dunkler werdende Germania zogen.


    Bald wurde aus seiner sorgsamen Planung Wirklichkeit.

  • Der Weg von der Porta betrug doch ein längeres Stück, denn die Principia lag im Herzen des Castellums. Bei dem Soldaten, der als Schreiber fungierte, erklärte Cinna, wer die junge Frau war, die er hierher geführt hatte. Der Scriba nickte düster und wies mit dem Griffel auf einen Scherenstuhl, der wohl absichtlich ungepolstert und unergonomisch geformt war. Der Mann war nicht für Geduld und Großmut bekannt, was Gäste betraf, und neigte dazu, aus nichtigen Gründen ein Vorsprechen bei seinem Tribun zu verweigern. Cinna deutete Iunia Matidia mit einem vielsagenden Blick in Richtung des hageren Mannes an, dass mit diesem nicht gut Kirschenessen war.


    "Wünsche viel Erfolg." Damit verabschiedete er sich und ließ Iunia Matidia allein mit dem Schreiber im Vorzimmer zurück. Dieser nahm seine Arbeit wieder auf und beugte sich tief über die Wachstafeln. Nur das Kratzen seines Griffels war noch zu hören, und Cinnas leiser werdende Schritte in der Ferne.

  • Auf dem Weg von der Porta schaute Matidia sich interessiert um. So ein Lager hatte sie noch nie von innen gesehen, die Gelegenheit ergab sich für eine junge römische Frau dann doch eher selten. Viel zu schauen gab es aber durchaus, eine Menge junger, kräftiger Männer, die sie mehr oder minder intensiv musterte. Ihren Mantel zog sie aber doch lieber ein wenig enger um ihre Schultern. Allerdings konnte sie sich auch nicht länger als nötig aufhalten und folgte dem Soldaten zur Principia, wo man schließlich in besagtem Vorzimmer landete.


    Der dort arbeitende Mann wirkte nicht gerade begeistert oder gastfreundlich, daher blieb auch die Iunierin reserviert. Den Wunsch des Soldaten kommentierte sie mit einem selbstbewussten "Hm!", dann setzte sie sich. Wackelte kurz auf dem Stuhl umher und seufzte dann vernehmlich. "Wie lange wird es dauern?", verlangte sie zu wissen. Das war ja nicht auszuhalten. Man könnte ihr wenigstens etwas zu trinken anbieten!

  • Ach, fürwahr: Der Liebreiz der jungen Dame brach sich am schroffen Wesen des Scriba, der sich nicht in eine Diskussion verwickeln zu lassen beabsichtigte. Weder Speis noch Trank wurden Iunia Matidia zuteil. So musste sie darben, den Scherenstuhl unter dem holden Leib gleich einem perfiden Folterinstrument spürend, entworfen für Menschen, welche keinen Besuch zu schätzen wussten. Solch eine Person war der Tribun keineswegs, sehr wohl jedoch dessen Schreiber, der seine Freude allein in der Präsenz von Papyri, Stili und Atramenta fand.


    Kalte Dämmerung zog herauf, als Galeo Seius Ravilla, angetan in seinem Panzer, regentriefend heimkehrte. Der üppige Helmbusch, schillernd in dem Wollweiß, Tannengrün und Nussbraun schönster Naturfarben, stand der Nässe zum Trotz aufrecht, darauf hatte er bei dessen Auswahl geachtet. Gleichsam war die Wahl natürlicher Federfarben ein Signal an sich selbst, denn Ravilla fiel es noch immer schwer, den Prunk und Luxus hinter sich zu lassen, den aus seiner Heimat er ward gewohnt. Hinter ihm, nicht minder vom Regen gezeichnet, ging das fleischgewordene Bildnis persischer Arroganz, der bildschöne Sklave Anaxis, den man problemlos hätte mit der Rolle seines Herrn austauschen können, ohne dass jemand den Unterschied in seinem Auftreten würde bemerkt haben.


    Als Ravilla also eintrat und anheben wollte, mit seinem Scriba über das Wetter und die Übung zu sprechen, welche er geleitet hatte, wies dieser mit dem Stilus mürrisch in eine Ecke. Dort saß eine junge Frau, deren Gesichtsausdruck Ravilla wenig Freude zu entnehmen glaubte. In Gegenwart des Schreibers würde dies auch kein Wunder sein.


    "Welch freudige Überraschung. Ein so holdes Antlitz in diesen Hallen erwartet mich nicht alle Tage." Aufgrund seines ausgeprägten griechischen Akzents mochte Ravilla nicht jederzeit gut zu verstehen sein, wenngleich sein Latein bar aller Fehler war. Aufgewachsen war er mit Koine als Mutter- und Alltagssprache, während Latein ihm nur als Zweitsprache ward unterrichtet. "Mit wem habe ich das Vergnügen und wie kann ich dir behilflich sein?"

  • Böse Blicke. Leidende Laute. Sichtbar werdende Schmerzen im hübschen Hinterteil. Nichts half. Der sadistische Scriba ließ den verwöhnten Spross aus dem fernen Rom hier gnadenlos auflaufen, und es gab wenig, was Matidia mehr zur Weißglut brachte als so eine demonstrativ zur Schau getragene Gleichgültigkeit. Hätte er sich ihr entgegen gestellt (wie ein echter Mann aus ihrer Sicht), ergäbe sich zumindest ein unterhaltsames Wortgefecht, so aber fühlte sie sich ignoriert und es blieb ihr am Ende wenig, als einen Schmollmund zu zeigen.


    Dies änderte sich dann tatsächlich erst, als ein wenig Bewegung ins Officium kam. Jemand kehrte zurück, und ein erster Anblick zeigte schnell, dass es sich nur um einen handeln konnte. Dafür war sie hier!

    "Oh, dies könnte sich bald ändern!" lächelte sie gekonnt und erhob sich. Denn schließlich wollte sie hier bald ein und aus gehen. "Mein Name ist Iunia Matidia. Sisenna Iunius Scato sendet beste Grüße. Ich bin auf der Suche nach einer Unterkunft für mich und meine invalide Mutter." Sie fiel mit der Tür ins Haus aber ihr war auch klar, dass sie nicht viel Zeit hatte bei so einem Mann. Der passende düstere Gesichtsausdruck fand sich.

  • "Salve, Iunia Matidia. Ich bin höchst entzückt." Ravilla rieb sich nachdenkend das makellose Kinn, von welchem jedes einzelne Barthärchen durch geduldiges Zupfen entfernt worden war, so dass auch des Abends kein Bartschatten sein Gesicht verunzierte. Die beinahe schwarzen Augen des Tribuns ruhten auf dem Fräulein, welches ein wenig Missmut in dem zarten Gesichtlein erahnen ließ.


    "Die Domus Iunia scheidet folglich als Unterkunft aus? Nun, ich wäre geneigt, dir und deiner Mutter ein Zimmer in meiner Villa hier in der Castra zur Verfügung zu stellen, so dir bewusst ist, dass ich wenig private Zeit werde erübrigen können, mich um dich und deine Angelegenheiten zu kümmern, so sehr ich dies auch gern würde. Das Tribunat erfordert einen wesentlichen Teil meiner Aufmerksamkeit, wenn ich eines Tages den Weg in den Senat beschreiten möchte. Doch begleite mich gern, du bist sicher hungrig und durstig?"

  • Dass die Leute von ihr entzückt waren, auf diese Wirkung legte die junge Frau es eigentlich immer an, denn dann waren sie weitaus zugänglicher, als sonst. Leider gelang ihr dies nicht immer, denn viel zu oft war sie schlicht zu direkt, dreist und vorlaut. Bei Respektspersonen mit ein wenig Einfluss wusste sie sich aber zum Glück meistens zu benehmen.


    "Ich werde mich in der Domus Iunia aufhalten und meinen Teil beitragen, sie ein wenig wohnlicher zu machen. Nur hätte ich gerne meine Mutter in Sicherheit und gut versorgt gewusst. Und da erscheint mir diese Villa erst einmal geeigneter. Hab also bereits jetzt vielen Dank." Sie lächelte zufrieden. "Durst habe ich. Und ich hätte auch nichts gegen eine Kleinigkeit zu essen." Das lief doch ganz gut! Natürlich würde sie ihm folgen, wenn er den Weg wies.

  • "Es wird dir nicht an Speis noch Trank mangeln, und für deine Mutter wird man sorgen. Niemand soll sagen können, Tribun Galeo Seius Ravilla würde geizen. Wohlan, denn." Ravilla führte seinen bezaubernden Gast auf direktem Wege in seine für den durchschnittlichen römischem Geschmack kitschige, doch dafür äußerst repräsentative Unterkunft.

  • Von der Poststelle brachte Cinna den Brief ins Vorzimmer des Tribuns und gab ihn bei dessen Scriba ab:


    Ad


    Galeo Seius Ravilla

    Tribunus Laticlavius


    Salve, Tribun.


    Der Legat ist bereit dich zu empfangen.

    Gier für finde dich bitte pünktlich am morgigen Tag zur siebenten Stunde bei ohm ein


    Vale


    Paullus Germanicus Cerretanus


    Princeps Praetori Germanica Superior

  • Von seinem Scriba wurde Ravilla über die Einladung unterrichtet. Glücklicherweise hatte der fleißige Mann gleichsam die übrigen Pflichten des Tribuns um diesen bedeutsamen Termin herum arrangiert, so dass demselben nichts im Wege stand. Am folgenden Tag machte Ravilla sich zu gebotener Stunde auf den Weg in die Regia, um erneut den mächtigsten Mann der Provinz zu treffen.

  • Die Tage nach dem Abschlussgespräch mit dem Caesar sowie dem Legatus Augusti Pro Praetore verbrachte Ravilla damit, seine Angelegenheiten zu ordnen. Da er sorgfältig gearbeitet hatte, ging es hier vor allem darum, offene Angelegenheiten entweder zu beenden oder so aufzubereiten, dass sein Nachfolger sich problemlos einzuarbeiten vermochte.


    Unter anderem wies er seine Mitarbeiter an, das Archiv durchzugehen und zu ordnen, wo sich stets kleinere Akkumulationen an offenen Angelegenheiten anzustauen pflegten, wenn Ravillas Aufmerksamkeit für eine Weile anderweitig gefragt war. Für den Tag vor seiner Abreise organisierte er bereits heute eine Grundreinigung, bei dem auch die Möbel in die Mitte des Raumes geschoben, die Feuerschalen geschrubbt und die Vorhänge gewaschen werden sollten. Einige kleinere Reparaturen, wie ein nicht ganz dicht schließendes Fenster, veranlasste er ebenfalls.


    Seine Heimreise wollte mit gutem Gewissen antreten.

  • Der Tag des Abschieds war gekommen. Ravilla betrachtete das Officium zum letzten Mal, ehe er sich von dem oft ergrimmt anmutenden, aber probaten Schreiber im Vorzimmer verabschiedete. Mit seiner Entourage und voll guter Hoffnungen im Schlepptau, begab Ravilla sich auf seine Reise nach Rom.

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