Die Zelle der Flavia Philotima | Die Sterne des Himmels fielen herab auf die Erde

  • Als wenn ein Feigenbaum, geschüttelt vom Sturm, seine Früchte abwirft. Die Sonne ward schwarz gleich dem Trauergewand. Der Mond rot wie Blut.


    Tage und Nächte fließen ineinander. Was ist Wachen, was ist Traum? Wie lange mag es her sein, dass Philotima und ihr Mitbruder Molliculus, anfangs gemeinsam eingekerkert, voneinander getrennt wurden. Sie vermag es nicht zu sagen.
    Philotima betet. Rastlos. Immerzu sieht sie das Verderben welches über die Stadt kommen wird. Welches die Welt verschlingen wird. Zu wenige. Viel zu wenige haben die Augen geöffnet. Das Licht erblickt.
    Verblendung herrscht. Machtlos sind ihre Götzen. Und kopflos. Da stiehlt sich ein leises Lächeln auf Philotimas blutleere Lippen. Niemals hat sich etwas so gut angefühlt, wie das Brecheisen in ihren Händen.


    Die Märtyrerin Leontina wurde mit Dornen gegeißelt und enthauptet. Der frommen Cynthina Hände und Füße abgeschnitten. Die tapfere Theodora wurde, nachdem die wilden Tiere davor zurückschreckten, sie zu zerfleischen, zwischen Mühlsteinen zerquetscht.
    Was ist dagegen die Gefangenschaft. Die Unbill des Leibes, Philotima erträgt sie gefasst. Und wenn die Sehnsucht nach einem Bade... nach klarem Wasser auf der Haut... einem sauberen Gewand... Reinheit... übermächtig wird, dann erinnert sie sich daran: die Züchtigung des Fleisches ist die Läuterung der Seele.

  • Verhör der Flavia Philotima


    Die Macht des Schweigens war bei dieser Gefangenen nun wirklich zu Genüge ausgekostet worden. Das lag zum Teil auch daran, dass in der Zwischenzeit ein prätorianischer Bote die Reise in die Stadt Amastris angetreten hatte, eine gewaltige Wegstrecke, um dort zu überprüfen, ob die Delinquentin tatsächlich von dort kam, beziehungsweise was dort gegebenenfalls über sie bekannt war.
    Aus dem Nichts heraus ließ ich sie zum Verhör holen, erwartete sie auf die übliche Weise, die Fackeln in meinem Rücken, so dass das Licht ihr grell in die Augen stechen würde.
    Sachlich ließ der Miles sie auf dem Schemel vor meinem Tisch Platz nehmen.
    Mit entspanntem Gebaren auf meinem Stuhl zurückgelehnt betrachtete ich die hagere Frau, studierte in stummem Abscheu die Linien des Fanatismus in ihren Zügen.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Wie ein Vorhang senken sich die Lider der Philotima herab. Beschirmen sie vor dem trügerischen Licht, vor dem Schattenriss des Mannes davor, schwarz und gesichtslos. Rötliches Adergeflecht und goldene Funken tanzen vor den geschlossenen Augen.
    "Der Widersacher wird einige von euch ins Gefängnis werfen." spricht sie sanft.
    Und: "Ihr werdet in Bedrängnis sein. Zehn Tage lang."
    Zehn Tage?
    Zögernd öffnen sich die Augen. Blinzeln. Fester wird ihre Stimme.
    "Sei treu bis in den Tod, dann werde ich dir den Kranz des Lebens geben."
    Schweigen. Kälte sickert aus den Mauern, sickert aus den ebenso steinernen Gestalten der Soldaten in diesem Gefängnis. Philotima zieht ihr Umschlagtuch um sich, unwillkürlich.


    "Tiefe Nacht ist es bei euch. Tiefste Nacht verbreitet ihr. Ist euch nicht kalt? Wer bist du? Ist dir denn nicht kalt?"
    Sie stockt, strafft ihre knochigen Schultern, und wirft den Kopf zurück.
    "Ich verlange mein Recht: Meine Botschaft ist für den Geringsten wie für den Höchsten. Ich bin Flavia Philotima, Tochter des Titus Flavius Philotimus, Enkelin des Tiberius Flavius Animus, aus kaiserlichem Geschlecht. Das Gift rinnt in meinen Adern. Das Blut befleckt uns auf ewig, der Völker, die unter dem eisernen Tritt unserer Legionen den Tod fanden. Ich habe eine Botschaft zu überbringen, und es ist keine Zeit mehr! Verwehre mir nicht mein Recht: Ich muss den Kaiser sprechen."

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