• Am heutigen Tag stand eine Besichtigung des Praefectus Urbi, samt Architekt, Bauleiter und diversen Schreibkräften sowie Aktenträgern auf dem Programm, wofür Menecrates den frühen Vormittag auserkoren hatte. Außentermine boten sich um diese Tageszeit an, um nicht in der glühenden Hitze Gewerke begutachten zu müssen, bei denen es nicht um eine Kontrolle pro Forma, sondern um eine Überprüfung im Sinne von zeitigem Eingreifen soweit notwendig ging. Entwürfe mochten auf dem Papier optimal und fehlerfrei erscheinen, aber ob sie der Wirklichkeit standhielten, musste sich erst erweisen.

    Während der Architekt und der Bauleiter zum Vorarbeiter gingen, um die Materiallage zu besprechen, verblieb Menecrates vor dem Tor, oder dem, was zukünftig ein Tor werden wollte, denn bislang deutete nur eine Aussparung in den ersten Steinreihen der Wehrmauer auf selbiges hin. Um einen besseren Überblick zu haben, trat der Praefectus sogar einige Schritte zurück, begutachtete den bisherigen Bau und strich sich nachdenklich über das Kinn. Danach beschloss er, ungeachtet des unbefestigten und von Bauabfällen verunreinigten Randstreifen, den Bauplatz zu umrunden. Die meiste Zeit seines Soldatenlebens legte der Claudier ungeachtet seines Standes Strecken über staubige Böden zurück, weil es in freiem Gelände selten befestigte Straßen gab. Schuhe konnten ausgewechselt und Füße gewaschen werden.

    Als er bei den Männern um Ferox vorbeikam, nickte er ihnen kurz zu, bevor er - die Mauer betrachtend und den Abstand zum daneben stehenden Wohnblock prüfend - weiterschritt. Beim Tor angekommen, schickte er einen der ihn begleitenden Miles mit dem Auftrag zum Architekten, dieser möge zu ihm kommen. Als dieser eintraf, hob Menecrates zur seitlichen Mauer weisend die Hand.

    "Es ist schön, dass du den Bauplatz optimal ausnutzen möchtest, aber hier entsteht ein Militärlager und kein Kinderspielplatz." Seine Hand wies entlang der Fassade des vorderen Häuserblocks bis hoch zu dessen Dachgeschoss. "Ein Militärlager sollte schwer bis gar nicht einnehmbar sein. Von diesem Haus ist es selbst mir möglich, mich ins Castellum abzuseilen." Er übertrieb, denn der Sprung über die zukünftige Mauer erforderte außer Schwung auch eine sportliche Fitness, über die er nur noch eingeschränkt verfügte, aber das tat nichts zur Sache.

    "Wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass es zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen geben muss. Ich möchte hören, welche."

  • Als der Praefectus Urbi angekündigt wurde, legten die Soldaten das Werkzeug beiseite und standen stramm, die Offiziere grüßten für ihre Einheit. Ferox erwiderte das persönliche Nicken des Claudiers. Er wusste nicht, wie er zu dieser Ehre kam, freute sich jedoch. Kaum dass der Präfekt fort war, musste das gezischte "Schleimer" aus dem Munde von Asper natürlich sein. Ferox rempelte ihn mit grimmigem Grinsen an und dann ging es weiter mit der Arbeit. Inzwischen konnte sich das Resultat sehen lassen.

  • Der Architekt fühlte sich unwohl, weil er sich zum einen an der Ehre gekratzt fühlte und zum anderen nicht schätzte, dass er sich rechtfertigen musste, aber er sah die Notwendigkeit der Nachfrage ein und verbuchte sie nicht unter Schikane.

    "Es sind sehr hohe Mauern vorgesehen und ein kleiner Graben sollte auch noch Platz finden, allerdings ist der Bauplatz für die Wunschgröße der Castra knapp bemessen." Für diesen Umstand konnte er nichts, womit der Ball in den Händen des Praefectus Urbi lag.

    "Natürlich braucht es ein Mindestmaß an Platz, wenn eine gesamte Kohorte aufgenommen werden soll, aber wir können unmöglich an der Sicherheit Abstriche machen", erwiderte Menecrates neutral, wobei er innerlich Ärger verspürte. Er betrachtete nochmals den Teil der Anlage, der nicht nur den weitesten Baufortschritt zu verzeichnen hatte, sondern auch eine halbwegs akzeptable Entfernung vom nächsten Wohnblock, bevor er die andere Seite der Castra begutachtete.

    Er schüttelte den Kopf und wartete, bis der Architekt zu ihm aufgeschlossen hatte.

    "Hier findet nicht einmal ein schmaler Graben Platz", stellte er fest. "Ein schmaler Graben ist außerdem ein Witz, denn er bietet keinen Schutz. Folgendes: Ich erwarte schnellstmöglich eine Lösung. Entweder die Häuser entlang der linken Längsseite werden geräumt und abgerissen, oder wir müssen mit der Mauer ein Stück nach innen rücken, was bedeutet, dass wir weniger Platz haben und die fertigen Fundamente umsonst errichtet wurden."

    Menecrates ärgerte sich auch über sich selbst, weil er zwar die Entwürfe kontrolliert, aber deren Einbindung in die Umgebung nicht überprüft hatte.

    Der Architekt breitet die Arme aus. "Die weitaus teurere und zeitintensivste Variante wäre der Abriss, weil den Bewohnern Alternativen geboten werden müssten, der Abbruch Zeit kostet und außerdem durchschnittliche gute Bausubstanz zerstört wird. Mein Vorschlag wäre, um die Staatskasse nicht zusätzlich zu belasten, das Castragelände zu komprimieren. Die Kosten für die bereits gesetzten Fundamente sind überschaubar." Er schwieg aus Sicherheitsgründen, aber auch, um dem Präfekten das Wort zu gönnen.

    Die Ausführungen klangen plausibel und Menecrates nickte. "Ihr rückt soweit mit der Mauer nach innen, dass ein ordentlicher Graben inklusive Wall und vorgelagertem schmalen Graben Platz findet, allerdings keinen Doppelschritt weiter als nötig." In Kombination mit einer hohen Mauer sollte die Castra dann den üblichen Anforderungen an die Sicherheit genügen.

    "In einer Woche sehe ich mir die Fortschritte an", sagte er abschließend, wandte sich mit seinem Gefolge um und trat den Rückweg zur Castra Praetoria an.

    Zeitgleich strebte der Architekt der Baukolonne zu, die an der betroffenen Seite arbeitete.

    "Steine ablegen, Maurerkellen zur Seite, Messlatten schnappen und neues Schnurgerüst einmessen. Die Mauer verlagert sich fünf Doppelschritte nach innen. Los geht’s!"

  • "Neues Schnurgerüst einmessen?" Ferox blickte fragend in die Runde. Er verstand nicht gleich, was der Prafectus Urbi von ihnen verlangte, nur, dass ihre Arbeit anscheinend für die Katz war. Aber da sie nach Zeit bezahlt wurden und nicht nach Leistung, war ihm das egal. Er hätte die gesamte Castra auch zehn mal aufgebaut und wieder abgerissen. Außerdem mochte er handwerkliche Arbeiten.


    "Na dieses Dingsda, mit den Querstücken und so." Asper fuchtelte mit dem Zeigefinger, um seine Gedanken zu veranschaulichen. "Dieses Gestell, was da vor Baubeginn stand. Der Kamerad dort weiß, worauf man achten muss. Er hatte das angeleitet." Er zeigte auf jemanden.


    "Für die sogenannte Feinabsteckung", präzisierte Ramnus. "Es gibt sogar Absteckpläne."


    So, wie er das sagte, klang es extrem unanständig. Aber Ferox begriff endlich, was gemeint war. "Das Schnurgerüst einmessen", wiederholte er, um sich die Formulierung einzuprägen.


    "Genau, das Schnurgerüst einmessen", bestätigte Asper.


    "Dann mal los, wir tragen schon mal die Mauer ab, während das Areal neu abgesteckt wird." Und damit begann die Arbeit wieder von vorn.

  • Der Vorarbeiter murrte und schnaufte mehrmals durch, nachdem der Praefectus Urbi gegangen war, bevor er sich zur Maurergruppe auf der betreffenden Seite umwandte. Er schritt zügig, vom Ärger angestachelt, aber ihm wurde klar, dass der Unmut den verunglückten Zeitplan nicht wieder geraderückte. Vorerst behielt er das Zeitproblem für sich, damit die Qualität nicht unter einer unnötigen Hektik litt.

    "Milites, ihr habt es vielleicht gehört, die Mauer muss eingerückt werden, um für Wall und Graben Platz zu machen. Wir befinden uns in Stadtnähe, also reichen uns die Mindestanaforderungen. Das heißt: Breite elf Fuß, Tiefe sieben Fuß, aber zunächst brauchen wir nur das Breitenmaß. Erst wenn die Mauer steht, wird der Spitzgraben ausgehoben."

    Er überschlug den erforderlichen Platzbedarf mittels Schrittlängen. Als er sich umdrehte, wies sein Zeigefinger nach unten.

    "Hier wird das neue Fundament errichtet. Ab hier - elf Fuß weiter - befindet sich der später ausgehobene Graben, und damit das bisherige Fundament nicht ganz umsonst war, wird darauf ein kleiner Wall errichtet, der wiederum von einem schmalen Graben gesäumt ist."

    Er winkte den Männern zu, die mit Gerüst und Schnüren auf Anweisungen warteten, und beaufsichtigte das Einmessen. Ab und zu warf er einen Blick zu den Soldaten, die die angefangene Mauer abtrugen.

    "Den Mörtel von den Steinen klopfen, bevor ihr sie aufstapelt. Platzsparend stapeln, wenn ich bitten darf." Er musste nicht bitten, er konnte befahlen, aber auf einer Baustelle herrschte zuweilen ein vom Exerzierplatz abweichender Ton.

    Als die neuen Abmessungen standen, trat der Vorarbeiter zum Maurertrupp und Hilfsarbeitern. "Die Hälfte von euch erledigt hier den Rest, die anderen kommen mit. Ich möchte heute noch einen Maueranfang sehen. Die nächste Runde Posca geht auf mich." In Anbetracht der Hitze samt fehlendem Schatten hielt er die Aussicht für verlockend.

  • "Jawohl", bestätigte Ferox, als der Dienstälteste im Trupp, für sie alle den Befehl des Praefectus Urbi. Der machte durchaus Sinn, denn schlecht abgeputzte Steine neigten dazu, beim Zwischenstapeln zusammenzukleben. Während Tarpa die Steine wieder von der Mauer hob, schaute er sich nach einem neuen Platz um, wo sie diese zwischenlagern wollten.


    Ferox, Asper und Ramnus nutzten die Gelegenheit, den Vorarbeiter zu begleiten. Die Aussicht auf Posca stieß in der Tat auf Begeisterung.

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