Turma II - Unterkunft des Decurio Publius Matinius Sabaco

  • ... der pünktlich zum vereinbarten Termin an die Tür der Unterkunft des Decurios klopfte.

  • Sabaco öffnete eigenhändig die Tür. Niemand außer ihnen war hier. "Komm rein."


    Die Unterkunft war angenehm warm und beheizt. Sabaco vergeudete keine Zeit. Kaum war Scato eingetreten und die Tür verschlossen, führte er ihn ins Cubiculum. Dort zog er die Tunika aus und legte sich rücklings auf sein Bett, so wie er das die letzten Male immer hatte tun sollen. Indem er Scato diese Narben zeigte, gab er ihm eine große Macht über sich, was sonst eher nicht in Sabacos Sinne lag. Er schloss die Augen und wartete, seine Nervosität herunterkämpfend.

  • Scato war zufrieden mit dem, was er sah: Sabaco hatte Wort gehalten. Keine neuen Schnitte an Bauch, Brust, Flanken oder Oberschenkeln. Scato untersuchte einige der tieferen Schnitte, die ihm beim letzen Mal Sorgen bereitet hatten. Einige der wulstigen rosa Narben waren aufgeplatzt gewesen und hatten genässt, doch waren nach der Behandlung nun gut verheilt. Bald würden die Spuren der Selbstverletzung verblassen, auch wenn Sabaco die Spuren seines Leids für den Rest seines Lebens auf dem Körper tragen würde.


    "Das sieht doch gut aus. Ich freue mich, dass du dein Versprechen gehalten hast." Vorsichtig trug Scato mit dem Finger auf jeden Schnitt eine Salbe auf. Da er wusste, dass Sabaco die Behandlung gut tat, ließ er sich dabei Zeit, jede einzelne Narbe mit dem Finger entlangzustreichen. Leider roch die Salbe intensiv, doch dafür half sie. "Die Salbe habe ich auf Basis von Olivenöl, mit Auszügen von Sommerzwiebel, Thuja und Rosmarin gefertigt. Hinzu kommen ein paar Mineralien, die ich für mich behalte. Die Salbe macht das Gewebe geschmeidig, damit die Narben nicht spannen. Sie verhindert auch, dass sie in Zukunft noch einmal aufreißen. Ich lasse dir die Dose da. Du kannst sie zwei Mal am Tag auftragen, wenn du das Gefühl hast, die Narben wären zu straff oder wenn sie dir schmerzen. Es dauert allerdings eine Weile, bis die Salbe eingezogen ist. Muss es schnell gehen, würde ich an deiner Stelle noch eine Untertunika anziehen, da die Flecken schwer rausgehen."


    Als Scato mit dem Auftragen fertig war, schraubte er die kleine Holzdose wieder zu und stellte sie Sabaco auf den Tisch. Dann setzte er sich wieder neben seinen Patienten, während dieser warten musste, bis die Salbe einwirkte. "Wie geht es dir denn? Und wie hast du es geschafft, mit dem Schneiden aufzuhören?"

  • "Mir geht es gut." Eine glatte Lüge, wenn man einen größeren Zeitraum ansetzte. Doch für den Moment die Wahrheit, denn Sabaco fühlte sich mit seinen Sorgen ernstgenommen und wohlbehütet. Wenn einer die Bezeichnung als Heiler verdiente, dann Scato. Seine Augen hielt er während der entspannenden Behandlung geschlossen. "Riecht wie was zu Essen", kommentierte er den Geruch der Salbe. "Wie irgendeine Soße."


    Ohne Übergang fuhr er fort: "Dass ich mit dem Schneiden aufgehört habe, würde ich nicht sagen. Aber ich lege eine Pause ein." Weil es ihm nahe gegangen war, wie erschüttert der Heiler darauf reagiert hatte, was Sabaco sich selbst antat. Das war der einzige Grund. Dass jemand sich derart um ihn sorgte. Doch er ahnte, dass Scato die ausweichende Antwort nicht zufriedenstellen würde. So fügte er hinzu: "Manche sagen, man gewöhnt sich an alles. Das würde ich nicht unterschreiben. Aber es gelingt mir inzwischen besser mich abzulenken von den Dingen, die mich umtreiben. Ich habe im Moment einen Trupp vielversprechender Tirones, unter ihnen auch dein Verwandter Faustus Iunius Rupa. Tüchtiges Kerlchen, ehrgeizig, noch ein wenig ungestüm, doch das wird alles mit der Zeit. Die halten mich gut auf Trab."


    Er malte ein wenig mit dem Kiefer. Er benötigte alle Kraft für die Operation Sommergewitter, um Ocella zu retten, koste es, was es wolle, und diese Tirones würden ihn begleiten. Bei den Göttern, er würde den letzten Fährmann mit dessen eigener Robe erwürgen, um seinen Bruder zurückzuholen, wenn er nur wüsste, wo der Kleine war! Bei dem Gedanke durchlief ein Zittern seinen Körper, dann lag er wieder ruhig, die Augen noch immer geschlossen. "Du kitzelst mich", behauptete er.

  • "Wie denn, wenn ich schon lange fertig bin." Er deckte Sabacos Beine fürsorglich zu bis dorthin, wo die eingesalbten Schnittnarben begannen, damit der Decurio nicht unnötig auskühlte, obwohl es schön warm in dem Raum war. "Bevor es dir das nächste Mal in den Fingern juckt, melde dich bitte rechtzeitig bei mir. Du kommst niemals ungelegen, ich nehme mir gern die Zeit."


    Das konnte nicht jeder Patient von sich behaupten, doch abgesehen davon, dass Scato dem Decurio gern helfen wollte, der einen ewigen Kampf gegen die gesamte Welt ausfocht, war auch dessen Krankheitsbild für ihn Neuland und er wollte herausfinden, was gegen diese Art des Leidens half, um später auch anderen helfen zu können. Er hatte diese Art Narben schon bei anderen gesehen, war aber ratlos gewesen. Inzwischen meinte er, das Krankheitsbild besser zu verstehen.


    Draußen tönte irgendein Tumult. Scato lauschte auf das Rufen, Türen und Fenster wurden geöffnet. Doch ein Alarmsignal erklang nicht. Auch er trat ans Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Die Rufe, die er vom Wall hörte, ließen ihn breit lächeln. Er schloss das Fenster wieder.


    "Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Sabaco: Zieh dich mal an und mach dich auf den Weg zum Tor."

  • "Eigentlich habe ich keine Lust." Wer wusste schon, wann der Heiler mal wieder Zeit fand. Doch als er dessen Blick sah, hatte er das Gefühl, dass er vielleicht doch mal nachschauen sollte. Sabaco trat nackt ans Fenster, öffnete es wieder und schaute raus. "Was für ein Gerenne und Geschrei", brummelte er. "Es scheint gute Neuigkeiten zu geben."


    Vielleicht erhielt die ganze Ala eine Prämie vom Caesar oder es gab einen zusätzlichen freien Tag. Hoffentlich jedenfalls nichts, was für ihn mit organisatorischem Aufwand verbunden war. Aber Scato hatte Recht, als Decurio musste nachschauen gehen, was da los war. Noch immer grinste Scato vor sich hin. Typisch Prätorianer - wusste genau, was los war, aber sagte es nicht.


    Misstrauisch zog Sabaco seine Tunika über. Als er gerade die Caligae anziehen wollte, hörte er aus dem Gebrabbel draußen vor dem Fenster drei Worte: "Die Turma Prima!"


    Sabaco fielen die Sandalen aus der Hand. Er riss die Tür auf, die nächste auch. Er nahm sich nicht die Zeit, sie hinter sich zu schließen. Barfuß und nur in Tunika rannte er durch den Winter, derart schnell war er noch nie durch das Lager gesprintet. Der Schlamm spritzte ihn von oben bis unten voll, Haferspelzen und Steine stachen in seine Fußsohlen, doch nichts hätte ihn weniger kümmern können. War sein kleiner Bruder am Leben? Ging es ihm gut? Sabaco rannte wie ein Irrer.

  • Scato war unschlüssig, ob er warten sollte. Die Brüder hatten einander sicher viel zu erzählen und Scatos Zeit war kostbar. Andererseits ahnte er, dass Sabaco es nicht gut auffassen würde, wenn er einfach ging ohne sich zu verabschieden. Der Decurio war dahingehend etwas sensibel. Scato wollte also zumindest eine Notiz hinterlassen, sehr liebenswürdig und freundschaftlich formuliert.

  • Ocella verschaffte sich ohne Anklopfen Zugang zur Stube. Es roch streng, es war kalt. Unter der viel zu dünnen Decke bibberte Sabo um sein Leben. Ocella schicke Ansgar los ein paar Felle und eine Feuerschale zu holen.

    Er zog die Decke weg und fühlte einen schweißnassen Sabo in kalt klammer Bekleidung. Nicht ohne Sorge entkleidete er ihn unter Mühen, wusch ihn mit warmen Wasser welches einer der Kameraden gebracht hatte und während man das Lager mit sauberen Fellen auslegte wurde die Feuerschale, bereits mit glühenden Scheiten hereingebracht.

    Bald war Sabo sauber und in frischer Gewandung, mit Wadenwickeln und einem Kräuterlappen auf der Stirn, eingewickelt in frischen Lacken und Fellen. Ocella legte etwas Weihrauch in die Flammen. Er wachte bei seinem Bruder, öffnete immer wieder das Fenster um die Luft zu reinigen, Immer wieder wechselte er die Wickel und träufelte Sabo Hühnerbrühe ein.

    Er rang ihn nieder wenn sich dieser in Fieberträumen aufbäumte. Immer und immer wieder...während immer wieder eine gute Seele die Feuerschale versorgte oder sonst wie nach dem Rechten sah.

  • Die gute Seele war Scato. Er brachte Ocella alles, was er benötigte, um sich um den Patienten zu kümmern. Bei seinem Bruder war der Decurio in besten Händen, auch wenn er vermutlich liebend gern protestiert hätte, damit "der kleine Ocella" ihn nicht in diesem erbarmungswürdigen Zustand erlebte. Momentan zeigte er jedoch keine Anzeichen von Bewusstsein. Die Krämpfe und die Ohnmacht bereiteten Scato Sorge.


    Er wusste nicht, ob Ocella ihn kannte, aber er selbst wusste, wen er vor sich hatte. Sicherheitshalber stellte er sich vor: "Ich bin Optio valetudinarii Sisenna Iunius Scato von den Cohortes Praetoriae, ich bin so eine Art Leibarzt deines Bruders." Scato stellte eine dampfende Schüssel so, dass niemand versehentlich darüber stolpern oder sie umreißen konnte. "Hier hast du einen frischen Sud aus Weidenrinde, der wirkt auch in warmem Zustand kühlend. Ich habe das Wasser gründlich durchgekocht, damit die Rinde besser zieht. Damit kannst du die Lappen und Wickel tränken. Zum Trinken ist er ebenfalls geeignet, ist allerdings nicht sehr wohlschmeckend."


    Außerdem legte er einen Stapel frischer Kleidung und Leinentücher bereit und packte die Schmutzwäsche zusammen, von der sich in kürzester Zeit sehr viel angesammelt hatte. Nachdem er die Feuerschale mit neuem Brennmaterial befüllt hatte, gab er Weihrauch hinzu, das gegen Miasmen wirkte. Da Sabaco in den besten Händen war, die er sich vorststellen konnte, wandte Scato sich wieder zum Gehen.

  • Warum Fieberträume immer Alpträume waren, wussten allein die Götter. Vielleicht war es eine Folge der Schmerzen. Seltsamer Weise waren es nicht die Gräuel des Krieges, die ihn heimsuchten, sondern die Grundausbildung mit ihren endlosen Gewaltmärschen und irgendwelchen dienstälteren Kameraden, die einen bei Fragen wie einen Trottel behandelten, weil sie in jedem Neuen einen künftigen Rivalen sahen. Aber da war irgendwann auch Nero, der mit einem Schiff und einer Laterne auf ihn am Ufer des Rhenus wartete. Sabaco zögerte, das Schiff zu betreten, weil er sein Gepäck vergessen hatte. Und wieso wartete Nero überhaupt auf ihn, wohin wollten sie? Sabaco sagte, er müsse das mit seinem Vorgesetzten klären und ging wieder.


    Als Sabaco das erste Mal seit langer Zeit die Augen wieder aufschlug, schien die Frühlingssonne zum Fenster herein. Verwirrt blinzelte er. Draußen zwitscherten die Vögel. War nicht Winter gewesen? Irritiert versuchte er, sich aufzusetzen. Dabei entdeckte er dichten, schwarzen Haarwuchs an seinen Beinen. Ein Griff ins Gesicht offenbarte einen Bart, der ihm wohl kaum über Nacht gewachsen war. Die Unterarme sahen auch nicht besser aus, was für ein barbarischer Pelz, den könnte man abziehen und vor den Kamin legen. Aber neben dem Bett saß Ocella.


    Da saß tatsächlich Ocella. Sabaco wollte grinsen, merkte aber, dass ihm diese kleine Bewegung im Gesicht schwer viel, als hätte er sie verlernt. "Hast du gewartet, bis du mich endlich los bist", krächzte Sabaco seinen ersten schlechten Witz seit vielen Tagen. Ein zweites Mal versuchte er, sich aufzusetzen. Diesmal gelang es.

  • Ocella nickte dem Praetorianer zu, obwohl er nicht verstand was er mit Leibarzt seines Bruders meinte,...

    Die Tage zogen ins Land und irgendwann fand Sabo einen ruhigen Schlaf. Ocella bat einen der Kameraden bei ihm zu bleiben. Seit Tagen war er nicht von seinem Lager gewichen. Dementsprechend sah er aus und roch ganz erheblich nach allerlei Räucherwerk und Ausdünstungen. Nach einer dreistündigen Tour durch die Lagertherme war er wieder einigermaßen auf dem Damm und löste den Kameraden am Bett Sabo´s wieder ab. Gerade schob er sich einen Löffel Gemüsesuppe mit fettigem Hühnchen in den Mund als Sabo aufwachte und ihn krächzend ansprach.

    Ocella sah den Haufen Elend vor ihm an, schüttelte den Kopf und schob sich einen weiteren Löffel in den Mund.

    Er beobachtete, scheinbar teilnahmslos, wie sich Sabo mühte aufzustehen.

    Ruhig nahm er einen weiteren Löffel, platzierte ein Kissen an die Wand und lehnte Sabo dagegen.

    Hunger? fragte er schlicht und ignorierte die Bemerkung Sabo´s ...wie immer.

  • Sabaco brummte, als er gegen das Kissen gelehnt wurde. Eigentlich freute er sich über die Geste, besonders, weil er nicht damit gerechnet hatte. Aber über Ocellas teilnahmslosen Gesichtsausdruck freute er sich weniger. Dabei hatte Ocella ein sehr schönes Lächeln. Sabaco lehnte sich tiefer ins Kissen, versank ein Stück darin. "Was ist denn los", brummte er. "Irgendwelche neuen Horrormeldungen? Und ja, ich habe Hunger."

  • Kaum wieder lebendig, schon wieder fordernd und grantig, dachte sich Ocella seinen Teil. Er gab Sabo die Schüssel mit der nicht mehr allzu heißen Hühnersuppe, brach ein Stück Brot und reichte es ihm nach. Tunk´es ein...meinte er und erhob sich um das Fenster zu öffnen.

    Beim Aufstehen bemerkte er, daß ihm die Knie zitterten. Sein ganzer Körper war eine Quelle des Schmerzes. Alles tat ihm weh. Langsam öffnete er das Fenster und sog die frische Morgenluft ein. Es war überstanden, hoffte er.

    Es gibt keine Horromeldungen, ...der Limes steht noch...also...er wandte sich um und sah seinen Bruder kurz an.

    Die Pflicht ruft,...ich sage diesem Scato Bescheid, daß er noch einmal nach dir sieht.

    Er nickte Sabo noch einmal zu und verließ dann die Unterkunft. Nachdem er die Türe wieder zugezogen hatte bog er den Rücken durch und stöhnte ein wenig ob der Spannungsschmerzen.

    Kurz darauf erblickte er Fango und winkte ihn zu sich heran.

    Dein Decurio ist auf dem Wege der Besserung,...geh´ud sag´diesem Praetorianer,...ääh...Scato Bescheid, er soll nach ihm sehen,...und ab!

    Es war ihm ziemlich egal was Fango zur Zeit machte, er wollte die Verantwortung abgeben und sich wieder auf die Suche nach potentiellen Kandidaten für die Prima machen.

    Es gab noch viel zu tun und er war dermaßen durch...

    Als er die Baracke verließ durchstieß die Morgensonne die Wolken und strahlte ihm warm entgegen, gerade so als wolle sie ihn begrüßen.

    Ocella lächelte und machte sich auf den Weg zu seiner Turma.

  • Fango kam gerade mit seiner reparierten Schwertscheide vom Armamentarium zurück. Auf dem Weg zur Baracke musste er auch an der Unterkunft seines Decurios vorbei, so dass Ocella das Glück hatte, ihn beim Vorbeigehen anzutreffen. "Scato? Das ist mein Bruder", erklärte Fango, weil Ocella das nicht zu wissen schien. Der Vexillarius wirkte wenig gut gelaunt. Fango hatte schon mitbekommen, dass das Verhältnis zwischen ihm und Sabaco nicht das Beste war. Er selbst kam mit Scato bestens zurecht, seit sie nicht mehr unter dem Einfluss ihrer Mutter standen und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen konnten.


    "Ich werde ihm Bescheid geben." Wahrscheinlich wäre das unnötig, da Scato sowieso ständig nach Sabaco sehen ging. Das geschah in seiner Freizeit, denn als Prätorianer war er nicht für die Wehwehchen der Ala zuständig. Irgendwas heckten die beiden aus, vielleicht hing es mit der Operation Sommergewitter zusammen?


    Fango machte sich auf den Weg, um erstmal seine Ausrüstung abzuliefern und dann Scato eine Nachricht zukommen zu lassen.

  • Sabaco hatte es nicht leicht mit seinen Brüdern. Wahrscheinlich hatte Ocella insgeheim gehofft, er würde den Löffel abgeben. Sabaco schnaufte durch die Nase, um seinen Zorn zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. Die Wand musste einen Fausthieb erleiden, der einem Menschen Kiefer und Wangenknochen gebrochen hätte. Er wäre Ocella am liebsten gefolgt, hätte ihn gegen eine Wand geknallt und ihn zur Rechenschaft gezogen für sein Benehmen. Allein die Aussicht, dass Scato hergerufen wurde, brachte ihn dazu, vor sich hinkochend auf dem Bett sitzen zu bleiben. Er wollte dem Medicus nicht zumuten, die Brüder Matinius streitend zu erleben.

  • Scato hatte die Nachricht in seinem Briefkasten gefunden. Dass es dem Decurio besser ging, freute ihn in zweierlei Hinsicht. Zum einen für den Patienten selbst, zum anderen, weil die entwickelten Behandlungsmethoden endlich reproduzierbar anschlugen. Die Mortalität hatte sich mittlerweile deutlich verringert. Von drei Erkrankten konnte inzwischen einer gerettet werden, wo eine Diagnose des Sumpffiebers zuvor das sichere Todesurteil bedeutet hatte. Dass der Eine diesmal Sabaco gewesen war, stimmte ihn besonders froh.


    Scato klopfte.

  • An der Art des Klopfens hörte Sabaco, wer da Einlass begehrte. "Komm rein!" Inzwischen hatte er sich kalt abgewaschen und frische Kleidung angezogen - nicht die braune, dicke Tunika, die Ocella ihm geschenkt hatte. Er trug die Blaue auf dem Leib, die er seinerzeit bei der Classis getragen hatte, ein starker, rauer Stoff, viel unbequemer als die Tunika seines Bruders, doch er wollte es jetzt so. Er blähte die Nüstern wie ein Stier, als er daran dachte und wäre der Gast nicht im Anmarsch gewesen, würde hier irgendwas zu Bruch gegangen sein.

  • Scato schloss hinter sich die Tür. Er sah auf den ersten Blick, dass sein Patient in gereizter Stimmung war. Die steinerne Miene setzte der Decurio immer auf, wenn er seine Gefühle zu unterdrücken versuchte. Doch Scato hatte ihn lange genug betreut und kannte seine Launen, auch wenn Sabaco sich ihm gegenüber sehr zusammenriss.


    "Was ist denn los?", fragte er sogleich. "Du bist wieder aufgewacht, was ich nicht über jeden sagen kann, den das Sumpffieber heimsuchte. Ist das nicht ein Grund zum Feiern?"


    Er versuchte es mit einem aufmunternden Lächeln, auch wenn er vermutete, dass es nicht die erwünschte Wirkung entfalten würde. Es war ein ehrliches Lächeln, denn er hätte den kauzigen Decurio ungern an eine Krankheit verloren. Abgesehen davon, dass sich inzwischen eine Art Freundschaft zwischen ihnen zu entwickeln begann, tat es ihm um jeden einzelnen Patienten leid, der es nicht schaffte. Der Punkt, an dem die Patienten zu einer grauen Masse verschmolzen, war für ihn noch lange nicht erreicht, für ihn zählte jeder einzelne.

  • "Ich weiß nicht, ob das ein Grund zum Feiern ist." Er drehte sich ganz zu Scato um. "Für manche ist es eher ein Grund zum Fürchten! Aber das soll nicht deine Sorge sein. Also, was steht heute an? Die Abschlussuntersuchung? Mir geht es gut." Er kramte eine Schüssel voll irgendwelchen Keksen mit Honig und Nusssplittern hervor, die er Scato unter die Nase hielt - seine Art zu zeigen, dass der Zorn nichts mit ihm zu tun hatte. "Iss", befahl er, weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Scato die Kekse ablehnte.

  • Die Bekanntschaft von Scato und Sabaco währte schon viele Jahre, länger, als die Zeit beim Militär es hergab. Scato war noch ein Jüngling gewesen, der bei seiner Mutter wohnte, als er den Decurio das erste Mal gesehen hatte. Damals war Sabaco manchmal im Schlepptau von Onkel Stilo zu Gast in der Domus Iunia gewesen, als Scato noch jung und die Welt für ihn sehr viel schwieriger war. Die Besuche von Onkel Stilo und seinen merkwürdigen Freunden, einer kauziger als der andere, waren Lichtblicke in Scatos frühen Jahren gewesen. Dazu gehörte auch die Erinnerung an Sabaco, damals noch Soldat der Legio IX Hispania, der die drei Iunius-Brüder mit ihren Spielzeugwaffen zum "Drill" antreten ließ und mit ihnen die Handhabung des Holzgladius übte.


    Nun waren die beide Führungskräfte beim Exercitus Romanus, trafen sich im professionellen Umfeld, doch das machte die alte private Zeit nicht vergessen. Scato kannte den Mensch, der hinter dem bärbeißigen Decurio steckte, der manchmal besser, oft aber auch schlimmer war als sein professionelles Ich, und er wusste die Geste mit dem Keks zu deuten. Dem Teilen von Essen kam für Sabaco eine rituelle Bedeutung zu, wie so viele andere Gesten, die von ihm zu heiligen Akten erklärt worden waren. So nahm Scato eine handvoll Kekse, stellte die Ledertasche ab, setzte sich auf einen Stuhl und knabberte - etwas, das bei einem Patientenbesuch sonst undenkbar wäre, doch er war der Überzeugung, dass man nicht allein den Körper eins Patienten behandeln sollte, sondern auch dessen Inneres der Aufmerksamkeit bedurfte. Besonders bei diesem Patienten griff eines ins andere.


    "Setz dich doch einen Augenblick dazu", bot Scato dem Decurio dessen eigenen Stuhl an, "und erzähle, was passiert ist. Vielleicht kann ich dir einen Rat geben. Die Kekse sind übrigens lecker. Wer hat die gebacken?"

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