Audienz für den Praefectus Praetorio

  • Der Kaiser ließ die ungehorsamen Cohortes Praetoriae auf seine Weise büßen - er überließ sie dem enormen bürokratischen Aufwand, der mit dem "versehentlichen" Ableben der drei Bürger einherging, anstatt rückwirkend eine Hinrichtung anzuordnen. Der Kaiser konnte sehen, wie Stilos Mundwinkel bei dieser Erkenntnis ein Stück absackten. Die Strafe war elegant gewählt, das musste Stilo zugestehen. Tiberius Aquilius Severus war ein Kaiser der leisen Töne, der äußerst korrekt seine ihm anvertrauten Ämter ausfüllte.


    Beim zweiten Befehl, der die besondere Fürsorge der Gefangenen mit Bürgerrecht noch einmal klar herausstellte, nickte Stilo verkrampft. Der Befehl ging ganz klar in seine Richtung, auch wenn der Kaiser das nicht explizit sagte. Zusätzlich zu Stilos Aufgabe, für den Praefectus Praetorio die gesamte Schreibarbeit der Causa Christenrazzia zu übernehmen, würde er nun auch dafür Sorge tragen müssen, dass in seinem Carcer für Ordnung gesorgt wurde. Gedanklich würgte er den Praefectus Praetorio für diese doppelte Belastung.


    Stilo wartete, Anspannung und Sorge waren ihm noch immer anzusehen, denn er glaubte nicht, dass er als amtierender Optic carceris damit aus dem Schneider sei.

  • Der Kaiser sah dem Optio an, dass einiges in seinen Augen nicht in Ordnung war und er konnte sich auch durchaus vorstellen, was das sein könnte.


    "Was die bereits toten Bürger angeht, Optio Seius, so sehe ich keinen Grund ihre Namen bei den Bürgern noch einmal durch einen Hinrichtungsbefehl in Erinnerung zu rufen. Sie sind weg, verschwunden und vergessen und so soll es bleiben. Ich nehme an, die Akten der Prätorianer sind wie immer makellos, doch solange sie unter Verschluss bleiben spielt das auch keine Rolle. Vergessen ist vergessen."


    Etwas kniffliger war in seinen Augen die Sache mit dem Befehl für die Zukunft. Hier verstand er sehr gut, dass der Praefectus Praetorio die anfallenden Arbeiten, falls solche nötig waren, nicht selbst übernehmen würde.


    "Was den zweiten Befehl angeht, so hoffe ich nicht, dass es in kurzer Zeit zu weiteren Verhaftungen von Bürgern kommen wird, deren Leben in Gefahr sein könnte. Somit hätten die Cohortes relativ viel Zeit, sich darauf einzurichten, dass keine weiteren ungeplanten Todesfälle entstehen. Bürger werden durch die Gesetze Roms geschützt und dies gilt auch, nein, erst recht, wenn sie im Gewahrsam anderer Bürger sind! Doch es besteht auch kein Grund, den Cohorten zu misstrauen. Entsprechend werde ich sicherlich nicht in Kürze den Carcer inspizieren."


    Der Kaiser war sich sicher, dass der Optio verstehen würde, was er zu sagen versuchte und falls nicht, konnte er noch immer wesentlich deutlicher werden.

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  • "Ich habe verstanden, mein Kaiser", sagte Stilo mit hörbarer Erleichterung in der Stimme.


    Scheinbar war gar nicht geplant gewesen, heute seinen Kopf rollen zu lassen, wie er das zunächst befürchtet hatte. Das gab ihm ausreichend Zeit, zu reagieren. Zunächst konnte er sich ganz dem Abschluss des laufenden Falls widmen und anschließend wäre der Carcer dran, so weit das seine bescheidenen Möglichkeiten erlaubten. Es war ja nicht so, dass das Unheil allein oder überhaupt auf seinem Mist gewachsen war. Er hatte sich lediglich in die bestehenden Strukturen eingefügt, ein Zahnrädchen von vielen, wenngleich ein besonders scharfkantiges.


    "Wenn du keine Fragen hast, wäre es das von meiner Seite aus für heute gewesen."

  • Eigentlich gab es sonst nichts mehr zu besprechen. Bloss die beiden Befehle mussten noch übergeben werden.


    Befehl des Kaisers


    Im Namen des Kaisers, TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS,

    ergeht folgender Befehl

    an die Cohortes Praetoriae:

    Die Bürger Sextus Equitius Turpio und Lucius Roscius Dento

    sind wegen Hochverrates

    durch das Schwert zu richten.


    Ihre Körper sind danach gemäss den alten römischen Gepflogenheiten zu entsorgen.


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    Der Kaiser liess sich das diktierte Schriftstück noch einmal vorlesen, nickte dann und siegelte es mit seinem Ring. Dann fertigte der Scriba eine Kopie an, die ebenfalls gesiegelt wurde. Ein Exemplar übergab der Kaiser dem Optio.


    Dann folgte der zweite Befehl:


    Befehl des Kaisers

    Im Namen des Kaisers, TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS,

    ergeht folgender Befehl

    an die Cohortes Praetoriae,

    insbesondere ihren Praefectus Praetorio, Caius Heius Vibulanus:

    Gefangene mit römischem Bürgerrecht, so sie sich in der Obhut der Cohortes Praetoriae befinden,

    sind regelmässig auf ihre Gesundheit zu überprüfen. Todesfälle ohne expliziten Befehl des Kaisers

    sind bei Bürgern unter allen Umständen zu vermeiden!


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    Auch dieses Schreiben wurde noch einmal vorgelesen, gesiegelt, kopiert und erneut gesiegelt.


    "Dieses zweite Schreiben wirst du persönlich dem Praefectus Praetorio übergeben. Du wirst nicht anwesend sein, wenn er es liest."
    Damit dies auch wirklich geschehen würde, liess er vom Scriba einen Papyruszettel an die Rolle des Befehls befestigen, welcher ausdrücklich aussagte, dass diese Rolle nur vom Praefectus Praetorio geöffnet und die erste Lesung privat und persönlich zu erfolgen habe.


    Auf die Reaktion des PP auf diesen Befehl war der Kaiser sehr gespannt. Seine Spione in der Garde würden sie ihm dann schon zukommen lassen.


    "Sonst habe ich heute keine weiteren Dinge. Du kannst abtreten, Optio Seius Stilo."

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  • "Es wird geschehen, wie du verlangst." Stilo nahm die beiden schriftlichen Befehle entgegen.


    Beim anschließenden Abschiedsgruß grüßte Stilo korrekt zurück, bevor er kehrt machte und den Raum verließ. So oft wie heute hatte er selten seine Gefühlswelt in derart kurzer Zeit gewechselt ...

  • Der Kaiser blieb nach dieser Unterhaltung noch einen Moment in sich gekehrt sitzen. Dieser Heius Vibulanus ... er war ja kein schlechter Mann, aber ... vielleicht würde er ... naja, vielleicht.


    Die Gedanken zogen ihre Kreise, auch dann noch, als der Kaiser sich erhob und den Raum ebenfalls verliess. Seine Spione würden hoffentlich die richtige Kunde überbringen.

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  • << Palastwache


    Als der Kaiser ihn empfing, verzog sich das Gesicht des Praefectus Praetorio. Es dauerte einige Momente, ehe man erkennen konnte, dass dies ein Lächeln sein sollte. Er salutierte kraftvoll. "Ave, Imperator Augustus! Es ist vollbracht. Dies ist der Beginn einer neuen Ära." Langsam und feierlich legte er die schwere Mappe auf den Tisch, die sämtliche Akten enthielt, welche zur Causa Christenrazzia gehörten. Dann wartete Heius Vibulanus, den Kaiser beobachtend, und dabei wirkte er wie ein lauerndes Untier.

  • Als die Kunde eingetroffen war, dass der Praefectus Praetorio die Zeit des Kaisers benötige, hatte sich dieser wie üblich die Zeit genommen. Die Gedanken, welche er seit der Unterhaltung mit Seius Stilo erfolgreich verdrängt hatte, kehrten schlagartig zurück. Dieser Heius Vibulanus ... er war ja kein schlechter Mann, aber ... vielleicht würde er ... naja, vielleicht.


    Wie auch immer, der Kaiser sass hinter einem kleinen Schreibtisch, als der Präfekt eintrat und ihm eine Mappe auf den Tisch legte.


    Danke Praefectus. Ich nehme an, es steht alles in diesen Akten. Ich werde sie sehr sorgfältig lesen.


    Die Anspielung war klar, aber sie war nicht ausgesprochen. Hoffentlich würde dem Kaiser gefallen, was er las, denn sonst ... vielleicht würde er ... naja, vielleicht.

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  • Heius Vibulanus war unbesorgt - er hatte bei Sisenna Seius Stilo genug Druck aufgebaut, gewürzt mit einer Prise Hoffnung auf Beförderung. Er selbst war mit der Mappe zufrieden und auch der Imperator Caesar Augustus würde es wahrscheinlich sein. Wenn nicht, dann würde der Praefectus Praetorio weiterleiten, was zu bemängeln war, ungefiltert und um den Faktor zwei verstärkt. Er würde nicht allein büßen, das war gewiss. Ehrgeiz wurde belohnt, wenn man bereit war, Blut und Wasser zu schwitzen, aber bestraft, wenn die Leistung nicht genügte. Manchmal war es besser, das Haupt unten zu halten. Vielleicht würde der Optio, der sich mit seinem Verhalten im Carcer so weit aus dem Fenster gelehnt hatte, das bald schon merken ... vielleicht.


    Mit einem zackigen "Vale!" verabschiedete der Praefectus Praetorio und verließ das Officium.

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