Cursus Iuris

  • "Welcher Zivilist, so er nicht von höherer Stellung , würde es denn wagen gegen einen Soldaten zu klagen, zumal in den Provinzen?

    Ein Römer.auch ein niedrig geborener, kann sich daheim beim Vorgesetzen bescherten , so ein Fehlverhalten vorliegt, aber klagen"!

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    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Lucius Annaeus Florus Minor

  • "Üblicherweise klagt der Pöbel grundsätzlich nicht, weil er zwar gerne vor Gericht geht, aber als Publikum und nicht als Kläger. Damit bleiben für so etwas, wie du richtig erkannt hast, nur Zivilisten höherer Stellung. Oft geht es dabei um die Schädigung von Rechten an Grund und Boden. Wenn zum Beispiel die Legion eine Straße baut und dabei das Grundstück eines Zivilisten ohne vorherige Enteignung oder Entschädigung zerteilt. Oder wenn der vereinbarte Preis für eine große Menge Getreide nicht bezahlt wird. Da reden wir dann nicht von ein paar Sesterzen, sondern eher von einigen Hundert Aurei. Also, um die Frage zu beantworten: Eine Klage gegen einen Soldaten findet man, wenn überhaupt, nur in Provinzen und dort auch nur dann, wenn jemand von Einfluss es überhaupt wagen kann, vor dem Statthalter Klage einzureichen und ihn so möglicherweise gegen sich aufzubringen. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass jeder Statthalter, der etwas auf sich hält, die Klage in eine Beschwerde umwandeln wird und das Ganze nach dem normalen Militärrecht behandelt. Denn seien wir ernsthaft, wer will schon die Büchse der Pandora öffnen und Klagen gegen Soldaten Tür und Tor öffnen?"

  • Sabaco hörte aufmerksam zu, als es um das juristische Verhältnis von Zivilisten und Soldaten ging.


    "Ich habe noch eine Frage zu deinen vorherigen Ausführungen. Du hast gesagt: Wenn ein Zivilist die Truppen im Frieden finanziell schädigt, zum Beispiel durch Diebstahl oder Betrug, sind zivile Gerichte zuständig. Wer legt aber fest, wann Frieden herrscht und für welchen Bereich gilt das? Bestimmt das der Statthalter für seine jeweilige Provinz? Oder legt das der Kaiser fest und es gilt für das gesamte Imperium? Die Legionen in den Grenzregionen haben schließlich fast immer irgendwo mit den Barbaren Ärger. Echten, dauerhaften Frieden gibt es nur im Inland."


    Sabaco wiegte nachdenklich den Kopf. "Ich kann es mir nicht vorstellen, dass hier in Germania superior kein Kriegsrecht herrschen würde, aber wo kann man das in Erfahrung bringen?" Ein bisschen peinlich war das schon, andererseits war er nur Decurio und es war die Schuld der Politiker, wenn die einfachen Soldaten nicht über deren feine Entscheidungen informiert waren.

  • Auch das war eine gute Frage.


    "Nun, sehen wir uns doch einmal an, was der Codex Militaris dazu sagt."


    Damit überspielte ich, dass ich es nicht wusste. Alles konnte man nicht wissen. Aber immerhin wusste ich, wo es steht. Ich ging zum Regal und holte eine Rolle mit dem Codex Militaris heraus, die ich entrollte.


    "Nun, hier steht es: 'Es wird für namentlich benannte Provinzen durch den Imperator Caesar Augustus ausgerufen und gilt für alle auf dem Gebiet dieser Provinzen befindlichen Mitglieder des Exercitus Romanus. Bei akuter Gefahr für das Imperium Romanum kann es auch von einem Statthalter ausgerufen werden.' Das sollte deine Frage beantworten, wer festlegt, wann und wo Frieden herrscht. Natürlich könnte der Kaiser auch festlegen, dass das ganze Imperium im Krieg ist. Aber das ist bisher nur sehr selten geschehen."


    Ob allerdings in Germanien Kriegsrecht herrschte, war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte.


    "Typischerweise geschieht die Erklärung des Kriegsrecht mindestens per Bekanntmachung. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, ob es eine entsprechende Bekanntmachung für Germania Superior gibt. Allerdings haben Soldaten auch unabhängig vom Kriegsrecht die Pflicht, erkannte Feinde zu bekämpfen, denn..." Ich überflog den Codex Militaris noch einmal. "Ah ja, hier, 'Sie haben... immer und überall das Reich und den Imperator Caesar Augustus tapfer gegen jedweden Feind zu verteidigen'. Das macht natürlich noch kein Kriegsrecht aus, sollte aber meiner Meinung nach eine Behandlung der Soldaten in Analogie zum Kriegsrecht ermöglichen, wenn sie an einer Grenze stationiert sind. Vor allem dann, wenn die Grenze zu solchen aggressiven Barbaren, wie den Germanen, verläuft. Beantwortet das deine Fragen?"


    Ich hoffte es, denn der Codex Militaris war nicht unbedingt meine Stärke.

  • "Ja, danke, Iunius Tacitus. Es war verständlich. Aber ich habe noch eine." Leider betraf sie erneut den Codex Militaris, was naheliegend war in Anbetracht des beruflichen Hintergrunds des Fragestellers. "Ich bin eher Pragmatiker. Welche Auswirkungen hat das Kriegsrecht konkret auf den Alltag einer Provinz? Manchmal beschlagnahmen die Legionen zum Beispiel Getreide, wobei ich glaube, dass sie das immer dürfen. Die Jungs müssen schließlich was futtern. Solche Sachen." Dass auch die zivile Bevölkerung etwas essen musste, war Sabaco egal, so lange es nicht seine Familie und Freunde betraf, und die würden mit Sicherheit nicht hungern müssen.

  • "Wenn ich mich mal einmischen darf, natürlich müssen unsree Soldaten essen und das geht halt machmal auch nur mir requirierung! Jedoch warne ich davor, in dem Irrglauben zu verharren, es müsse alle requieriert werden. Man muss den leuten schon etwas zum leben lassen!

    ein bedeutend klügerer Mann als ich es bin, formulierte es einmal so, gibt den Brwohner der Provincen genug zu fressen, lass ihnen ein Dach über dem kopf, gängele sie bicht allzusehr und sie werden sich nicht erheben, tue dies nicht und Du hast den Aufruhr.

    Persönkich möchte ich ergänzlichen ähnliches gilt für die Unterschichtler im Reich.

    Aber zum Thema, kriegsrecht besagt ja das Dir gewisse Freiheiten einschränkt oder gänzlich genommen werden, das gilt gleichermassen für Zivilisten , wie Soldaten."

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    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Lucius Annaeus Florus Minor

  • Ich nickte zustimmend, als Secundus die Frage Sabacos beantwortete. Mir gefiel es, wie sich Secundus entwickelt hatte. Seine Argumentation war zweckmäßig und zeugte von Ausgewogenheit. Er würde sicher einmal einen guten, wenngleich etwas eigenwilligen, Praetor abgeben.


    "Das Wesentliche hat Aemilius bereits beantwortet. Dem muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Aber wir können natürlich auch noch einmal in den Codex Militaris schauen. Dort steht 'Unter Kriegsrecht wird nicht bestraft, wer bewaffnete Feinde des Reiches oder deren aktive Helfer festnimmt, schädigt oder tötet.' Mehr findet man dort nicht als Rechtsfolgen. Heißt, dass bewaffnete Feinde und deren Helfer natürlich geschädigt werden dürfen. Heißt im Gegenzug natürlich auch, dass loyale Römer nicht geschädigt werden dürfen. Streng genommen dürfte also noch nicht einmal Getreide beschlagnahmt werden. Andererseits hat die Kampfkraft der Armee Vorrang vor persönlichen Profiten. Zwischen beidem ist ein Ausgleich herzustellen, den Aemilius bereits trefflich formuliert hat. Noch Fragen?"

  • "Von meiner Seite Nein."

    Secundus war zufrieden , das im noch jener Satz eingefallen ward, auch wenn er nicht mehr wusste wer ihn einst sagte.

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    SODALIS - AUGUSTALES

    Klient - Lucius Annaeus Florus Minor

  • Sabaco war weitaus weniger zufrieden. "Daraus kann man keine Handlungsanweisung ableiten", murrte er. Den Codex Militaris musste ein Vollpfosten geschrieben haben, ein Zivilist, der nie den Schlamm eines Militärlagers gekostet hatte. "Wie alt ist der Schinken? Der gehört reformiert." Doch es war noch nicht alles, was der Decurio zu bemäkeln hatte.


    "Da steht: 'Unter Kriegsrecht wird nicht bestraft, wer bewaffnete Feinde des Reiches oder deren aktive Helfer festnimmt, schädigt oder tötet.' Du leitest daraus den Umkehrschluss ab, dass loyale Römer nicht geschädigt werden dürfen. Ich verstehe nicht, wie du das ableitetst, weil da zum Beispiel gar nichts über den Bürgerstatus steht! Weshalb sollte man loyale Römer nicht schädigen dürfen, aber loyale Peregrini schon?"


    Doch Sabaco, dessen Wahrnehmung ihrer eigenen Logik folgte, war noch nicht fertig. "Theoretisch könnte man doch auch den Umkehrschluss ableiten, dass unbewaffnete Feinde des Reiches und deren Helfer nicht festgenommen, geschädigt und getötet werden dürfen. Ein Wahnsinniger, der mit bloßen Händen Leute von einem Viadukt stößt, so dass sie sich alle Knochen brechen, dürfte nach diesem Gesetzestext", er schaute missbilligend auf sein Exemplar des Codex Militaris, "unter Kriegsrecht tun und lassen, was er will."

  • "Zum Ableiten von Handlungsanweisungen sind die Offiziere da. Diese müssen unter den Codex Militaris unter Würdigung der anderen Gesetze und des Mos Maiorum auslegen. Darauf basierend müssen dann Befehle ausgegeben werden. Was wir hierbei bedenken müssen, ist die Vielseitigkeit der Feinde des Imperiums. Deshalb ist der Codex Militaris sehr vage formuliert, um Freiräume zu schaffen, auf unerwartete Sachverhalte reagieren zu können."


    Das war zumindest meine Meinung zur geäußerten allgemeinen Kritik am Codex Militaris.


    "Was loyale Römer und loyale Peregrini anbetrifft, so muss man zunächst die allgemeine Hierarchie der Bürgerrechte beachten. Grundsätzlich ist römisches Recht als Ius Civile einzuordnen. Wie der Begriff sagt, handelt es sich um das Recht der Bürger. Es soll also zunächst alles regeln, was römische Bürger betrifft. Allerdings muss erwähnt werden, dass wir Römer aus dem Mos Maiorum und aus praktischen Erwägungen auch den bei uns lebenden Peregrini sehr viele unserer Rechte gewährt haben, so dass auch unsere Gesetze ebenfalls zu Gunsten und auch zu Ungunsten der Peregrini gelten, sofern es nicht so geregelt ist, dass nur Römer begünstigt sind. So dürfen beispielsweise nur Römer Equites oder Senatoren werden und nur Römer dürfen den Legionen beitreten. Auch innerhalb der römischen Bürgerschaft sind bestimmten Gruppen spezielle Privilegien vorbehalten. So dürfen nur Patrizier bestimmte Ämter antreten und nur Mitgliedern des Ordo Senatorius ist es erlaubt, den Cursus Honorum zu beschreiten. Gehen wir nun zurück zu deiner konkreten Frage. Grundsätzlich dürfen loyale Peregrini genauso wenig geschädigt werden, wie loyale Römer. Wenn aber eine Schädigung unvermeidbar ist, dann sollte eher der loyale Peregrinus geschädigt werden, als der loyale Römer. Weil es eben immer noch das Recht von uns Römern ist."


    Mit der finalen Auslegung musste ich Sabaco noch einmal die Auslegungsregeln näher bringen.


    "Was deine wörtliche Auslegung des Codex Militaris anbetrifft, hast du mit deinem Beispiel des unbewaffneten Wahnsinnigen recht. Wir erkennen aber deutlich, dass das Ergebnis widersinnig wäre. Folglich können wir in diesem Fall nicht an der wörtlichen Auslegung festhalten. Sie würde sich auch nicht in die bestehende Systematik unseres Rechtssystems einfügen. Ich verweise hier auf den § 50 Codex Iuridicialis. Wenn aber dieser jedem Römer die Notwehr, auch zum Schutz anderer, erlaubt, dann kann der Codex Militaris dahinter nicht zurückbleiben. Eine Lösung lässt sich hierbei in der Auslegung nach dem Zweck der Rechtsnorm finden. Der Zweck besteht nämlich in einer erweiterten Straffreiheit der unter Kriegsrecht handelnden Soldaten. Während der Codex Iuridicialis eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Tat verlangt, erlaubt der Codex Iuridicialis auch dann schon ein Handeln, wenn ein Feind lediglich anwesend ist, ohne konkret Straftaten zu verüben oder diese offensichtlich verüben will. Dann muss ein Soldat aber auch erst recht handeln können, wein ein zwar unbewaffneter Feind gegenwärtig oder unmittelbar drohend Straftaten begeht. Weil also der zweckmäßige Kern der zitierten Rechtsnorm des Codex Militaris eine erweiterte Straffreiheit unter Kriegsrecht ist, sind ohnehin durch das Gesetz für alle Einwohner des Imperiums straffrei gestellte Handlungen zwangsläufig erst recht unter Kriegsrecht für Soldaten straffrei. Soweit alles klar?"

  • Da keine Fragen kamen, schien alles klar zu sein.


    "Dann wenden wir uns jetzt noch einem Sonderfall zu. Diesen finden wir in § 19 Absatz 4 Codex Iuridicialis. 'Wird ein Delikt gegen die Amtspflicht von einem durch den Senat gewählten oder eingesetzten Magistrat oder Promagistrat begangen, ist der Senat als Gericht sachlich zuständig. Ebenfalls können die Consuln Prozesse wegen Hochverrat, dem Zutrittsverbot für ausländische gesalbte Herrscher innerhalb des Pomeriums, Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot, Staatsfeindliche Verunglimpfung von Reichsorganen und Landesverrat vor dem Senat verhandeln lassen.' Wir erkennen hieran zwei grundsätzliche Zuständigen des Senats als Sondergericht. Zum einen ist er für die Verhandlung aller Delikte gegen die Amtspflichten der Magistrate und Promagistrate, die durch den Senat gewählt oder eingesetzt wurden, zuständig. Das betrifft insbesondere die Ämter des Cursus Honorum. Das heißt, wenn ein entsprechender Amtsträger einer Pflichtverletzung im Amt bezichtigt wird, so ist die Klage vor dem Senat einzubringen. Die entsprechenden Delikte finden sich vor allem in den §§ 112 bis 116 Codex Iuridicialis. Es können aber auch beliebige andere Delikte in Frage kommen, so lange sie in Verbindung mit einem der genannten Paragraphen stehen. Ein Beispiel wäre § 79 in Verbindung mit § 113 Codex Iuridicialis, wenn ein Gegner ohne Rechtsgrundlage von einem amtierenden Magistrat weggesperrt wird. Das könnte beispielsweise ein Praetor sein, der sich dieses Vergehens schuldig macht. Der Fantasie sind hier wenig Grenzen gesetzt."


    Nachdem ich einen Schluck Wasser nahm, fuhr ich mit meinen Ausführungen fort.


    "Die andere Zuständigkeit entsteht im Ermessen der Consules. Wenn diese der Meinung sind, dass ein Fall aus der aufgeführten Liste staatsgefährdender Delikte vor dem Senat verhandelt werden sollte, können sie den Fall vor dem Senat verhandeln lassen. Das wird aber eher selten geschehen. Den Grund dafür lernen wir in Kürze ebenfalls kennen. Fragen hierzu?"

  • Sabaco begann zu begreifen, dass es beim Verständnis der Gesetze vor allem darum ging, zu erahnen, was der Gesetzgeber meinte, weniger darum, was tatsächlich dastand. Sein angespannter Gesichtsausdruck wich einer gewissen Hilflosigkeit. Er war nicht gut darin, andere Menschen zu verstehen. Der Deutungsspielraum, der vermutlich dazu gedacht war, den Offizieren eine gewisse Handlungsfreiheit einzuräumen, öffnete zudem auch der Willkür Tür und Tor. Das konnte ihm in die Hände spielen, aber auch Probleme bescheren, denen gegenüber er machtlos sein würde. "Verstehe", brummte er, zutiefst unzufrieden, aber einsichtig, bevor Iunius Tacitus mit dem nächsten Themenkomplex fortfuhr.


    "Keine Fragen", sagte er, nachdem die Ausführungen geendet waren.

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