[Forum Romanum] Templum Vestae

  • Der Sklavin vermochte ich nur einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. Selbst in dieser schrecklichen Situation mochte ich es nicht, mich zu wiederholen. Nicht einmal für ein Nicken reichte es, ich sah die blonde Sklavin nur bedauernd an. Kurz darauf lief sie fort. Ich sah ihr nur kurz hinterher und wurde mir dann der umstehenden leute bewusst. Wie unwürdig war es für das Haupt der Vestalinnen, teilweise entblößt und in einer Blutlache zu liegen, hier auf den Stufen des Vestatempels und umringt von gaffenden Bürgern. "Pyrrus", wollte ich eine Anweisung bellen. "Sieh zu, dass die....." Ein Ruf ereilte meine Ohren. "....für den pontifex. Macht Platz! Lasst den pontifex durch!"


    Ich hielt inne und sah auf. Der Adrenalinspiegel hob sich etwas. Wie war es möglich, dass ein Mitglied des collegium pontificium so rasch Kunde über diesen Vorfall erlangt hatte? Doch dann leuchtete es mir ein: Die Sklavin war fortgelaufen, die regia nicht weit. Oder war der pontifex nur zufällig zugegen gewesen?


    Da teilte sich die Menge dank der calatores auch schon. Sie spuckte allerdings nicht irgendeinen pontifex aus, sondern Flavius Gracchus. Schon setzte ich dazu an, ihm zu antworten, da bemerkte ich sein sichtliches Unwohlsein. Er schien über die Maßen erschrocken, vielleicht mehr als es ein pontifex sein sollte. Pyrrus entfernte sich diskret einige Schritte. Womöglich war es auch nur der Ekel vor all dem Blut, denn er konnte diesen Anblick nicht ertragen, das wusste ich. Befangen und stumm verfolgte ich das Verhalten des Flaviers, bis er schließlich neben mich sank und aussah wie ein Häufchen Elend. Und endlich dämmerte es mir. Die Gedanken tropften zäh wie Wachs in meinen Verstand hinein: Flavia Agrippina. Flavius Gracchus. Mit dieser neuen Erkenntnis wandte ich Gracchus das bestürzte Gesicht zu. Mit meinen blutbeschmierten Händen und der fleckigen toag kam ich mir plötzlich wie der Frevler selbst vor. Scheinbar hatte Gracchus sich in engerer Verwandtschaft mit der Vestalin befunden. Was sagte man in einer solchen Situation? Schließlich galt es hier nicht nur den Tod zu beklagen, sondern auch den Mörder zu fangen.


    Gracchus leise Worte ergriffen mich. Ein passend aufkommender, kalter Hauch bauschte die Kleidung der Umstehenden auf und ließ einen Schauer bunter Herbstblätter auf die Szenerie nieder regnen. Ich stand auf, der Wind zupfte an dem schweren Stoff meiner Kleidung und kühlte die Haut an jenen Stellen, die blutig waren.


    "Heute wurde eine grauenvolle Bluttat begangen. Hier in unserer Mitte, auf den Stufen des heiligen Vestatempels! Das Opfer ist die Vorsteherin des Vestakultes, unschuldig und unbefleckt. Können wir eine solch hinterhältige Tat dulden?" fragte ich in die Runde und deutete bei den anschließenden provozierenden Fragen willkürlich auf umstehende Personen. "Rom wird seiner Söhne beraubt und seiner Töchter. Wer ist der nächste? Vielleicht dein Bruder? Dein Vater? Deine Schwester? Euer liebster Mensch auf Erden? Lasst uns nicht eher ruhen, bis der Schuldige gefasst ist, denn eine solche Meucheltat-" Ich deutete auf den Leichnam der schräg hinter mir liegenden Vestalin. "-kann kein Römer stumm hinnehmen. Es darf nicht sein, dass dieser Frevler seiner gerechten Strafe entgeht. Ans Kreuz mit ihm! Lasst uns nicht eher ruhen, bis wir diesen Mord gesühnt haben." Ich hob die Hand und ballte sie fest zur Faust. Einige Blutstropfen fielen auf den weißen Marmor. "Und du, Meuchler, sei dir deines Lebens nicht sicher! Wir werden dich finden. Das schwöre ich, per Iovem lapidem!" Ich schüttelte die Faust und ließ sie dann sinken.


    Den Mob ignorierend, wandte ich mich wieder Gracchus zu. Ich hatte nicht groß nachgedacht, die Worte hatten einfach hinaus gemusst. Schon wollte ich ihm meine blutige Hand reichen, um ihm aufzuhelfen. Ich wischte sie doch noch zuerst an meiner ohnehin schon besudelten toga ab, ehe ich sie ihm reichte. "Wir werden ihren Tod rächen, Flavius", sagte ich ernst statt der üblichen Beleidsfloskeln, die mir einfach nur lächerlich vorkamen in diesem Moment. "Rom wird nicht untergehen, solange Männer wie du dies zu verhindern wissen."

  • Die Worte des Aurelius zum Volke hin schwappten an Gracchus vorüber, während noch immer er mit dem Inhalt seines Magens und dem Gleichgewichtssinn in seinem Kopfe kämpfte, bis dass seine Sinne anderweitigen Fokus fanden auf eine bleiche Hand, notdürftig vom Blut gereinigt.
    "Rächen?"
    fragte nur er stupide, schüttelte verneinend den Kopf und stemmte sich aus eigener Kraft in die Höhe, noch immer mehr Zittern im Körper als Standhaftigkeit, legte schließlich eine Hand auf die Schulter des Aurelius, brachte dicht seinen Kopf an den seinen.
    "Begreifst du denn nicht, wer sie ist? Wer sie war? Aquilia Flavia Agrippina - sie war die virgo vestalis maxima ... die virgo vestalis maxima."
    Sie war dies zufürderst und mehr als die familiären Bande, erschütterte Gracchus vorerst die Tat an Rom, der ungeheuerliche Frevel. Er hatte nicht die Spitze des Cultus Deorum angestrebt ob der Macht wegen - nicht nur - sein ureigenstes Drängen hatte ihn auf jenen Weg gebracht, und obgleich er sich über die vordergründige Farce des Cultus Deorum wohl war bewusst, so wusste er ebenso um die metaphysischen Zusammenhänge all dessen.
    "Der Angriff auf einen Consul ist ein Angriff auf den Staat Rom, der Angriff auf einen Prafectus Urbi ist ein Angriff auf die Macht Roms, doch der Angriff auf die virgo vestalis maxima - dies ist ein Angriff nicht nur auf die Grundfeste römischer Ordnung, es ist gleichsam ein Affront wider die Götter! Die virgo vestalis maxima ist die unschuldigste Person des gesamten Imperium Romanum, nein, keine Person ist sie noch, sie ist ein Symbol, die Unschuld selbst in Person. Ihre Ermordung kommt dem Ersticken des vestalischen Feuers gleich, es ist ein Frevel ungeheuerlichen, unsäglichen Ausmaßes! Und dass er konnte geschehen, dass dieser Frevel geschah, dies ist ein fruchtbares Omen! Die Götter wird es nach Satisfaktion dürsten, das allumfassende Equilibrium, die pax deorum, ist aus dem Gleichgewicht geraten. Nicht nur, dass die Schuld ob des Todes der obersten Feuerhüterin die Waagschale zu unseren Ungunsten belastet, gleichsam ist die einzige Unschuld dieser Welt uns geraubt, so dass die Diskrepanz noch gewaltiger ist. Wenn der Staat nicht mehr fähig ist, die unschuldigsten seiner Mitglieder zu Bewahren, wenn der Pontifex Maximus die Verantwortung über die vestalischen Jungfrauen, welche unter seinem Schutze, unter seinem Wort stehen, nicht erfüllen kann, wessen kann sich Rom dann noch sicher sein?"
    Die Worte sprudelten aus ihm heraus, einem inneren Drängen folgen, der Griff um Aurelius' Schulter wurde fester.
    "Doch halte deine Zunge im Zaume und wahre den Anschein des römischen Magistraten, welcher sich in jeder Handlung seines Tuns voll und ganz bewusst ist. Ist das Feuer erst einmal entfacht, wird es nicht mehr zu löschen sein, beginnen die Menschen mit der Hetzjagd auf einen unsichtbaren Mörder, so werden bald Hunderte vermeintliche Mörder auf den Straßen Roms darnieder liegen. Der Staat hat in seinen Pflichten versagt und der Staat muss das Gleichgewicht wieder herstellen, nicht der wütende Mob des Volkes."
    Juristisch betrachtet war Agrippina nicht mehr Mitglied der flavischen Familie gewesen, war Angehörige des außerkaiserlichen Familienbundes, hatte ihre Familie in Gemeinschaft der vestalischen Jungfrauen gefunden. Dennoch hatte sie niemals sich gänzlich von den Flavia abgewandt, war zu Familienfeiern erschienen, hatte immer wieder den Kontakt gesucht, war immer herzlich gewesen - war trotz allem immer seine Schwester gewesen. Kaum hatte Gracchus sie gekannt, doch ihre Wurzeln hatten sie verbunden, ihre Familie und ihre früheste Kindheit. Entwurzelung, dies war es, was er in sich ob ihres Todes verspürte, haltloses Balancieren auf schmalen Graden. Eine Flavia, erneut dem Leben entrissen, durch fremde Hand, nicht durch das Schicksal, nicht durch den Fluch, durch Menschenhand - wie womöglich jene vor ihr? Kraftlos lies Gracchus seine Hand sinken, blickte ihr hernach, an ihr vorbei, auf die blutige Toga des Magistraten. Entscheidungen mussten getroffen werden, Taten folgen, die Urbaner alarmiert, die libitinarii herbeigeholt, die öffentliche Ordnung wiederhergestellt, das Collegium Pontificium in Abwesenheit des Imperators informiert. Irgendwo in seinem Hinterkopf zogen all diese Gedanken vorüber, doch Gracchus war nicht mehr fähig, einen einzigen davon zu denken, geschweige denn zu artikulieren, denn mit seiner Schwester schob sich der ungustiöse, blutüberströmte Anblick in seinen Sinn.
    "Es ..."
    , setzte er an, scheiterte doch bereits am zweiten Wort, welches nicht vorhanden war. Seine Kiefer pressten sich aufeinander, bis dass sie schmerzten, sein Blick verlor sich in der Unendlichkeit, nur immer bemüht, den roten Lebenssaft, welcher nurmehr für den Tode stand, zu ignorieren, den Leichnam zu ignorieren, so als würde er nicht existieren, wenn nur er ihn nicht sah.
    "Aquilia ... sie war ... meine Schwester."
    Desperat blickte er in Aurelius' Augen, warme, braunfarbene Augen, die so konzentriert schienen, wie der Anlass dies verlangte, fern der Hilflosigkeit, welche sich in seinem eigenen Blicke spiegelte.
    "Bitte, Aurelius, ... tue irgendetwas. Ich ... weiß nicht ... was ... "
    Sein Leben lang hatte Gracchus gelernt, sich selbst hinter einer Maske der Contenace zu verbergen, Dignitas und Gravitas zu wahren, doch sobald eine Misere seine Familie betraf, jene, für die er Sorge hatte zu Tragen, sich verantwortlich fühlte - zu recht oder unrecht - schien es ganz so, als hätte er niemals gelebt, als wäre Manius Flavius Gracchus soeben erst einem Ei entsprungen, unbefleckt, unerfahren und hilflos, die Reste der Schale noch an sich klebend.

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  • Die Brauen zogen sich grübelnd zusammen, als Gracchus sich zu mir beugte und von Agrippina sprach. Der Geruch eines Duftwassers stieg mir in die Nase und verwirrte für einen flüchtigen Moment meine Sinne. Während er seine Sicht der Dinge darlegte, stand ich wie gelähmt da, hörte ihm versteinert zu. Selbst in diesem Moment des Schmerzes, der ihn sichtlich ergriffen hatte, vermochte er noch derart scharf zu denken. Ich hatte nie einen Hehl aus meiner Bewunderung für diesen Mann gemacht, und obwohl es so ziemlich der unpassendste Moment aller Augenblicke war, bewunderte ich ihn auch jetzt ob seines Verhaltens. Neben uns lag seine Schwester in ihrem eigenen Blute, leblos und kalt, und er dachte an die Zukunft Roms und - so erschien es mir - nicht einen einzigen flüchtigen Augenblick lang an sich selbst, obwohl ihn der Schmerz ob dieses Anblicks doch zerfressen musste. Nein, stattdessen schien sein einziges Ansinnen zu sein, die pax deorum zu wahren, oder zumindest das, was davon noch übrig war nach dieser frevlerischen Tat. Ich hatte den Flavier fehleingeschätzt, und ich leistete in Gedanken Abbitte für diese Misslichkeit. Kurz senkte ich den Blick, die aufkeimende Scham aus meinem Blick zu vertreiben suchend, dann sah ich ihn aufs Neue an. Seine eindringliche Aufforderung, den Schein zu wahren, berührte mich tief und ließ meine ans Volk gerichteten Worte so klein und unwichtig wirken wie eine Bremse auf dem Rücken eines Pferdes. In Ermangelung besonnener Worte, die ich auf die seinen hätte erwidern können, nickte ich lediglich langsam. Gracchus war älter als ich, was an sich nicht schwer war mit meinen vierundzwanzig Jahren, doch strahlte er zudem eine solche Weisheit aus, verkörperte er gleichsam die römischen Tugenden wie niemand sonst, der mir bekannt war - es musste beinahe an Schwärmerei grenzen, welche mich gepackt hielt in puncto Manius Flavius Gracchus. Niemals hätte ich das zugegeben, eher hätte ich mir die Zunge abgebissen! Und nun stand er hier, im Blick seine tote Schwester, die virgo vestalis maxima, welche mich noch vor wenigen Tagen Sisennas wegen besucht hatte, und erteilte mir gleichsam unbewusst eine Lektion in Sachen Ehre und Vaterlandstreue, dass ich mich unweigerlich schämen musste.


    Ich gewahrte seinen Blick zu Agrippina hin, die niemals wieder die unreine Luft Roms würde atmen, studierte gleichermaßen sein Gesicht und erinnerte mich an die Art, wie Aquilius stets von seinem Vetter gesprochen hatte. Und der Blick, mit dem er mich schließlich maß, als er mir gestand, wer sie einst gewesen war und noch immer war, schien so verzweifelt, dass ich erneut schlucken musste. Ich trat einen Schritt zur Seite und damit zwischen ihn und die tote Vestalin, damit er zuwenigst von diesem Anblick verschont blieb. Das Mitgefühl hatte einen stattlichen Kloß in meine Kehle gepflanzt, sein Blick tat ein Übriges. Die so hilflos wirkende Bitte des Mannes, den ich - ja, verdammt, es war so! - insgeheim als mein Vorbild betrachtete, brachte mein Bild ins Schwanken und traf mich zugleich tief in meinem Innersten. Die Nuance meines Seins, die ich seit einigen Jahren in einem entlegenen Winkel meines Seins verschlossen hatte, befreite sich mit einem Schlag und sah in Gracchus nun mehr als einen verwundeten pontifex, der sein Leben Rom geschenkt hatte und es gleichsam widmete. Die Hand auf meiner Schulter erschien mir nun schier ebenso leb- und kraftlos zu sein wie jene der Vestalin in meinem Rücken. Ich hob die Rechte und legte sie fest auf Gracchus Hand, den Blick nicht von seinem lassend. Bar jeden Wortes, suchte ich ihm Kraft zu spenden, gleich wie. Eine Umarmung wäre mehr als unpassend gewesen, bedauerlich zwar, doch sah ich zumindest in diesem Punkte klar, denn nichts verband Gracchus und mich außer vielleicht einem vagen Band der gegenseitigen Anerkennung, wenn ich überhaupt darauf hoffen konnte. Zudem gafften um uns herum die Menschen. Nein, es wäre mehr als unklug gewesen, sich anders zu verhalten als ich es tat.


    Kein Wort vermochte wohl das Empfinden zu lindern, welches Gracchus ergriffen hatte. Meine linke Hand fand nun ihren Platz auf seiner Schulter, und so standen wir einen allzu flüchtigen Moment dort verbunden auf den Stufen des Vestatempels. "Der Mörder wird gefunden werden, Gracchus, die pax deorum und die Ehre deiner Schwester wiederhergestellt. Rom wird nicht untergehen. Es wird nicht vergehen, niemals." Eindringlich waren die Worte und eindringlich sah ich ihn an. "Ich lasse sie hineinbringen und säubern. Ich werde mich um sie kümmern, das verspreche ich, so wahr ich hier stehe", gelobte ich und nickte. Einen Moment verhielt ich noch, doch dann ließ ich den Flavier los und winkte den kleinen Trupp Soldaten herbei, welcher mich während der Ausübung meines Amtes stets begleitete und welcher gegenwärtig versuchte, den Mob im Zaum zu halten. Von den sechs Männern waren nur noch vier zugegen, die anderen beiden waren mit Sicherheit bereits unterwegs, um die cohortes urbanae zu informieren. Pyrrus stand etwas abseits mit bleichem Gesicht herum und vermied es, die tote Vestaln anzusehen. Ihn ließ ich außer acht, den vier Soldaten indes erteilte ich mit knappen Worten die Weisung, Flavia Agrippina in die schützenden Mauern des Tempels zu bringen und sie dort ihren Schwestern zu überantworten, damit sie den leblosen Körper waschen und herrichten konnten.


    Die Vestalin wurde soeben empor gehoben und entblößte einen grässlich verschmierten Blutfleck auf dem sonst strahlendweißen Marmorboden. Ich wandte mich erneut an Gracchus. "Setze deine Amtsbrüder von diesem Verbrechen in Kenntnis, Gracchus. Sie sollten es so schnell als möglich erfahren. Mein scriba wird dich gern begleiten, so du es möchtest." Ich wollte ihn nur ungern allein lassen, mich zugleich aber an mein gegebenes Wort halten und über Agrippina wachen. "Sei stark, mein Freund", fügte ich leiser hinzu und wollte einen Moment verstreichen lassen, ehe ich den Soldaten in den Tempel folgen würde. Doch da entdeckte ich einen allzu bekannten Mann, den die Menge soeben ausspuckte.


    /edit TippEx

  • Es waren zuerst nur Rufe gewesen, die vor dem Tempel erklangen. Nur Rufe, die erst einmal von den Mündern meiner Priesterkollegen hatten weitergetragen werden müssen, geflüstert, voller Schrecken, voller Furcht, denn das, was sie flüsterten, schien zugleich unmöglich wie unerhört. Eine Vestalin ermordet, auf den Stufen des Tempels der Vesta, in Roms Herzen! Eine der heiligen Jungfrauen, deren Vorrecht es war, Verbrecher zu begnadigen, die römische Integrität verkörpernd wie nichts sonst. Alle hatten innegehalten bei ihrem täglichen Tun, und auch die Menschen, die in den Tempel des Mars gekommen waren, um zu opfern, flüsterten nur noch leise und voller Schrecken über die Nachricht, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Eine der Jungfrauen gemordet, und der Kaiser fern von Rom! Dies konnte doch nur ein entsetzliches Omen sein, das schrecklichste aller Omen. Und dann hörte auch ich davon, und ich hörte etwas, das mich alles zu Boden fallen lassen ließ, was ich in den Händen gehalten hatte - eine Schale knallte auf den Fußboden, laut hallte das Scheppern im Tempelinneren wider, ebenso landeten Kuchenstücke und Kekse achtlos zu meinen Füßen. Die virgo vestalis maxima sei ermordet worden. Agrippina! Flavia Agrippina, Gracchus' Schwester! Ich war bleich geworden, stammelte irgend etwas zu einem meiner Kollegen und rannte, rannte wie ich in Rom bisher noch nie gerannt war.


    Die Menge wurde dichter, als ich in die Nähe des Vestatempels gelangte, und ich musste mich mit Ellenbogen und handfesten Flüchen durch die Menschen hindurch wühlen, erhitzt vom Laufen und außer Atem, so schnell war ich gerannt. Ein, zwei camilli aus dem Tempel waren mir hinterher gehetzt, aber ich hatte nicht auf sie gewartet und wahrscheinlich hatten sie sich auch in der Menge verloren, es war mir gleich. Ich wusste nur, ich musste dorthin. Flüche der Menschen um mich herum begleiteten ebenso meinen Weg wie wachsende Ungeduld auf meiner Seite, denn sie standen mir alle im Weg, konnten sie denn nicht wissen, wie wichtig es für mich war, dorthin zu gelangen? Ich musste dorthin! Meine toga praetexta war längst verrutscht, und sicher auch dreckig, aber es war mir egal, und ich kämpfte mich weiter durch diese zähe Masser verdammte Menschen, die ich mir einfach nur weit weg wünschte. Und dann hatte ich endlich den Ort des Geschehens erreicht, war am templum Vestae angekommen, sah auf die Stufen, auf die Menschen, die dort standen, auf die blutverschmierte Leiche meiner entfernten Verwandten Flavia Agrippina, mit deren Tod nicht nur ein Mensch gestorben war, sondern auch gleichsam das Glück Roms. Dort waren auch zwei andere Menschen, die ich kannte, zu gut kannte ...


    Gracchus und Corvinus. Gracchus und Corvinus. Sie standen einander so nahe, als seien sie seit langem vertraut, sich gegenseitig haltend, aufrichtend, Schutz gebend? Gracchus und Corvinus. Gracchus und Corvinus. Mein Manius und ... mein ... bester .. Freund? Gracchus und Corvinus. Etwas zerbrach in diesem Augenblick in mir, tiefer und endgültiger, als jemals etwas zerbrochen war. War ich einstmals zum tarpeischen Felsen gegangen, damit wenigstens Gracchus weiterleben würde können, ohne leiden zu müssen, fühlte ich mich nun, als sei ich längst gesprungen, und er habe die Zeit genutzt, sich zu trösten. Es tat weh, so unendlich weh, und eine eisige Kälte durchströmte mein Herz. Er hatte mich einfach angelogen, als er mir von seiner Liebe zu Deandra erzählt hatte, so musste es gewesen sein. Hatte seine Gefühle zu Gracchus beschrieben, und jetzt war mir auch klar, wieso er solchen Abstand zu mir gehalten hatte. Sein Herz gehörte doch längst einem anderen Menschen. Diese vielen Monate als Fischer hatten mir nicht nur meine Identität genommen, sondern auch den einzigen Menschen auf dieser verfluchten Welt, den ich liebte. Gracchus und Corvinus. Gracchus und Corvinus. Am liebsten wäre ich nun umgekehrt, aber ich konnte nicht, die Dynamik der Masse trug mich vorwärts, und ich stand plötzlich vor dem Haufen der Menschen, das Gesicht bleich wie eine frisch gekalkte Wand.


    Ich ging vorwärts, aber es war mehr ein Stolpern, und ich wusste nicht einmal mehr, wohin ich gehen sollte. Fassungslos blickte ich den Männern nach, die Agrippinas Leiche hineintrugen, und auch wenn es besser war, so hätte ich doch nichts lieber in diesem Moment getan, als mich gleichfalls zu entleiben und mich neben sie fallen zu lassen. Es beenden, ein für allemal.
    "Es ist also wahr," brachte ich mühsam heraus und starrte auf den Eingang zum Vestatempel, um die beiden nicht anblicken zu müssen. Wann immer ich ein Herz gehabt hatte, es war zerrissen. Nicht mehr da. Nur noch Leere, unendliche Leere. "Ist der Palast benachrichtigt? Wenn nicht, dann übernehme ich das," sagte ich, um irgend etwas zu sagen, und endlich, nach langer Zeit, sah ich zu Gracchus, mich nicht weniger tot fühlend als Agrippina war. Brauchen würde er mich jetzt nicht mehr. Was sollte ich also noch hier?

  • Etwas lag zwischen ihnen, reagibel, vibrierte marginal bei jeder Bewegung, geriet in Schwingung als Aurelius Gracchus' Körper berührte, war nicht zu verdrängen, nicht bei Seite zu schieben. War es dies, was Caius hatte sich dem Aurelier zuwenden lassen, war es die Reminiszenz Aquilius' Sehnens, welches Gracchus nun an sich zog, welches seine Nasenflügel beim Detektieren des fremden Odeurs vibrieren ließ, war es der leise Anklang von Eifersucht? Was immer es war, gänzlich unpassend schien es im Augenblicke, eine Nuance in der kühlen Luft nur dazu, und doch war indisputabel es vorhanden. Beruhigend strömten die eindringlichen Worte des Magistrates auf Gracchus ein, der nun hatte die Initiative ergriffen, der nun dafür würde Sorge tragen, dass geschah, was geschehen musste. Der Leichnam Agrippinas indes wurde hinfort getragen von den Stufen des Tempels, fort aus Gracchus' Blick, fort aus seinem Leben, zurücklassend ein überaus ungustiöses Bildnis ihrer selbst, von welchem er wusste, dass nie wieder er aus seinem Kopfe es würde verdrängen können, dass nur immer dies ihm würde in Gedanken hängen, wenn an seine Schwester er sich zu Erinnern gedachte, gleich des degoutanten Bildnisses, welches von seinem alten Sciurus ihm im Geiste haftete - bleich, bloß, kontrastierend das rotfarbene Blut auf seinem Körper, das rotfarbene Blut welches zurück blieb auf der hellen, marmornen Treppe. Dumpf und einnehmend zugleich hallten die Worte Aurelius' in Gracchus Kopf wider, klangen so vernünftig und adäquat, so einleuchtend und doch so merkwürdig fremd. Mein Freund - waren dies tatsächlich seine Worte gewesen, oder war es nur der Hauch einer Sehnsucht, welcher in seinen Ohren klang, war es der Wunsch zu begreifen, weshalb Aquilius jenen ihm vorzog, der Wunsch Teil zu haben an Caius' Glück? Niemand nannte Gracchus je 'mein Freund', denn er hatte keine Freunde, nie gehabt, nur Caius, hielt fortwährend Distanz, stets in Furcht vor sich selbst, vor dem gierigen Episit, welcher sein Leben würde Preis geben der Vernichtung. Nur ein stummes Nicken konnte ihm entweichen, als letztlich der einzige Freund, der nämliche selbst die Szenerie betrat, als würde unweigerlich alles an diesem Punkte sich kumulieren, als würde der Knoten sich zusammen ziehen, um in festem Bande sich zu verwirren oder in einem betörenden Schlage zu detonieren. Vergessend ließ Gracchus ab von Aurelius, nichts konnte je mehr ihn anziehen denn sein Vetter, sein Caius, denn gleich, wem dieser je sein Herz würde schenken, das seine würde nur immer ihm gehören.
    "Caius"
    , hauchte er, atmete den Geliebten ein wie ein Ertrinkender die Luft, sehnte sich danach, sich nur an seine Schulter zu lehnen, umfasst zu werden von seinen starken Armen, sich an seinem Halse ausweinen zu dürfen, bei ihm zu sein, doch nichts hatte je sie mehr voneinander entfernt denn die Publizität, fürchtete Gracchus doch bei jeder Berührung, bei jeder Geste, dass alle Welt würde erkennen, was sie verband, dass schon ihr Blick allein würde gereichen, sie bloß zu stellen, sie beide zu devastieren.
    "Sie ist tot, Caius. Ermordet. Die virgo vestalis maxima. Aquilia."
    Schwerfällig nur wollte die kühle Herbstluft in Gracchus' Lungen Einzug nehmen, sein Körper wehrte sich gegen die Klärung seiner Sinne, wie sein Geist sich gegen die Wahrheit wollte stellen.
    "Aurelius hat sie ... war hier. Ich ... muss den Pontifices berichten."
    Beinah schien es, als könne er sich selbst sehen, von Außen betrachtet, Aquilius, Corvinus ihm gegenüber, reziprok, fort von ihm, weit fort, beieinander. Es war angebracht, seine Sinne beisammen zu halten, die Trauer zu überwinden, den Schmerz. Die virgo vestalis maxima war tot - was zählte da noch sein eigenes Leben, was zählte, dass Caius sich hatte ihm abgewandt, dass Corvinus ihn hatte geraubt, dass seine Schwester war dem Leben entronnen? Irrelevant, dies war das Leben - bedeutsam war nur der Tod. Noch immer derangiert wandte Gracchus sich Aurelius zu.
    "Danke, Aurelius. Ich werde zurück zur Regia gehen, das Collegium ... benachrichtigen. Alles weitere ..."
    Was war noch alles weitere gewesen? Der Tod. Die virgo vestalis maxima.
    "Alles weitere wird seinen Lauf nehmen."
    Ohne seinen Vetter anblicken zu können - nicht wollte er die Bestätigung sehen in Aquilius' Augen für das, was längstens er wusste - einen marginalen Moment im Versuch, ihn zu berühren, doch die Hand sinken lassend, noch ehe sie recht erhoben war, trat er an diesem vorbei.
    "Wir sehen uns ... zuhause."
    Keinen Augenblick länger wollte Gracchus an diesem Orte verweilen, denn was der ungustiöse Tod seiner Schwester nicht hatte an diesem Tage zu Wege geschafft - dass seine Contenance er würde völlig verlieren - die Nähe seines Vetters und dessen Geliebten würden dazu mehr als nur gereichen.

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  • Schier entsetzt starrte mich Aquilius an, der soeben aus der Menge getreten war, und ebenso entsetzt starrte ich zurück, wenn auch aus einem anderen Grund, namentlich jenem, dass es urplötzlich von Verwandten der toten Vestalin nur so zu wimmeln schien und ich - als sozusagenUnbeteiligter einer Familientragödie - erneut würde Trost spenden müssen. Nicht, dass dies mir ein Gräuel gewesen wäre, erst recht nicht bei Aquilius, doch die Situation hatte etwas an sich, das ich niemandem wünschte. Klagelaute aus der Menschenmenge und Schluchzen aus dem Tempel untermalten die Szenerie, die sich um einen sichtlich verletzten pontifex, einen - momentan noch entsetzten - Marspriester und mich herum abspielte. Vesta sei Dank war wenigstens der Leichnam der Vestalin soeben fortgebracht worden.


    Aquilius war bald heran und sah mich anklagend und ungläubigen Ausdrucks an. Indes Gracchus mir ein verwirrtes Nicken entgegenbrachte und sich dann seinem Vetter zuwandte. Befangen sah ich zur Seite, mochte dem Blick nicht standhalten, aber auch noch nicht gehen, obwohl ich das eben noch hatte tun wollen. Ganz entfernt hörte man das gleichförmige Klappern von caligae auf Stein, was bedeutete, dass die cohortes gleich eintreffen würden. "Ich kam gerade vom atrium Vestae", fügte ich erklärend an Gracchus' Worte an, sah aber nur kurz zu Aquilius. Trieben die Götter nun ihr Spiel mit uns in dieser verqueren Konstellation? Ich ahnte hiervon nichts, doch drückte sich mein Unbehagen in Form von Magenverstimmung aus. "Nicht dafür, Gracchus", erwiderte ich und deutete ein Kopfschütteln an. Weitere Worte wären zum einen wohl fehl am Platze gewesen, zum anderen ünnötig, da im Grunde alles gesagt war. Mit dem vagen Wunsch, Gracchus zumindest ein wenig seiner Tristesse zu nehmen, sah ich ihm nach, wie er an Aquilius vorbei- und langsam auf die Menschenmenge zusteuerte, die sich ehrfüchtig vor ihm teilte. Ich erinnerte mich daran, dass Aquilius noch hier stand. "Dies ist ein schlechter Tag", seufzte ich und sah ihn an. "Er kam kurz nach mir hierher. Ich wünschte, der Anblick wäre ihm erspart geblieben", fuhr ich fort und ahnte dabei nicht, was ich mit den Worten auslösen mochte. "Die cohortes sind auf dem Weg, die Vestalin vor Blicken geschützt. Ich kümmere mich um die Dinge vor Ort, es wäre gut, wenn du den Palast benachrichtigen könntest", fügte ich mit bedrückter Tonlage an.


    "Rom braucht uns jetzt. Die Zeit der Trauer wird kommen, Caius", sagte ich abschließend und drückte seine Schulter kurz mit der Hand. Alsdann wandte ich mich um und erklomm die letzten Stufen und folgte den Bluttropfen bis ins Innere des Tempels.

  • In schnellem Marschschritt, sich ihren Weg durch die Menge bahnend, kam eine Centurie der Praetorianergarde heranmarschiert. Unsägliches hatten Informanten berichtet: Die Virgo Vestalis Maxima sei ermordet worden!


    Die Soldaten kamen auf einen Befehl ihres Centurios zum Stillstand, er gab ihnen den Befehl die Menschen zurückzudrängen und den Ort zu sichern. Er trat zu einem der Pontifices.


    "Wer ist hier verantwortlich? Was ist hier los?"


  • Die Szenerie war geradezu grotesk, zwei pontifices, ein sacerdos, eine tote virgo vestalis maxima, und ungleich mehr, das an diesem Tag gestorben war. Befanden wir uns etwa in einer der Tragödien, die ein sinniger Geist verfasst hatte, verkörperten wir jene glücklosen Gestalten, die letztendlich niemals den Weg erlösender Freude kennenlernen würden? Zerstört war diese Welt, zerrissen, verkauft, verlassen. Die Kälte, die ich in mir fühlte, wollte nicht mehr weichen, und jede Geste, jedes gesprochene Wort war noch imstande, sie ungleich größer werden zu lasssen. Dass Gracchus mir entgegen blickte, sich mir gar zuwandte, ließ mich einen flüchtigen, schmerzvollen Augenblick lang hoffen, ich hätte mich getäuscht, jede Faser meines Seins hoffte inständig, es wäre so - doch seine Hand, die sich mir entgegen gehoben hatte, fiel wieder herab, als hätte er sich anders entschlossen. Es war eine so endgültige Geste, eine so verlorene Geste, dass ich nur dastehen konnte, während die Worte und das Geschrei der Menge an mir vorbei rauschten, wie der stetige Fluss des Meeres, ohne Bedeutung, ohne Belang noch für meine weitere Existenz. Hätte ich mich jetzt erneut auf dem unseligen Felsen befunden, wäre meine Entscheidung wohl eine andere gewesen.


    Gracchus und Corvinus. Gracchus und Corvinus. Das Blut pulsierte durch meinen kalten Leib, trieb die Worte gleich einem stetigen Schmerz voran, den man nicht ausschalten konnte, und ich stand nur da, ließ Corvinus' Worte und den Schulterdruck über mich ergehen, ohne mich groß zu regen, ein Nicken nur konnte ich mir abringen, und dann starrte ich auf den dunkelroten Fleck auf dem weißen, einst reinen und unschuldigen Boden.
    Dann verließ mich auch noch der zweite pontifex und wandte sich seinen Pflichten zu, die Menge jammerte und schrie, der Lärm dieser Menschen schwappte über mich und hüllte mich ein, erfüllte das leere Innere meines Selbst mit Geschrei, das in tausendfachem Echo an den verbliebenen Kanten meiner Seele wiederhallte.


    Erst als ich dieses andere Geräusch, nahendes Marschieren in schneller Geschwindigkeit, nicht mehr ignorieren konnte, als ein Offizier der Prätorianer am Ort des Geschehens auftrat, musste ich mich zwingen, wieder hinter meine Maske zurückzukehren, den corpus mit Leben zu erfüllen, und blickte den mir fremden Mann an.
    "Im Augenblick bin ich das wohl," erwiederte ich ihm auf seine Frage nach der Verantwortlichkeit - die Menge hatte sich für Gracchus geteilt und sich hinter ihm wieder geschlossen, ihn verschluckt wie einen Fisch im Meer. "Die virgo vestalis maxima wurde brutal ermordet, und man hat sie gerade in den Tempel der Vesta gebracht, um ihren Körper vor den Blicken der Masse zu schützen, ihren letzten Rest Würde bewahrend." Damit deutete ich auf den dicken, roten Blutfleck auf dem weißen Boden, befleckte Jungfräulichkeit und Reinheit gleichermaßen, und die nach innen strömenden, schockiert wirkenden vestalischen Jungfrauen.

  • Der Centurio hörte sich die Worte des Sacerdos an, man konnte nur erahnen dass er von dieser Mordnachricht schockiert war. Die oberste Vestalin ermordet, welch ein Frevel! Der Praefect musste unverzüglich informiert werden, dieser Pöbel musste verschwinden und Zeugen befrgat werden.


    So wandte er sich zunächst an den Sacerdos:


    "Gut, wir werden zunächst Sorge dafür tragen dass hier wieder Ruhe einkehrt. Indes würde ich die Vestallinen gerne befragen ob sie etwas verdächtiges gesehen haben, ich bitte dich also sie davon in Kenntnis zu setzen."


    Anschließend wandte er sich an einen bei ihm stehenden Miles und trug ihm auf unverüglich zur Castra zu sausen und dort Bericht an höchster Stelle zu erstatten. Kaum hatte der Miles sich aus dem Staub gemacht, trat der Centurio an seinen Optio heran und gab diesem Anweisungen.


    Der Optio salutierte und begab sich auf den Platz vor dem Tempel und wies die Milites an, den gesamten Tempelplatz von Schaulustigen zu säubern.

  • "Natürlich," erwiederte ich nur, sehr viel mehr gab es auch im Grunde nicht zu sagen, nicht zu dieser entsetzlichen Tat. Ich fühlte mich innerlich nicht nur wegen Gracchus' Verrat an mir gelähmt, das entsetzliche Antlitz der Agrippina tat ihr übriges, um mir ein Gefühl der Fremdheit und Absonderlichkeit einzuflößen, die diesen Stunden anhaftete. "Wirst Du bitte auch den palatium in Kenntnis setzen? Ich fürchte, im Augenblick bin ich nicht wirklich fähig, dies in all der dignitas zu übernehmen, die dazu vonnöten wäre - sie war eine meiner Verwandten."
    Zu nichts fühlte ich mich noch fähig, und doch musste es irgendwie weitergehen, dies alles in der rechten Weise hinter uns gebracht werden. Und dennoch, nachdem ich die Antwort des centurio abgewartet hatte, wandte ich mich um, die Treppenstufen hinauf, um den Tempel der Vesta zwar nicht zu betreten, aber doch an der Schwelle dort eine der Vestalinnen auf mich aufmerksam zu machen und die Bitte des Prätorianers weiterzugeben .. und die Dinge nahmen ihren Lauf, unerbittlich, Schritt für Schritt, das Leben musste weitergehen.

  • "Der palatium wird von uns in Kenntnis gesetzt werden." antwortete der CEnturio, er war sich sicher dass man sich darum in der Castra kümmern würde. Er musste nun zunächst einmal hier für Ordnung sorgen und dann die Vestalinnen befragen. Er hoffte inständig dass sie Glück haben würden und dabei etwas brauchbares herauskäme.


    Er sah dem Sacerdos hinterher und wartete dann darauf dass die Gerufenen kommen würden.

  • Noch immer drängen sich die Menschenmassen vorm Tempel zusammen. Auch und ganz besonders, als die sechs verbliebenen vestalischen Jungfrauen beim anwesenden Kommandanten der Garde zusammen getrieben werden. Nervös sind sie, aufgeregt, völlig durcheinander und entsetzt. Nicht einmal die Vestalis Aeterna denkt daran, dass eine von ihnen im Tempel beim Herdfeuer der Vesta bleiben sollte, denn sie ist ein bisschen kopflos wegen des Mordes. Niemand bewacht den Tempel - wieso auch?


    Eine schmale Frau in einem langen weißen Kleid - nicht makellos wie das der Vestalinnen, sondern abgenutzt - schiebt sich unauffällig aus den hinteren Gafferreihen zum Tempel. Bis auf die Stufen stehen die Neugierigen, um einen Blick auf den frevlerischen Blutfleck erhaschen zu können. Von dort ist es nicht schwer, durch die halb geöffnete Tür zu huschen. Niemand beachtet die Frau, die mit ihrem weißen Kopftuch aussieht wie eine beliebige Tempelsklavin. Denn auch im Tempel der Vesta verrichten nicht die Vestalinnen die niederen Arbeiten, auch wenn normalerweise immer eine von ihnen im Inneren anwesend ist.


    Nun jedoch ist der Tempel leer. Das heilige Herdfeuer der Vesta brennt vor sich hin, kräftig und hell ist die Flamme. Sie interessiert die Frau nicht. Rasch huscht sie auf leisen Sohlen an dem Altar vorbei und begibt sich tiefer ins Tempelinnere.


    Als die Frau kurze Zeit später wieder am Herdfeuer vorbei kommt, wirft sie ein Schriftstück ins heilige Herdfeuer. Knisternd löst sich das Pergament in Rauch und Ruß auf, schnell schmilzt das Siegel. Nur Asche bleibt zurück und nichts weist auf eine Veränderung, als die Frau sich aus dem Tempel schleicht und wieder in der Menge verschwindet.

  • Es dauerte nochmals einen Moment, dann jedoch näherten sich schlurfende Schritte der Tür, die kurz darauf geöffnet wurde.
    "Jaaa?" fragte die dürre Vestalin ehrfurchtgebietend den Besucher.

  • "Salve ehrwürdige Mutter... ich habe hier ein Testament und benötige dafür eine Empfangsbestätigung."


    Im Anschluß an seine Worte schob er eine Tabula unter den vorbereiteten Empfangsbeleg, damit das Unterschreiben leichter fiel.



    Empfangsbestätigung


    Hiermit bestätige ich den Empfang des Einschreibens
    von Marcus Octavius Augustinus Maior (HIS).



    Rom, (ITA)
    PRIDIE ID MAR DCCCLVIII A.U.C.



    Unterschrift: ____________

  • Als ich am Tempel der Vesta vorbei kam, sah ich eine Vestalin die gerade den Tempel verließ und in Richtung Markt ging. Begleitet von einem persönlichen Leibwächter, tat sie jeden Schritt mit Stolz. Die Reinheit dieser Frauen hatte mich immer beeindruckt, auch ihre Erhabenheit.
    Das Feuer der Vesta zu schützen war eine wichtige und ehrbare Aufgabe. Dieser Dienst für Rom und für all seine Bürger war mehr als eine Pflichtaufgabe...es war eine Ehre.


    Stumm betrachtete ich die Vestalin. Dann folgte ich tief beeindruckt meinem Sklaven der weiter Richtung Forum Romanum ging.


    Ich musste an meine Träume denken, die mich manchmal heimsuchten...tief in der Nacht. Ich verscheuchte die Gedanken und ging weiter.

  • Bevor Brutus das heiße Rom in das noch heißere Hispania verließ, wollte er noch einmal die Gelegenheit nutzen, um den Tempel der Vesta, das Ebenbild der Reinheit und Herrlichkeit römischer Tugend und Tradition besichtigen.
    Und da gerade die Vestalia gefeiert wurden, war dies ein eben so praktischer wie glücklicher Tag, dass sein Aufenthalt in Rom sich mit den Vestalia überschnitt.
    Die Gelegenheit war da und er wollte sie nutzen. Früh am morgen erklomm er daher die wenigen Stufen zum Tempel der Vesta und blickte sich nach einer der zahlreichen Vestalinnen um, die ihn hoffentlich herum führen würden. Als Sacerdos war er nicht sonderlich kennzeichnet.

  • Matthias erreichte den Tempel der Vesta, er war überrascht, daß er im Gegensatz zu den anderen Tempeln ziemlich klein war. Er betrat den Tempel und schaute sich nach einer Vestalin um.

  • Im Tempel war es wie üblich relativ dunkel und sehr still. Nur das Knistern der Flammen war zu hören und ab und zu das leise Geräusch verhüllter Körper, die durch den Tempel wandern.


    Ich war heute allein im Tempel und hatte gerade das Feuer überprüft, als ich feste Schritte vernahm. Das war unüblich für den Fuß einer Frau, selbst wenn die Frau Sandalen trug. Ich war wie üblich verschleiert und ging dem Geräusch entgegen.


    Plötzlich sah ich einen Mann im Eingangsbereich des Tempels. Er hatte schwarzes Haar, war schlank und schien kein Römer zu sein, denn er schaute im Tempel umher als wäre er nie vorher hier gewesen. Es war nicht sehr üblich dass ein Mann den Tempel betrat. Streng genommen waren Männer hier sogar gar nicht gern gesehen. Nur um Testamente abzugeben, nach solchen zu fragen oder für offizielle Besuche wurden Männer geduldet. Was wollte dieser Mann also hier?


    Vorsichtig trat ich näher.


    "Ihr wünscht?"

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