In Vorfreude der berauschenden Nähe des herannahenden Geliebten war Gracchus aus seinem Gedankengebäude freimütig herausgetreten, setzte sehnsüchtig Schritt um Schritt über den Strand der Hoffnung in Erwartung der Ankunft der prächtigen Barke, den körnigen, doch weichen Sand unter seinen Fußsohlen spürend, die warme Brise auf seiner Haut. Ein wenig zögerlich wurde sein federnder Gang als Serapio zu sprechen begann, langsam, gedehnt, denn auch Faustus spürte die nahende Gefahr der Gleichförmigkeit, einen aufziehende Flaute, welche sie voneinander fort zu treiben drohte, und doch war Gracchus dessen sicher, dass all dies nur eine Episode war, dass die hitzige Leidenschaft noch immer in ihnen brannte und nur eines neuen Funkens bedurfte, ob dessen er unbekümmert blieb, bar und bloß im Schein seiner inneren Sonne stand, sorglos und ein wenig naiv den sanften Reigen der Wogen beobachtend bis zu jenem umstürzenden Herzschlage dass Faustus seine Bekenntnis offenbarte.
Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.
Stumm und ungerührt stand der Flavier im Äußeren, während im Inneren die zarten Cumulus-Wolken am Horizont sich verdichteten, in keiner Zeit zu einem Gewitterberg sich auftürmten und die See unter sich mit sich zogen. Zornig brausten die Wellen auf, schlugen übereinander in wilder Hatz, bis dass eine gewaltige Flut sich brach und mit dem Getöse unzählig aufgebrachter Bienen dräuend auf das Ufer zurollte.
Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.
Noch unfähig zu verstehen, die Bedeutung dessen zu durchdringen wandte der innere Manius mit vor entsetzen aufgerissenen Augen sich um, rannte den Strand entlang - der Sand unter seinen Füßen tausenden Glassplittern gleich, der reißende Wind eiskalt auf seiner Haut -, rannte in die sicheren Gefilde seines Gedankengebäudes, doch hielt nicht ein, rannte und rannte, die endlos langen Flure entlang, vorbei an den Kammern, Zimmern und Sälen, welche die Erinnerung all jener kostbaren Augenblicke mit Serapio bargen, rannte bis zu den Stufen des Turmes, verfolgt von jenem unbarmherzigen Echo, das von allen Mauern widerhallte.
Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.
In seiner Kehle brannte der Atem, sein Herz schlug ihm bis in die Ohren, doch noch immer hielt er nicht inne, rannte die Stufen empor, weiter, immer weiter dem Himmel entgegen, Stufe, um Stufe, um Stufe. Erst oben, weit oben auf der kleinen Plattform des Turmes angelangt kam er zu Atem, kehrte Ruhe, kehrte Taubheit in ihn ein. Unter ihm tanzten die tosenden Stürme der Emotionen, weit unten rollten die gewaltigen Flutwellen der Enttäuschung über den Strand, doch die festen, dicken Mauern des Turmes, welchen über Jahre, Jahrzehnte er sich hatte errichtet, standen unbeeindruckt, brachen jegliches Gefühl. Hier oben war er sicher. Einsam. Doch sicher.
Jemanden kennengelernt. Er geht mir unter die Haut.
Es drängte ihn danach, auch im Äußeren zurückzuweichen, die Distanz zwischen Faustus und sich zu vergrößern, die Gefahr zu bannen, dass jener den Schmerz in seinem Inneren würde entdecken können, doch Gracchus zwang sich, stehen zu bleiben. Unbewegt. Reglos. Gefangen hinter seinen festen, dicken Mauern, die Maske tragend, welche in Jahren der Öffentlichkeit er sich hatte zu eigen gemacht.
"Dann ... ist das also ... das Ende?"
So einfach war es? Verdrängt von einem anderen. Einem anderen, der nun unter Faustus Haut kroch, mit ihm brannte, ihm Briefe sandte und über die Weltmeere folgte, mit ihm eine bedingungslose, elementare Naturgewalt war. So einfach. Damals, als Caius ihn verlassen hatte für eine Frau, ihm nur eine Nachricht hatte hinterlassen, damals hatte er geglaubt, im Angesichte hätte er alle elementare Gewalt walten lassen, hätte gekämpft um sein Herz, ihm bewiesen, dass es ihm gehörte. Doch nun, Jahre später in similärer Situation fühlte er sich wie eine alte, traditionelle Marmorstatue, an welcher man sich hatte satt gesehen, die ausgetauscht wurde gegen ein Modell nach moderner Art, die entsorgt wurde auf einem Haufen aus Schutt - ebenso kalt und hart und zerbrochen. Die Gegenwart Faustus' machte keinen Unterschied, denn Gracchus stand längst auf seinem Turm, unfähig zu kämpfen, erstarrt in Furcht vor der Zukunft, welche die Vergangenheit in sich barg.