Beiträge von Publius Terentius Pictor


    Ich blickte in die Runde.


    "Ich danke euch für die Gastfreundschaft. Es tut mir leid, wenn ihr meine Landesgenossen so herrschsüchtig erlebt habt, aber es gibt verschiedene Arten von uns Römern. Einige sehen euch nur als Barbaren und wollen euch unterjochen. Es gibt erfreulicherweise aber auch diejenigen, die euch tolerant gegenüber stehen und nur ihre Ruhe in Germanien haben wollen. Und dann gibt es noch solche, die euch sehr freundlich gegenüberstehen und von euch lernen wollen. Ich gehöre zur letzten Gruppe.", sagte ich lächelnd.


    Dann nahm ich einen Schluck vom Met. Er schmeckte wunderbar und glänzte golden im Becher.


    "Jetzt weiß ich wieder, was ich am germanischen Umtrunk so liebe!", sagte ich lachend.

    "Oh, der Kommandeur persönlich, welche Ehre!", höhnte Titus hinter mir.


    Ich grinste verschmitzt und wandte mich dann meinem Bett zu. Die Bettdecke legte ich ordentlich zusammen und platzierte sie am Fußende. Dann war das Kissen an der Reihe. Ich schlug es nochmal auf und legte es dann auch sorgfältig zurecht. Schließlich ging ich zu meiner Kleidung, die in einem Schrank verstaut lag. Ich legte sie penibel genau zu. Eine Eigenart, die ich mir erst hier bei der Classis angewöhnt hatte. Vorher war ich nie so ordnungsliebend gewesen. Als ich meinte, dass alles in Ordnung war, stellte ich mich neben mein Bett und nahm Haltung an. Die anderen taten es mir in Zeitabständen gleich und standen ebenso stramm neben ihren Betten. Nun warteten wir auf den Kommandeur. Hoffentlich hatten wir alles zu seiner Zufriedenheit getan. Sonst war sicher eine Reinemach-Aktion an der Reihe. Ein unliebsamer Zeitvertreib.

    Wir rannten gerade die zweite Runde, als der Kommandant sich dazugesellte und kein schlechtes Tempo hinlegte. Wir wunderten uns, dass ein Kommandant so etwas tat. Normalerweise saßen die Kommandanten in ihren Officii und erledigten irgendeinen Papierkram, während die Soldaten unten schwitzten. Doch dieser Kommandant war glücklicherweise anders. Das erfreute und und spornte die Truppe noch mehr an, denn niemand wollte negativ auffallen. Wir hatten bereits unsere Tuniken gegen eine Wand geworfen und liefen somit mit nackten Oberkörpern, denn der Schweiß rann uns wieder in Strömen den Körper hinab. Doch unsere Kondition war gut trainiert und so liefen wir problemlos eine Stunde in leichtem Tempo. Die letzte Runde beendeten wir auf dem Exerzierplatz und formierten uns nach Luft "hechelnd". Trotz der Erschöpfung standen wir stramm und unterdrückten die Schmerzen in den Beinen.

    Wir hatten uns auf dem Platz formiert und standen nun vor dem Kommandeur. Der Anblick war prächtig. Rund 200 Soldaten standen mit auf Hochglanz polierten Rüstungen auf dem Platz und sahen stolz nach vorn. Zu Ehren Neptuns hatten wir uns hier versammelt. Neptun war unser Schutzgott; da war es eine Frage der Ehre, ihm Respekt zu zollen. Ich hatte ihm heute morgen ein Huhn und eine Amphore Wein geopfert. Unser Schrein war überfüllt mit den Opfergütern. Einige Bettler in Rom hätten sich gütlich daran getan. Doch wir hatten zum Glück genug, um etwas davon opfern zu können. So standen wir gut gelaunt und hoch erhobenen Hauptes auf dem Platz.

    "Ich danke Dir für diese Ehre. Gern werde ich teilnehmen. Am besten weihst du mich ein, ich werde dir dann genau folgen.", sagte ich lächelnd.


    Alles Germanische interessierte mich. Ich wollte mehr davon erfahren. Was würden meine Familienmitglieder bloß von mir denken, wenn sie mich hier sehen könnten.

    "Ja, das wäre nett! Danke.", sagte ich dankbar und lächelnd.


    Dann ging ich ins Kaminzimmer und begrüßte die Anwesenden.


    "Guten Abend. Ich wollte nicht stören, wenn das ein Familienfest ist. Doch entschuldigt meine Neugier für alles Germanische, aber worum geht es bei diesem Fest der Winternacht?", fragte ich und hätte mich wegen meiner Unhöflichkeit ohrfeigen können. Doch meine Neugier war manchmal unstillbar.

    Wir gingen hinüber zu den Waffen, rüsteten uns damit aus und gingen dann wieder in die Mitte des Platzes. Zu zweit standen wir uns gegenüber. Ich hatte mich wieder mit Titus zusammengetan, da er noch Revanche gefordert hatte. Wir standen voreinander und schützten uns durch die Scuta, so wie wir es gelernt hatten. Unsere Verteidigung stand und war nur durch eine List zu knacken. Plötzlich rannte er auf mich zu und versuchte durch einen Stich meine Schulter zu treffen. Geistesgegenwärtig holte ich zur Parade aus und nahm den Schwung der Verteidigung, um zum Angriff überzugehen. Da er durch den Angriff sein Gewicht nicht mehr richtig verlagert hatte, konnte ich ihn nach hinten schieben. Immer wieder trafen meine Schwerthiebe auf sein Schild, welches er leicht schräg nach oben hielt. Kurz hatte er durch eine Parade keine freie Sicht mehr. Diese Gelegenheit nutzte ich, um mit meinem rechten Bein zwischen seine zu fahren und ihn so mit einem kraftvollen Schwung von denselben zu holen. Er fiel unsanft auf den Boden und blieb dort erst einmal liegen. Ich bot ihm meine Hand, die er annahm, um sich langsam nach oben zu ziehen.


    "Verdammt! Wie machst du das nur?", fragte er mich fast verzweifelnd.


    "Du vernachlässigst glaub ich deine Beinarbeit! Ich konnte eben mühelos an deine Beine!", antwortete ich grinsend.


    "Ah, stimmt! Jetzt wo du es sagst!", sprach er lachend.

    Gut gestärkt und ausgeruht machten wir Probati uns auf den Weg zum Exerzierplatz. Der Kommandeur wartete schon auf uns. Er war von normaler Statur und hatte braunes Haar. Er hatte eine Militärtunika an und trug einen Gurt darüber, der alles zusammenhielt. Schließlich formierten wir uns wieder zu einer Reihe und standen augenblicklich stramm.

    "JA, KOMMANDEUR!!!", erwiderten wir alle.


    Dann löste sich die Reihe und ich ging zusammen mit Quintus zum Mittagessen. Es gab Haferbrei und warmes Wasser. Dann gingen wir uns etwas ausruhen, um das noch folgende Exerzieren gut zu überstehen.

    "Ich mag ihn sehr und würde ihn gegen keinen anderen eintauschen wollen. Die Kameradschaft unter uns ist wunderbar. Und an das Klima habe ich mich auch schnell geöwhnt, ja ich kann sagen, dass es mir richtig gefällt. Und ich sehe das Wasser schon jetzt als mein Element. Die Stimmung morgends ist unbeschreiblich, wenn man auf dem Fluss fährt und die Natur einen fast verschluckt. Und glücklicherweise konnte ich bis jetzt noch keinen einzigen kriegerischen Germanen sehen oder meine Klinge in ihn fahren lassen! Und ich freue mich, lange hier sein zu dürfen!"


    Alles, was ich gesagt hatte, war ehrlich und kam von Herzen.

    Ich sah, dass er auf mich zeigte. Schließlich trat ich vor und antwortete, ihm wahrheitsgemäß:


    "Kommandeur, wir haben bisher verschiedene Schwimmtechniken und einfaches Steuern eines Lastenschiffes hier in und auf dem Wasser gelernt. An Land konnten wir jeden Tag exerzieren! Dazu gehörte der Umgang mit dem Gladius und dem Scutum. Außerdem legten wir zweimal pro Woche einen Dauerlauf ein. Aber das Wichtigste, was wir hier vom Centurio gelernt haben, waren Tugenden wie Kameradschaft und Zusammenhalt!"


    Ich sah starr nach vorn und bewegte keinen Muskel.

    Wir stiegen vom Boot und gingen dann zum Kai. Dort gingen wir wieder in Reihenformation und nahmen stramm Haltung an. Vom Wasser her wehte wieder eine kühle Brise und ließ uns leicht frösteln. Der Centurio stand nun wieder vor uns. Auch ihm schien nicht gerade warm zu sein.

    "JA, CENTURIO!", riefen wir erschöpft.


    Quintus ging wieder normal neben mir einher. Zwar noch etwas entkräftet, aber wieder voll auf den Beinen redete er mit mir. Der Centurio hatte sich gut um ihn gekümmert. Wenn es hart auf hart kam, konnte ich mich auf meinen Centurio verlassen und das gab mir ein gutes Gefühl. Ebenso konnte ich mich auf meine Kameraden verlassen.
    Alle gingen zu dem Brunnen, der im Westen des Stützpunktes stand und gossen sich das kühle Brunnenwasser über Kopf und Körper. Ich tat es ihnen gleich und nahm mir auch eine Kelle. Das Wasser lief mir wohltuend frisch den Körper hinunter und tränkte den Platz zu meinen Füßen. Dann trockneten wir uns ab und machten uns auf den Weg zu unseren Unterkünften, denn jeder musste sich erst einmal ausruhen.

    "Ich denke, dass es geht.", sagte Quintus lächelnd.


    Er stand langsam auf und ging zu uns anderen. Ich nahm ihn "in Empfang" und hielt ihn leicht, sodass er sich an mir abstützen konnte. Ich hoffte, dass das in Ordnung ginge. Dann sah ich, wie der Centurio aus der Ecke zu uns herüber kam. Gemischte Gefühle hatte ich in diesem Augenblick. Einerseits dankte ich ihm dafür, dass er sich um meinen Kameraden und Freund gekümmert hatte, andererseits war ich noch etwas wütend auf ihn, dass er alle so hatte rennen lassen. Doch das war allein unsere Schuld.

    "Ja, Centurio!", sagten wir freudig.


    Wir hoben den Anker zu fünft und legten die Ankerkette sorgsam zusammen. Dann lehnten wir uns an die Rehling und beobachteten, wie sich das Boot langsam in Fahrt setzte. Die Strömung ließ es langsam in Richtung des noch weiter entfernten Kais fahren. Der Centurio hatte das Ruder in der Hand und umschiffte so manche Untiefe. Ich sah, wie die Nebelschwaden über den Fluss waberten und uns fast umhüllten. Das Krachzen der Raben in den Baumkronen neben uns hallte in der kühlen Morgenluft und erzeugte eine fast mysthische Stimmung. Die Germanen hatte einen Naturglauben, der mir selbst nicht abging oder missfiel. Im Gegenteil, ich war offen für Neues und nicht abgeneigt, etwas über die Gottheiten der Germanen zu lernen. Ich erinnerte mich, dass Valentin, der Duumvir von Mogontiacum germanischer Abstammung war. Ich fasste den Plan, ihn einmal zu besuchen und mehr über das Germanentum herauszufinden. Vielleicht könnte ich das ja in einigen Zeilen festhalten, um etwas für meine Kinder zu haben. Ich wollte noch länger in Germanien bleiben, denn er gefiel mir wirklich hier. Das Boot fuhr noch immer gemächlich stromabwärts. Die Idylle war einfach wunderbar. Wenn es bei den Patroullenfahrten auch so zugehen würde, freute ich mich schon jetzt darauf.