Hannibal aß schweigend die Würste und trank immer wieder von dem Wein. Dabei hörte er Nadia aufmerksam zu. Seine dunklen Augen waren fest auf sie gerichtet. Ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen, während sie sprach. Ab und zu zuckten seine Augenbrauen auf und ab oder er wiegte den Kopf hin und her. Auch seufzte er bei der Geschichte mit dem Claudier. „Eifersucht!“ murmelte er sehr leise, so dass es mit dem Rauschen des Wassers unterging. Aber für ihn schien die Wut des Furianus in dem Moment sehr klar zu sein. Ganz kurz huschte ein Lächeln über das Gesicht von Hannibal. Wie es ihm schien, ahnte Nadia nichts von diesen Hintergründen. Verstand sie Männer so schlecht? Als sie aufstand, sah er ihr hinter her und aß schnell den letzten Bissen auf.
Dann stand auch er auf und trat an ihre Seite. Sein Blick wanderte über die Strudel des Wassers hinweg und er verschränkte seine Arme hinter dem Rücken. „Nadia, schau mal auf die andere Uferseite! Siehst Du dort die Menschen, die in den Gärten und bei den Kirschbäumen arbeiten?“ Bei den Worten deutete er auf die vielen Bäume, die nicht mehr blühten, sondern schon die ersten Früchte trugen, was man freilich von der Uferseite nicht sehen konnte. „Diese Menschen arbeiten von morgens bis abends. Sie schuften an den Obstbäumen, auf den Feldern, um der Erde die Frucht und den Segen abzuringen. Und sie sind allesamt unfrei. Oder sieh Dich in der Stadt um. Männer, die Insulae bauen, die oftmals bei ihrer Arbeit sterben. Männer und Frauen, die die Kanäle reinigen, die Strassen säubern und demütigenden Arbeiten nachgehen müssen. Auch sie sind allesamt unfrei. Sie werden niemals die Hoffnung haben, frei zu sein und sich in die Reihen der Liberti zu reihen, die mit ihren Kindern endlich die Würde finden könne, welchen den Römern von Geburt an gegeben wurde! Und werden jene Sklaven gut behandelt für all die Arbeit, die sie leisten?“ Hannibal hob die Augenbrauen bei der rethorischen Frage, die er gleich drauf beantwortete.
„Nein, sie werden geschlagen, ausgepeitscht und zur Arbeit getrieben. Zur gleichen Zeit kämpfen in der Gladiatorenarena viele Männer um ihr nacktes Überleben, während andere Sklaven einfach zur Belustigung der Römer den Löwen vorgeworfen werden!“ Kurz schweifte Hannibals Gedanke zu den vorletzten Spielen. Auch eine Flaviersklavin war in der Arena gelandet und von den Löwen zerfleischt worden. So wurden Hannibals letzte Worte dadurch noch viel stärker, da es auch die Sklaven im Hause der Flavier treffen konnte. „Ich verstehe, dass es schlimm ist, was Du erlebt hast. Aber siehe Dir doch auch mal an, wie schlimm es wirklich sein könnte. Siehe, was für ein Schicksal Du doch haben könntest. Aber nein, Du bist in der Villa Flavia Sklavin. Sicherlich ein hartes Los und ein schweres Leben, aber nicht so schwer, wie es die meisten anderen Sklaven haben. Wir müssen nicht hart arbeiten. Das wohl Schwerwiegenste sind ‚nur’ die Anweisungen des obersten Sklaven im Hause zu befolgen, der, zugegebenerweise, grausam ist, aber nicht undurchschaubar.“ Hannibal schwieg kurz.
„Des Weiteren haben wir beide Herren, die uns für unentbehrlich halten. Du bedeutest Deinen Herren doch wohl noch einiges. Denn er hat Dir weder ein Brandmahl verpasst, noch Dich gekreuzigt, obwohl Du geflohen bist. Auch sind die Arbeiten, die Du im Hause leisten musst, nicht wirklich schlimm, noch sind sie demütigend.“ Hannibal lächelte sie an. „Wie Du siehst, kann man Deine Situation auch ganz anders betrachten. Meinst Du nicht, dass Du nicht doch versuchen könntest, etwas Gutes in Deiner Situation zu sehen?“