Beiträge von Drakontios

    Als Scriba zögerte ich nicht und notierte sofort schweigend die Worte des Legaten und auch des Tribuns.


    Legat braucht
    -einen Stabsoffizier in der Regia zur Koordination von Einheiten,
    -Unterstützung des Praefectus Castrorum


    Tribun will
    -ins Castellum

    Auf dem Weg in mein Cubiculum sah ich noch einige Sklaven, welche mit ausräumen beschäftigt waren, die Verlobte des Tribuns und ihren Sklaven und im Anschluss noch den Tribun selbst. Im vorüber gehen wünschte ich ihm eine gute Nacht, wußte aber nicht, ob er mich gehört oder überhaupt bemerkt hatte. Nachdem ich endlich meine wenigen Sachen verstauen konnte, sprach ich ein Gebet bevor ich mich zu Bett legte:


    „Pater, hagiasthato to onoma su. Elthato ho basileia su. Ton arton ämon ton epiusion didu hämin to kath hämeran. Kai gar autoi aphiomen panti opheilonti hämin. Kai mä eisenegkäs hämas eis peipasmon.“


    (Vater! Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Unser tägliches Brot gib uns Tag für Tag und vergib uns unsre Sünden; denn auch wir vergeben allen, die an uns schuldig werden. Und führe uns nicht in Versuchung.) LK 11,2-4

    Ich tastete Aintzane kurz auf die Schulter und sagte:


    „Hallo meine Liebe. Schön das wir uns wieder sehen. Ja, auch mich zieht es nach Germania, ich bin seit kurzem der Scriba von M. Corvinus. Nach unserem Gespräch zog es mich in sein Haus, er brauchte einen Scriba und ich eine Aufgabe. Das ist doch etwas für mich! Und da ich auch schon in Germania war, schreckt mich diese Aufgabe nicht.“


    Kaum hatte ich denn letzten Satz ausgesprochen überkam mich das Grauen. Dieses Gesicht, dieser Mann, diese Scheusal, offensichtlich hatte ihn die Hölle selbst ausgespien, weil selbst der Teufel ein Waisenknabe gegen diese Ungeheuer war. Großäugig starrte ich ihn an, als er näher kam. ‚Großer Gott‘ dachte ich ‚ diese Fratze hatte ich bereits gesehen, zu erst auf dem Markt in Mogontiacum und dann in allen meine Alpträumen


    „Me Herculem“ rief ich leise aus, atmete einige Züge tief ein und aus, um mich zu beruhigen, sah im Anschluss Aintzane an und sagte, gefasst wirkend, zu ihr:


    „Entschuldige mich bitte einen Moment!“


    In großen Schritten ging ich auf Corvinus zu und rief entsetzt:


    „Tribun. Tribun“ bei ihm angekommen zeigte ich mit dem Finger auf den Germanen und sagte in fast keifendem Ton:


    „Das ist er, das ist er! Der erste Germane von dem ich sprach. So ein Gesicht vergisst man nicht, das ist er!“

    Als nächster trat ich hinzu. Der Tribun und seine Cousine waren bereits dort und die Sklaven verrichteten in großer Hektik die Arbeit. Es würde sicherlich in Bälde losgehen. Jedoch befand sich neben den mir nun vertrauten Gesichtern von Sklaven und Römern, auch ein weiteres Gesicht das ich zwar kannte, aber in dieser Schar nicht vermutet hatte. Ich trat auf das Gesicht zu, grüßte und fragte:


    „Salve Aintzane. Welcher Umstand führt dich in diese arbeitende Menge an Menschen?“


    Zu Camryn blickend sagte ich:


    „Kommt ihr gut voran oder braucht ihr eine helfende Hand?“


    Den Tribun hielt ich aber im Auge, als sein Scriba wollte ich auf jeden Fall zur Stelle sein, wenn meine Anwesenheit von Nöten ist.

    Ich musste unweigerlich in mich hinein grinsen. Drakontius, mit U, das war mir neu, aber es war witzig. Das konnte ja noch Eiter werden :), aber ich war sehr gespannt und freute mich auf meine neue Aufgabe.


    „Alle meine Sachen trage ich bei mir! Da ich von nun an dein Scriba bin, sollte ich mich auch so verhalten. Wenn die Unterkunft gestellt wird, sollte ich sie von nun an auch in Anspruch nehmen;“


    Ich zählte, mit nüchternem Blick, mit den Fingern ab


    „ ich sollte mich mit deinen Gepflogenheiten, deinen Sklaven, deinem sonstigen Personal vertraut machen, damit es möglichst schnell möglichst professionell abläuft.“

    "Alles gute Argumente. Aber wie viele Leute kennst du, die körperlichen Züchtigung mögen? Selbstmörder sind ein schwieriges Thema, weil sie eigentlich nur sich selber lieben. Diejenigen die es wirklich tun, denken doch nur noch an sich, weil sie etwas nicht bekommen was sie gerne hätten oder es verloren. Diejenigen die immer davon sprechen sich umzubringen, wollen doch nur Mitleid, und sterben wollen sie doch eigentlich gar nicht. Sonst würden sie es ja tun."


    Ich strich mir durch das Haar und runzelte die kräftig die Stirn und stöhnte.


    "Ein sehr schwieriges Thema, was meinst du dazu?"

    Ich lächelte.


    „Diese Germanen sind echte Tiere! Von Bildung keine Spur, schlechte Manieren, keine guten Sitten, saufen den ganzen Tag und haben immer schlechte Laune!“


    Überrascht hob ich die Brauen. 30 hat er gesagt, Sonderleistungen werden extra bezahlt.


    „Da überlege ich nicht lang, da sag ich ja.

    Bevor ein Reicher in das Himmelreich einzieht, passt ein Tau durch ein Nadelöhr. Also wenn das kein Opfer ist. Aber dies ist nicht der Richtige Moment, um philosophische oder theologische Fragen zu diskutieren und so hörte ich seinen Worten aufmerksam zu.


    „Bezahlung, hm. Es sollte natürlich ein Betrag sein, der es mir erlaubt, mich so auszustatten, dass es deiner gerecht wird. Der Sciba eines Tribunus sollte sicherlich nicht in schlichter Kleidung seine Arbeit verrichten, da es sonst ein schlechtes Licht auf seinen Arbeitgeber werfen könnte. Um diese Frage angemessen zu beantworten, müsste ich natürlich die jeweiligen Kosten kennen, welche diese Ausstattungen tragen. Zufrieden bin ich mit Unterkunft, Nahrung, etwas Wein und meiner Flöte.“


    Ich überlegte kurz und Erinnerte mich lächelnd an meinen kurzen Aufenthalt in Mogontiacum.


    „In Mogontiacum war ich einmal, ich suchte einen der Märkte auf und stellte mich an einen der Stände. Ein germanischer Sklave kaufte, ich glaube eine Tunika, für seine erkrankte Herrin und war sich mit der Farbe unsicher. Ich kann mich noch erinnern, dass ich im ersten Moment dachte, dass dieses germanische Ungeheuer einhändig den Minotaurus erwürgen könnte. Das war mein erster Kontakt mit Germanen.“

    „So ist das nicht gemeint. Wer will sich denn Freiwillig ein Leid antun? Wer will, dass es ihm schlecht geht? Wer will Schmerzen haben? Niemand ist egomanisch, der dies nicht will, sondern Menschlich! Wenn ich dies alles nicht für mich selber will, dann kann ich es auch nicht für die anderen wollen.“

    ‚Das Christenthema wäre also auch geklärt‘, dachte ich, als ich lächelnd den letzten Schluck des Weines trank, wollte aber es aber nicht ganz so negativ im Raume stehen lassen und kramte einige Augenblicke schweigend in meinen Gedanken, nach den passenden Worten suchend.


    „Christen sind ein schwieriges Thema in diesen Tagen. Von vielen Menschen werden sie nur als Feindbilder betrachtet, ohne das sie Fragen, warum es die Menschen zu den Christen zieht und warum sie sich von den Traditionen abwenden und wie sie es vermeiden können. Viele gebildete Leute sind darunter; ich halte es für unwahrscheinlich, dass diese geblendet werden. Also scheinen sie dort etwas zu finden, was sie sonst nirgends fanden. Allerdings ist dies nicht der richtige Moment, um mit einem so beschäftigten Mann über solche Dinge zu philosophieren!


    Ich hätte erwähnen sollen, dass ich grade aus Germanien komme. Natürlich stellt das für mich kein Problem dar. Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt sein, dass mein erstes Ziel nach meiner Abreise Hispania war und ich im Anschluss einige Wochen in Germania verweilte. Ich bin mit dem Duumvir von CCAA gut bekannt und arbeitete auf dessen Hühnerfarm.“


    Mit dem rechten Zeigefinger tippte ich auf meine Lippen und fragte dann:


    „Wahrscheinlich bin ich einfach nur zu penibel mit den Worten und deren Auslegung, aber du hast von reisen gesprochen; unter reisen verstehe ich einen kurzen Aufenthalt. Als Tribunus wird dein Aufenthalt doch sicherlich eine längere Zeit in Anspruch nehmen?! Natürlich stellt dieses kein Hindernis dar, die Frage hat nur informativen Charakter“


    Langsam hatte ich mich warm geredet und begann in flapsigem Ton zu scherzen:


    „Der Wein in Germania schmeckt allerdings genauso wenig griechisch wie dieser hier!“

    Lächeld nahm ich den Wein entgegen und trank grinsend einen Schluck. ‚Römer‘ dachte ich. Immer mit kleinen Schritten durch das Leben laufen, anstatt direkt einen großen zu machen. Hätte er vorher nach meinen Qualifikationen gefragt, hätten wir diesen Bereich bereites verlassen und uns einen weiteren zugewandt. So sind sie, die Römer. Allerdings verwundert mich, dass er zum wiederholten male Achaia sagte. Bei uns sagt das kein Mensch mehr. Vielleicht sollte das abwertend sein, weil die Achaier zwar den Trojanischen Krieg gewannen, aber die Trojaner nun, im römischen Blut weiter existierend, ihre Herrschaft auf fast die ganze Welt ausgedehnt haben. Möglich. Aber wahrscheinlich meinte er nur den lateinischen Ordnungsbegriff für unsere Region. Dieser lautet doch Achaea, glaub ich zumindest. Als Korinther müsste ich es doch eigentlich wissen, ich und Politik! Mal im Auge behalten.


    Ich hörte seine Worte, nahm noch einen Schluck von diesem Italischen Wein und antwortete auf Griechisch:


    „Athen ist groß, sehr groß! Alle großen Philosophen waren einmal dort bzw. zog es dorthin. Ich lebte auch einige Wochen dort, aber fühlte mich dort nicht wohl. Zu viel Trubel, zu viele Leute, zu wenig Stille! Zu viele Leute die einem die eigenen Ansichten aufdrücken wollen. Da ging ich lieber in mein beschauliches Korinth zurück. Dort ist es zwar auch nicht ruhig, und klein ist Korinth auch nicht, aber es ist die Heimat.“


    Ich machte eine Sprechpause, strich mir einige Haare aus dem Gesicht und sprach weiter.


    „Tja, was gibt es zu mir zu sagen? Ich komme wie gesagt aus Korinth, beschäftigte mich schon früh mit Philosophie und las die Werke von Philosophen. Mein Vater meinte, dass ich mich auch mit Römischer Geschichte beschäftigen sollte, weil es mir vielleicht nützlich sein kann. Ihm zu liebe tat ich dieses auch, aber da sie selten in meinem Umkreis zur Sprache kam, ist vieles nicht gleich zur Hand. Das müsste ich also auffrischen, falls der Bedarf besteht. Frau und Kinder habe ich keine, nur ein gebrochenes Herz; Geschwister habe ich 5. Bis vor kurzem lebte ich als Stoiker in der Heimat und baute Gemüse an. Ich verließ die Heimat, weil es in Korinth unruhig wurde. Die Mentalität hast du bereits angesprochen. Griechen sind offen für neues, fürchten aber unbekanntes. Bei uns dehnte sich die Christengemeinde immer weiter aus. Es war nicht mehr schön, die einen feindeten sich mit ihnen an, die anderen freundeten sich mit ihnen an und es gab nur noch Chaos.“

    Verwundert hob ich beide Brauen. Hatte ich doch vor kurzem noch viele negative Dinge über Römer gehört und mich über ihre permanente Ignoranz amüsiert, überraschte mich dieses erneut. Nicht nur, dass mein lieber Freund Lunaris nach Griechenland zurückgekehrt war, obwohl es ihn nach seinen eigenen Worten stets nach Hause, in die Italische Heimat, zog und er der Meinung war nur hier glücklich zu sein, nein, aus dem Nichts heraus fragt mich ein römischer Patrizier, ob ich bei ihm Scriba werden möchte, obwohl mich dieser erst wenige Augenblicke kennt. ‚Stultorum plena sunt omnia‘ hatte Cicero geschrieben, wie recht er doch damit hatte.


    „Nun, meine weiteren Pläne waren ungewiss. Dies war ein Grund, warum ich den Rat meines Freundes einholen wollte. Sein großes Wissen und seine vertrauensvolle Art sollten mir helfen, einen Weg zu wählen, welchen ich nun gehen möchte. Wie es scheint, hat er mir dennoch geholfen.“


    Einen kurzen Moment gedachte ich Lunaris und dankte ihm im Geiste. Kurz überlegte ich, ob ich in der für ihn typisch poetischen Sprache weiter sprechen sollte, um ihm diesen Moment zu widmen, oder ob ich meine eigenen Worte sprechen lassen sollte. Ich entschied mich für letzteres, da meine zwar nicht geringen Kenntnisse der Poetik, nur tölpelhaft gegenüber den seinigen wären. Mit leichtem Lächeln und sanfter Stimme sagte ich:


    „Viele Gründe könnten mich bewegen, meinen Italien Aufenthalt zu verlängern. Ein solches Angebot ist einer davon, sogar ein sehr guter. Darum nehme ich es an!“

    Ich zog die Brauen zusammen.


    „Was ist denn überhaupt das Ziel einer Religion. Es geht doch um das Verhältnis zwischen dem Göttlichen und den Menschen. Davon das man sich ernähren muss, kann kein Glaube befreien, das man sich vor der Witterung schützen muss auch nicht. Philosophie aber auch nicht, trotzdem hat es Diogenes bewiesen. Das Verhältnis zu anderen Menschen steht im Hintergrund, das Wichtigste ist das Verhältnis zu Gott, seine grenzenlose Liebe anzuerkennen und ihn auch zu lieben. Dann erst kommen die Menschen. Gottes Sohn sagte: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“, da hat man niemanden lieber als jemanden anderen. Obwohl das natürlich nicht immer einfach ist.“

    „Ich werde ja ganz verlegen! Ob ich kultiviert oder klug bin, kann ich schlecht beurteilen, aber wenn du dieser Meinung bist, wird es wohl stimmen.;) Aber es ist auch sehr angenehm sich mit dir zu unterhalten“


    Ich überlegte kurz und sagte dann:


    „Viele Leute mit denen ich über unseren Glauben sprach sagten, dass ihnen durch den Glauben eine große Last vom Herzen genommen wurde und sie sich nun befreit fühlen von dieser Last. Ich denke, dass, wenn dir eine große Last genommen wurde, man auch wieder lachen kann.“

    Ich trat näher heran.


    „Es ist recht ungewöhnlich für diese Tageszeit, dass jemand ohne Ziel in den Strassen Roms herumgeistert, auch wenn er bzw. sie sich noch so gut in ihnen auskennt ;). Ungern möchte ich indiskret erscheinen, aber gibt es dafür einen speziellen Anlass, bei dem wir 2 Männer behilflich sein können?“

    Grübelnd schritt ich durch Roms Straßen, überlegte weitere wichtige Schritte die es eventuell zu tun galt, aber verwarf sie letztlich. Auch wenn ich von umher irren nie viel hielt, war es dennoch Gedanken lösend. Einfach mal an nichts denken, keine Pläne schmieden, keine Fehler analysieren, einfach die Umgebung auf sich wirken lassen, der Welt, in der es so viele Entscheidungen zu treffen gilt, wenn auch nur kurz, den Rücken zuzukehren und anzuhalten. Die Luft war klar und kühl, ein leichter Nebel schien aufzuziehen, verschwand aber wieder, den Wind hörte man rascheln und man spürte, wie er sanft die Haare in das Gesicht warf.


    Manchmal huschte jemand an mir vorbei oder torkelte aus einem der Häuser, die Vigiles stampften auf den Strassen und eine eins Dame zog einsam durch die Nacht. Schon beim ersten Blick war deutlich, dass dies keine Frau war, die man sonst um diese Tageszeit erwarten würde, dafür war sie zu vornehm gekleidet. Natürlich fragte ich mich, warum eine Frau um diese Zeit allein durch die Strassen läuft. Was da alles passieren kann. Vielleicht ist etwas schlimmes passiert oder sie wandelt im Schlaf. Da halft nichts, ansprechen und sie sicher geleiten, zumindest anbieten. Ich trat auf sie zu und sagte mit sanfter Stimme:


    „Verehrte Dame, die Strassen der Hauptstadt sind für eine zierliche Person wie Euch nicht sicher. Darum wäre es mir ein Vergnügen und Bedürfnis Euch sicher zu Eurem Ziel zu geleiten!“

    „Nun, wir kennen uns von früher, aus der Zeit in der er in Griechenland Philosophie studierte. Eines Tages zog es ihn zurück nach Hause. Auch mich zog es fort aus der griechischen Heimat. Es war mein Anliegen ihn zu besuchen, zu erfahren wie es ihm geht, seinen Rat einzuhohlen.“

    Ich setzt mich


    „Salve Aurelius Corvinus, mein Name ist Drakontios. Ich suche meinen alten Freund Gn. Corvius Lunaris. Es soll hier gewohnt haben. Dein Sklave sagte mir, dass die Corvier hier nicht mehr wohnen. Nun wüßte ich gern, ob dir der neue Aufenthaltsort bekannt ist.“