Beiträge von Helvetia Severina

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Die meisten Ehrengäste sind wohl schon da. Aber den Kaiser sehe ich noch nicht. Vielleicht wird er ebenfalls mit der Parade kommen. Weißt du zufällig, was für ein Programm geplant ist?"
    Fragend sah Milo kurz zu Severina, um anschließend wieder nach der Parade Ausschau zu halten.


    Die kleine Severina stellte sich auf ihre Zehenspitzen, um einen vollständigen Blick auf die Ehrentribüne zu erhaschen. Doch auch sie sah nicht mehr als ihr patrizischer Begleiter. Sie musste kichern, weil Milo seine Augen zusammenkniff wie ein älterer Mann.


    "Nein, ich weiss es nicht." antwortete Severina wahreitsgemäss. Sie wusste gar nichts, gerade noch wem die Parade galt. Wie dumm von ihr, einfach hierher zu kommen, ohne Ahnung von auch nur igendetwas, ohne angemessene Begleitung (weil der Sklave ja etliche Schritte entfernt war) und... ohne Wasser. Die Hitze plagte sie nun doch und Severina schalt sich wieder selbst (zum wievielten mal am diesen Tag?), weil sie natürlich gerade jetzt Durst bekam, jetzt wo die Parade begann und man seinen erkämpften Platz unweigerlich verlieren würde.


    "Kommen solche Paraden oft vor in Rom?"

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Gerade bei wichtigen Anliegen oder sehr delikaten Themen kann das von großem Vorteil sein. Du siehst also, dass du dich nicht dafür schämen musst" lächelte Milo aufmunternd und sah kurz über das Marsfeld. An manchen Stellen schien bereits etwas Bewegung in die Menschen zu kommen und er mutmaßte, dass sich die Parade allmählich in Gang setzte oder sich gar schon näherte.


    Etwas erschrocken sah sie Milo an, als er sie musterte. Musterte! Von Kopf bis Fuss! Severina fühlte sich äusserst unsicher und wusste nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. So offensiv und schon fast aufdringlich hatte noch kein Mann sie erblickt und Severinas Unbehaglichkeit steigerte sich, bis er endlich seine Betrachtung beendete. Etwas verstört strich sie sich mit ihrer Linken eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wagte es nicht, Milo anzusehen. Sicher war es ihrer mangelnden Erfahrung zuzuschreiben, dass sie nicht wusste, wie man in einem solchen Falle vorzugehen hatte. Viele Frauen hätten nun sicher mit einem lockeren Spruch gekontert, Severina hingegen war sprachlos. Es wäre übertrieben zu sagen, dass sie sich nun unwohl in seiner Gegenwart fühlte, das nicht, genausowenig aber konnte sie nun Souveränität ausstrahlen.


    "Findest du?" fragte sie schon eher ängstlich und erst jetzt konnte sie wieder die Augen heben und Milo ansehen. Im Grunde zweifelte sie an seinem Kompliment und hoffte doch das Gegenteil, denn natürlich würde es Severina gefallen, wenn sich die Männer für sie interessieren würden. Bislang blieb dies aus, sie glaubte, dass sie auf Grund ihrer Schüchternheit nicht reizvoll wäre. Sie hörte ihm zu, wie er von seinem Vater und seiner Art zu leben erzählte, war aber in ihrem Innersten noch immer so aufgewühlt, dass sie Mühe hatte, seinen Worten vollends zu folgen. Doch riss sie sich zusammen, erst recht dann, als die Rede wieder auf ihren Vater kam. Sie nickte stumm auf die Bemerkung Milos hin, still lächelnd, ihre Augen voll Freude.


    Und jetzt musste sie sogar ein wenig kichern wegen Milos Versprechen, sie nicht anzulügen. Oder wollte er dies nur für das Gebiet der Rhetorik versprechen? Severina war sich jetzt unsicher, hoffte aber natürlich ersteres. "Das Sprechen vor Publikum ist dennoch nichts für mich." versicherte sie ihm, als auch sie der Bewegung der Menschen auf dem Platze gewahr wurde. "Oh, kommen sie schon?" Sie war schon fast enttäuscht, denn so konnten sie sich nicht mehr unterhalten, wenn Milo dies noch überhaupt wollte.

    Severina seufzte. Kaum war sie in Rom angekommen, musste sie schon wieder packen, nur verliess sie diesmal nicht ihre Familie, sondern nur das Haus in Rom. Wirklich einverstanden war sie nicht mit Vaters Entscheidung, Rom zu verlassen und nach Ostia zu ziehen, aber Papa hatte sicher seine Gründe dafür. Nur Mama schmollte, weil sie ja in der Schola arbeitete und dafür ständig nach Rom und wieder zurück reisen musste. Aber das war Severina herzlich egal, sie fand es ohnehin befremdend, dass ihre Mutter noch eine Stelle angenommen hatte, anstatt sich um ihre Kinder und um den Haushalt zu kümmern, wie sie das all die letzten Jahre getan hatte. Aber auch hierüber verlor Severina kein Wort, gegen ihre Eltern sprechen lag nicht in ihrer Natur und sie wurde auch nicht so erzogen. Drusilla hatte ihr immer gesagt, dass ihre Eltern immer mit dem gebührenden Respekt zu behandeln seien, gerade als Tochter hatte man sich nicht gegen die Eltern aufzulehnen, das gehörte sich nicht für eine Dame. Sicher verlangte niemand von Severina alles stillschweigend hinzunehmen, aber das war auch nicht nötig, denn Papa war immer auf ihr Wohl bedacht gewesen und Severina war sich sicher, dass ihr Papa niemals etwas entscheiden würde, das für Severina schlecht wäre.


    "Pass doch auf, du Dummkopf!" schalt sie einen Sklaven, der ihre Habseligkeiten zu unachtsam handhabte. Nur mühsam konnte sie einen erneuten Aufseufzer unterdrücken. Es würde mindestens diesen und vielleicht auch den nächsten Tag dauern, ihr Zimmer so zu gestalten, wie es ihr gefiel. Allerdings hatte dieser Umzug auch ihr Gutes, so konnte sie diesen gut als Ausrede verwenden, Einkäufe auf dem Markt von Ostia zu besorgen.

    Und so wie Severina es befürchtet hatte, der Tag wurde heisser und heisser. Selbst im Schatten der Taverne war es immer weniger angenehm, so standen die beiden Damen auf und verliessen die kleine Gassentaverne. Wenn Drusilla sich jedoch gedacht hatte, dass sie sich nun auf dem Weg nach Hause machen würden, so hatte die Amme sich gehörig geschnitten. Severina drängte es wieder auf den Markt, die zeternde alternde Frau hinter sich hörend. Sie wollte noch unbedingt eine Stola für sich selbst und eine kleine Amphore Wein für ihren Vater kaufen. Die Stola stellte kein Problem dar, Severina hatte schnell eine gefunden, die sowohl ihren Geschmack als auch die hohen Ansprüche ihrer Amme traf. Der Wein für ihren Vater hingegen war etwas schwieriger zu beschaffen, da sowohl Severina als auch Drusilla selbst nur wenig Wein tranken und diesen stark verdünnt, so wie es sich für eine Dame gehörte. Ausserdem hatte Severina durch ihre lange Abwesenheit nur eine sehr grobe Vorstellung vom Weingeschmack ihres Vaters. So besuchten beide verschiedene Weinhändler bis sie in ein Geschäft eines hispanischen Importeurs eintraten. Die mollige Frau, sicher die Ehefrau des Eigentümers, begrüsste beide freundlich und lud beide zu einer kleinen Verkostung ein. Erfreut über soviel Aufmerksamkeit kosteten beide, natürlich immer nur in Schlückchen, verschiedene Weine, bis sie sich für einen entschieden, der angenehm herb und erfrischend schmeckte, zweifellos eine Wohltat angesichts der derzeit brütenden Hitze. Als die beiden nur kurze Zeit später das Geschäft verliessen, drehte sich Severina noch einmal ganz kurz um, dieses Geschäft wollte sie sich merken. Doch schon drängte Drusilla wieder, sie wollte nun endlich nach Hause und Severina, obwohl sie viel lieber noch gerne mehr gesehen und vielleicht auch eingekauft hätte, fügte sich den Worten ihrer Amme und verliess mit ihr den Markt nach Hause.

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    Original von Titus Flavius Milo
    Er räusperte sich etwas verlegen und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
    "Ich hoffe, du bist jetzt nicht allzu enttäuscht von mir" lächelte er etwas schief.


    "Was ich so mache? Nichts. Das heisst, nichts Interessantes. Was Frauen so tun den ganzen Tag. Ausserdem bin ich gerade erst zurückgekommen und da will ich jetzt Rom wieder neu erkunden. In den letzten zwei Jahren hat sich viel verändert." sprach Severina in einem Anfall von Redelust.


    "Nichts dergleichen. Ich bin weder verlobt noch verheiratet. Und einen Beruf habe ich auch nicht." beantwortete sie brav seine Fragen, nicht ohne selbst zu lächeln. "Mein Vater hat noch keinem Mann gestattet, um mich zu werben. Das liegt aber sicher daran, dass sich noch kein Interessent gefunden hat. Und du? Wirbst du um eine Dame? Sicher um eine Patrizierin, nicht wahr?" fragte sie, nicht ohne ein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend zu haben. Ganz kurz schoss ihr in den Sinn, dass dieser junge Mann als zukünftiger Ehegatte sicher überall willkommen wäre.


    "Mein Vater ist der amtierende Aedil, Caius Helvetius Tacitus." verkündete Severina nicht ohne Stolz. Sie konnte gar nicht beschreiben, welche Freudentänze sie vollbracht hatte, als sie von dieser Nachricht hörte. Aber für Severina war das klar, ihr Papa war schlicht der Beste und sie hatte nie daran gezweifelt, dass ihr Vater einmal ein führender Politiker und sicher auch Senator werden würde.


    Severina musste leise lachen, als sie Milos Geständnis hörte, die ihn als Nicht-Musiker auszeichnete. "Aber das macht doch nichts. Ich bin dafür äusserst unbegabt, was das rhetorische betrifft. Mein Rhetor hat immer sehr viel gelitten mit mir. Deswegen könnte ich mich auch nie für ein Amt bewerben, wie all die anderen Frauen. Ich habe einfach zuviel Angst vor Publikum." Ihre Schüchternheit und ihre Probleme, auf Menschen zugehen zu können, hatte er sicher schon bemerkt, musste er bemerkt haben. Nur jetzt mit ihm war es gerade irgendwie anders.

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Der Gerechtigkeit wegen musst du mir nun aber auch wieder etwas über dich erzählen. Welches deiner Fächer hat dir in Achaia am meisten Freude bereitet?" erkundigte er sich unbeirrt weiter, ihr lächelnd einen kurzen Seitenblick zuwerfend.


    'In diesem Augenblick hat zum Beispiel genau diese Treppe, hier in Rom am Marsfeld, einen besonders attraktiven Reiz.' hatte er gesagt. War es wegen der Parade oder hatte er ein Kompliment... nein, das war unmöglich für Severina, das konnte sie sich nicht vorstellen. Er musste die Parade gemeint haben. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass eine leichte Röte ihr Gesicht überzog. Die nächsten Momente verbrachte sie mit Erstaunen, Bedauern und wieder Erstaunen. Bedauern wegen der Mutter, die bei Milos Geburt starb, Erstaunen deswegen, weil seine Familie so eine bekannte und einflussreiche war, doch warum wunderte sie sich, war doch die Gens Flavia eine derjenigen Gentes mit viel Macht und Geld im Hintergrund.


    "Aber du wirst doch sicher eines Tages ebenso den Cursus Honorum beschreiten, nicht wahr? Und sicher Senator werden, so wie mein Papa eines Tages, ist doch so, oder?" Wieder bewunderte und diesmal auch beneidete sie ihn. Eine Frau hatte nicht so viele Möglichkeiten wie ein Mann, und er als Patrizier brauchte sich auch nicht um die täglichen Sorgen zu fürchten wie viele anderen Männer im Reich. Sicher lebte er in Luxus und Wohlstand und musste nur arbeiten, wenn es ihm so gefiel. War das nicht das Ziel eines jeden Römers?


    Mittlerweile hatte sich ihre Nervösität zwar nicht verflüchtigt, aber sie war merklich geringer geworden, genauso wie das Zittern ihrer Hände. Er strahlte so eine Ruhe auf sie aus, so dass nicht einmal die kleine Severina, wie sie sich empfand, beunruhigt oder gar ängstlich sein musste. Und er war überhaupt nicht so wie ein Patrizier, so hochnäsig wie die anderen, von denen Drusilla imer erzählt hatte, ganz im Gegenteil. Und dabei hatte er so süsse Augen... Wieder wandte sie sich etwas verlegen von ihm ab und blickte auf die Masse auf dem Platz. Obwohl es so heiss war, strömten dennoch Scharen hierher, und ihr war auch heiss, obgleich nicht nur die äussere Hitze daran schuld war, doch ihre leichte und helle Tunika kaschierte dies völlig.


    "Welches mir am meisten Freude bereitet hat? Die Musik. Sie ist so schonungslos offen und ehrlich." sagte sie nachdem sie nur ganz kurz überlegt hatte. "Man kann seine Unwissenheit vortäuschen mit guten Reden, aber wenn man nicht spielen kann, hört man es sofort. Und sie berührt immer, zumindest mich berührt sie immer."

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    Original von Titus Flavius Milo
    "In Achaia? Du bist wahrlich zu beneiden. Nicht jeder bekommt eine solch vorzügliche Ausbildung von seinen Eltern ermöglicht. In welchen Fächern wurdest du unterrichtet? Hattest du auch Zeit, das Land an sich zu bereisen? Man hört wahrlich wundersame Dinge über diese Provinz. Ist sie wirklich so reizvoll, wie man stets berichtet?"
    Er erinnerte sich noch gut an die begeisterten Schilderungen seines Vetters Gracchus und musste leicht schmunzeln.
    "Gefällt dir Rom jetzt überhaupt noch?"


    Er war so hinreissend, ganz höflich, drängte sie nicht und war interessiert in das, was die kleine Severina zu sagen hatte. Zumindest tat er so, und genau dieser letzte Gedanke zischte ihr in den Kopf. Wahrscheinlich hielt er sie für ein kleines Kind, so wie sie auch anstellen musste.


    "Ja, Achaia war recht nett." Ein wenig Enttäuschung hatte sich in ihre Stimme geschlichen. "Unterrichtet wurde ich in den üblichen Fächern, die eine gute Frau beherrschen muss. Ich habe Poesie gelesen, Theater besucht, Stunden bei einem Rhetor genommen, die Lyra gelernt und auch ein wenig Philosophie." Kurz überlegte sie, ob sie etwas vergessen hatte. "Ahja, und Haushaltsführung natürlich." fügte sie noch schnell hinzu.


    "Rom gefällt mir viel besser." Und schon hatte sich wieder ein Lächeln in ihr Gesicht geschlichen. Sie nutzte einen Moment, wo er sie nicht anschaute, um ihn selbst wieder ein wenig zu betrachten, und als er wieder hersah, blickte sie zu Boden. "Es ist nirgends so schön wie zuhause." sagte sie und jetzt getraute sie sich endlich, ihm bewusst in die Augen zu sehen. "Findest du nicht?" fragte Severina ihn auffordernd, während sie bemerkte, welch hübsche Augen er hatte. Dann bemerkte sie voller Entsetzen, dass sie bisher nur über Severina geredet hatten, was sich auch ein klein wenig in ihrem Gesicht wiederspiegelte. Drusilla, ihre Amme, würde sie tagelang schelten. Ein Mann soll erzählen und die Frau soll zuhören, hatte sie ihr eingeschärft, und Severina machte natürlich das komplett falsche.


    "Verzeih, wir haben nur von mir gesprochen. Erzähl du mir etwas von dir." forderte sie ihn auf, die Worte "mein Retter" oder ähnliches schwer verkneifend. Immerhin errettete er sie ja tatsächlich vor den Massen auf dem Platz.

    Und der Neid wurde immer grösser und grösser. Minervina hatte schon zwei Männer und Severina noch überhaupt niemanden. Sie kam sich jetzt ganz und gar nicht erwachsen vor, drängte aber schnell diese Gedanken beiseite und machte der Überraschung Platz, als Minervina ihr Alter nannte. Es bestand wirklich kaum ein altersmässiger Unterschied.


    "Du hast recht, ich sollte vielleicht auch einmal Vater fragen, wann ich versprochen werden... und an wen." Ganz leise kicherte sie in sich hinein. "Ich hoffe nur, dass er ansehnlich ist und mich gut behandelt. Aber vielleicht dauert das noch eine Weile, ich bin ja doch etwas überraschend nach Hause gekommen. So wie ich Vater kenne, hat er überhaupt noch keinen Bräutigam für mich in Aussicht."


    Was ihr - ganz ehrlich gesagt - durchaus recht war. Sie hatte so Heimweh gehabt in Achaia, jetzt wollte Severina Rom geniessen und Zeit mit ihrem Vater verbringen. Sie tauchte ihren Kopf in das Wasser, das für Severina noch immer eine angenehme Temperatur hatte, und dachte nach über mögliche Heiratskandidaten. Vielleicht ein Amtskollege ihres Vaters? Oder ein Sohn eines Kollegen? Was, wenn ihre Mutter für sie einen Bräutigam aussuche? Severina erschrak und tauchte ganz schnell mit ihrem Kopf wieder auf. Nein, das durfte wirklich nicht sein.


    "Nein, Vater wird schon den richtigen finden für mich." sagte Severina, sich selber beruhigend.

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    Original von Titus Flavius Milo
    Dann wandte sich Milo wieder seiner Begleiterin zu, diese mit fragendem Blick musternd.
    "Wie kommt es, dass du den Kaiser noch nie zu Gesicht bekommen hast? Bist du nicht hier in Rom aufgewachsen? Oder hat man dich nur nie aus der Casa deiner Eltern herausgelassen?"


    Der oberste Leibwächter, Auszeichnung, Ehrung, Worte, die die kleine Severina mit ihrer geringen Lebenserfahrung so gar nicht fassen konnte. Dieses Ziehen in ihrem Bauch wegen ihrer Nervösität änderte sich in gespannte Aufregung, was sich unter anderem darin ausdrückte, dass ihre Hände ein wenig zitterten und ihre Augen nun förmlich zu strahlen begannen. "Das ist alles so aufregend." Ihre Schüchternheit schwand ein wenig, wohl wegen der grandiosen Aussicht und der Vorfreude auf die Parade. Sie liess noch einmal ihren Blick über den Platz hinüber zu der Ehrentribüne schweifen, dann drehte sie ihr Gesicht wieder zu Milo.


    Ich war... Ich bin... Ich kam... stotterte Severina und sie kam sich in diesem Moment wieder wie eine dumme Gans vor, wie ein kleines Kind, das erst das Sprechen lernt, was ihre Nervösität wieder einmal steigen liess. Sie atmete einmal tief durch und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, hoffend, in Wirklichkeit nicht ganz so peinlich zu wirken, wie sie befürchtete. "Also, ich meine, ich bin schon in Rom aufgewachsen, war aber zwei Jahre in Achaia und bin erst vor wenigen Tagen wieder zurückgekommen." Den Göttern sei Dank war Drusilla wirklich nicht in ihrer Nähe, sonst müsste sie wieder endlos lange und ebenso langweilige Stunden bei einem Rhetor verbringen.

    Gebannt hörte Severina ihr zu und kam immer mehr zu der Ansicht, dass sie wirklich noch nie dieses Gefühl gespürt hatte. Schon wieder beneidete sie Minervina, dieses Mal um die Erfahrung, die Minervina vor Severina getan hatte. Ob es wohl an der Erziehung lag, dass Severina sich noch nie verliebt hatte? Oder vielleicht war sie noch nicht soweit? Severina wusste es nicht und fühlte sich auch ausserstande, diese Frage im Moment beantworten zu können.


    "Ich beneide dich." sprach Severina mit ernstem Blick. "Er muss ein toller Mann sein. Wirbt er um dich? Ihr werdet euch sicher wiedersehen, nicht wahr? Erzähl mir mehr!" Severina war ungemein wissbegierig und diese Unterhaltung versprach mehr Kurzweil als alle Gespräche mit Drusilla. Ausserdem hatte Drusilla immer eher abfällig von der Liebe gesprochen, so als wäre ihre Amme früher sehr enttäuscht gewesen, doch das war nur eine Vermutung, gesprochen hat Drusilla nie darüber.


    "Ich bin vor einigen Wochen 16 geworden." antwortete Severina nicht ohne ein gutes Gefühl in ihrem Inneren. 16... Sie fand schon immer, dass man mit 16 schon zur Welt der Erwachsenen gehörte. "Und du? Du sicher auch, habe ich recht?"

    In diesem Moment beneidete Severina Minervinas Kindheit. Wie oft hatte sie sich mehr Freiheiten gewünscht und wie selten sie bekommen. Aber Severina wusste auch, dass sich in der nahen Zukunft sicher nichts daran ändern wird. Sie seufzte kurz auf und tauchte ihrerseits den Kopf in das Wasser.


    "Interessant?" Sie begann nachzudenken und fixierte dabei unbemerkt einen Punkt an der Wand. "Ich weiss es nicht. Drusilla, also meine Amme, die mich erzogen hat, meinte immer, dass es wichtig sei, wieviel Geld oder Einfluss ein Mann hat und dass mein Vater mich eines Tages einem Mann zur Frau gibt, der sicher kein Habenichts ist." Ihre schlimmste Befürchtung war, dass es ein dicker, fetter, alter Mann sein wird, den Severina so gar nicht leiden konnte. Sie schüttelte sich kurz und das nicht wegen der angenehmen Temperaturen des Wassers, sondern eher wegen dieser Vorstellung. Sie löste sich von diesem fixierten Punkt und drehte sich im Wasser um."Ich weiss nicht, ob dann so ein Gefühl da ist. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich das noch nie erlebt. Die Männer in Achaia waren hübsch anzusehen, aber besonders interessiert hat mich keiner bisher. Drusilla meint immer, ich wäre noch zu jung für so etwas." Nachdenklich, aber auch interessiert blickte sie wieder Minervina an. "Hast du schon so etwas erlebt?"

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Wird dein Aufpasser uns von alleine folgen?"
    Er hob den linken Mundwinkel zu einem verschmitzten Lächeln und setzte sich dann in Richtung der angestrebten Treppe in Bewegung. Hermes ging ihnen voraus und sorgte, soweit möglich, für etwas Platz. Da das Gedränge jedoch immer weiter zunahm, hielt sich sein Erfolg in Grenzen. Doch glücklicherweise war der Weg nicht weit und sie kamen gut voran.


    Severina nickte auf seine Frage hin und schritt mit Milo dessen Sklaven nach. Der Platz füllte sich mit immer mehr Menschen und Severina hatte mit ihrer geringen Körpergrösse manches Mal das Gefühl, als würde sie vor lauter Leute gar den Platz nicht mehr sehen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, einfach den Sklaven weg zu schicken, alleine hierher zu kommen und zu glauben, sie würde alles sehen können, einfach so? Eine Dummheit, die sie nie wieder begehen würde. Andererseits hätte sie so sicher nicht die Bekanntschaft von Milo gemacht, der sich wirklich reizend um sie kümmerte. Obwohl, ob er einer der Sorte Mann ist, der viele Frauenherzen sein Eigen nennt? Aber selbst wenn, dann würde der Sklave ihres Vaters immer noch genug in der Nähe sein, um schnell zu Hilfe zu eilen. Und hier auf dem Platz unter all den Menschen kann ja nichts passieren. Diese zwei Gedanken liessen Severina sich schon sehr selbstsicher fühlen und freudig stieg sie die Stufen hinauf, bis zu der Stelle, die der Bedienstete des Flaviers für sie beide bereit hielt. Ihr schwindelte zwar ein wenig ob der Höhe, aber befreit auflächelnd sah Severina wieder ihren Begleiter an, glücklich wegen der schönen Aussicht. Er hatte ihr nicht zuviel versprochen.


    "Wird sich der Kaiser auch zeigen? Ich habe ihn noch nie gesehen." Aufmerksam überblickte sie den Platz in der auch für sie unwahrscheinlichen Hoffnung, der Kaiser würde schon jetzt sein Antlitz dem Volk zeigen.

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    Original von Titus Flavius Milo
    Er lenkte seinen Blick wieder zu ihren Augen und lächelte leicht.
    "Wenn du noch ein wenig jünger und mit mir verwandt wärst, dann würde ich dich auch auf meine Schultern nehmen, damit du etwas sehen kannst. Aber so wie es ist, sollten wir lieber mit der Treppe vorlieb nehmen."
    Milo fügte seinen Worten ein verschmitztes Augenzwinkern hinzu, um deren mangelnde Ernsthaftigkeit noch zusätzlich zu unterstreichen.


    Severina bemerkte mit einem Lächeln, wie sich der Sklave des Patriziers als Leibwächter betätigte. Es hatte dem Anschein nach doch etwas praktisches an sich, solch einen Aufpasser sein eigen zu nennen und sie nahm sich für die Zukunft vor, nicht mehr ganz so abweisend zu sein, wenn man ihr befahl, dass sie einen solchen mitnehmen möge. Sie folgte Milos Hinweis auf die Treppe und bewunderte in diesem Moment seine Aufmerksamkeit und Übersicht und bejahte seinen Vorschlag freudig.


    "Oh." Sie räusperte sich, als sie seinen Scherz vernahm. Vor ihrem inneren Auge spielte sich eine solche Szene ab, sie auf den Schultern eines, diesen Mannes, und befand diese für unzüchtig, wenn auch nicht reizlos, wofür sie sich aber gleich in Gedanken selbst schalt. Schamhaft schlug Severina die Augen nieder. Seine Worte hatten nicht dazu geführt, ihre Selbstsicherheit, die ohnehin nicht vorhanden war, wiederzufinden. Aber sie fühlte sich durchaus beschützt und nicht ängstlich, weswegen sie ihre Augen wieder zu ihm hob und auch ein leises Lächeln ihren Mund umspielte. "Die Treppe klingt sehr gut, ja."

    Severina schaute sie nun endgültig enttäuscht an. "Ach so..." schloss sie dieses Thema ab. Sie hatte eigentlich auf ein wenig Klatsch gehofft und auf eine kleine Liebesgeschichte, doch der Vater, das war für Severina nicht interessant genug, weswegen sie dieses Thema auch auf sich beruhen liess.


    "Schlimm?" Mittlerweile war Severina so schön im Plaudern, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie ihre Schüchternheit von ihr abfiel. "Ich weiss nicht. Wenn du eine Person über zwei Jahre lang jeden Tag und zu jeder Zeit siehst, sie dir immer sagt, was du zu tun und was du zu lassen hast... Ich durfte nur ganz selten alleine aus dem Hause gehen und musste immer sticken und nähen." Das Lächeln war zwischenzeitlich aus ihrem Gesicht entwichen, doch gleich darauf blitzte der Schalk auf in ihren Augen. "Aber dafür sind die Männer hübsch." zwinkerte sie Minervina zu.

    Sim-Off:

    Macht doch nichts. :)


    Severina hörte ihr interessiert zu, kannte sie doch wirklich noch nichts anderes als Rom und Achaia. Doch sie war schon fast enttäuscht, weil Minervina nicht mehr aus Hispania erzählte, aber dieser eine Satz weckte doch ihre Neugierde. "Dein Herz zog dich nach Rom." sprach Severina den Satz nach. "Wie poetisch. Man könnte fast meinen wegen eines Mannes?" Sie kicherte, denn für sich selber konnte sie sich das nicht vorstellen, war Severina doch noch nie verliebt gewesen. Es gab zwar durchaus einige kleinere Schwärmereien, aber nie war etwas Ernsteres gewesen.


    "Achaia? Hmm... begann sie ihrerseits mit ihrer Erzählung. "Viel Kultur, viele Sehenswürdigkeiten, Theater und sowas. Aber kein Vergleich zu Rom. In Achaia war es fast langweilig, ich weiss nicht, ob es an dem Land lag oder an meiner Amme, die mich überall hinbegleitete." Mit Grauen erinnerte sich Severina an die ständigen Lektionen, was eine Dame tun dürfe und was nicht.

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Wenn dein Aufpasser nichts dagegen einzuwenden hat, dann könnten wir uns die Parade vielleicht gemeinsam ansehen. Vorausgesetzt natürlich, dass du das ebenfalls möchtest. Mit einem Ehrenplatz kann ich dir leider nicht dienen, doch will ich dir gemeinsam mit Hermes gerne weitere schmerzhafte Ellenbögen vom Leibe halten."
    Er warf den ahnungslosen Umstehenden einen nur halbernsten demonstrativ drohenden Blick zu.
    "Dass ich selbst von weiteren derartigen Attacken absehen werde, ist natürlich selbstverständlich."


    Verschüchtert sah Severina zu dem Patrizier hinauf, der ihr in diesem Moment noch grösser erschien. "Ich... ich würde mich sehr freuen." Ganz kurz kam ihr der Gedanke, dass ein öffentliches Auftreten mit einem Mann eigentlich unschicklich wäre, Drusilla, ihre Amme, würde wohl beide Hände über ihren Kopf zusammenschlagen und Severina noch Tage danach dies vorhalten. Doch schnell wischte Severina diese Gedanken weg und lächelte Milo sanft an. Die Anspannung in ihrem Inneren hingegen wich keineswegs, der Lärm von der Seite lenkte sie allerdings ab, worüber sie doch sehr froh war.


    "Geht es weiter?" fragte sie leise. Ihre etwas zu geringe Körpergrösse liess nicht zu, sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Stattdessen nutzte sie die Gelegenheit, ihren Gesprächspartner erneut zu mustern, natürlich so, dass er nichts davon bemerkte. Er war sicher schon einiges älter als Severina, das sah sie bereits an seinem Bartschatten. Sie folgte mit den Augen seinen Brauen und seinem Kinn, solange bis sie sich zusammen riss und endlich ihren Blick von ihm abwandte. Diese Situation war etwas vollkommen neues für Severina. In Achaia war immer ihre Amme bei ihr, erst recht, wenn junge Männer anwesend waren. Hier allein mit einem Mann, obwohl alleine waren sie ja nicht, wen wunderte ihre Nervösität.

    "Ich danke dir, Vater." antwortete Severina noch immer steif und nickte ihrer Mutter zu, bevor sie sich in ihr Zimmer zurückzog. Das Gepäck musste ausgepackt werden, innerhalb der letzten zwei Jahre hatte sich vieles angesammelt, wofür noch Platz gesucht werden musste. Die alltäglichen Dinge des Lebens wie Kleidung oder ihre Kosmetika waren schnell verstaut, die Souvenirs und Geschenke für ihre Familie hingegen mussten noch richtig platziert bzw. an die anderen übergeben werden. Letzteres aber wollte Severina am heutigen Tage nicht mehr tun, nicht nach dieser Begebenheit zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter. Als die Arbeit getan war, schickte sie Philippos wieder hinaus und setzte sich auf ihr Bett. Zunächst stumm, doch dann kamen die Tränen, einerseits weil sie froh war, endlich wieder zu Hause zu sein, andererseits aber, weil sich hier nichts geändert hatte. Der Zwist zwischen ihren Eltern setzte ihr immer zu, daher dauerte es so seine Zeit, bis sie sich endlich beruhigt hatte und sie auf Grund der Müdigkeit ob der Reise einschlief.

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    Original von Titus Flavius Milo
    "Doch bevor ich erneut eine Unhöflichkeit begehe, möchte ich mich vorstellen. Mein Name ist Titus Flavius Milo und ich bin hier, um mir eine hoffentlich unterhaltsame Parade anzusehen."
    "Bist du hier ganz ohne Begleitung?"


    Severina hatte sich schon fast wieder unter Kontrolle, da der junge Mann vor ihr alle Schuld auf sich nahm, als er seinen Namen nannte. Oh ihr Götter, ein Flavier, ein Patrizier! Und sie hatte ihn in Gedanken einen Schuft genannt. Ihr wurde leicht übel, als ihr bewusst wurde, dass sie schon überlegt hatte... was war sie doch für eine Gans. Diese ausgesuchte Höflichkeit, die er an den Tag legte und die Erhabenheit, die er ausstrahlte, liessen Severina in ihren Augen wie eine dumme Pute erscheinen.


    "Helvetia Severina." stellte sie sich nun ihrerseits vor. "Es freut mich, dich kennen zu lernen." Das Ziehen in ihrem Bauch wurde mit jeder Sekunde schlimmer und sie musste sich selber schon fast gewaltsam beruhigen. Noch immer waren ihre Blicke gesenkt, doch auf ihre Frage hin sah sie plötzlich auf. "Natürlich nicht!" platzte sie heraus und noch im gleichen Moment erschrak sie über sich selbst. "Ich meine, man hatte mir einen Sklaven mitgegeben. Aber ich wollte keinen Aufpasser um mich herum haben, also habe ich ihm gesagt, er soll mir nicht so auf die Pell... äh, ich habe ihm gesagt, dass es nicht notwendig sei, ständig in meiner Nähe zu sein."

    Zitat

    Original von Titus Flavius Milo
    "Oh, Verzeihung. Es war keine Absicht. Meine Gedanken waren an einem ganz anderen Ort. Entschuldige."
    "Ich hoffe, ich habe dich nicht verletzt" erkundigt Milo sich mit einem leichten Schmunzeln.


    Severina hielt sich ihre Seite und verzog ein wenig das Gesicht, doch als sich der Schuft, der für ihre Schmerzen verantwortlich war, sich doch bei ihr entschuldigte, glättete Severina sofort ihre Miene und musterte nun ihrerseits den Jüngling. 'Süss.' dachte sie sich und ein Lächeln fand den Weg in ihr Gesicht, doch direkt ihm in die Augen schauen getraute sie sich dann doch nicht mehr. Sie räusperte sich.


    "Macht nichts. Du hast mich ja nicht gesehen." antwortete Severina schüchtern und etwas nervös. Ihr rechter kleiner Finger fing leicht zu Zittern an, wie immer wenn sie mit Männern sprach. Ihre linke Hand umfasste sogleich ihre rechte und insgeheim ärgerte sie sich über sich selbst, weil ihre Schüchternheit sie wieder ganz in ihren festen Klauen hatte.

    Wie sie es vorhergesehen hatte, das Gedränge wurde immer grösser und grösser und Severina hatte das Gefühl, sie wurde immer kleiner und kleiner. Der Lärm um sie herum schwoll an und ihr wurde immer heisser. Ein wenig bereute sie schon, dass der Sklave, der ihrer Sicherheit wegen mitgenommen wurde, doch viel zu weit entfernt war, so wie sie es ihm befohlen hatte. Aufseufzend sah sie sich um, sie kannte natürlich niemanden hier, aber was erwartete sie sich auch? Rom war eine Millionenstadt, die Chance, jemanden hier zu finden, den sie kannte, war gleich Null, erstens wegen der vielen Leute und zweitens, selbst wenn es wenige waren, sie kannte ja doch niemanden. Severina hoffte, dass die Parade bald beginnen möge, ihr war langweilig und das Stehen keine Annehmlichkeit für ihre Füsse, die in neuen Sandalen steckten, die ihrerseits aber noch nicht wirklich bequem waren. "Au!" Ein Ellbogen in ihren Rippen war doch keine angenehme Erfahrung.