Leontia musterte eingehend die patrizischen Riemchensandalen, nickte dann überzeugt. "Ja.", urteilte sie, "Unbedingt! Das wird mit Sicherheit ein sehr apartes Ensemble ergeben." Und lächelnd meinte sie zu Antonia, über die da so fröhlich hinwegbestimmt wurde: "Ich bin schon sehr gespannt, die Sachen einmal an Dir zu sehen, liebe Schwägerin."
Epicharis' schwungvolle Art empfand Leontia als sehr angenehm. In Gedanken formulierte sie schon das Dossier an Tante Agrippina: "Claudia Epicharis ist von einnehmendem Wesen, aufgeschlossen und überaus freundlich…" - oder besser: "Claudia Epicharis, wie ich sie erleben durfte, etc." - all zu sehr wollte sich Leontia mit ihrem Urteil nun auch nicht exponieren. Oder vielleicht: "wie sie sich mir präsentierte" ?
Das war nun wiederum sehr zaghaft formuliert. Immerhin war so ein Einkaufsbummel ein kleines Drama in sich, ein Spiegel des Lebens geradezu, mit Elementen wie Begehren und Verführung ("Oh, wie hinreißend!" ), weitreichende Entscheidungen waren zu treffen ("Die oder die?" ), bittere Enttäuschungen zu verkraften ("Zu klein?! Oh nein!" ), man hatte sich gnadenlos dem Urteil der anderen zu stellen ("Findet ihr, das geht das so?" ), Willensstärke und Entschlussfreudigkeit zu beweisen ("Die nehmen wir." ) Ja, es war wirklich eine Gelegenheit, bei der viele Charakterzüge offen an den Tag traten.
Ob Epicharis, falls aus den Plänen etwas würde, auch Vetter Marcus so energisch einkleiden würde? Verkehrt wäre das sicher nicht. "Sie ist geschmackssicher und dezidiert, womöglich ein wenig überschwänglich…" Nicht zu vergessen den Knüller: "Ihr Vater sucht derzeit nach einem passenden Ehemann." Da hieß es nicht säumen, Leontia beschloss noch heute einen schnellen Boten nach Baiae zu schicken.
In diesen Gedanken versunken winkte Leontia etwas abwesend ihre Leibsklavin herbei, um sich die weißen Sandalen anprobieren zu lassen. Sie stellte ihren Fuß auf einen kleinen Schemel, Salambo kniete sich auf das Pflaster, löste flink die Riemen ihrer alten Sandalen und zog ihr die neuen über. Hübsch waren sie, und passten gut zu Leontias meerblauer Tunika, saßen aber nicht gut. Leontia gab ein maßgeschneidertes Paar, natürlich mit Halbmond, in Auftrag, und während eine Ladendienerin, neben Salambo kniend, mit einem Schnürchen ihre Füße vermaß, beriet Leontia ganz hingebungsvoll Minervina bei ihrer Wahl.
"Darf ich mal fühlen? - Ja, sie sind wunderbar weich, sorgfältig vernäht, und sicher sehr strapazierfähig. Ich glaube die dort drüben würden aber auch sehr gut zu dir passen…" Sie deutete auf ein etwas extravaganteres Paar, mit schmalen rötlichen Riemen, die durch jadegrüne Schmucksteinplättchen geflochten waren. "Die musst du unbedingt mal anprobieren. - Findet ihr nicht auch? Oder die hier..." Da fiel ihr noch etwas ein. "Ach übrigens Minervina, Epicharis kommt auch aus Mantua." Und schon sprang ihr ein weiteres Paar ins Auge, und es blieb nicht bei der einen Bestellung…
Während die Frauen mit den Schuhen beschäftigt waren, hatte, schon seit einiger Zeit, eine gewisse Unruhe die begleitende Sklavenschaft erfasst. "Gerade eben war er doch noch da…" murmelte ein bulliger Kerl, hochbeladen mit adrett eingewickelten Paketen mit dem letzten Schrei aus Lutetia darin, beklommen zu einem anderen Sklaven. "Dieser Dreikäsehoch bringt uns noch ins Grab…", orakelte der andere düster. "Ich will aber nicht derjenige sein, der's den Damen sagt." - "Ja denkst du etwa ich?!"
Das Los traf schließlich einen, im Vergleich zu den anderen eher schmächtigen jungen Mann, der unglücklich dreinschauend vortrat, und gerade bang Luft holte, um Serenus' Verschwinden zu melden - als ihm, im letzten Moment, auffiel, dass sich der Junge mitsamt seines Hundes in der Zwischenzeit schon wieder zu der Gruppe dazugesellt hatte. Erleichtert atmete der Sklave auf und trat diskret wieder zurück. Glück gehabt.
Laaange Zeit später - das Grüppchen hatte endlich doch die Schuh-Stände hinter sich gelassen, der Bummel war inzwischen eindeutig zum Marathon geworden, und die Sklaven trugen schwer an ihrer Last - erblickte Leontia einen Stand, der sie bis über beide Ohren strahlen ließ. Es ging hier schon Richtung Sklavenmarkt, und die Auslage passte zum Thema. Mit einem Laut des Entzückens beugte sie sich über die Auswahl edelster Geißeln und Peitschen, Gerten, Stöcke und anderer Marterinstrumente, die dort, auf anmutig gerafftem dunkelrotem Stoff, für das Auge sehr ansprechend präsentiert wurden.
"Was für ein wunderschönes Stück!" Mit einem begeisterten Glänzen in den Augen drehte sie ein Flagrum in den Händen, dessen Ebenholzgriff mit kunstvollen Schnitzereien der Leiber gequälter Sklaven verziert war. In den tiefschwarzen Lederkordeln waren blanke beinerne Dornen eingeflochten, deren mattes Schimmern mit dem dunklen Griff effektvoll kontrastierte. "Wunderhübsch…", seufzte Leontia. "Das schenke ich Papa… - Und dann nehme ich noch das und das… wofür sind denn die Wiederhaken hier gedacht?" - Der Händler erklärte es ihr bereitwillig. - "Ach so. Was für eine nette Idee. - Mein Spatz, komm doch mal!" Lächelnd winkte sie Serenus herbei. "Magst du nicht noch eine neue Peitsche haben, passend zu deiner neuen Sklavin? Komm, such dir doch auch was aus."