Zitat
Original von Lucius Flavius Furianus
Furianus nickte ruhig.
"Bona Saturnalia, Flavia Leontia. Es freut mich, dass die Villa nicht nur uns Männer beherbergt, sondern auch weibliche Flavia. Besonders solch reizende und von Venus geküsste Frauen."
Komplimente verschenkte Furianus gar zu selten, so dass er sich im gleichen Moment fragte ob es angebracht war. Doch es war es, sicherlich, denn Frauen liebten für gewöhnlich Komplimente - auch wenn die flavischen Frauen sie ständig hörten.
"Doch ich denke nicht, dass ich dich Tante nennen sollte. Falls du es mir erlaubst, so werde ich dich einfach mit Leontia ansprechen."
Ein leichtes Lächeln umspielte seine Züge, denn er wusste, dass sie es nicht begrüßen würde von ihm Tante genannt zu werden. Die verwandschaftlichen Beziehungen waren meist sowieso konfuser Natur und bei so großen Familien kam es häufig zu solch verwunderlichen Verwandschaftsgraden.
Als das wilde Trio hereinstürmte konnte Furianus gerade noch dem Hund ausweichen und der Junge streifte ihn auch leicht. Entgegen seiner sonst so üblichen Reaktion lachte er herzhaft über diesen Anfang der Saturnalien. Sie würden wohl doch nicht der trockenen Natur der vorherigen Jahre folgen. Sogleich reichte er ihr seine mit der handfläche nach oben geöffnete Hand, um sie zu einem Platz zu geleiten.
"Ich schlage vor, dass wir uns setzen. Denn wenn so etwas nochmal passiert, fürchte ich um deine Sicherheit."
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Wer freut sich nicht über ein schönes Kompliment? „Ach nein, du übertreibst...“ wehrte Leontia sittsam ab, während es ihr wie Honig auf der Zunge zerging. Auch wenn ihre Ornatrix ihr vorhin nicht beim Herrichten behilflich gewesen war - weil sie ja unbedingt in der Stadt mit fremden Männern herumschäkern mußte, man stelle sich das mal vor! - sah sie, Leontia, offenbar trotzdem nicht wie eine Vogelscheuche aus. Glücklicherweise. „Es wäre mir sehr lieb, wenn du mich Leontia nennen würdest.“ lächelte sie, denn bei „Tante“ wäre sie sich trotz ihrer siebzehn Jahre alt vorgekommen. „Und wie ist es dir deinerseits am liebsten? Mit Milo habe ich es immer so gehalten, daß ich ihn einfach Vetter nannte, und er... - Huch!!!“
Mit einem Sprung hinter eine Kline brachte sie sich vor dem purzelbaumschlagenden Hund in Sicherheit. „Aber Serenus!“ Was für eine unflätige Wortwahl der Kleine hatte. Doch irgendwie drollig, auch sie mußte lachen, und kam, als die Luft wieder rein war, schnell wieder hervor. „Du meine Güte, was für ein Wildfang!“ Wenn er nur nicht ihre Lieblingskatze zur Beute auserkor. Auch wenn ihre Sphinx natürlich tadellos erzogen war. Da mußte sie wohl mal ein erstes Wort mit Serenus reden.
Federleicht legte sie ihre schmale weiße Hand in die von Furianus, ließ sich zu Tische geleiten, und bemerkte dabei ganz überrascht, daß ihre Nichte Arrecina auch anwesend war. „Bona Saturnalia, Arrecina!“ rief sie ihr mit einem freudigen Lächeln zu, und überlegte dabei schon hin und her, wie sie am besten mit den Geschenken umdisponierte... da Gracchus‘ Angetraute bisher nicht erschienen war, könnte das für sie bestimmte Geschenk ja vielleicht Arrecina bekommen... aber es wäre natürlich fatal, wenn die Claudia danach überraschend doch noch auftauchte!
Bei den Liegegelegenheiten angekommen streifte sie ihre Sandalen ab und ließ sich so formvollendet auf einer Kline nieder, daß dabei nichts, nicht mal ein Fingerbreit, ihrer Knöchel zum Vorschein kam. Gracchus‘ kleiner Ansprache lauschte sie mit sichtlichem Genuss, wie jedesmal verzaubert vom Wohlklang seiner Worte. Bei Sciurus zu Beginn eher trister Darbietung runzelte sie anfangs leicht die Stirn, doch sein treffendes Zitat ließ sie stillvergnügt und zugleich anerkennend schmunzeln. Daß das Opfer so rasant über die Bühne ging, verblüffte sie, aber nicht unangenehm, denn so würde sie gleich mit ihrer liebsten Beschäftigung, dem Verteilen der Geschenke, fortfahren können.
Die Musik begann zu spielen, sie nahm einen der angebotenen Becher, prostete zuerst leicht dem Rex Bibendi zu, dann Furianus. „Auf die Familie!“ Den ersten Schluck vergoß sie für Saturn, den zweiten nahm sie selbst, dann kramte sie schon wieder in ihrem Geschenkekorb nach dem Passenden. „Ich hörte, daß du eine Yacht besitzt,“ meinte sie dabei im Plauderton zu Furianus, „bist du viel damit unterwegs?“. Oh ja, sie hatte ihre Erkundigungen eingezogen... man konnte ja nicht immer nur Öllampen verschenken, auch wenn sie vor zwei Tagen einen Stand mit ganz entzückenden, vielfältigen Exemplaren ausfindig gemacht hatte, und im Affekt beinahe leergekauft hatte. Endlich hatte sie das richtige Päckchen in der Hand.
„Erlaube mir doch, dir diese Kleinigkeit hier zu schenken.“ bat sie Furianus vergnügt, und überreichte ihm einen runden Holzkasten aus aromatisch duftendem Zitrusholz. Er war ganz flach, blankpoliert, und mit Elfenbeinintarsien verziert, die ein Schiff unter Segeln darstellten. Eine große leuchtendblaue Schleife war liebevoll darum gebunden. Der Kasten wog recht schwer in der Hand, denn darin lag, weich gepolstert, eine Sternenscheibe, auf der die Sternbilder kunstvoll in Silber vor einem tiefblauen Lapislazuli-Hintergrund dargestellt waren. Je nach der Zeit des Jahres ließen sie sich verstellen, um das Firmament stets akkurat wiederzugeben.