Beiträge von Sibylle

    Die Priesterin hatte sich überlegt, die Sibylle nicht mit dem Kinderstreich zu belästigen. Doch da die Kinder tatsächlich den teuren Weihrauch besorgt hatten, wollte sie diese Entscheidung nicht treffen. Die Götter würden schon eine Antwort wissen und so fand Serenus Frage den Weg zum Medium der Sibylle.


    Nicht nur aus dem Bauch des jungen Mannes drang Gemurmel, auch aus dem langen Gang zum Heiligtum hin drang es bald, steigerte sich zu einem lauten monotonen Singsang aus Gebet, Wehklagen, Flehen und Singen. Immer wieder wurden die Geräusche durch ein schrilles Kreischen unterbrochen, welches klang, als würde man einen großen Fingernagel über eine große Schiefertafel ziehen. Als gerade dieses Kreischen wieder zu hören war, verstummte auf einmal jeglicher Laut. Eine schwere, bedrückende Stille zog sich durch den Tempel und wurde schließlich von den leisen Schritten der Priesterin durchbrochen, die sich durch den Gang aus Licht und Schatten näherte.


    Da die junge Frau nicht wusste, ob die Kinder lesen konnten, lächelte sie ihnen kurz zu und begann dann die Worte der Sibylle zu verlesen:



    Kein einzelner kann einzeln werden aus sich selbst heraus,
    Denn nur die graue Eminenz verleiht diese Macht, und unendliches Leid.
    Nur dem, der den Sand in den Kopf steckt,
    werden die Körner aus den Ohren rieseln,
    Doch Sand führt zu Dürre und Einsamkeit.
    Wer ist er, der ganz oben steht, wer ist er, der die Murmeln dreht?
    Hast du weiße Rosen, die sollen rot blühen,
    So musst du dich um einen Topf mit roter Farbe bemühen.
    Lirum, larum, Löffelstil, wer drüben sitzt, der ist zuviel.
    Husche, husche tiefe Nacht, so hat er sich davongemacht,
    In verwunschenen Ruinen liegt die Eitelkeit tief begraben,
    Nur wer die Hände verschließt, den erschlagen die Gaben.
    Es ist nicht immer so, wie es geschrieben steht,
    Selbst dann nicht, wenn der Hauch der Geschichte darüber weht.
    Trage die Zukunft in dir, denn es gibt nicht Hoch oder Tief
    Auch der an der Spitze weckte einst den Hund, der vorher schlief.
    Strebe einsam, strebe sacht,
    Denn Götter werden nicht geboren,
    Götter werden nur gemacht.


    Mit einem leichten Schulterzucken reicht die Priesterin die Wachstafel an Serenus.

    Ruhig und vollkommen unbeeindruckt betrachtete die junge Priesterin das kleine Schauspiel. Sie kannte derartige Streiche aus ihrer eigenen Familie. Natürlich nahm sie die Kinder nicht ernst, ließ sich das aber auch nicht anmerken und lächelte nur leicht. Also empfing sie den Weihrauch, untersuchte ihn und war insgeheim überrascht, dass es sich dabei tatsächlich um solchen handelte und ihr keine Maus entgegensprang.
    "Also gut, dann werde ich mal sehen, was sich machen lässt."
    Die Priesterin zögerte kurz. Sie ahnte, dass sie die beiden so nicht allein lassen konnte. Aus dem Augenwinkel erspähte sie eine schon etwas ältere Priesterin, die sie sofort heranwinkte und bat auf die Kinder aufzupassen. Erst dann betrat sie den langen Gang, der zum Orakel hinführte, und ihre helle Gestalt abwechseld in Licht und Schatten tauchte.


    Da die junge Priesterin darauf wartete, dass nach den zwei Kindern noch ein Erwachsener folgt, dauerte es etwas bis sie schließlich doch in den Raum tritt. Es kam nicht oft vor, dass so junge Römer den Rat der Sibylle suchten, vielleicht hatten sie sich nur im Gebäude geirrt. "Salve, ihr zwei. Sucht ihr etwas?"

    Die Priesterin drehte sich um, und verschwand mit langen, ausladenden Schritten durch den Gang zum Heiligtum, tauchte in den Schatten hinein, aus dem Schatten hinaus, wieder und wieder, bis sie schließlich von der Finsternis verschluckt wurde.



    Wie aus weiter Ferne war bald ein leises Gemurmel zu vernehmen, als würde es aus dem Gang herüberwehen, womöglich jedoch auch von draußen, oder auch aus den Ecken des Raumes herab oder gar aus dem tiefsten Innersten der Erde. Obwohl es nur leise war, schien sich die Schwingung der Welt ihm anzupassen.


    Eine Weile später, nicht kurz, nicht lang, nicht unbedeutend, nicht bedeutsam, füllte sich der Gang zum Heiligtum mit den Konturen einer Person und die Priesterin durchschritt ihn, bis sie vor Cyprianus zu stehen kam. Sie reichte ihm eine verschlossene Wachstafel, und noch ehe er sie öffnen konnte, hatte sie sich bereits umgedreht und verließ ihn.



    Du musst vergessen, was du weißt und das ist dein Problem.
    Vergessen, was du glaubst zu wissen über das Leben,
    Freundschaft, Liebe und besonders über dich und die Welt.
    Doch hüte dich vor dem Vhyhwylf!
    Denn seine Klauen werden groß sein und schwarz,
    Und seine Augen werden rot sein vor Zorn!
    Lauf, Cypri, Lauf! Fang mich, wenn du kannst!
    Ich bin. Ich bin. Ich bin. Bienchen, ich bin herum.
    Du kannst mich zwar nur unscharf sehen,
    Doch willst du trotzdem mit mir gehen?
    Neun Löffel. Nicht zwei oder drei oder fünf, es werden neun sein.
    Und das Schwert wird alles enthaupten: zack und zack und zack...
    Etwa zu dieser Zeit wird die Zerfahrenheit
    Durch die Desorientierung beirrt,
    Die Irritation wird alljene derangieren, die nicht wissen
    Und niemand wird wirklich genau verstehen,
    Wo diese kleinen Dinge zu finden sind,
    Die verheddert sind mit einer Art von Dingen,
    Die durch die Verbindungen verknpüft sind.
    Odysseus war klug, und doch ist er tot,
    Im Himmel blüht das Abendrot.


    Nichts anderes hatte die Priesterin erwartet. An manchen Tagen stand sie auf und fühlte, dass an diesen Tagen jemand kommen würde, um nicht nach dem Rat der Sybille zu fragen. Doch diese Tage waren selten und der heutige war nicht so einer gewesen. Sie nahm den Weihrauch entgegen, öffnete das Säckchen und griff mit der Hand hinein, um etwas davon herauszuholen. Nachdem sie die Körner einer eigehenden Betrachtung und einem Geruchstest unterzogen hatte, nickte sie zufrieden, ließ den Weihrauch zurück in das Säckchen gleiten und schloss es. "Deine Frage?"

    Und es geschah ... nichts. Der Vorraum des Orakels schien verlassen, ein kühler Windstoß folgte dem Besucher hinein und verlor sich in dem langen Gang aus Licht und Schatten.
    Doch natürlich ist dieser Ort nie ganz ohne Beobachtung. Eine Priesterin hatte die Ankunft des Ratsuchenden durchaus bemerkt. Lautlos erhob sie sich von ihrem Platz in einer verborgenen Nische, wo sie gerade mit dem Studium einiger Texte beschäftigt war. Auf leisen Sohlen näherte sie sich dem Terentier und trat erst wenige Meter von ihm entfernt aus dem Schutz des Schattens hervor. Sie war nicht mehr als jung zu bezeichnen, doch auch noch lange nicht als alt. Durch ihre Kleidung war sie deutlich als Priesterin zu erkennen. Ein freundliches Lächeln lag auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, als sie den Besucher stumm, nur mit einem grüßenden Nicken willkommen hieß. Geduldig wartete sie dann darauf, dass jener sein Anliegen ihr vortrug.

    Die alte Frau nimmt das Säckchen mit Weihrauch entgegen und öffnet es. Nachdem sie kurz daran gerochen hat schließt sie es wieder und dreht sich ohne ein weiteres Wort um. Aus dem Licht tritt sie wieder in den Schatten, ins Licht und den Schatten, wechselhaft, bis dass sie das Heiligtum erreicht und darin endgültig verschwindet.



    Kurz darauf dringt aus dem Gang ein eigenartiger Ton hervor, ein beständiges Heulen, wie wenn der Wind in einer stürmischen Nacht zwischen zwei Felsen hindurchpfeift, wie das Jammern einer gebährenden Kuh und gleichsam wie der schrillste Ton, welcher einer Tibia zu entlocken ist. Aus dem Heiligtum kommt langsam Rauch hervor, wabert durch den Gang und flieht in den hellen Zwischenräumen nach Draußen. Die Töne werden immer höher, immer schriller, steigern sich zu einem unangenehmen Kreischen, bis sie irgendwann, als es scheint, dass die Felsen bald zerspringen müssten, mit einem Mal verstummen.


    Schwankend kommt die alte Priesterin aus dem Heiligtum hervor, aus dem Schatten ins Licht, wechselhaft, ihr Schritt wird fester und bis dass sie Prisca erreicht hat, ist ihr Gang so aufrecht und gerade wie beim ihrem ersten Zusammentreffen.


    "Dies ist, was die Sybille dir zu sagen hat." Mit monotoner Stimme liest die alte Frau die Worte des Mediums von einer Wachstafel ab, welche sie schließlich Prisca in die Hand gibt.



    Ohne Ziel gehst du weiter und wartest auf den Weltuntergang,
    Doch dein Warten ist ewig, und die Ewigkeit lang.
    Stehst du einfach nur da, so wie ein Denkmal deiner selbst,
    Ist der Weg vor dir eine Öffnung, in die du immer tiefer fällst.


    Fürchte dich nicht und tue den ersten Schritt, hinaus aus dem Grab.
    Du wirst sehen, die Arroganz persönlich steigt von ihrem Sockel herab.
    Nicht immer kannst du Rückenwind haben und Sonnenschein im Gesicht,
    Denn Unverschämtheit und Einfalt erbarmen sich nicht.


    Um mit den Sternen zu tanzen, sie alle zu sehen,
    Musst du die Schicksalstürme selbst hinauf gehen.
    Der Löffel ist schwer, genau wie der Weg. Doch was ist schon Glück?
    Bedenke: Die Sehnsucht, die du bekämpfst, kehrt als Schicksal zu dir zurück.


    Der Morgen wird kommen, bist du dann immer noch hier?
    Hast du den Plan nicht vor Augen, kommt der Weg nicht zu dir.
    Es ist nicht wie auf der Bühne, du kannst nicht einfach gehen,
    Du kannst nicht nach vorne blicken um das Ende zu sehen.


    Manchmal weiß man nicht wo man ist und wie es weitergeht.
    Manchmal kennt man den Weg, doch dann weiß man nicht wo man steht.
    Kennst du deinen Namen, kennst du dein Ziel?
    Vertraue darauf, nicht zuwenig, nicht zuviel.


    Setze ein Fuß vor den anderen und die Welt ist dein,
    Doch bedenke stets, dieser Weg wird kein leichter sein.
    Nimm einen großen, flachen Stein - keinen spitzen,
    Sonst bleibst du zeitlebens auf deiner Unruhe sitzen.


    Die Priesterin nickt verständig. Nichts anderes hat sie erwartet, denn diejenigen, die Rat suchen sind leicht von denen zu unterscheiden, welche die Räume des Orakels aus geschäftigen oder anderen Gründen betreten.


    "So reiche mir die Räucherung, mit welcher du erhoffst, Apollo auf dich aufmerksam zu machen, und formuliere deine Frage so, wie sie den Göttern angetragen werden soll."

    Als hätte sie nur darauf gewartet, dass sich ein ahnungsloser Suchender in ihre Fänge begibt, kommt eine Frau aus dem dunklen Gang, der zum Heiligtum der Sibylle führt, heran. Sie tritt aus dem Schatten in das Licht, wieder in den Schatten und zurück ins Licht, bis sie vor Prisca in den Eingangsraum tritt. Die Frau ist in ein weites, weißes Kleid gehüllt, ihr Haar wird von beinahe durchsichtigen weißen Schleiern bedeckt. Ihr Gesicht jedoch, durch die Spuren des Alters gekennzeichnet, ist unverhüllt und ihre Augen strahlen eine Zufriedenheit aus, so als hätte sie schon viel in ihrem Leben gesehen, doch hätte sie nur wenig davon berührt.


    "Salve, mein Kind. Du suchst das Wort der Götter aus dem Mund der Sibylle?"

    Das Kreischen aus dem Heiligtum schwillt an, dann verstummt es abrupt und geht in ein beruhigendes beständiges Summen über. Aus dem Eingang dringt bald Nebel hervor, der sich jedoch längst verlfüchtigt hat, bis er in den Vorraum gelangt.


    Es dauert etwas, dann schreitet die Priesterin den langen Gang zurück, ihre Augen sind glasig, vom Weihrauch benebelt, als sie vor Helvetius Tacitus zu stehen kommt. Sie hebt ein Papyrus in die Höhe und beginnt, langsam, aber ohne Betonung zu lesen.


    Wer Frieden will, bereite den Krieg vor, wer Krieg will, sorge für Frieden.
    Denn nur wer den liebt, den er hasst, kann den hassen, der er will lieben.
    Jeder Anfang ist auch ein Ende, wie der Kreis sich im Chaos dreht.
    Selbst der Kleinste vermag den Lauf des Schicksals zu verändern,
    Der im Winde weht.
    Was du bist ist der König in deiner Welt,
    Der über ein Reich regiert, wie es ihm gefällt.
    Verhärtung und Starre ist, was dich deckt,
    Das Potential Glück zu haben, was dich schreckt.
    Schöpfungskraft und Veränderung ist, was dich treibt,
    Ein langes Leben das was dir bleibt.
    Nur wer sich ohne Ziel auf die Reise macht,
    Dem zeigt sich, was die Zukunft bringt,
    Doch ist es die Vertrautheit, die dich zu Boden zwingt.
    Schicksal! Blindes, dummes, armes, ach so ahnungsloses Schicksal,
    Du wirst kein anderes Ziel mehr haben,
    Als die Suche nach dem heiligen Aal.
    Wer mit Pluto essen will, der muss einen langen Löffel haben,
    Wer sein Gericht selbst zubereitet, der nimmt nur die besten Zutaten.
    Denn nichts schmeckt so gut, wie von eigener Hand gekocht,
    Und am besten wird es kalt serviert,
    Auch wenn uns nichts wie das Essen, wie der Wein interessiert.
    Wie mit dem Essen, so ist es auch mit dem Wein:
    Wie man in die Amphore hineinruft, so schwappt es heraus.
    Weil Wein nur belastet, wollen wir nicht Mitwisser sein,
    Schon ist das Gewissen aus.
    Höre und du wirst hören. Sieh und du wirst sehen.
    Denn nur wer die Augen öffnet, kann dorthin gelangen,
    Wo die Narren hingehen.


    Nachdem sie geendet hat, zerknüllt sie das Papyrus, dreht sich um und wandelt langsam zurück inden Raum des Orkakels.

    Die Sacerdos spart sich jeglichen Kommentar zu den Erwartungen an das Orakel. Oft sind es Menschen die verzweifelt sind, die ihren Weg hierher finden, die Handlungsanweisungen von den Göttern wollen, oder wissen, was die Zukunft ihnen bringt. Der Weg zu einem Haruspicer wäre dabei geeigneter, doch wer zum Orakel kommt, der sollte sich schon sicher sein.


    Sie nimmt den Weihrauch, öffnet das Säckchen und betrachtet den Inhalt.


    "Das sind viele Fragen auf einmal. Ich werde sie dem Orakel überbringen. Warte hier."


    Mit dem Weihrauch in der Hand verschwindet sie in den langen Gang, schreitet abwechselnd durch Licht und Schatten und taucht schließlich in die Dunkelheit ein.



    Eine dürre Frau in einem weiten wallenden weißen Gewand empfängt den Besucher in der Voralle, welches der letzte Raum ist, zu welchem die Besucher zutritt haben. Schummrig ist das Licht, es riecht nach verbrauchter Luft und Weihrauch, unmengen von Weihrauch. Im Hintergrund ist ein durchdringendes, unmenschliches Kreischen zu hören, als würde Metall über Metall gezogen, doch die Sacerdos lässt sich nicht davon beirren und hebt nur ein wenig ihre Stimme, so dass der Mann sie hören kann.


    "Salve, was führt dich hierher?"

    Es dauerte viele Minuten, bis in dem fernen Raum der Gesang der Priesterinnen erklang. Mit melodischen, teils schrillen Klängen riefen sie von Flötenmusik begleitet die Götter an, um die Verbindung der Sibylle zu ihnen herzustellen. Lange tönte diese ungewohnte Musik durch den entfernten Raum und hallte durch den langen Gang zu der Fragestellerin herüber. Schließlich ebbte der Gesang allmählich wieder ab, bis nur noch leises Flötenspiel zu hören war. Am Ende des Ganges war nun wieder die schmale, hochgewachsene Gestalt der Priesterin Silvia auszumachen. Sie trug eine Wachstafel in ihrer rechten Hand. Nachdem sie bei Helena angekommen war, lächelte sie dieser aufmunternd zu und übergab ihr die Tafel.


    "Bitte sehr. Dies ist der Spruch des Orakels. Ich hoffe, dass er dir weiterhelfen wird."



    Viele Wege führen nach Rom, und keiner von ihnen ist ohne Gefahr. Schönheit kann entweder zeitlos oder vergänglich sein. Kurz ist das Jahr. Die Liebe bestimmt, was uns gefällt und was wir sehen. Halte dich nicht mit der Oberflächlichkeit auf. Sie wird vergehen. Blicke in die Tiefe und suche von vorn. Denn auch ein blindes Huhn findet manchmal ein Korn. Stille Wasser schlagen hohe Wellen und verbergen das Unbekannte. Freundin oder Feindin wird sie sein, die ich dir nannte. Eine Frau wird kommen und sie wird nicht putzen. Für dich ist es nun praktisch, den Löffel zu nutzen. Doch hüte dich, denn nur der geschickte Gebrauch führt wirklich ans Ziel. Schönheit ist der Glanz der Wahrheit und die Zahl bestimmt das Spiel. Fürchte dich nicht, wenn du Silvanus das Ladanum übergibst. Mamercus wird dich leiten.


    Silvia nahm den Weihrauch entgegen und sah ihn sich genau an. Allzu häufig hatten sie damit zu kämpfen, dass die Leute den falschen kauften. Dieses Mal war dem jedoch nicht so und sie lächelte zufrieden. Die junge Frau hatte ihr sogar eine besonders reichliche Menge der kostbaren Ware gegeben. Rasch nahm Silvia eine frische Wachstafel heraus und notierte sich die Frage. Sie blickte wieder auf und sah Helena voller Ernsthaftigkeit und mit einem leichten Lächeln an. Sie war schon zu lange im Dienst des Orakels, als dass ihr eine solche Frage lächerlich vorkommen könnte.


    "Ich werde deine Frage der Sibylle vortragen. Du kannst hier warten, wenn du möchtest."


    Sie lächelte noch einmal freundlich, wandte sich dann ab und ging durch den langen Gang zur Kammer des Orakels. Ihre schlanke, hochgewachsene Gestalt tauchte dabei abwechselnd in Licht und Schatten.



    Nervöse Fragesteller ist die Priesterin längst gewohnt, so dass sie sich um ein beruhigendes Lächeln bemüht.


    "Ich kann deine Frage natürlich gerne schon entgegen nehmen. Wie lange die Befragung genau dauert, kann man nie vorhersagen. Ich werde sehen, was sich machen lässt. Hast du denn auch den richtigen Weihrauch dabei?"

    Mit einer jungen Schülerin an ihrer Seite kommt die erfahrene Priesterin Silvia den langen Gang herunter. Die beiden Frauen sind in ein leises Gespräch über die bevorstehenden Vestalia vertieft. Als sie dem Vorraum des Heiligtums näher kommen, wird Silvia der dort wartenden Frau gewahr. Sie unterbricht ihr Gespräch und schickt die Schülerin mit einem Lächeln fort. Dann geht sie der Besucherin entgegen und begrüßt diese.


    "Salve. Kann ich dir weiterhelfen?"


    Freundlich mustert die schlanke, hochgewachsene Frau ihr Gegenüber.

    Die Reaktion der beiden war dem Priester absolut unverständlich.
    Er rollte das Schriftstück wieder zusammen und hielt es dem Mann hin.
    "Bitte! Ihr dürft euch den Spruch mitnehmen."

    Der Priester kam einige Zeit später mit dem auf einer Schriftolle notierten Spruch zurück. Er schaute während dem Gehen ungläubig darauf und blieb bei dem Paar stehen. Die Stirn gerunzelt schaute er die beiden an.
    "Ihr habt wirklich einen außergewöhnlich guten Tag für einen Spruch von der Sibylle erwischt. "
    Dabei schüttelte er noch immer ungläubig den Kopf.
    "Entweder die Götter meinen es wirklich gut mit euch oder der Weihrauch enthielt etwas, das der Sibylle nicht gut tat."
    Er entrollte das Papyrus und begann vorzulesen.




    Die schwarze Rüstung für immer verbannt,
    das Schwert ihm entrissen aus stählerner Hand.
    Ist der gift'ge Stachel erst abgelegt,
    eurem Glücke nichts mehr im Wege steht.
    Der harte Kern ist durchdrungen und die Blüte geht auf,
    euer weiteres Schicksal nimmt vereint seinen Lauf.
    Die Zukunft erstrahlt im glanzvollen Licht,
    vorbei sind die Zeiten von Trug und Verzicht.
    Den Weg der Ehre nun gemeinsam beschreiten,
    dem Guten dienen, für das Schwache zu streiten.
    Der Tag wird auch kommen, voll Glück und voll Segen,
    aus vereinter Liebe, erschafft neues Leben.
    Gemeinsames Glück, verbinde Freud und auch Leid,
    was in Liebe vereint, nie mehr geteilt.