Beiträge von Sergia Plotina

    Für Plotina geht es wieder zurück in ihre ägyptische Heimat, und das heißt im übertragenen Sinne:


    Bitte einmal Exil! Danke!



    (Spieltechnisch gesehen, ist Plotina jetzt wieder in Aegyptus.)

    Plotina hatte sich schon gedacht, dass die Erwähnung der Casa Sergia in Alexandria das Interesse ihrer Cousine hervorrufen würde. Denn schließlich war sie, Severa, es, die in Rom die gute Seele des hiesigen Hauses war. Deshalb verwunderte es Plotina fast gar nicht, als ihre Cousine ihr nach einer kurzen, geflüsterten Absprache mit einer Sklavin verkündete, dass bereits ein Zimmer für sie in der Casa Sergia in Rom bereit stehe: "Severa, du bist wirklich der gute Geist unserer Familie! Hab Dank, dass du mir ein Cubiculum hast einrichten lassen! Ich hatte natürlich darauf gehofft, dass ich hier im Hause übernachten kann, denn, um ehrlich zu sein: Eine Übernachtung, für die ich bezahlen muss, kann ich mir hier in Rom kaum leisten - außer natürlich in solchen Absteigen, deren Einzelheiten weder du noch ich kennen möchten..."


    Severa reagierte aber noch aus einem zweiten Grund sehr interessiert, als Plotina die Casa Sergia in Alexandria erwähnte, und auch mit diesem Grund hatte Plotina gerechnet: "Ja, dass Furia Stella unser Haus in Alexandria lange beehrt hat, ist mir natürlich bekannt." Schließlich war sie ja auch mit Decimus Annaeus Varus verheiratet gewesen, der einst Praefectus Aegypti war. "Du bist ziemlich eng mit ihr befreundet, nicht wahr? Wie geht es ihr denn? Du würdest mir jedenfalls einen großen Gefallen tun, wenn du Furia Stella bei Gelegenheit einmal von mir grüßen würdest. Bei meinem Aufenthalt jetzt in Rom schaffe ich es wohl nicht mehr, sie zu besuchen, aber sie ist mir von einem Gespräch, das ich selbst einmal in Rom mit ihr führen konnte, in bester Erinnerung geblieben. - Und natürlich ist sie - genauso wie du - immer herzlich in Aegyptus eingeladen." Voraussetzung für derartige Visiten war natürlich, dass Plotina in Sachen Renovierung der Casa Sergia in Alexandria demnächst wirklich "Nägel mit Köpfen" machte.


    "Da wir gerade bei unseren Lieben angelangt sind", fuhr Plotina fort, während sie dankbar nach einer der Erfrischungen griff, welche die schon erwähnte Sklavin soeben in das Triclinium gebracht hatte, "was macht eigentlich unsere Fausta? Und habe ich es richtig verstanden, dass Plautus seinen Posten hier in Rom geräumt hat und nach Germania gegangen ist? Was hat ihn denn dazu veranlasst?" Der pekuniär chronisch klammen Sergierin wollte es nicht recht in den Sinn, wie man denn eine doch wohl gut dotierte Stelle freiwillig aufgeben konnte. Oder war es etwa nicht ganz freiwillig geschehen? Plotina hoffte auf Aufklärung durch ihre Cousine Severa.

    Plotina war tief gerührt, welche Freude ihr kleines Geschenk bei ihrer Cousine auslöste. Es war ja eigentlich nur eine Kleinigkeit, etwas typisch Ägyptisches eben, das Plotina als allein reisende Frau von Alexandria nach Rom hatte transportieren können. "Ach Severa, es ist schön zu sehen, dass dir der Stein gefällt! Ich habe ihn eigens für dich anfertigen lassen und mir seitdem immer vorgestellt, wie ich ihn dir überreichen würde."


    Einen Moment lang war Plotina selbst von der freudigen Reaktion ihrer Verwandten so überwältigt, dass sie ganz vergaß, auf dem Sessel Platz zu nehmen, den Severa ihr bedeutet hatte. Schließlich setzte sich Plotina aber doch in den bequemen Korbsessel und stellte dabei wieder einmal fest, wie sauber und gepflegt hier alles in der Casa Sergia in Rom war, während sie selbst in ihrem Häuschen am Rande von Saïs immer wieder gegen Staub und Sand anzukämpfen hatte: "Du fragst nach meinem Leben in Aegyptus... Nun, es ist eigentlich denkbar langweilig." Das Putzen war da manchmal schon ein Highlight. "Normalerweise halte ich mich in dem Haus in Saïs auf, das Vater erbaut hat. Saïs ist ein sehr ruhiges Örtchen und bietet natürlich nicht viel Abwechslung, aber weil ich da aufgewachsen bin, kenne ich natürlich die Leute und habe auch guten Kontakt zu ihnen." Manchen mochte wohl auch gar nicht mal so richtig bewusst sein, dass Plotina eigentlich eine Römerin war. "Ab und zu reise ich aber natürlich auch nach Alexandria und besuche das Museion und das Gymnasion, um mich auch geistig ein bisschen auf Trab zu halten. - Apropos Alexandria: Ich befürchte, ich muss die dortige Casa Sergia demnächst einmal einer gründlichen Renovierung unterziehen lassen. Vom unmittelbaren Bürgerkrieg sind wir in Aegyptus ja - den Göttern sei Dank - verschont geblieben, aber der Zahn der Zeit nagt an so einem Gebäude ja doch."


    Plotina stockte. Nachdem sie jetzt gerade die Renovierung erwähnt hatte, die sie gegenüber Severa natürlich sowieso hatte zur Sprache bringen wollen, merkte sie erst, wie öde die Schilderung ihrer Lebensgewohnheiten eigentlich tatsächlich wirken musste. Severa war da als Bewohnerin der Reichshauptstadt sicher einen ganz anderen Standard gewöhnt: "Rom bietet ja vielfältige Zerstreuungen. Gehst du oft aus?"

    Plotina hatte sich sehr über die herzliche Begrüßung an der Porta der Casa Sergia durch den treuen und aufgeweckten Sklaven Makitros gefreut und war gerne seinem Rat gefolgt, ihre Verwandte Severa im Triclinium zu treffen. Als sie den Raum betrat, war es ihrer Natur gemäß eigentlich ihr erster Impuls, Severa zu umarmen, doch die lange Dauer, welche die beiden Frauen sich nicht von Angesicht zu Angesicht gesprochen hatten, ließ Plotina zögern: "Salve, Severa! Es ist mir eine große Freude, dich hier anzutreffen!"


    Zudem erblickte sie Schreibzeug in Severas Händen, was sie zu der Frage veranlasste: "Ich hoffe, ich störe dich jetzt nicht gerade, und du hast vielleicht ein wenig Zeit für mich. Wir haben uns ja so lange nicht richtig gesehen. Durch deine Briefe hast du mich ja an deinem Leben und dem Leben der anderen Sergier teilhaben lassen. Wofür ich mich nur immer wieder bei dir bedanken kann! Aber ein persönliches Treffen können Briefe ja nicht ersetzen. - Ach, ich habe so viele Fragen!"


    Bevor sie Severa nun allerdings mit einem Pfeilhagel an Fragen konfrontierte, wandte sich Plotina einer Sklavin zu, die inzwischen den Raum betreten hatte. Auf ihrem Weg von der Porta der Casa Sergia zum Triclinium hatte Plotina dieser Sklavin nämlich einen Wink gegeben, ihr aus ihrem von Aegypten her mitgebrachten Gepäck ein Päckchen zu holen und ins Triclinium nachzubringen. Mit diesem Päckchen in Händen trat Plotina nun auf ihre Verwandte zu: "Liebe Severa, hier habe ich ein kleines Geschenk für dich, einen Skarabäus aus schwarzem Basalt, den ein Handwerker in meinem Heimatort Saïs angefertigt hat. Möge der Skarabäus dir immer Glück bringen!"

    Die wunderbaren, mit größter Kunstfertigkeit ausgeführten religiösen Zeremonien und Reden im Rahmen der Einweihung des Ulpianum beschäftigten Sergia Plotina stark und hallten in ihrem Inneren nach - allerdings nur in den höheren, geistigen Gegenden ihres Inneren, während die handfesteren Hohlräume ihres Inneren leer geblieben waren. Diese meldeten nach Ende der Zeremonien umso nachhaltiger ihre Ansprüche an, so dass die hungrige Sergierin schließlich doch ihren Weg zum Forum einschlug und sich an den Ständen, die man dort zur Speisung des Volkes aufgebaut hatte, gütlich tat.


    Schon vor Tagen war überall in der Stadt die Rede davon gewesen, dass nach den Zeremonien noch Gladiatorenspiele im Amphitheatrum Flavium zur Einweihung des Ulpianums stattfinden würden; auch Plotina war dies natürlich nicht verborgen geblieben. Nicht wenigen Menschen in Rom waren solche Volksbelustigungen auch um einiges wichtiger als die vorangegangenen Zeremonien an den Stufen des Ulpianum. Plotina gehörte zwar nicht zu diesen Menschen, und eigentlich hatte sie auch nicht vorgehabt, die Spiele zu besuchen, doch mit vollem Magen gelang es ihr auf einmal, ihre grüblerische Phase hinter sich zu lassen, so dass sie sich, noch kräftig kauend, doch den Menschenmassen anschloss, die ihren Weg ins Amphitheatrum Flavium fanden.


    Es war lange her, dass Plotina Gladiatorenkämpfen beigewohnt hatte, damals in der charmanten Gesellschaft ihrer späteren Acta-Chefin Decima Lucilla. Jetzt war die Sergierin natürlich gespannt, ob sich auch dieses Mal ein freundliches oder auch fachkundiges Gespräch mit ihren Sitznachbarn anknüpfen ließ.

    Nach ihrem langen und ununterbrochenen Aufenthalt in Aegyptus war Plotina in Angelegenheiten der Gens Sergia nur oberflächlich auf dem Laufenden. Leider galt das natürlich auch für die Lebenslage ihrer Verwandten Severa, die in der Casa Sergia in Rom die Stellung hielt. Auch ihr Leben vermochte sich Plotina zu ihrem eigenen Bedauern nur in groben Zügen, fast klischeehaft, vorzustellen, nämlich schlicht und einfach dadurch, dass sie sich an die Zeit erinnerte, als sie selbst in der Casa Sergia in Rom gelebt hatte, und zwar - von kurzen Unterbrechungen abgesehen - mehr oder weniger allein. Daher war Plotina sehr daran gelegen, in Ruhe mit ihrer Verwandten zu sprechen und von ihr persönlich zu erfahren, wie es ihr in der Hauptstadt ergangen und wie zufrieden sie mit ihrem Leben war.


    Die nötige Muße für eine solche Unterhaltung hatte Plotina nach ihrer Reise von Alexandria hierher erst am heutigen Tag gefunden. Sie hoffte, dass auch Severa ein wenig Zeit für ein Gespräch würde erübrigen können.


    Innerlich beschäftigt mit all den Fragen, die ihr auf dem Herzen lagen, schritt Plotina die Via Nomentana entlang hin zur Casa Sergia. Im Eingangsbereich des Hauses angekommen,


    klopfte sie an die Tür.

    Zitat

    Original von Octavia Flora
    Aufgeregt hatte Flora diesem Moment entgegen gefiebert.
    Nun würde endlich ihrem Großvater die ihm gebührende Ehre
    zuteil.
    Sie schob sich soweit wie möglich war ohne auf Proteste zu achten.
    jetzt stand sie praktisch in erster Reihe, um das geschehen genau verfolgen zu können.


    Die Auftritte der Redner, welche die Persönlichkeiten ehrten, deren Büsten am heutigen Tag Aufnahme ins Ulpianum fanden, brachten die Menschen rings um Plotina mitsamt ihren teils interessanten, teils indiskutablen Kommentaren zum Verstummen, was die Sergierin dankbar registrierte. Weniger erbaut war sie jedoch, als sie mitbekam, wie sich eine junge Frau mit ihren Sklaven einen Weg durch die Menge bahnte, bis sie endlich auch so weit vorne stand wie Plotina selbst. Die Stimmung der Sergierin hellte sich aber schlagartig wieder auf, als sie bemerkte, dass sich das Niveau ihres unmittelbaren Umfeldes durch das Erscheinen dieser jungen Frau in dem eleganten dunkelgrünen Gewand deutlich gehoben hatte.


    Dann aber wurde auch Plotinas Aufmerksamkeit vollends aufgesogen durch die erste der Reden, welche Cicero Octavius Anton würdigte, den die Sergierin eigentlich nur seinem berühmten Namen nach kannte. So kam denn Plotina auch während der Rede über ihn aus dem Staunen nicht mehr heraus: Dieser Octavius musste wohl mindestens drei Leben geführt haben, zählte man alles zusammen, wo er jemals seine Finger drin gehabt und was er alles selbst aufgebaut und gestaltet hatte. Einen Moment lang überlegte Plotina, ob dieser Octavius Anton vielleicht mit irgendwelchen Doppelgängern seiner Person gearbeitet hatte... Aber nein! Die Worte seines Laudators klangen so voller Überzeugung, dass auch Plotina sich vor all den Leistungen dieses Mitgliedes der Familie der Octavier nur verneigen konnte.


    Tiberia Livia war Plotina natürlich vor allem aus der Acta Diurna bekannt. Allerdings hatte die Sergierin während ihrer eigenen Tätigkeit für dieses Medium nie mit ihr persönlich zu tun gehabt; die Tiberia hatte sich damals schon weitgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, und Plotinas Kontakte in der Acta hatten sich auf ihre damalige Chefin, Decima Lucilla, und auf ihre Kolleginnen wie Claudia - äh: Flavia - Epicharis oder Artoria Medeia konzentriert, Frauen, die souverän die Ränkespiele römischer Politik durchschauten und in geistreicher Weise darüber zu schreiben verstanden, während sie, Plotina, oft große Mühe gehabt hatte, sich in die Themen, über die sie zu schreiben gedachte, einzuarbeiten. - Ja, die Acta. Ihre Einstellung hatte, wie Plotina fand, eine große Lücke im Imperium hinterlassen.


    Mit großem Interesse hörte die Sergierin, welche außergewöhnlichen anderen Stationen außerhalb der Acta Diurna Tiberia Livia in ihrem Leben noch angesteuert hatte. Eine solche Karriere - der Redner erwähnte es - war nunmehr einer Frau nicht mehr möglich. Und doch hoffte Plotina, dass sich auch für sie noch ein Betätigungsfeld abseits von Haushalt und Herd finden würde.


    Während einer kurzen Pause zwischen den Reden stieg die Sergierin wie viele Leute neben ihr behutsam von einem Fuß auf den anderen, einfach um ihre Beine ein wenig zu bewegen. Dabei dachte sie lächelnd daran, dass sich Roms Bildhauer sicher schon einmal genauestens die Gesichter der Laudatoren und auch der religiösen Würdenträger, die vor den Reden die kultischen Zeremonien anlässlich der Einweihung des Ulpianums geleitet hatten, anschauten - aus den Reihen dieser Männer würde sich gewiss die nächste Generation von Menschen rekrutieren, deren Büsten ihren Weg ins Ulpianum fänden.


    Die Sergierin nahm wieder Haltung an, als der nächste Redner sich anschickte, Gaius Prudentius Commodus zu ehren. Dieser war Consul gewesen zu der Zeit, als Plotina ihren ersten und bis dato einzigen Aufenthalt in Rom gehabt hatte. Nie hatte man gehört, dass er in dunkle Machenschaften verwickelt gewesen wäre oder gegen politische Gegner intrigierte. Prudentius Commodus war ein Mann des Ausgleichs gewesen, persönlich bescheiden. Plotina schien er - und sein Laudator bestätigte es ja - von allen Seiten respektiert worden zu sein, und obwohl während seines Consulats schon alle ihren Blick gebannt nach Osten, nämlich auf die Parther, richteten, hatte man sich unter seiner Führung doch verhältnismäßig sicher gefühlt. Wer hätte damals geahnt, was hernach noch alles auf das Imperium zukommen würde! Aus heutiger Sicht erschien der Mord an ihm ja fast wie ein Fanal, und man konnte nur hoffen, beten und selbst dafür arbeiten, dass solche Schicksalsschläge das Imperium einstweilen verschonen würden.

    Mit der Consecratio Templi Ulpiorum erreichten die kultischen Zeremonien einen neuen Höhepunkt. Plotina hatte sich mittlerweile wieder etwas gefangen und verfolgte daher die Handlungen, soweit sie sich für die Menge sichtbar vollzogen, mit größerem Wohlwollen als zuvor und auch mit einer gewissen Ergriffenheit. Sie konnte nicht anders als es bewundern, wie ernsthaft und bis in alle Einzelheiten korrekt die Würdenträger der Religio romana mitsamt dem Kaiser jeden Akt durchführten.


    Wirklich hellhörig wurde Plotina aber erst wieder, als der Letztgenannte zu einer Rede an das Volk anhob, welche die Sergierin dank ihrer günstigen Position innerhalb der Menschenmenge recht gut verstehen konnte. Jedoch machten die Worte des Augustus Plotina auch von Neuem nachdenklich: Sicher, das Ulpianum sollte die Geschichte des Reiches verherrlichen, dazu war es geplant und gebaut worden. Und der heutige Tag der Einweihung dieses Gebäudes stand so ganz selbstverständlich im Zeichen der feierlichen Rückbesinnung. Was aber war mit der Zukunft des Reiches? War es wirklich auch um diese gut bestellt? Wandte man dieser überhaupt genug Aufmerksamkeit zu?


    Natürlich konnte die Sergierin solches nicht beurteilen; nur fragen, hoffen und wünschen konnte sie. Oder gab es etwa auch für sie einen Platz, an dem sie mehr tun konnte? Insgeheim hatte Plotina sich diese Frage schon des Öfteren gestellt, und eine Antwort auf sie nahm in der Vorstellung der Sergia immer deutlichere Konturen an. Dies aber war noch nicht der Tag, diese Antwort auch zu formulieren und zu geben.


    Stattdessen blickte auch Plotina zusammen mit dem Kaiser und all den Menschen vor dem Ulpianum noch einmal zurück in die Geschichte des Reiches, als der Augustus die Namen derjenigen nannte, deren Ehrenbüsten als erste in dem neuen Gebäude aufgestellt werden sollten. Voller Überzeugung stimmte Plotina hier in den Jubel der Menge mit ein, denn alle vier Namen sagten ihr etwas, ganz besonders natürlich der des Prudentius Commodus, der Konsul gewesen war während ihres ersten Aufenthaltes in Rom und der auf so schändliche Weise umgebracht worden war.


    Neben sich musste die Sergierin jedoch pubertäres Gefeixe zweier unangenehmer Gesellen anhören, welche die Lautstärke des allgemeinen Jubels dazu benützten, ihre unpassenden Bemerkungen zu überdecken: "Höh?! SenatoIN Tiberia dingsbums?! Weiber in der Curia Iulia?? Echt jetzt?? Keine Verar***e??" - "Ja, war wirklich früher mal so. Aber der eine göttliche Ulpius hat den Weibern dann endlich 'nen Riegel vorgeschoben. Schön zu Hause bleiben am Herd, he, he, und was Leckeres kochen! - Aber da geht eh' nix über Muttern."


    Verglichen mit solchem Sprachduktus konnte jede der Reden, die jetzt offenbar im Rahmen der weiteren Feierlichkeiten gehalten werden sollten, nur eine Wohltat sein.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus



    Von ihrem recht guten Platz in der Menge aus bot sich Plotina eine überraschend gute Aussicht auf das Opfergeschehen, das sich nun vor dem Ulpianum abspielte: Mit gekonnten Bewegungen, in großer Würde ausgeführt, vollzog ein Pontifex die vorgeschriebenen Zeremonien zur Consecratio des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus.


    Plotina folgte den Kulthandlungen voller Spannung, voller Bewunderung für den Priester und alle mit dem heiligen Tun betrauten Personen. Nie war sie einer religiösen Zeremonie von solcher Bedeutung so nahe gewesen. Und doch verspürte die Sergierin in sich eine gewisse Leere, die sich fast zur Gereiztheit steigerte. Was hätte sie nicht vor Jahren, während ihres ersten Aufenthaltes in Rom, alles dafür gegeben, einer derartigen Opferhandlung in solcher Nähe beizuwohnen. Aber nun, während Lebern inspiziert und Kaiser konsekriert wurden, musste sich Plotina eingestehen, dass kultische Zeremonien einiges von ihrem Zauber auf ihr Gemüt eingebüßt hatten.


    Nicht nur, dass man ihr mittlerweile vielfach versichert hatte, dass kundige Köpfe vor einer solchen Kulthandlung alles dafür taten, dass Leberschauen genau zu dem Ergebnis führten, zu dem sie führen sollten, nicht nur, dass sie persönlich Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, wenn sie ehrlich war, eigentlich für einen recht schwachen Kaiser gehalten hatte - nein, es war etwas Tieferes, was nun diese Leere in Plotina riss und worüber sie sich zu gegebener Zeit würde Rechenschaft ablegen müssen.


    Plotina musste an sich halten, um nicht laut aufzuseufzen. Für den Moment beließ sie es bei einem tiefen Atemzug und wandte sich wieder dem Geschehen auf den Stufen des Ulpianums zu.

    Zitat

    Original von Sergia Plotina
    Während die Promis sich auf den Stufen des Ulpianums gegenseitig fast auf die Füße traten [...]


    Nun war es selbstredend nicht so, dass es auf den "billigen Plätzen" - also auf denen, mit denen sich Bürger vom Schlage einer Sergia Plotina begnügen mussten - weniger Gedränge gab. Dass erwartungsgemäß das genaue Gegenteil der Fall war, kam der eben noch in melancholische Gedanken versunkenen Sergierin unsanft durch diverse Stöße zu Bewusstsein, die nicht ausbleiben konnten, als etliche Bummelanten versuchten, von ganz hinten doch noch so weit wie möglich nach vorne zu gelangen. Eine Weile lang versuchte Plotina, in tapferem Widerstand ihren Platz zu behaupten. Schließlich aber gab sie auf und ließ ihren Körper von den Bewegungen der dicht stehenden Menge treiben.


    Zu Plotinas großer Überraschung führten diese Bewegungen aber nicht dazu, dass sie nach außen fortgetrieben wurde, sondern ihr eher rundlicher, muskulöser Körper brachte es mit sich, dass sie gleichsam wie ein Ball immer weiter Richtung Ulpianum flutschte. Als sie in einer der vordersten Reihen gelandet war, ebbte die Bewegung in der Menge schließlich ab. Plotina holte erst einmal tief Luft, sah sich dann um und musste sich zufrieden eingestehen, dass sie es nun mit ihrem Platz und ihrem Blick auf das Ulpianum doch gar nicht einmal so schlecht getroffen hatte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätten die Zeremonien jetzt beginnen können.

    Zitat

    Original von Narrator Italiae
    Grünende Girlanden schmückten die Säulen und Giebel des Ulpianums und Blumen waren auf der ganzen Breite Via Sacra bis zum offenen Platz des Forum gestreut. Dort hatte man zahlreiche Stände aufgebaut, um das Volk nach der Zeremonie zu speisen, was auch die städtische Plebs angelockt hatte.


    Zu der Plebs, die sich an diesem Festtag der Einweihung des Ulpianums in großer Menge an der Via Sacra eingefunden hatte, zählte auch Sergia Plotina. Sie war allerdings nicht so sehr angelockt worden durch die Aussicht auf zukünftige Gaumenfreuden, sondern eher aus nostalgischen, wenn nicht gar wehmütigen Gründen. Obwohl sie eigentlich bereits seit so langer Zeit wieder in Aegyptus wohnte und erst an diesem Tag seiner Einweihung einen Blick auf das Ulpianum würde erhaschen können, hatte sie das Gefühl, dass schon der bloße Name "Ulpianum" so viele Erinnerungen in ihr wachrief wie kaum ein anderes Gebäude in Rom: Sie dachte an den Senator Octavius Detritus, der eine ganze Weile mit diesem Bau beschäftigt gewesen war, ein wahrer Plagegeist für Plotina während ihrer Zeit in Rom, aber doch auch ein amüsanter und - das musste die Sergierin eingestehen - oft hilfreicher Begleiter ihrer Tage in der Urbs aeterna. Sie dachte an so viele andere Menschen, die damals ihre Wege in Rom gekreuzt hatten. Und sie dachte natürlich auch an DIVUS IULIANUS, der in jenen Tagen über das Reich geherrscht und am Ende dafür auch sein Blut gegeben hatte. Schon zu Lebzeiten hatte er auf Plotina wie ein entrückter Gott gewirkt, er, den sie niemals mit eigenen Augen zu sehen bekommen hatte.


    Umso mehr reckte die Sergierin nun ihren Hals, als die aktuelle kaiserliche Familie gar nicht so weit von ihr entfernt zum Ulpianum hinaufzog. Plotina kam das vor wie im Märchen: der Kaiser schön und stattlich, und die Kaiserin erwartete ja ein Kind. Weniger märchenhaft erschien Plotina dann allerdings der Anblick, der sich ihr auf den Stufen des Ulpianums bot: Dort traf nämlich in diesem Moment nicht nur die kaiserliche Familie ein, sondern ein ganzer Haufen von Würdenträgern und solchen Leuten, die sich wohl gerne einmal im Glanze echter Würdenträger sehen lassen wollten.


    Während die Promis sich auf den Stufen des Ulpianums gegenseitig fast auf die Füße traten - die schwangere Kaiserin konnte einem da wirklich schon leid tun -, hatte eine andere hochgestellte Persönlichkeit, ein Senator offenbar, eine bessere Wahl getroffen, indem er etwas abseits des Gedränges erst einmal einige der bei solchen Gelegenheiten ja unvermeidlichen Schnittchen verzehrte. Plotinas Blick blieb einem Moment lang an ihm hängen: Kannte sie ihn nicht? Hatte sie ihn nicht schon einmal gesehen, bei jener denkwürdigen Feier womöglich im Hause der Aurelier, zu der sie einst geladen war? Doch war sie zu weit von jenem Mann entfernt, als dass sie sich ein abschließendes Urteil hätte bilden können. So wandte Plotina wieder ihren Blick, ließ ihn weiter schweifen und wartete im Übrigen voller Spannung und Wehmut auf die Zeremonien und die Menschen, die an diesem Tag noch kommen würden.

    Mitten in der Nacht war Plotina aus ihrem Lehmhaus bei Saïs aufgebrochen und hatte den Weg in die Stadt Alexanders eingeschlagen, welche sie gegen Vormittag erreichte. Ohne sich von irgendetwas aufhalten zu lassen, steuerte die Sergierin durch das geschäftige Treiben auf den Straßen hindurch den Großen Hafen an, in dem es ebenfalls bereits lebhaft zu ging. Mit Argusaugen nahm Plotina war, dass irgendwelche römischen Soldaten gerade damit beschäftigt waren, eine Getreidelieferung für die Urbs Aeterna klar zu machen: Schiffe mit dieser unentbehrlichen Fracht genossen auf dem Mare Nostrum stets den Vorzug vor den Seglern, wie Plotina nun einen zu besteigen gedachte. Und dabei war die Sergierin schon in Eile, um rechtzeitig zu einem ganz bestimmten Ereignis in Rom zu sein.


    Mit beschleunigtem Schritt trat Plotina daher nun an solch einen abfahrbereiten Segler heran, und nach kurzer Verhandlung mit einem Gehilfen des Kapitäns - und nach der Entrichtung des erfeilschten Fahrpreises - fand sich die Sergierin an Bord eines Schiffes wieder, das sie, so die Götter die Reise gelingen ließen, alsbald nach Italia übersetzen würde.

    Ich bin im IR ja schon ein bisschen länger dabei, und wer mich kennt, hat mitbekommen, dass ich eine ziemlich dämliche Blut- und Kreislaufkrankheit habe.


    Diese hat mich leider in diesem Frühjahr und Sommer mal wieder mit voller Wucht erwischt, so dass an ein Weiterposten hier im IR nicht zu denken war. Es tut mir sehr leid für alle Mitspieler, die gewartet haben!


    Alle anderen Bereiche meines Lebens sind natürlich auch in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass ich jetzt, da es mir besser geht, erst einmal einiges aufholen muss.


    Ich bitte deshalb, meine beiden aktiven IDs ins Exil zu versetzen. Wenn ich mit allem, was jetzt vor mir liegt, gut durchkomme, bin ich Ende September wieder da.

    Nachdem Plotina sich in der Casa Sergia auf das Nötigste eingerichtet hatte, war sie zeitig ins Bett gegangen, um sich von den Strapazen ihrer Reise von Leptis Magna hierher und ihrer ersten Erledigungen in Alexandria einigermaßen zu erholen, bevor mit dem heutigen Tag gleich schon ihre Ephebie beginnen sollte. Doch gerade die Erlebnisse, die mit ihren ersten Erledigungen hier in Alexandria zusammenhingen, hatten die Sergierin zunächst einmal gar nicht in den Schlaf finden lassen. Erst gegen Morgen war sie den Erschöpfungen der vergangenen Wochen dann doch erlegen, und als sie dann endlich aufwachte, musste sie sich bereits sputen, um sich fertig zu machen und rechtzeitig zum Beginn der Ephebie im Gymnasion zu sein.


    Freundliche Mitarbeiter dieser alexandrinischen Institution wiesen die Sergia in den Hof, wo ihr Blick gleich auf Cleonymus fiel. Sie begrüßte den Gymnasiarchos mit einem freundlichen Nicken und sah sich dann nach ihren Mitschülern um, ob sie wohl tatsächlich die mit Abstand Älteste unter ihnen sein würde.

    Sergia Plotina konnte wirklich froh und den Göttern dankbar dafür sein, dass auch das Wohnviertel der wohlhabenden Alexandriner, in dem seinerzeit ihr Verwandter Caius Sergius Curio sein Domizil bezogen hatte, nicht so weit entfernt lag vom Gymnasion und insbesondere vom Fremdenmarkt. Denn seit ihrem Besuch der Xenai Agorai lastete auf Plotinas Schultern nicht mehr nur ihr griechisches Starterkit, das genauso umfangreich war wie die Sergierin Hoffnungen damit verknüpfte. Nein, nach ihrem Einkauf bei der wohlmeinenden griechischen Händlerin hatte Plotina auch noch verschiedene Lebensmittel erstanden, da sie gedachte, heute noch den Kochlöffel zu schwingen, um nach ihrer beschwerlichen Reise von Leptis Magna hierher endlich mal wieder eine vollständige Mahlzeit zu genießen.


    Schwer bepackt hatte sich Plotina daher auf den Weg zur Casa Sergia gemacht, zu der sie sich eine genaue Wegbeschreibung hatte geben lassen. Diese war, wie sich nun herausstellte, auch nötig gewesen, weil die Casa Sergia ein bisschen abseits von den übrigen Häusern stand. Nur mit einem gewissen Herzklopfen schloss Plotina die Porta auf, und das lag noch am wenigsten daran, dass sie so schwer geschleppt hatte. Vielmehr war dieses Herzklopfen der Tatsache geschuldet, dass sie sich vollkommen darüber im Klaren war, dass dieses Haus in Alexandria jetzt für lange Zeit ihre Heimat sein würde.


    Zeit also, sich diese Casa einmal näher anzusehen:






    Da sie ja gezwungenermaßen Alleinschläferin war - und natürlich auch, um den Putzaufwand in Grenzen zu halten -, quartierte Plotina sich im Obergeschoss nicht in eines der beiden großen Schlafzimmer ein, sondern in das größere der drei kleineren Cubicula, das sie zugleich auch als Officium zu nutzen gedachte.

    [Blockierte Grafik: http://img718.imageshack.us/im…rgaretthatcher3400.jpg%20]



    "Ai, Ai, Ai! Also, eine Frau mit deinen Maßen - ach, was sage ich: ,Maßen' - mit deinen AUS-MAS-SEN", die griechische Händlerin legte eine bedeutungsschwangere Pause ein, "eine Frau von deinen Ausmaßen sollte ÜBER-HAUPT-NUR griechische Kleidung tragen!!!"


    Vom Gymnasion aus, wo Plotina ihre Ephebie klar gemacht hatte, war es zum Glück nicht weit bis zu den Xenai Agorai, wo die Sergierin endlich das Problem aus der Welt schaffen wollte, dass sie wegen ihrer immer noch römischen Kleidung hier in ihrer Heimat Alexandria stets für eine Rhomäerin gehalten wurde, mit der man Latein statt Koiné sprach. Der Fremdenmarkt war natürlich riesig mit einem unüberschaubaren Angebot an Waren; bei einem Blick in ihre Geldbörse schmolz das für die arme Sergierin erreichbare Angebot allerdings merklich zusammen, und so dauerte es auch gar nicht lange, bis Plotina sich an jenem Stand eingefunden hatte, wo man sie gerade so fachkundig und feinfühlig beriet.


    "Bei allen Göttern: Du willst mir ernsthaft erzählen, dass du SO in Rom herumgelaufen bist und man dich NICHT für eine lucanische Wurst gehalten hat?!?!"


    Völlig konsterniert hörte Plotina die sicherlich nur gut gemeinten Ratschläge der griechischen Händlerin an, fand sie doch, dass sie in den vergangenen Wochen - vor allem während ihrer entbehrungsreichen Reise von Leptis Magna hierher - merklich abgenommen hatte. Von runden Formen würde man doch, so war Plotina sicher, bei ihr erst wieder sprechen können, wenn erst einmal ihr zweifellos anstrengendes Leben als Ephebin begann und Plotina sich gegen den Stress immer mal wieder mit Süßigkeiten würde verwöhnen müssen.


    "Nein, nein, nein, so geht das gar nicht!! Das einzige, was bei einer Frau wie dir die Optik noch einigermaßen retten kann, ist ein Peplos. Der ist so raffiniert vernäht, dass er deine Speckrollen verbergen kann. Ich rate dir dringend - DRING-GEND!! - hörst du?, dir gleich mehrere bei mir zu kaufen, am besten in gedeckten Farben - ja, ja, gedeckte Farben sind eine gute Idee, auch Himation, Chlamys - alles in gedeckten Farben!!"


    Nachdem die Sprechwerkzeuge der griechischen Händlerin schon eine ganze Weile einem intensivierten Gebrauch ausgesetzt waren, nahm jetzt auch ihre übrige Körpermuskulatur Fahrt auf, da sie begann, für Plotina ein dickes Bündel mit den angesprochenen Kleidungsstücken zusammenzustellen - alles natürlich nur in gedeckten Farben. Immer noch ziemlich konsterniert, ließ die Sergierin sie gewähren, während die griechische Händlerin sie noch mit einigen todsicheren Diättipps versah und ihr versicherte, dass sie ihr all die wunderbaren Gewänder in den gedeckten Farben nun zu einem echten Freundschaftspreis verkaufen würde: "Es geht hier schließlich auch um das optische Erscheinungsbild unserer Stadt!!"


    Nachdem Plotina den "Freundschaftspreis" bezahlt hatte, sah sie sich mit einem Male in ihren finanziellen Möglichkeiten drastisch beschränkt. Einem Leben mit klangvollem Griechisch statt dauernden Latein würde nun allerdings nichts mehr im Wege stehen.

    Während Plotina ihre kleine Rede gehalten hatte, in der sie sich mit den einzelnen Einwänden des Cleonymus auseinandergesetzt hatte, war ihr Bestreben natürlich gewesen, ähnlich ruhig und abgeklärt zu wirken wie ihr Gegenüber. Ob ihr das gelungen war, hätte sie nicht zu sagen vermocht; Tatsache war aber - und das wusste sie selbst -, dass sie in ihrem Inneren alles andere als abgeklärt, sondern vielmehr höchst angespannt gewesen war. Sie war ja so gar nicht gewöhnt, ihre Gedanken in solchen Argumentationsketten zu äußern und damit auch noch jemanden überzeugen zu müssen. Wer hätte sie, eine unbedeutende römische Bürgerin ohne irgendwelche Verbindungen, denn auch schon anhören mögen? Jahrelang hatte sie praktisch allein gelebt, und die meisten der Gesprächspartner, auf die sie getroffen war, hatten viel lieber über Alltägliches geplaudert, als angeregt miteinander zu streiten.


    Solche Gedanken flackerten in Plotinas Herz auf, während sie doch eigentlich der Antwort des Gymnasiarchos hätte lauschen sollen. Doch deren ersten Teil bekam sie gar nicht richtig mit; Cleonymus hatte gewiss etwas Weises gesagt, aber das war an der Sergierin vorübergegangen. Beim zweiten, mehr praktischen Teil der Antwort des Prytanen jedoch horchte Plotina dann endlich auf: "Ich danke dir, Cleonymus, dass du es mit mir versuchen willst. Morgen werde ich dann hierher ins Gymnasion kommen." Den genauen Weg würde sie schon finden; ansonsten könnte ihr sicher der stets gut informierte Pryphios helfen.


    Was es mit diesem Kapeleion auf sich hatte, konnte die Sergierin allerdings nicht recht einordnen; sie hatte auch noch nie davon gehört, aber das war ja bei ihrer strengen Erziehung kein Wunder. Der Gymnasiarchos sprach mit einer solchen Selbstverständlichkeit darüber, dass Plotina sich nicht getraute, ihn zu fragen. Sie hoffte, dass es sich bei dem Kapeleion nicht etwa um irgendeine dunkle Hafenkneipe handeln würde und im Übrigen darauf, dass sie am kommenden Tag schon irgendwen finden würde, der ihr den Weg beschreiben könnte. Ihre "Geschichte", die der Prytane dann zu hören begehrte, war ja ohnehin ziemlich ereignislos und in zwei, drei Sätzen erzählt.


    Bis zum morgigen Tage, dem Tage ihres Unterrichtsbeginns, hatte die Sergia allerdings noch einiges vorzubereiten, zumal sie ja erst heute überhaupt in Alexandria eingetroffen war. Und weil sicher auch Cleonymus noch einiges schaffen wollte, suchte Plotina gar nicht mehr nach neuen Worten, sondern beließ es bei dem gerade geäußerten Dank, verabschiedete sich dann mit einem Nicken von dem Prytanen und verließ sein Arbeitszimmer und anschließend das Gymnasion - natürlich nicht, ohne auch noch von Pryphios Abschied zu nehmen.

    Nachdem Plotina beim Gymnasiarchos eingetreten war, hatte sie sich erst einmal vollkommen darauf konzentriert, sich dem Prytanen mitsamt ihrem Anliegen vorzustellen. Dabei hatte sie nicht wirklich ein Auge für Cleonymus gehabt, und so konnte sie ihn erst, nachdem sie geendet hatte, einer genaueren Betrachtung unterziehen.


    Und ja, die Sergierin war angetan. Die entspannte und abgeklärte Haltung, mit welcher der Gymnasiarchos sie empfing und nun auf ihren Wunsch einging, bestätigte ganz den positiven Eindruck, den schon die Wache an der Porta Lunae auf sie gemacht hatte. Das war doch ganz etwas anderes als die vermeintliche Ineffizienz der griechischen Verwaltung, über die sich die römischen Bürger in Alexandria so gerne das Maul zerrissen. Freilich, all diese Auftritte konnten auch reines Schauspiel und Blendwerk sein, wie es in der Politik ja so häufig vorkommt (^^), und sagte man nicht gerade den Griechen nach, sich darauf besonders gut zu verstehen?


    Aber das war ja schon wieder so ein Klischee, das Plotina schleunigst zur Seite wischte, denn sie wollte nicht schon ihre ersten Tage in Alexandria von Misstrauen und tradierten Vorurteilen vergiften lassen, sondern sich ihr eigenes Bild über die Dinge machen. Und dazu brauchte sie mehr Wissen: "Du weist zurecht auf die besonderen Umstände meines Falles hin, Cleonymus. Weil mir die Ephebie aber wirklich am Herzen liegt, möchte ich auf jeden einzelnen deiner Punkte eingehen. Zunächst einmal befürchte ich, dass es mit meiner Bildung gar nicht so weit her ist, wie du vielleicht annehmen möchtest. Ich bin zwar hier aufgewachsen, und Koiné spreche ich wohl besser als die meisten Römer" und so gut wie die einheimischen Griechen, wollte sie eigentlich sagen, stapelte aber hier für den Anfang lieber mal tief - "Aber ansonsten reicht meine Bildung, was die hellenische Kultur betrifft, nicht viel weiter als die jedes einigermaßen geblldeten römischen Kindes. Besonders der praktische Gebrauch geht mir völlig ab. Gerade in diesen möchte ich mich aber einüben, weil ich... - weil ich mich eines Tages in dieser Stadt nützlich machen möchte." Jetzt war es also raus.


    "Und eben deshalb möchte ich mehr tun, als mir unter Berufung auf mein römisches Bürgerrecht das alexandrinische einfach so eintragen zu lassen. Ich bin Römerin, ja, und stolz darauf, aber ich doch auch eine von hier, habe mit griechischen und ägyptischen Kindern im Sand gespielt und gerauft. Ja, und wenn ich das jetzt wieder tun muss," - Plotina spielte natürlich auf das zu erwartende Alter ihrer Kommilitonen in der Ausbildung an - "dann wird mich das freuen." Außerdem war es ja nicht so, dass Plotina nicht schon selber gerne Kinder gehabt hätte... es hatte noch nicht sein sollen. Doch das gehörte selbstverständlich nicht hierher.


    "Versteh mich bitte nicht falsch", schloss Plotina. "Ich möchte hier auch keine Sonderregelung oder zusätzliche Arbeit verursachen. Aber vielleicht ist es möglich, dass ich mich einer bestehenden Klasse anschließe."

    Mit der Antwort des Pryphios hatte Plotina fast schon gerechnet. Sie war sich ganz darüber im Klaren, dass sie ein absoluter Ausnahmefall war, und war daher sehr froh, dass ihr Anliegen nicht gleich im Vorzimmer des Gymnasiarchos rundheraus abgelehnt wurde, sondern sie die Gelegenheit erhielt, mit diesem selbst zu sprechen.


    Sie bedankte sich daher mit einem freundlichen Nicken bei dem Scriba, nachdem dieser ihr die entsprechende Mitteilung gemacht hatte, und trat durch die ihr gewiesene Tür in das Arbeitszimmer des Gymnasiarchos Cleonymus. Weil dieser durch seinen Schreiber sicher schon grob über ihren Wunsch unterrichtet worden war, hielt sie ihre Vorstellung kurz: "Khaire! Ich danke dir, dass du dir die Zeit nimmst, mich anzuhören! Wie dir dein Mitarbeiter gewiss schon gesagt hat, ist mein Name Sergia Plotina. Ich bin römische Bürgerin, aber in Sais aufgewachsen und denke nun daran, mich ganz in Alexandria niederzulassen, wo meine Familie noch ein Haus besitzt. Deshalb möchte ich gerne die Ephebia ablegen."