Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Wie auch immer.... Letztendlich revidierte ich meine Entscheidung: diese Informantin zu führen würde ich in die erfahrenen Hände unseres Trecenarius legen.
    Mit Iulius besprach ich noch die Mission zu Ende, seine Rückkehr zu seiner Centurie und ihren derzeitigen Einsatz, dann entließ ich den Centurio. Die anderen, die heil zurückgekehrt waren, bestätigten seine Schilderung des tragischen Unglückes. So blieb mir nur, mich hinzusetzen, und den Angehörigen der erschlagenen Speculatores einen förmlichen Brief zu schreiben. Manchmal verabscheute ich meinen Dienst.




    simoff: Um das mal abzuschließen.


    Unermüdlich drehte sich das Rad Fortunas, stumpf und blind wie ein Mühlstein, der der Menschen Schicksale mahlte und zerrieb, hielt in ewigem auf und ab das Weltengetriebe in Gang... und doch: wie berauschend war es, so schwungvoll von jenem Rad emporgehoben sich zu sehen, hinaufzusteigen, nach oben, ganz ungeheuer oben, schwindelerregende Höhe...! Wie ein Tänzer auf dem Seil zu balancieren auf dem Scheitelpunkt des Glückes...
    Honigsüß tönte der Jubel in meinen Ohren. Ja, es zahlte sich eben aus, die Rede zu Hause vor dem Spiegel gründlich zu üben. Und wohl auch: daran zu glauben was man sagte. Zu wissen dass mein Vater mich so sah - mich, endlich wieder ein Decimer wie ein Decimer zu sein hatte, endlich wieder ein Sohn auf den man stolz sein konnte, auch dank seines Einsatzes und zuletzt seines noblen Verzichtes! – und meine Familie, Freunde und Geliebten auf der Tribüne, beflügelte mich ungeheuer! (Und ein klein bisschen auch der wohlige Gedanke daran, wie schmerzlich Mißgunst und Neid nun die, die mir immer noch übel wollten, zerfressen mußten.)
    Tief holte ich Luft... – wann hatte man schon mal Gelegenheit zu ganz Rom zu sprechen, das mußte man doch ausnutzen – und kam zum allgemeinen patriotischen Teil, verkündete kraftvoll, dann mit dem gebotenen schweren Ernst:


    "Wir alle wissen: Nur ein einiges Reich ist ein starkes Reich!
    Eine dunkle Periode unserer Geschichte liegt hinter uns: eine Zeit in der ungezügelte Machtgier und infamster Verrat unsere Patria ins Unglück stürzten. Eine Zeit in der wir Soldaten Roms schwersten Blutzoll leisten mußten. Eine Zeit in der das Volk Roms – besonders der einfache Mann und die einfache Frau von der Straße - jammervoll darben und leiden mußten. Doch auf die mattherzigen und trostlosen Jahre der Spaltung ist eine neue Zeit gefolgt! Unserem erhabenen Kaiser Tiberius Aquilius Severus gebührt dieser Verdienst, der die wahrhaft kaiserliche Kunst übt, Getrenntes und Zerissenes zu lebender Einheit zu verbinden, tiefe Gräben zu überwinden und schwärende Wunden zu heilen, um die Kräfte des römischen Volkes erneut zu verbinden und zu vereinen, zu den höchsten Zwecken des Staates - für ein einiges, glorreiches Rom!"

    Ich hielt inne, um den Beifallsrufen für unseren Kaiser an dieser Stelle Raum zu geben, dann fuhr ich etwas verhaltener fort:


    "Auch... dass ich selbst heute wieder hier stehe und zu euch spreche, ist natürlich ein Zeichen jenes Neubeginnes. Zu euch allen sage ich, zu euch Soldaten unter dem Banner des Skorpions und unter dem der Städtischen Kohorten, zu euch Bürgern und Würdenträgern Roms, zu allen Bewohnern der Stadt, von nah und fern stammend" - jede der angesprochenen Gruppen durch staatstragenden Blick und Geste miteinbeziehend, dann wieder lebhaft und zuversichtlich auffordernd - "ich sage: folgen wir dem segensreichen Vorbild unseres Kaisers! Streben wir danach, im Großen wie im Kleinen, in der Politik wie im Alltag, im öffentlichen Leben und in den Köpfen – ja, nicht zuletzt in den eigenen Köpfen drinnen! - die Gräben der Vergangenheit zu überwinden, den Neuanfang zu leben, gemeinsam für ein einiges und starkes Rom einzustehen!!"
    Eine Kunstpause, dann wurde es wieder ganz ernst...


    "Das heißt auch: großmütig sein. Gute Männer haben Fragwürdiges getan, in der dunklen Zeit, sei es verblendet durch die Lügengespinste der Verschwörer, sei es in soldatischer Treue zu ihrerseits verblendeten Kommandanten. So gibt es ja zum Beispiel noch immer Stimmen, die die Schändung des heiligen Pomeriums, das Marodieren der Soldaten der germanischen Legionen im sakrosankten Inneren unserer Ewigen Stadt, als ungesühnt ansehen, und verlangen, die Täter streng zur Rechenschaft zu ziehen. Diesen Wunsch kann man verstehen. Doch die wahren Schuldigen sind ja nicht diese Soldaten, es sind die Verschwörer selbst, die diesen Krieg verschuldeten – und die sind tot, im Tartarus für ihre Vergehen gemartert, und von keiner weltlichen Gerichtsbarkeit mehr zu erreichen. Ich sage, und ich plädiere dafür: den Neuanfang zu leben heißt auch, großmütig zu sein und an Fehlgeleiteten keine Vergeltung zu üben.
    Es heißt aber nicht: vergessen. Ganz im Gegenteil. Uns zu erinnern an die Schrecken des Bruderkrieges, wird uns eindringlich mahnen, nicht wieder, und hoffentlich sogar nie wieder zuzulassen, dass die mörderische Machtgier einzelner einen so gigantischen, verheerenden Flächenbrand entfacht. Auf dass solch schändlicher Verrat gegen Kaiser und Reich in Zukunft im Keime erstickt wird. Das heißt: auf der Hut sein, und wachsam - wir Männer der Garde, wir Römer, wir alle!"


    "Als ein Zeichen des Gedenkens habe ich beschlossen, anlässlich meiner Kommandoübernahme ein angemessenes Kriegerdenkmal für all die im Bruderkrieg gefallenen Kameraden zu stiften. Es soll ein Monument sein zur Erinnerung an alle Soldaten Roms, die von Pflicht und Mut beseelt ins Feld zogen, und dort ihr Leben ließen, unbesungene Helden in einem tragischen Krieg. Ganz gleich in welcher Einheit sie dienten, ganz gleich auf welche Seite das Schicksal sie verschlug, dort soll man ihrer würdig gedenken können!"
    Ursprünglich hatte ich eines nur für die gefallenen Prätorianer im Sinn gehabt. Aber ich wollte ja mit der neuen Zeit gehen.
    "Doch auch die Lebenden will ich nicht vergessen. Milites der Garde, es wird euch wohl nicht überraschen - aber vielleicht doch erfreuen. Ich lasse euch als euer wiederernannter Präfekt aus meinen Mitteln ein Donativum auszahlen: von einem Monatssold!"
    Das gab dann natürlich einen schönen Begeisterungssturm von Seiten der Garde. Wie gut, dass eine so wohlhabende Familie hinter mir stand, sonst hätte ich mir das niemals leisten können. Aber mit einer Hypothek auf das Cosenza-Weingut klappte es. Und wieder für die Zivilisten:
    "Ausserdem möchte ich für alle gleich ankündigen dass es nach dem Ende des zeremoniellen Teil heute und hier auf dem Marsfeld wieder etwas von der Kampfkunst der Garde zu sehen gibt. Und nachdem beim letzten Mal unsere Kavallerie geglänzt hat, wird heute unsere Feldartillerie im Mittelpunkt des Geschehens stehen!"
    Und markig schloß ich mit den Worten:
    "Militees, Bürger, Volk von Rom! Mögen wir uns gemeinsam, erfüllt vom patriotischen Geiste, der Zukunft zuwenden!
    Lang lebe der Kaiser! Ewig das siegreiche Rom! Vivat! Vivat!! Vivat!!!"

    Die Menschen stimmten ein, und die Hochrufe donnerten imposant über das Marsfeld...

    Zitat

    Original von TIBERIUS AQUILIUS SEVERUS AUGUSTUS
    "Es gilt nun, dieses Amt wieder zu füllen. Lange habe ich beraten und die besten Männer des Staates in Betracht gezogen. Wie es den Cohortes Praetoriae als Elite des Reiches entspricht, entschied ich mich schließlich für den Besten der Besten, dessen Biographie ihn außerordentlich für dieses Amt qualifiziert: Es ist Faustus Decimus Serapio, dem nichts fremd ist, was ein Soldat erleben mag: Als junger Legionär zeichnete er sich im Parthia-Feldzug des Divus Iulianus aus, kämpfte bei Edessa und Circesium. Nach dem Krieg wechselte er hierher und lernte Rom als Centurio der Cohortes Urbanae kennen, um dort den Ritterstand zu erlangen. Schließlich diente er als Tribun in Aegyptus und errang neuerlich eine Auszeichnung als furchtloser Kämpfer. Wieder kehrte er nach Rom zurück und diente seither bei den Cohortes Praetoriae, wo er nicht sich nicht nur im offenen Kampf, sondern auch bei der Bekämpfung der verborgenen Feinde Roms verdient machte." Er sah in die Menge. Wenige mochten von der geheimen Mission wissen, die Serapio als Tribun übernommen hatte. Dafür war umso bekannter, dass er Valerianus' Mörder entdeckt hatte. "Schließlich wurde er zum Praefectus Praetorio und stand treu zum Kaiser, selbst als Rom und das Reich im Bürgerkrieg versanken und geriet schließlich die Gefangenschaft, um nach den Wirren der Nachkriegszeit erneut in die Cohortes Praetoriae aufgenommen zu werden und zuletzt federführend seinen Vorgesetzten zu unterstützen." Eine kometenhafte Karriere, wenn man es so betrachtete.


    "Nichts ist ihm fremd: Von den Sorgen und Nöten eines Miles Gregarius bis hin zu strategischen Erwägungen eines kommandierenden Feldherrn. Vom Erlebnis kleiner Scharmützel bis hin zu gewaltigen Feldzügen. Von der Erfahrung im offenen Kampf bis zur Verteidigung des Reiches im Geheimen. Er diente bereits mit großem Erfolg als Praefectus Praetorio und nur die unglücklichen Verstrickungen eines grausamen Bürgerkriegs waren der Grund, dass er diesen verdienten Posten räumen musste. Bereitwillig kämpfte er für den Kaiser in Rom und versöhnte sich doch ebenso bereitwillig mit seinem alten Gegner, um wiederum dem Wohle Roms zu dienen. Es gibt keinen besseren Mann für diesen Posten und so bin ich überzeugt, dass auch die Götter zustimmen, wenn ich zuletzt ihre Zustimmung erbitte, um Faustus Decimus Serapio erneut zum Praefectus Praetorio zu berufen!"



    Hatte ich jemals eine so glänzende Laudatio wie diese hier vernommen?! Anfangs noch gehüllt in meine abgeklärte Resignation, dann aber doch zunehmend geschmeichelt, zuletzt überwältigt von so viel Huld, verfolgte ich die Rede des Kaisers, der mich und meine Verdienste in der Tat in das allerbeste Licht rückte. Ich hatte dies alles ja schon einmal miterlebt, und im Vergleich zur ebenfalls pompösen, aber doch eher kurzen und bündigen Kommandoübergabe beim ersten Mal, hatte diese Zeremonie jetzt wirklich um Dimensionen mehr Klasse und Stil!
    Gravitätisch wie ein Heldendenkmal auf meinem Ross der Lobrede lauschend, freute ich mich ganz besonders darüber, meinen Aufstieg ex caligae ausdrücklich positiv erwähnt zu hören. Und noch viel mehr, als endlich meine Rolle in der Zeit des Bruderkrieges frei von Verleumdung gewürdigt wurde.
    Endlich.
    Ich war rehabilitiert. Voll und ganz. Eine schwere Last glitt von meinen Schultern, ich atmete auf, verspürte eine innige Genugtuung, war wie befreit. (So ganz glauben konnte ich es allerdings immer noch nicht.)
    Und auch wenn weder die Überreste des Verschwörerklüngels, noch die opportunistischen Nutznießer des Verbrechens, noch jene die stumpfsinnig ihrer Propaganda Glauben schenkten, dadurch ihrer Ressentiments ledig würden – konnte mir das jetzt gleich sein. So deutlich wie der Kaiser es gemacht hatte, dass ich seine Gunst genoss. Solange ich Präfekt der Garde wäre, würde niemand, zumindest niemand der bei Sinnen war, mich offen schief ansehen. Ein Privileg der Macht.


    Eisenklirrend schwang ich mich vom Pferd, um an der Seite des Kaisers - welche Ehre! - den Auspizien beizuwohnen. Erwartungsgemäß wurde der Entschluß des Kaisers bestätigt, eine schöne Zeremonie war es aber ganz und gar nicht. Das nächste Mal, wenn ein Augur benötigt wurde, würde ich den Cultus Deorum darum ersuchen, jemanden zu schicken, der sein Handwerk verstand.
    Doch dann war auch dies erledigt, und der Kaiser erklärte mich, Faustus Decimus Serapio, klar und deutlich und vor ganz Rom zum Gardepräfekt. Jetzt war es wirklich und wahrhaftig und ohne Zweifel Realität...


    Schneidigen Schrittes bestieg ich die Tribüne, und vernahm den Jubel, die aufbrandenden Rufe der Soldaten und des Volkes. Und obgleich mir doch so bewußt war, wie wohlfeil und nichtig das Frohlocken der Menge war – ich konnte mich der Rührung nicht erwehren. Dankbar dachte ich an all die, die mir beigestanden hatten, die mir zumindest ein wenig die Treue gehalten hatten, blitzschnell flogen meine Gedanken zu all jenen, ohne die ich jetzt nicht hier stünde, mit erhobenem Haupte (nicht hier, aber auch nicht mal mehr unter den Lebenden):
    Mein Vater – mit warmem Dank blickte ich über die Köpfe der Soldaten zu ihm, der an der Spitze der Stadtkohorten stoisch auf seinen Abschied wartete. Was er in meinem Leben alles für mich getan hatte, das ließ sich nicht in Worte fassen... Und Seiana, auch an sie dachte ich, die mir früher (bevor sie tragisch dieser schlimmen Wesensverflachung anheim fiel) die beste Schwester der Welt und mein Fels in der Brandung gewesen war.... - Manius. Manius, bei aller schmerzlichen Verstrickung, Ambivalenz, Schuld und Verbotenheit. Manius, Geliebter, immer Manius.... Auch Dives kam mir in den Sinn, der süße Dives, wie er mich einmal unerschrocken in meinem schäbigen Exil in Trans Tiberim aufgesucht hatte. Dieser Träumer. Zu viel hatte ich darauf von ihm erwartet damals... Massa, der mir angeboten hatte, mich nach Ägypten mitzunehmen, mein Compagnero, der versuchte alles hinter sich zu lassen... Und Valentina... die mir ihre Seelengröße gezeigt hatte in einer Zeit als ich so rein gar nicht zu bieten gehabt hatte... (Ich begann mich zu fragen ob ich, wenn nicht alles so gekommen wäre wie es war, wohl jemals eine so großartige Frau für mich gewonnen hätte?)... Borkan, mein Phantasos, mein hinreissender sinnenverwirrender Retter, wie von den Göttern gesandt... die Bruderschaft des Serapis, der weise Anastasius, Freund Castus, und ihr sicherer Hafen... Licinus, mein alter Freund, der seine Sühne geleistet hatte... Und Tante Venusia, war sie damals nicht sogar bis in die Tiefen des Carcers vorgedrungen...? Tante Lucilla, Onkel Meridius, Großtante Drusilla, meine kleine Nichte Messalina, Carmelita, Schöngeist Casca, Scipio mit seinen vielen Fragen, meine ganze Familie, die verzweigte Sippschaft unserer Gens, und all die Manen und Genien unserer Ahnen... Urplötzlich fielen mir immer mehr und mehr ein, denen ich dankbar war, als wäre ein Schleier vor meinen Augen fortgezogen... Vom ganz kleinen und alltäglichen bis hin zum Ewigen Serapis, meinem Patron unter den Unsterblichen Mächten...


    Ganz langsam... begann das Gefühl des Triumphes Einzug zu halten. Zuerst ganz leise, dann, wie eine Melodie, die von irgendwoher kam, und in mir ihren Widerhall fand, wurde es lauter, schneller, dynamischer: Ich! Ich hatte überdauert! Ich hatte überlebt! Und nicht nur das! In den Schmutz gezogen hatten sie meinen Namen! Und nun stand ich hier! Reingewaschen! Mächtig! Ich, an der Seite des Kaisers! Ich, der schöne... ähem, der neue Praefectus Praetorio! Ja, so etwa klang diese packende Melodie in meinem Kopf 8) während ich mich sonnte, in jenem teuren Augenblick des Triumphes.


    Mit leuchtenden Augen dankte ich dem Kaiser, mit schlichten Worten, aber tiefempfunden, während um uns herum noch der Jubel gegen die Tribüne brandete.
    "Mein Imperator, ich danke Dir! Ich... bin überwältigt von der Ehre, die Du mir zuteil werden lässt. Und bei Iuppiter-Serapis schwöre ich: ich werde es Dir vergelten, mit meiner Treue und Tatkraft!"
    Ob ich ein paar Worte sagen wollte? Oh ja! Selbstverständlich wollte ich das.
    Schwungvoll strich ich mein Paludamentum über die Schulter zurück, warf mich in Rednerpose in die Brust.


    "Militees, Bürger, Volk von Rom!" hob ich an, meiner Truppe und der Menge mein strahlend-martialischstes Antlitz zeigend.
    "Durch die ehrenden Worte unseres erhabenen Imperators aufs tiefste gerührt, stehe ich vor euch, als Soldat Roms, erneut berufen zum Kommando der kaiserlichen Garde.
    Militees, ich muß es nicht wiederholen, dass ihr die Besten der Besten seid, und auch nicht welche Ehre und Freude es ist, als euer Präfekt unter dem Banner des Skorpiones zu dienen. Mit der Kampfeskraft, die der allgewaltige Mars uns, seinen Söhnen, gewährt, sind wir unseres Kaisers eherner Schild - und die Waffe, die seine Feinde zerschmettert. Unser Vorrecht ist es, das Bildnis unseres Kaisers und seiner Familie in unseren Feldzeichen zu führen - beseelt von Schwurherrin Fides, ist felsenfest unsere Treue. In kühnem und rechtschaffenem Streben, folgen wir dem hehren Honos, dienen dem Wohle unseres Kaisers – sowie seinem Ruhm!"
    so rief ich die Trias zurück ins Gedächtnis, die die (ideale) Rolle der Garde so praktisch verkörperte
    "Das Wohl unseres Kaisers ist das Wohl unseres Reiches! Das Wohl unseres Reiches ist das Wohl des Volkes. Dafür stehe ich, und in diesem Sinne werde ich mein Kommando führen." verkündete ich markig. Enthusiastische Klienten, und strategisch verteilte Claqueure unter Zivilisten und Soldaten ließen schon wieder den Applaus sich erheben, doch ich war noch lange nicht fertig mit meiner Rede, und winkte mit bescheidener Gebärde ab, wartete bis es wieder still wurde um fortzufahren....

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus


    "Zum Rex Bibendi natürlich, zum König der Saturnalien!" fiel ich ihm schnöde ins Wort, "Schließlich hast du gewonnen...", mich verwehrend, mich wappnend gegen die Schlingen der entsagenden Sehnsucht und verzweifelten Melancholie, die sich schon wieder unerbittlich um mich herum zu winden begannen, die diesen festfrohen Abend in düstere Tragik zu tränken suchten.
    Und obgleich ich selbst beträchtlich angeheitert war, ging mir auf, dass Manius diese Dinge nie so unverblümt, geradezu hemmungslos geäussert hätte, wenn er nicht selbst schon gut dem Bacchus gefrönt hättte. In vino veritas. Wie ertappt blickte ich um uns, der Gang war zum Glück menschenleer.


    "Ich... ich hab dich eingeladen weil ich der Meinung war, dass wir, ähem, Freunde sind und vernünftige Menschen, die ganz normal miteinander feiern können...." behauptete ich, selbst alles andere als überzeugt von meinen Worten. Denn natürlich nutzte ich jede Gelegenheit, seine Nähe zu suchen und unverfänglich zu genießen. Selbst eine förmliche Zeremonie in der Stadt, ein kultisches Fest oder ein steifer Empfang, gewannen einen vorher ungeahnten Glanz wenn Manius dabei war, wenn ich seine Anwesenheit um mich spürte, wie einen belebenden Hauch in stickiger Stube, einen Feuerbrand in der Kälte, wenn ich ihn unter den Menschen sah wie einen stolzen Schwan unter schnatternden Gänserichen...
    (Und die allerletzten Bedenken, ihn und seine Familie einzuladen, waren dann verflogen angesichts der Tatsache, dass es eine gesellschaftliche Aufwertung ohnegleichen für uns hispanischstämmige Plebejer war, wenn wir echte Patrizier, erlauchte Nachfahren von Kaisern, als unsere Gäste vorzeigen konnten.)
    Sein gequältes Lächeln traf mich, die Traurigkeit wehte mich an, und zugleich jubelte etwas unmittelbares, eigensüchtiges und wildes, heiß in mir auf: Er liebt mich! Er verzehrt sich nach mir. Er ist mein. Immer noch.


    "...Solltest du das?" fragte ich, bei der Erwähnung seiner Gemahlin wie stets den bitteren Widerwillen in der Kehle spürend, und stieß mich von der Wand ab, tat einen Schritt und trat ihm, der mich umgehen wollte, wiederum in den Weg. "Die Bande sind lose in diesen Tagen, Manius. Das goldene Zeitalter... kennt keine Grenzen, oder etwa nicht?"
    Und mit diesem schönen Gedanken besänftigte ich auch das Wissen darum, dass im Atrium mein hinreißender Gefährte auf mich wartete. An den Saturnalien gehörte es doch geradezu zum guten Ton, etwas über die Stränge zu schlagen, das zählte gar nicht..... nicht wahr?
    Kokett legte ich den Kopf schief. "Aber wenn du darauf bestehst... und unbedingt zurück eilen willst... dann mache ich dir meinetwegen den Weg frei. Unter einer Bedingung! Ein Rätsel noch, ein kleines Rätsel mußt du mir lösen, Manius... dann will ich dir den Weg nicht länger verwehren."
    Und spielerisch mich näher an ihn heranbeugend, doch ohne ihn zu berühren, rezitierte ich lächelnd im Flüsterton:
    "Es ist eine süße Zauberfrucht,
    Die einer vergeblich zu pflücken versucht.
    Nur zweie zusammen können sie brechen,
    Doch kann es niemals geschehen im Sprechen.
    Und wollte einer sie pflücken allein,
    Er haschte und schnappte ins Blaue hinein...."



    "Bravo, bravo!" applaudierte ich noch der Tänzerin. Dann war sie schon hinausgeschwebt...
    Auf unsicheren Beinen durchstreifte ich den Festsaal. Manius... war verschwunden. Um mich herum wirbelten bunt die Farben der Festgewänder, hell das Klingen der Kelche, heitere Wortwolken.. oder war es mein Kopf, in dem sich all dies drehte, in einem munteren Reigen...? Da!


    Zitat

    Original von Tolmides und Aculeo


    Das war doch der Bordellwirt, von dem wir einen Schwung Mädchen engagiert hatten.
    "Tol... Tolmi... Tolme...Guuter Mann!" sprach ich ihm an, wobei ich ihm freundschaftlich kräftig auf die Schulter klopfte. "Und... hahaha... mein Lieblings-Germanicer!" bedachte ich auch Aculeo mit einem weinseligen Gruß. "Ich hoffe ihr amüsiert euch! Io Saturnalia, io Saturnalia, auf das goldene Zeitalter meine Lieben!"
    Und mir an einem girlandengeschmückten Tuffsteinrelief Halt suchend, wandte ich mich an den Zuhälter meines Vertrauens, und erklärte ihm: "Hör mal, deine Pferdchen können jetzt ruhig... mal noch'n bisschen aufdrehen..." Manche Gäste waren ja selbst heute noch zu schüchtern (oder zu wohlerzogen, oder noch nicht betrunken genug), um sich einfach eine, die ihnen, oder einen, der ihnen gefiel, zu schnappen, und brauchten wohl noch etwas Ermunterung dafür.


    Zitat

    Original von Lycidas


    Nach diesem kurzen Wortwechsel stromerte ich weiter und (a propos einen schnappen) beugte mich zu dem blonden Lyraspieler, auf den ich eben schon Borkan aufmerksam gemacht und angesetzt hatte.
    "Io Saturnalia! Ich habe einen Wunsch, go...güldener Gebieter der Saiten...!!" bat ich den Schönen, die Hand von der Seite her selbstsicher auf seine Schulter gelegt, und schenkte ihm ein charmant/anzüglich-strahlendes Lächeln dazu. "Wenn wir gleich den Rex bibendi krönen: spiel uns eine Hymne auf ihn, ja!? Etwas erhebendes, etwas leichtes, und... ja genau: im Taumel rauschhaftes!"


    Aber erst mal mußte ich den Rex bibendi überhaupt wiederfinden, bevor wir ihn krönen konnten... Ich streifte durchs Triclinium, wechselte Scherzworte mit den Gästen, während ich nach ihm Ausschau hielt.... Darauf ging ich zu den Latrinen, um mich zu erleichtern. Auch dort war er nicht. Ein Abstecher ins Peristyl... erfolglos. Alles voller Feiernder, doch kein Manius. Unschlüssig streifte ich weiter durchs Haus, spähte wie ein Voyeur in einige der Zimmer hinein, in denen der Leidenschaft gefrönt wurde... das war teilweise durchaus anregend, und ich wurde sogar einmal freundlich eingeladen mich dazu zu gesellen, doch ich hatte es mir nun mal in den Kopf gesetzt, Manius zu finden.


    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus


    Und schließlich spürte ich ihn tatsächlich auf, fernab des Festtrubels, in einem schummrigen Gang, in dem die Musik nur noch gedämpft zu vernehmen war.
    "Da bist du!" rief ich aus, auf ihn zutretend. Hinter ihm schwang eine Türe zu. Die Bibliothek... "Willst du... denn nicht zu deiner Krönung kommen?" fragte ich, und lehnte mich doch zugleich vor ihm mit ausgestrecktem Arm gegen die Wand, ihm den Weg zurück zum Fest versperrend.

    Ach so! Ich begann zu überlegen, ob dann wohl wir Römer - die wir unsere Vorbegriffe ausgehend von den Bezeichnungen unserer klaren, nüchternen Sprache gewannen – dann auch von Grund auf über klarere Wahrnehmung verfügten, als die anderen Völker. Während die Griechen eher dazu befähigt waren, die Poesie und die feinen Nuancen in der Welt wahrzunehmen, die Ägypter einen Hang zum Vagen und Mystischen hatten... und vielleicht spiegelte auch die rauhe Mundart der Germanen einfach die stumpfe Härte ihres primitiven Barbarenlebens dar, beziehungsweise die groben Wahrnehmungen, denen so ein Wilder stets ausgesetzt war.
    Bibliothekar Orosius nickte bedächtig, bei der Erwähnung der Natura Deorum. Ich erinnerte mich daran, wie unser Hauslehrer dazumal mich und meine Geschwister mit diesem Werk geplagt hatte, hatte wieder die gekerbte Schulbank unter den Händen, das Gefühl unruhig baumelnder Beine, den sehnsüchtigen Blick durch das Fenster nach draussen, wo das Meer blau war und der Ziegenwagen wartete. Das alles war mir ganz präzise eingeprägt, dafür hatte ich keine Ahnung mehr was in dem Buch stand...
    Orosius notierte weiter mit Feuereifer. Er schien hier in seinem Element, sah glücklicher aus als ich ihn je gesehen hatte. Die anderen Gäste hielten sich sehr zurück. Leider! Auch Borkan... Ich mußte mir eingestehen, dass es wohl doch keine so glorreiche Idee gewesen war, ihn hierher zu schleppen. Beim nächsten Anlauf gemeinsam etwas zu unternehmen, würde ich echt darauf bestehen, dass er entschied was denn.


    Beim nächsten Besuch im Hause der Epikureer war der Rahmen dann aber viel lockerer. Eine Geburtstagsfeier für den Weisen, da ließ ich mich natürlich nicht lange bitten. Sich "unbefangen der leiblichen Lust zuwenden" klang ganz vortrefflich. Vielleicht gab es ja auch bei diesen tugendhaften, sich so sehr mäßigenden Hedonisten, Ausnahmen, wo sie mal so richtig über die Stränge schlugen? (Es war ja auch durchaus der ein oder andere hübsche darunter.)
    "Oh, aber gern. Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich ein richtiges Opfer mitgebracht."
    So nahm ich eben eine Handvoll Münzen, um sie dem Genius des großen Weisen als Opfer darzubringen.

    Ein lange... lange erwarteter Tag war gekommen, für mich. Und mit ihm eine Parade für Garde und Urbaner.
    In aller Pracht zogen die Soldaten durch die Stadt, die Caligae stampften, die archaischen Paradeharnische der Prätorianer blitzten, die Helmkämme wogten und die Feldzeichen, gerade erst vor kurzem mit den Imagines der kaiserlichen Familie geschmückt, wogten feierlich über den Köpfen der Menge. Vorneweg ritten Equites Singulares auf blankgestriegelten Rössern, dann kamen Militärmusikanten, die auf ihren Tubae und Hörnern lautstark einen patriotischen Marsch spielten.
    Der scheidende Gardepräfekt Sextus Maevius Mussidianus, gelber und eingefallener denn je, ritt vor mir und den anderen Tribunen an der Spitze der Infanteriekohorten. Auch Geschütze führten wir heute auf der Parade mit, teils für die Artillerievorführung die nach der Kommandoübergabe stattfinden würde, teils nur um dem Volk etwas imposantes zu sehen zu geben.
    Weitere Turmae schloßen den Zug der Garde ab, darauf folgten die Soldaten der Cohortes Urbanae.
    Vom Forum Romanum über die Via Flaminia ging der Weg. Auf meinem kraftstrotzenden Parade-Rappen ritt ich, aufrecht und in düsteren Prunk gewappnet, im reichverziertem schwarz-silbernen Harnisch, mit nachtschwarzem Helmkamm auf dem attischen Helm, das Paludamentum mit dem eingewirkten Skorpion elegant über die Schulter drapiert.


    Das war jetzt also der Tag der Tage. Der Tag, an dem meine unsägliche Verfemung durch die elenden Kaisermörder und Putschisten endlich und endgültig ein Ende haben würde. Der Tag an dem die zermürbenden Kämpfe um meine Rehabilitierung endlich zu einem Ende kommen würden. Der Tag, an dem all denen, die mich abgeschrieben hatten - die mir in den Rücken gefallen waren und mich wie einen Aussätzigen behandelt hatten, allein weil ich bei ihrer allgemeinen Schurkerei und Vertuschung nicht mitgespielt hatte – der Tag an dem diesen feigen Hunden die beklommene Erkenntnis dämmern mußte: dass Ich, Faustus Decimus Serapio, wieder da war. Der Tag an dem ich das Kommando wiedererhielt...
    Seltsam nur, dass sich dieser Tag so wenig aussergewöhnlich anfühlte. Ich hatte immer gedacht, es müsse ein Tag größten Triumphs und tiefster Genugtuung für mich sein. Nein. Zu wenig zu spät, und zudem wurde heute mein Vater abgesägt.
    Jetzt war es halt eine Parade, wie ich schon viele erlebt hatte. Die Menge jubelte, wie sie das eben gerne tut wenn es was zu sehen gibt. Doch wie wertlos dies war, wie blitzschnell der Jubel in die gehässige Fratze des Mobs umschlagen kann, war mir auch nicht fremd.
    Beim letzten Mal hatte ich zur Feier des Tages ja ein großes Volksfest organisiert, mit Jahrmarkt und allem, aber das hatte ich mir diesmal gespart. Wozu die wankelmütige Gunst des vergesslichen Volkes kaufen, beim geringsten Windstoß war sie ja sowieso wieder verflogen.


    So ritt ich, mit einem Bein in der Vergangenheit, mit einem in diesem unwirklichen Jetzt und Hier, gravitätisch in der Parade bis zum Marsfeld. Dort nahmen die Truppen Aufstellung. Der fahle scheidende Gardepräfekt begab sich vor unseren Imperator um seinen Abschied zu erhalten.

    "So ist es!" verkündete ich pompös, auf Helvetius' prompte Lösung meines Rätsels hin. "Ich bin das Wort." Und heiter forderte ich ihn auf: "Und du bist dran."
    Darauf wanderte mein Blick wiederum erwartungsvoll zu Manius, dem Meister der Worte, dessen berückender Sprachkunst ich hier eine kleine Huldigung hatte darbringen wollen. Doch seine Miene war gequält, seine Körperhaltung wie verwundet, ich sah seine Lippen etwas ausstoßen, was ich nicht verstand, er war viel zu weit weg dafür, doch gewiss war es nichts gutes. Was war geschehen, was hatte ich angerichtet, fragte ich mich zutiefst bestürzt! Abrupt verließ er den Saal. Ich lag entgeistert auf meiner Kline, und meine Beine zuckten, wollten ihm schon hinterherstürzen. Aber das ging doch nicht! Wie hätte das denn ausgesehen! Ausserdem war Borkan hier, mein hinreissender Gefährte, mit dem ich gerade ein heißes Abenteuer für nachher verabredet hatte. Er lag direkt neben Valentina, sie stießen miteinander an, sahen beide glücklich aus.
    Da konnte ich doch nicht....
    Vor lauter Hin-und-Her-Gerissenheit setzte ich wieder meinen Weinkelch an die Lippen und trank, doch im Augenblick lustlos, der Wein ließ mich sauer aufstoßen, machte mich mit einem Mal melancholisch. Ich fuhr mir über den Mund, und beobachtete einfach nur die anderen. Zum Beispiel Casca, der zechend und schäkernd den Saturnalien alle Ehre machte, Scipio und die Sklavin Nelia, dazu der bullige Germane, die sich alle liebevoll um ihn bemühten... die Flavische Abordnung mit der Harpyie, dazu einem hübschen jungen Mädchen und dem derzeitigen Quaestor Urbanus, der düster dreinblickend in einem frugalen Olivenschälchen herumpickte... eine überschäumende Gruppe von Würfelspielern um meinen alten Kameraden, den Optio Marius Musca.... eine ganz hervorragende orientalische Tänzerin, die mit ihrer sinnlichen Grazie alle Blicke auf sich zog...


    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/160204/ngy7d7pp.jpg] Ausserdem zwei fidele Damen, dezent geschminkt, von denen die eine nun mit schriller Stimme auch ein Rätsel zum besten gab:
    "Es lodert wie die Flamme! Ist aber keine. Es rast und fiebert, ist voll Ungestüm und Glut. Zur Untätigkein verurteilt zu sein versetzt es in Schmachten. Wenn du zugrunde gehst wird es kalt. Es flackert auf wenn du vom Siegen träumst. Es hat eine Stimme, der du bebend lauschst, und sein Schimmer ist lebhaft wie der Sonnenuntergang! - Was ist es?!"


    Darauf beschloß ich, dass ich doch eigentlich... Manius jetzt ganz unauffällig nachgehen könnte. Denn bestimmt lag hier irgend ein Mißverständnis vor. Da war es doch meine Pflicht das zu klären, oder etwa nicht? Doch, ganz gewiss, es wäre absolut schäbig dies nicht zu tun. Wir würden einfach nur reden. Reden wie zwei zivilisierte Menschen. Ich stellte meinen Becher beiseite und schwang mit einem "Ich dreh mal ne Runde." die Beine von der Kline.

    Ich war sehr froh, mich in diesem erlauchten Kreis nicht in die Nesseln gesetzt zu haben, sah aus den Augenwinkeln kurz beifallheischend zu Borkan, verfolgte dann die weiteren Ausführungen. Mit redlichem Bemühen.
    Prolepsis - "Vorbegriffe", Gewissheiten, entstanden aus Sinneseindrücken, die sich in Erfahrung verfestigt haben. Prolepsis gab es konkrete und abstrakte.
    Aisthesis – Sinneseindrücke, rufen Lust oder Unlust hervor.
    Pathe – Empfindungen, die uns bei der Beurteilung von Wahrnehmungen helfen.
    Antimartyresis – zwingende Schlüsse aus unseren Eindrücken.
    Hm... Dieser gesamte Prozess der Erkenntnis, der da beschrieben war, erschien mir befremdlich individuell.


    "...Die platonische Ideenlehre? Da kommt der Wahrnehmung durch die Sinne nur eine untergeordnete Rolle zu. Denn die Erscheinungen in der Welt sind ja nur mangelhaftes Abbild des wahrhaft Seienden.... der nur dem Geist und der Seele zugänglichen ewigen Ideen. Aus der Wahrnehmung mangelhafter Schatten kann nur... vermeintliches Wissen entstehen, nur Meinungen." wagte ich mich wieder aus der Deckung. Ich mochte Platon, allein schon weil seine Figuren im 'Gastmahl' so poetisch die Liebe zwischen Männern rühmten.


    "Ich habe noch eine Frage zum eben gesagten. Es ist... so ich das recht verstanden habe, also nach der Lehre Epikurs an jedem Menschen, sich im Laufe seines Aufwachsens, seines Lebens, die Prolepsis von der Welt zu bilden. Jedes Individuum gelangt, durch Sinneseindrücke, Folgerungen aus den Sinneseindrücken, Erfahrung und Empfindung zu den Vorbegriffen, ja?
    Wo.... wo haben in dieser Lehre die Autoritäten ihren Platz? - Am Beispiel des Vorbegriffes von 'Gerechtigkeit'. Ich meine, in einer Familie, da ist es doch Aufgabe des Pater familias den Kindern zu sagen was gut und richtig ist. Und den anderen Schutzbefohlenen auch. Es kann doch nicht jeder einzelne Mensch, jeder für sich, darauf kommen was Gerechtigkeit ist."

    Oder? Gäbe das nicht Chaos? Besonders im größeren Maßstab eines Staates... Ich war verwirrt.

    Es klang alles nach einer typischen Aufsteigerin, einer der Freigelassenen, die die alten Eliten bisweilen an Reichtum weit überflügelten, und denen darum ein ganz besonderer Dorn im Auge waren. Kurz sah ich vor meinem inneren Auge die vergoldeten Latrinen im Hause des Voluptarianus Suavis. Dann fiel mir ein wie leicht sich Borkan damit tat, als Händler die Kasse zum Klingeln zu bringen. Freigelassene im allgemeinen schienen ein Talent dafür zu haben, an Geld zu kommen. (Ausgenommen mein Libertus Ravdushara, den ich in letzter Zeit immer nur dann zu Gesicht bekam wenn er wieder einen neuen 'Kredit' für seine Unternehmungen brauchte.)
    Wie Phryne wohl den Senator Acilius so dermaßen um den Finger gewickelt hatte? Sie mußte über berückende Liebeskünste verfügen. (Oder er hatte seinen Erben gewaltig eins auswischen wollen.)
    Ich nickte, "Tu das. Und schau ob du Leichen in ihrem Keller findest, falls wir mal einen Hebel brauchen." Wenn wir noch Verbindungen hatten um die Acilier auszuschnüffeln um so besser... doch irgendetwas kratzte mich quer in irgendeiner Ecke meiner Gedanken... ich überlegte, dann kam ich drauf: ich hatte den Centurio, diesen wortkargen, kontrollierten, bisweilen etwas halsstarrigen Soldaten, noch nie so vehement erlebt wie jetzt, in dem Augenblick, als er von der Liberta sprach.
    "Eine wertvolle und außergewöhnliche Frau, ohne Frage. Und kann es sein, Centurio, dass der aussergewöhnliche Charme der Phryne auch an dir nicht spurlos vorüber gegangen ist?" riet ich. Nicht dass – wenn es so wäre - das am Ende sein Urteil trübte. Niemand war doch unverwundbar gegen die Pfeile Amors oder Cupidos, nicht mal eisenharte Prätorianer, leider.

    Ein Eid, ein Schwur... ich kannte natürlich die Macht mit der einen so etwas band, und verstand ihre Ablehnung damit etwas besser. -
    "Das will ich gerne tun." versprach ich Plinia dann aufrichtig auf ihre willkommene Bitte. "Ausserdem möchte ich dich bitten, mir von dir aus bescheid zu geben, falls jemand sich übermäßig darum bemüht, Einfluss auf dich zu gewinnen, oder dich gar in Palastintrigen zu verwickeln." Eine neue Figur am Kaiserhof, ein 'unbeschriebenes Blatt' mit so großer Nähe zum Kaiser, war.... nun, ich wollte nicht 'verlockender Köder' sagen... war gewiss ein Anreiz für so manche ränkespinnende Subjekte.
    "Das führt zum letzten Punkt: deine persönliche Sicherheit. Ich rate dir, in der Stadt nie ohne kompetenten Leibwächter unterwegs zu sein. Und werde der Palastwache Anweisung geben, dass du, wenn du ausgehst, einen Gardisten als Begleiter gestellt bekommst."
    Es läge ja nahe, so als Verschwörer, erst mal Plinia aus dem Weg zu räumen, um den Kaiser dann ganz ungestört vergiften zu können.


    "Aber über den ersten Themen wollen wir nicht vergessen deinen großen Erfolg zu feiern!" schlug ich zuletzt, nachdem wir all dies besprochen hatten, wieder den Bogen zurück und griff nach Krug und Kelch. "Darf es noch ein Schluck sein? - Auf dein Wohl, kaiserliche Leibmedica Plinia Chrysogona!"

    Hola! Was für ein Feuer lag da verborgen unter der wohlbeherrschten Oberfläche! Ich stutzte, erst ganz überrascht, dann erfreut und bestärkt, denn diese jähe, zärtliche Leidenschaft die sie mir zeigte war ja wohl ein deutliches Zeichen dafür, dass ich gerade etwas richtig gemacht hatte. Ihre Reaktion schmeichelte mir wirklich sehr, und auch wenn das alles doch arg ungewohnt war, ihre Konturen so anders, ihr Duft, ihre sinnliche, genießerische und zugleich zarte Art zu küssen, so ganz anders als Borkan oder jeder andere meiner Liebhaber... es fühlte sich durchaus angenehm an. So frisch. Ich würde mich gewiss daran gewöhnen können. Von Begehren verspürte ich zwar nichts in mir, keine Spur, aber eine große treusorgende Sympathie für diese liebe, beherzte, aussergewöhnliche Frau, die mir so viel Vertrauen schenkte, die gewillt war, die meine zu sein. Die meine.


    "Meine Valentina" murmelte ich, lächelte verwundert über ihren Dank, und erwiderte entspannt ihren verklärten Blick. "Komm her."
    Mein Eis von vorhin war gebrochen, jetzt konnte ich sie in aller Zuneigung unbefangen innig in die Arme nehmen, und das tat ich, spürte ihren Kopf an meiner Schulter und mir war so als würde er genau dorthin gehören. So saßen wir noch eine ganze Weile, aßen und tranken und plauderten vertraut über dieses und jenes, über Familie, Stadtaktualitäten und Lieblingsgladiatoren, über die Reisen die wir gemacht, die Theaterstücke die wir gemocht, und die Bücher die wir gern gelesen hatten, bis hin zu den Haustieren unserer Kindheit. (Ein Rennziegen-Duo hatte ich gehabt, in Tarraco, zusammen mit meinen großen Brüdern. Später hatte mir Livianus zu meiner großen Freude ein eigenes Pony nur für mich allein geschenkt, ein gewitztes und verfressenes Tier, welchem ich ganz bescheiden den Namen Bukephalos gegeben hatte. Tiere im Haus hatte meine Mutter uns aber leider nicht gestattet. Ganz anders bei meinen iberischen Großeltern, die große Schafherden besesen hatten, und wo die zottigen Hütehunde praktisch Teil der Familie gewesen waren...) Auf diese angenehme Weise klang der Tag aus.

    Vielleicht war's nicht ganz fair, denn ich kannte dieses Rätsel schon von einer anderen Cena, aber trotzdem warf ich die Lösung in den Raum, als hätte mich spontan eine Geistesblitz getroffen. Denn stachlig stieß es mir auf, ebenso so unvernünftig wie heftig: Manius sollte mich ansehen, mich, und verdammt noch mal mir sein schönes schiefes Lächeln schenken, nicht dieser... dieser... degenerierten Adelspuppe, die jetzt so liebreizend tat, im Grunde aber doch nur Verachtung für uns übrig hatte. Das war so falsch, so verkehrt...
    "Ein Ei! Ein Ei, oder? Man muß es zerschlagen, um an den goldenen Dotter zu gelangen."
    Nun gab er auch die Lösung preis, von dem Rätsel an dem wir uns gerade die Zähne ausgebissen hatten.
    "Ach so! Natürlich! Evident... im Nachhinein." Das war es ja immer. "Aber Helvetius der helle Kopf, der hat 'Luft' geraten, zählt das nicht auch? Denn wenn ein Ding ein Loch hat, dann ist da ja wiederum Luft drin!" gab ich ernsthaft zu bedenken.


    "Ich hab auch noch eines:" hob ich dann wieder an. Mein Blick schweifte durch den fröhlichen Festsaal. Der Wein floß in Strömen, wie sich das gehörte heute, alle ließen es sich gut gehen, und die schwimmenden Lichter schaukelten wild, als eine Dame mit ausladender Fächerfrisur lachend ins Impluvium hinein planschte, mit einem der knackigen Tänzer im Arm. Ja, so sollte es sein. Und wieder kehrte mein Blick zurück zu Manius, umfing ihn feurig, dann rückte ich meinen Ährenkranz zurecht, und trug mit grandioser Gestik vor:
    "Ich bin ein Gigant! Die größten Taten habe ich auf dieser Welt vollbracht!
    Ich bin ein Zwerg. Der lumpigste Bettler hat mich oft unbeachtet verloren.
    Ich bin ein milder Balsam auf die Wunden... und ich bin ein ekles Giftgebräu, das viele Opfer schon fand. Ich züchtige die Bösen... und ich belohne süß die Getreuen. Eine Klinge bin ich, fein geschmiedet... und ein Hackbeil bin ich, schartig und grob. Ein heiliges Unterpfand bin ich.... und ein betörender Verführer.
    Ich bin das Ding, das Körper und Geist auf das allerinnigste miteinander vermählt.
    Was bin ich?"


    Heute war ich besser vorbereitet. Ich war nämlich nicht gewillt mich abschrecken zu lassen! Unser Bibliothekar, der gute Orosius, hatte am Vortag noch alle vierzig Lehrsätze für mich aufgetrieben und herauskopiert und mit erläuternden Kommentaren versehen. Ausserdem war er heute mitgekommen, hockte nun hinter Borkan und mir, den Stylus gezückt, und notierte ungemein flink in kryptischer Kurzschrift alle Worte des weisen Praetonius.
    Wer sagt uns, dass das was wir wahrnehmen wahr ist? Mit solch einer Frage sich zu beschäftigen, da konnte ja nur ein Grieche drauf kommen...
    "Im... dreiundzwanzigsten und vierundzwanzigsten Satz..." begann ich, den Blick angestrengt auf mein Dossier geheftet, "unterscheidet Epikur zwischen Wahrnehmungen, die nur Vermutung sind, 'Vermutung, die noch auf Bestätigung wartet', und der Wahrnehmung, die, ähm, 'als ein umfassender, von einer Vorstellung geprägter Zugriff des Verstandes gegenwärtig ist'. Es gibt also... wenn ich das recht verstehe... zwei Kategorien von Wahrnehmungen: Zum einen die Eindrücke, die noch nicht vom Verstand überprüft und bestätigt wurden. Und zum anderen die vom Verstand bestätigten Wahrnehmungen, die Gewissheiten. Die dann auch den Bewertungsmaßstab bilden, um die neuen Eindrücke zu überprüfen und einzuordnen, und zu erkennen ob sie Täuschung oder Wahrheit sind. -
    Man könnte es vielleicht vergleichen mit dem Vorgehen bei einer Ermittlung... wenn man schon ein paar feste, ganz klar bestätigte Fakten hat, und neue Hinweise und Spuren dann auf ihre Plausibilität überprüft, indem man sich immer erst einmal die Frage stellt: 'in wie fern passt das zu dem was wir bereits über den Fall wissen?'."

    Fragend sah ich zu dem Philosophen auf, ob ich mich da im Dickicht der Lehrsätze nicht verirrt hatte.
    "Und er... rät sowohl davon ab, ausnahmslos alles Wahrgenommene in Frage zu stellen, weil man damit nämlich jeden Beurteilungsmaßstab verlieren würde... als auch leichtfertig alles Unbestätigte für Gewissheit zu halten, weil man dann eben automatisch sich täuschen ließe, und allen möglichen Humbug auch für wahr halten würde."

    Andererseits, so überlegte ich, wäre es nur natürlich wenn der Centurio, falls ihm oder einem seiner Männer doch eine Indiskretion über die Mission unterlaufen sein sollte, dies mir gegenüber nicht an die große Glocke hängen würde. Erst mal würde ich sehen was die anderen Überlebenden dazu zu sagen hatten, dann entscheiden ob ich die Angelegenheit weiter untersuchen lassen würde. - Eine Inschrift wollte er stiften, ich nickte beifällig, das zeugte von Verantwortung gegenüber seinen Untergebenen. (Es könnte aber natürlich auch ein Zeichen von übermäßiger Schuld sein, beziehungsweise Reue dass er sich doch etwas hatte zu schulden kommen lassen.)
    "Das sind wichtige Informationen." meinte ich auf seine Einschätzung hin. Es war gut, mal wieder harte Zahlen und Fakten aus dieser potentiell explosiven Provinz zu haben.
    "Andere Informanten haben von vermehrter Unruhe hinter dem Limes gesprochen, von massiven Angriffen der Chatten auf andere Stämme. Sogar von Zusammenstößen mit Legionsreiterei. Da scheint sich die Lage ja wieder beruhigt zu haben." Es erstaute mich schon, dass der Centurio davon so wenig gehört hatte. Allerdings war sein direkter Auftrag ja auch ein anderer gewesen und hatte ihn kreuz und quer durch die ganze Provinz geführt.


    "Das klingt vielversprechend. Gut gemacht, Centurio Iulius." kommentierte ich zum Thema neue Informantin. "Sie verlangt kein Geld? Lediglich Schutz für den Fall des Falles? Ungewöhnlich. Was macht sie in Mogontiacum, arbeitet sie noch als Hetäre? Und plant sie denn eine baldige Rückkehr nach Rom?"
    Das wäre natürlich schade.
    "Nun gut. Du wirst weiterhin ihr Kontaktmann sein, Iulius, und sie führen. Wollen wir mal sehen, wie ergiebig diese Quelle sprudelt. Zuerst überprüfst du ihre Angaben zu ihrer Vergangenheit in Rom. Als nächstes wirst du ihr einen Auftrag erteilen, der zum einen nur von geringer Relevanz ist, und den du ausserdem auch von anderer Seite her nachprüfen kannst. Um zu sehen wie zuverlässig sie ist. Hm..." Ich überlegte was sich da wohl am besten dafür eignete...

    Zitat

    Original von Quintilia Valentina
    Scheinbar lag vor ihnen allen noch ein langer, steiniger Weg und Valentina hoffte, dass sie diesen zusammen auch bestreiten konnten. Es wäre ihr arg, wenn Serapios Glück mit Boran auf diesem Weg zurück blieb. Auch wenn sie sich im Grunde darum nicht hätte kümmern müssen aber so war Valentina nicht. Sie könnte nicht ihr eigenes Glück genießen, während sie wusste das ihres Mannes lag in Scherben. Sie würde mit Borkan sprechen und vielleicht zusammen mit ihm einen Plan ausarbeiten, wie es weitergehen würde.


    Als das Thema dann auf Aculeo kam, sah Valentina Serapio etwas verwundert an, denn der Unterton war ihr wahrlich nicht entgangen. Gleichzeitig schalt sie sich in Gedanken selbst. Das war wahrlich nicht klug von ihr gewesen.
    "Ja, ich sehe ihn immer noch als einen Freud, schließlich musste er damals gehen. Natürlich kann ich das nicht vergessen, aber warum ihm deswegen für immer und ewig nachgrollen?" Sie hob dann aber ihre Hand und fuhr Serapio wieder über den Arm und schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
    "Aber mehr auch nicht. Er ist ein Freund, wie jeder andere, ich habe nicht viele davon. Du musst dir keine Gedanken machen, du bist es, den ich heiraten möchte." Das hatte sie ja schließlich nun eindeutig bewiesen, dass sie sich für Serapio entschieden hatte. Dennoch streckte Valentina sich etwas und hauchte ihrem Zukünftigen einen Kuss auf die Wange.


    Natürlich hatte meine Verlobte mal wieder recht, und natürlich kam ich mir angesichts ihres reinen Sanftmutes mal wieder wie ein Grobian vor.
    "Das weiß ich meine Liebe, und bin sehr froh darüber. Und ich wollte auch gar nichts... in irgendsoeine Richtung andeuten." erwiderte ich, etwas verstimmt darüber dass sie meine Befürchtungen so kinderleicht durchschaut hatte.
    Sag jetzt nichts weiter, Faustus. Aber ich konnte es mir einfach nicht verkneifen, und murmelte etwas unwillig: "Ich hoffe nur, dass ihm das auch klar ist."
    Dann war es aber genug. Ihre Lippen streiften meine Wange und ich wußte: jetzt war der Augenblick, wo es ganz eindeutig angebracht war, dass zwei Verlobte sich küssten. Zwei normale Verlobte. Und natürlich war es mir wichtig, dass Valentina auch in dieser Hinsicht zufrieden mit mir war. Zumindest einigermaßen zufrieden. Sie sollte sehen, dass sie einen 'richtigen' Mann bekam, keinen weibischen Cinaedus. Gerade wo dieser Germanicus wieder so um sie herumschwirrte, und zweifelsohne noch eine ganze Reihe anderer alter und neuer Verehrer. Auch die allersolideste Sittsamkeit mußte ja irgendwann erodieren, wenn es dem Leib immerzu an Liebesgenuß mangelte.
    Ausserdem, so sagte ich mir, hatten wir uns bereits geküsst (oder wohl eher 'sie mich'), und früher in meiner Experimentierphase hatte ich schließlich auch kein Problem damit gehabt (es war nur schon so ewig her, fast wie ein anderes Leben, das nicht mir sondern einem ganz anderen Menschen gehörte.)
    Zeig ihr mal etwas Leidenschaft, Faustus! Stell dich nicht so an. Age! Entschlossen legte ich den Arm fester um ihre Schulter, hob die andere Hand, um ihr meinerseits das Haar zurückzustreichen. Weiches Goldhaar floß durch meine Finger. Es war doch eigentlich noch viel schöner, als... zum Beispiel... Dives' gülder Schopf, es roch auch wunderbar.... warum nur reizte mich dessen Haar dazu, es zu zerwühlen, meine Finger heftig hineinzugraben, es zu atmen und es in Versen zu preisen... während ich über Valentinas strahlendes Haupt nur sanft und liebevoll hinüberstreichen mochte.
    "Carissima Valentina." Meine Hand legte sich in ihren Nacken, hielt sie, und leicht wandte ich mein Gesicht, fand ihre Lippen und küsste sie, diese so weichen Lippen. Ich gab mir auch wirklich Mühe, und versuchte die Künstlichkeit meines Handelns zu vergessen, spürte die Wärme ihrer Haut, ihre feinen Regungen, ließ meinen Griff fester und meinen Kuss heißer werden.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    Als Serapio sein Rätsel hatte beendet wurden Gracchus' Augen indes für einen Herzschlag groß - hatte er dies für ihn gestellt? War dies eine klandestine Botschaft, die Aufforderung etwa, die Herrscherin an diesem Tage vom Throne zu stürzen - wie es doch ohnehin bereits der Fall war - und dem König zu folgen? 'Die absolute Macht' - wollte Faustus damit andeuten, dass der Saturnalienfürst auch über ihn würde verfügen können? Gracchus sog scharf die Luft ein, doch ehedem er die Antwort auf das Rätsel in den Raum warf, hielt er inne.


    Nun sag es schon...! Na los... Nun sag es endlich... versuchte ich mit der geballten Kraft meiner Gedanken, Manius dazu zu bringen mir den Ball zurückzuspielen und das auszusprechen, was ihm offensichtlich... zumindest wenn man ihn gut kannte... auf der Zunge lag. Doch er hielt sich jäh zurück.... das lag gewiss an dieser Harpie, die über ihn wachte, lasziv auf die Kline hingegossenen, täuschend berückend in ihrem weißen Seidenkleid, und doch mit messerscharfen Klauen bewehrt. Wenn sie doch nur der Blitz träfe, wenn sie doch nur an einem Siebenschläfer oder noch besser an ihren eigenen Ränken ersticken würde. Jämmerlich und qualvoll... wünschte ich mir, mit einem... Manius hätte dazu wohl gesagt: 'maliziösen'... oder vielleicht war es auch nur ein leeres Lächeln.
    Die Antwort kam von anderer Seite:

    Zitat

    Original von Marcus Artorius Rufinus
    "Es ist Roma auf hohem Throne.
    Und Amor mit der Königskrone."


    "Bravo! Ganz genau!" spendete ich dem wunderschönen Artorier Aplaus. "Ich sehe, hier ist ein vielversprechender Favorit ins Rennen um die Krone gegangen!" Zwei Klinen weiter wurden sogar schon Wetten angenommen.
    Schönheit war hier wirklich allenthalben vorhanden, heute, was grämte ich mich überhaupt wegen dieser uralten, längst (jawohl, läängst, einzelne Rückfälle mal ausgenommen) Meditrinaliensache?! Feiern war angesagt, nicht sich verzehren, wegen unwiederbringlichem. Ich würde mich amüsieren. Meine Botschaft hatte er verschmäht, na und, um so ausgelassener würde ich mich heute amüsieren. Basta.


    Darauf einen Becher hinabgestürzt, und kurzentschlossen nahm ich Borkan beiseite, mit den Worten:
    "Hilfst du mir mal mit den Amphoren-Nachschub?" An den Saturnalien sollten schließlich alle mit anpacken. Und als wir beide uns über eine schwere Amphore beugten, um sie gemeinsam anzuheben, schlug ich ihm unter vier Ohren unternehmungslustig vor:
    "Corazón, was meinst du, wollen wir uns heute nicht mal einen Dreier oder Vierer oder... naja, wie es sich eben ergibt... gönnen? Hier sind so viele heiße Schönheiten unterwegs, zum Beispiel... der Schlangentänzer da drüben, und so beweglich dazu... Wobei, ich fürchte auf den hat Casca schon ein Auge geworfen." So wie mein fideler Vetter den mit Blicken verschlang. Aber ich war ja nicht so, ich gönnte ihn Casca. "Oder der schöne Artorier, der mein Rätsel gelöst hat... ist der nicht zum Niederknien? Ich weiß natürlich nicht ob er... aber du könntest es ja mal versuchen.... sag aber natürlich auf keinen Fall dass ich ich bin! Ich würde dann maskiert zu euch stoßen, wenn du ihn rumgekriegst hast. Hm, was meinst du? - Oder der blonde Apoll mit der Lyra..." Wohlgefällig sah ich zu dem Musiker, der mir auch irgendwie vage bekannt vorkam, ohne dass ich es genau hätte sagen können woher – Rom war eben ein Dorf.
    "Hinreißend. Der wäre doch auch was, nicht? Und wer kann dir schon wiederstehen, mein Schönster? - Oder der goldene Mundschenk mit dem exquisiten Hinterteil... aber der ist natürlich keine Herausforderung." Der war schließlich schon gekauft. Erwartungsvoll blickte ich Borkan an. Ich hatte beschlossen mich zu amüsieren, das mußte er doch verstehen! Würde er mitziehen?


    Kurz darauf, nach dieser verstohlenen Unterredung, war ich dann erneut beim Rätselspiel dabei, wo natürlich wieder Manius vorne lag, und somit zerbrach ich mir schon wieder den Kopf über Manius' Worte.
    "Keine Hülle, doch existent, kein Gewicht... doch fügst du es einem Objekt zu wird es leichter.." wiederholte ich grübelnd.
    "Puh. Vielleicht..... 'das Teilen'.... nein, das passt nicht. 'Das Spalten'.... auch nicht. Keine Ahnung. Hast du eine Idee, Helvetius? Was meinst du, Valentina? - Es kann übrigens auch eine Dame Saturnalienkönigin werden, falls ich das vorhin nicht erwähnt haben sollte..." fügte ich, ihr zuzwinkernd, hinzu. "Jeder hier kann die Krone erringen, ob Mann oder Frau, Sklave oder Senator, das ist der Zauber des saturnischen Zeitalters."


    [Blockierte Grafik: http://fs5.directupload.net/images/160115/ciknkcz3.jpg] | Ein flamboyanter Zecher auf der anderen Seite des Saales (den man ausserhalb der tollen Tage als staubtrockenen Bürokraten in der Stadtpräfektur kannte) warf schon ein weiteres Rätsel in die Runde:
    "Ich habe Flügel, aber ich fliege immer nur im Kreis, ich singe, aber nur wenn der Wind mir was vorpfeift, und ich kaue, aber nur das was Ceres euch schenkt. Was mir durch die Gurgel rinnt, das endet bei euch auf dem Tisch. Was bin ich?"