Mein Stylus ritzte ein Omega ins Wachs...
...dann fiel er mir fast aus der Hand – Beschäler für unsere Zucht?!
Mehr als irritiert starrte ich Manius an, verzog unwillkürlich das Gesicht bei dem Bild, das da vor meinem inneren Auge aufstieg. Es war nicht das erste Mal, dass Manius mit vollkommener Selbstverständlichkeit Dinge sagte, bei denen es mir kalt den Rücken runterlief. (Wie er von seiner Erwägung erzählt hatte, seinen Sohn zu verstoßen, nur weil der geistig mit dem Epikureertum geflirtet hatte. Wie er bewundernd von seinem Vater gesprochen hatte, welcher tatsächlich einen seiner Söhne, Manius' Bruder, verstoßen hatte. Und natürlich das ganz große Tabuthema, das wir seit Jahren geflissentlich umschifften – wie sein Klüngel ruchloser Nobelsenatoren, in ihren maßlosen Hybris, hochverräterisch die Ulpier ermordet hatte, der Beginn des blutigen Bruderkrieges....)
Unwillkürlich hatte ich die Luft angehalten, nun atmete ich langsam wieder aus, und sagte mir, wie so oft: Er kommt eben aus einer anderen Welt, Faustus. Einer ganz anderen Welt.
Trotzdem klang meine Antwort, auf seine vielleicht auch nur rhetorische Frage nach dem "warum", süffisanter als ich es wollte.
"Es wundert mich nicht besonders, dass er durchgedreht ist. So wie du ihn schilderst... hatte er ja nur dich, du warst sein Lebensinhalt. Ich nehme an er hat dich geliebt, oder war dir jedenfalls verfallen." Herrje, am Ende bekam ich noch Mitgefühl mit dem Rabenaas. "Dir zu verfallen... Manius Aton Flavius Gracchus... ist nicht schwer..." fügte ich hinzu, Manius rau, halb zärtlich aber auch halb ärgerlich den Nacken kraulend. "Als es ihm nicht gelang, uns zu entzweien, versuchte er, mich auszuschalten. Aber du hast dich für mich entschieden, und jetzt richtet sich seine Leidenschaft, in Hass umgeschlagen, gegen dich. - ... Es ist wohl besser, wenn wir eine Weile lang auf die Treffen in der Villa Eutopia verzichten. Er kennt all unsere Geheimnisse, unsere Gewohnheiten..."
Sciurus wusste genau wo er uns treffen konnte. Ich musste ihn schleunigst erwischen und beseitigen.
"Sie sind auf die Statuen losgegangen. Zwei der Kaiserbilder sind schwer beschädigt. Und sicher auch einige andere Kultgegenstände, aber das habe ich mir, ehrlich gesagt, nicht im einzelnen genau angesehen. Keine Schmierereien diesmal. Sie haben auch eine römische Bürgerin mit ihren Sklavinnen dort drin angegriffen, und Sciurus hat eine der Sklavinnen als Geisel nach draußen verschleppt, sie dort im Säulengang niedergeschlagen, sie hatte eine heftige Kopfwunde aber sie lebte noch. Und der Dolch, mit dem er sie bedrohte, der stammte auch aus dem Tempel, so ein langer vorderorientalischer, den hat er mitgenommen."
Im Anschluss berichtete ich Manius dann, obgleich übernächtigt wenig strukturiert, noch genauer von den Festnahmen, von der Bußpredigerin, die angab, den Namen Flavia Philotima zu tragen, von dem Merkurpriester Didius Molliculus, durch den sich die Frage stellte, wie weit der Cultus Deorum bereits unterwandert war, von der Erstürmung der Casa Didia und unseren ersten vorläufigen Erkenntnissen.