Beiträge von Faustus Decimus Serapio

    Ganz ruhig, Faustus. Ich hatte schon üblere Kommandanten gehabt, ich würde auch den hier handhaben können.
    "Präfekt Heius, wenn ich erläutern darf, es war schnelles und schlagkräftiges Handeln gefragt." antwortete ich möglichst nüchtern. "Wenn ich nicht unverzüglich zugeschlagen hätte, hätten die Christianer Zeit gehabt, Beweismaterial zu zerstören und sich unserem Zugriff zu entziehen. Auf die Kooperation mit den Stadtkohorten habe ich zurückgegriffen, weil meine Kohorte derzeit sowohl mit dem Wachdienst auf dem Palatin, als auch zusätzlich mit der immer umfangreicheren Christianerüberwachung betraut ist, zudem sind meine besten Leute in der Nabataeaangelegenheit unterwegs."


    Rom war ein Dorf. Auch der zweite Redner war mir nicht unbekannt, Valentinas heiterer Vetter sprang in den Ring. Ich schmunzelte bei seinem Bekenntnis, keine Ahnung von Zahlen zu haben, und folgte seiner leidenschaftlichen Rede. Er hatte Feuer... und Poesie...
    Das Recht entscheidet gegen die Parther, mögen nun auch die Waffen gegen sie entscheiden! Möge mein Feldherr Macht und Reichtum des Orients Latium einverleiben!
    Fernab jeder Realität war das natürlich... jenseits des Euphrates war keine Handbreit Boden den Blutzoll wert... Musca und ich tauschten einen Blick voll stummer Nachsicht... aber nett gesagt war es schon, sehr schön patriotisch.

    :app::app:

    Wir spendeten Applaus, und ich bestellte bei der Bedienung:
    "Einen Becher von eurem Besten für den beredsamen Quintilius!"

    Die Nachricht von der Tempelschändung traf Manius hart, und die von Sciurus noch viel härter. Ich wünschte, ich hätte das abmildern können, aber es war wie es war.
    "Manius..." Wiederum trat ich dicht an ihn heran, bis neben den massiven Schreibtisch (mit dem mich einige Erinnerungen verbanden) und legte einen Arm um meinen Geliebten, umschlang seine Schultern fest, versuchte ihm ein wenig Halt und Kraft zu geben oder es zumindest anzubieten. Wieder mal verspürte ich dabei das schlechte Gewissen, wegen meines Abenteuers mit dem herrlichen Kyriakos, aber das gehörte nun wirklich nicht hierher... (außerdem wurden Manius' Cursus-Honorum-Zöglinge auch immer jünger und hübscher!)
    Zurück zum Thema.


    "Ich bin mir ganz sicher. Leider. Irrtum ausgeschlossen. Und Armastan hat doch damals, als er runtergeklettert ist, keine Leiche gefunden. Unkraut vergeht nicht. Vielleicht.... vielleicht konnte er sich doch irgendwo festkrallen, und ist mehr gerutscht als gefallen. Vielleicht hatte er einfach irrsinniges Glück. Oder vielleicht wollte selbst der Orcus ein so elendes Rabenaas wie ihn nicht haben. - Aber Manius," Ich streichelte aufmunternd seine Schulter und machte ein tatkräftiges Gesicht. "...mach dir nicht zu viel Gedanken. Es ist nur eine Frage der Zeit bis wir ihn kriegen, und dann schlage ich ihn tot wie einen tollen Hund. Wichtig ist allerdings, dass du dich in der Zeit professionell beschützen lässt. Ich schlage vor ich vermittle dir ein paar Veteranen, die ihr Handwerk wirklich verstehen, in Ordnung, ja?"


    Nachdenklich fuhr ich fort: "Und du musst mir alles sagen, was mir helfen kann ihn zu finden. Ich habe seine Beschreibung sofort an die Stadtsoldaten an den Toren gegeben..." Vor Müdigkeit verlor ich den Faden, unterdrückte ein Gähnen und begann von neuem. "Also, er dürfte erst mal nicht rauskommen aus der Stadt. Hat er irgendwo ein Brandmal oder eine Tätowierung oder eine charakteristische Narbe? Weißt du um Freunde oder Verwandte, Liebschaften, Kontakte oder Interessen, die er pflegte? Er ist nicht wirklich Christianer, oder etwa doch??? Und wer von eurer Hausgemeinschaft stand ihm am nächsten?"
    So lange war Sciurus Manius' Leibsklave - und ich ging mal davon aus auch Bettgefährte - gewesen, dass ich, auf einen sprudelnden Quell von Informationen eingestellt, so frei war, von Manius' Schreibtisch eine leere Tabula und einen Stylus an mich zu nehmen, um alles gleich notieren zu können...

    Valentina musterte meinen Libertus sehr lange, dann sandte sie ihn hinaus. Ach Herrje, mein Vorschlag war wohl nicht der beste gewesen. Ich Tölpel stieß sie hier mit der Nase auf meine Laster, ohne Sinn für ihre weibliche Sittsamkeit.


    "Ich... bin dir auch sehr dankbar..." antwortete ich unschlüssig, dann machte ihr Vorschlag mich erst mal sprachlos. Verblüfft erwiderte ich ihren Kuss, sanft und freundschaftlich. Darauf musste ich mich erst mal hinsetzen, mir schwirrte der Kopf. Ich sackte auf den Bettrand.
    "Meinst du das erst...?!" Was für ein bequemer Ausweg, der sich mir da bot. "Du bist lieb. Und sehr großmütig, dass du so was überhaupt in Betracht ziehst, du bist mal wieder viel zu gut für mich. - Aber... wir müssen doch Kinder bekommen."
    Das war doch unsere Pflicht. So drei oder vier sollten es schon sein, es starben ja auch so viele.
    "Natürlich können wir auch welche adoptieren." (Meine hispanische Sippschaft war so fruchtbar und weitverzweigt, dass an bezaubernden, strammen und hochbegabten kleinen Neffen und Nichten x-ten Grades kein Mangel herrschte.) "Aber so ganz dasselbe ist das wohl nicht. Und gerade für dich... Nein, ich kann dir doch nicht verwehren, eigene Kinder zu bekommen!"
    Es war nun mal die Bestimmung einer Römerin, wohlgeratene Kinder zu gebären und großzuziehen, ihre edelste Pflicht, ihr Anteil an der Welt, ihr Weg zu Ansehen und Einfluss. Wenn Valentina das nicht bekäme, dann wäre ihr Leben ja leer! Natürlich hätte ich dann größere Chancen, mit ihr zusammen alt zu werden, das Kindbett war für die Frauen bekanntlicherweise ähnlich gefährlich wie das Schlachtfeld für uns... aber es wäre eigensüchtig von mir. Außerdem wäre wohl auch die allertugendhafteste Gattin, wenn so sträflich vernachlässigt, leichte Beute für Verführer... für Schönschwätzer wie Casca, oder markige Winzer mit schwieligen Fäusten wie diesen Helvetius.... ich hatte schließlich nicht geheiratet, um bald als Gehörnter verlacht zu werden...


    "Mach dir keine Gedanken wegen mir. Ich möchte es." Wenn auch nicht aus Leidenschaft. "Du bist eben etwas besonderes, und überhaupt, ganz so ein hoffnungsloser Fall bin ich auch nicht, früher in meiner, ähm..." - Experimentierphase? Findungs- oder eher Herrumirrungs-Phase? - "Jugend... habe ich auch mit Frauen geschlafen." Und mich jedesmal gefragt, was zum Hades nur alle daran so toll fanden.
    Ich griff nach Valentinas Hand, drückte einen Kuss darauf, zog meine Braut dann ziemlich schüchtern auf meine Knie, legte die Arme um sie und versuchte dabei nicht daran zu denken, dass Casca ihr jetzt gewiss hundertmal lieber wäre.

    Mein alter Kamerad Musca und ich trafen uns heute mal ganz woanders als sonst, und zwar in einer hellenistischen Kneipe, die als sehr angesagt und intellektuell galt. Wir waren in Zivil, und meine Custodes Arkadios und Pelias hielten sich dezent im Hintergrund. Zu Beginn des Abends, als es noch nicht so voll war, saßen Musca und ich zu zweit an einem Ecktisch mit genug Abstand zu anderen Gästen, um hier mal gepflegt über unseren Präfekten herzuziehen... das war mir nach meinem letzten Rapport wirklich ein Bedürfnis! Danach ging es mir besser, und wir quatschten über dieses (meine Hochzeit) und jenes (Traumdeutung war schon immer Muscas Steckenpferd gewesen), unsere jeweiligen Ex-Legionärs-Gebrechen und alte Bekannte (wie schade, dass Plinia Chrysogona nach Kos zurückgekehrt war).


    Dann füllte sich die Taverne rasant, und alsbald erfuhren wir auch warum: Valerius Flaccus veranstaltete nun selbst einen Redewettstreit.

    Gut gelaunt bestellten wir noch einen Krug. Und was für ein interessantes Thema!

    Und was für ein hübscher erster Redner noch dazu! Furius Saturninus, mein Rivale der Rennbahn, begann mit einem Überraschungseffekt, der ihm alle Aufmerksamkeit sicherte und machte auch sonst eine hervorragende Figur, allerdings fand ich es ziemlich frech, unser erhabenes Imperium mit einer Schweinsblase gleichzusetzen, und seine Zahlen erschienen mir tendenziös... wobei ich das selbst noch nie durchgerechnet hatte, oder besser, hatte durchrechnen lassen.
    "Also Armenien, Nabataea und meiner Meinung nach auch Nubien könnte das Reich schon noch verkraften." meinte ich etwas konsterniert leise zu Musca.
    Er grinste. Es geht um die Redekunst mein Freund, nur um die reine Kunst an sich!"
    Na dann. Wir applaudierten.


    :app::app:

    "Gesundheitlich gut", antwortete er ausweichend auf die Frage. Er konnte Decimus unmöglich vorjammern, wie sehr er sich zu Hause langweilte. "Die Zeit plätschert ein wenig vor sich hin", räumte er ein. "Was die Familie geniest", fügte er an. Immerhin DAS stimmte.

    "Ich gehe davon aus, dass es dir gut geht." Im Hinblick auf die gerade erst gehaltene Hochzeit sollte das so sein. Er schmunzelte. "Deinen Vater habe ich noch viel länger nicht gesehen. Irgendwann ist der Kontakt abgerissen." Die Frage nach dem Verbleib hing im Raum, ohne dass Menecrates sie aussprechen wollte.

    "Bestens!" bestätigte ich mit so freudiger Miene wie sich das für einen Frischvermählten gehörte (ich konnte Cladius unmöglich was von Jungesellennostalgie vorjammern).
    "Mein Vater weilt noch immer in Tarraco. Es geht ihm gut, er widmet sich ebenfalls der Familie, der Landwirtschaft und der Pferdezucht." Und, wenn man Gerüchten Glauben schenken durfte, seiner hinreißenden goldlockigen Konkubine, aber das sollte ihm gegönnt sein, fand ich, nach Jahrzehnten unermüdlichen Einsatzes im Dienste des Imperiums.



    Meine kleine Nichte, die schon lange zu einer erhabenen Hüterin des Heils herangewachsen war, schwebte herein, und ich bemerkte erstaunt, mit welcher Kühle sie ihren Vater behandelte. Armer Vetter Varenus. Auch mich hatte sie ein bisschen vor den Kopf gestoßen, als sie die Einladung zur Hochzeit kommentarlos ausschlug, und Valentina und mir nicht mal einen klitzekleinen Glückwunsch sandte... aber ich sagte mir, dass sie gewiss sehr viel zu tun hatte, kultische Angelegenheiten eben, von staatstragender Wichtigkeit. In der entrückten hohen Jungfrau war die kleine Messalinilla von damals, so pferdeverrückt und ständig mit neuen Frisuren beschäftigt, nicht mehr wahrzunehmen. Vielleicht könnte ich ja nach dem Konsil ein paar Worte mit ihr wechseln.


    Manius erschien in all seiner Würde – erstaunlicherweise ohne seine Gattin. Kurz gab ich mich der wohligen Fantasie hin, die Harpyie sei einem plötzlichen Unglücksfall erlegen... doch ich wusste es besser, die liebreizende Aurelia war zäh wie eine Schuhsole.


    Ehrerbietig grüßte ich den Imperator und hörte, was die anderen zu sagen hatten. Claudius' Bekenntnis überraschte mich, denn ich hatte Purgitius als allseits extremst beliebt in Erinnerung. So beliebt, wie man es praktisch nur auf Kosten eigener klarer Standpunkte sein konnte... was auch das einzige war, was ich an Purgitius nicht geschätzt hatte: Als es hart auf hart gekommen war, als die Putschisten gegen Rom gezogen waren, um den Giftmörder Cornelius auf den Thron zu setzen... da hatte der große Feldherr Purgitius sich einfach mal komplett rausgehalten und keinen Finger zur Verteidigung der Stadt gerührt. Das war kein Ruhmesblatt.... es war aber auch nichts, was ich laut sagen konnte, denn unser Imperator Aquilius, Bezwinger der Daker, hatte es zu der Zeit ganz genauso gemacht, war erst nach Cornelius' Tod geschmeidig in die Bresche gesprungen.


    Also schloss ich mich den Lobreden von Manius und Messalina an, ohne Einschränkung.
    "Senator Purgitius gehört zu den prägenden Figuren des Reiches. Er hat uns Offiziere an der Academia militaris mit seiner großen Erfahrung und seinem Wissen – und oft gewürzt mit seinem trockenen Humor – sehr viel und sehr entscheidendes gelehrt." Vor allem an mein Examen Tertium erinnerte ich mich gerne zurück. "Darüber hinaus war die Haltung, die er vorlebte... wie meine Vorredner ja auch schon sagten... geprägt von Bescheidenheit und Pflichterfüllung. Ein Beispiel: trotz seiner hohen Ehren hat er oft Caligae getragen. Er hat damit deutlich daran erinnert, dass er seine Laufbahn als einfacher Miles begann, wie es ja damals noch üblich war – und wie es mittlerweile leider aus der Mode gekommen ist. Es war seine Art, dem einfachen Soldaten, auf dessen Schultern die Sicherheit des Reiches ruht, Respekt zu zollen."
    Den jungen Leuten aus besseren Kreisen würden ein paar Jahre als miles gregarius noch immer nur gut tun, aber heutzutage wollten ja alle gleich Offizier werden, auch wenn sie keine Ahnung von nichts hatten, o tempora o mores!
    "Er war ein Redner ohne Schnörkel und von nüchternem Witz..." Wobei mir gerade auch eine etwas weniger nüchterne Ansprache einfiel, ich unterdrückte ein Schmunzeln. "...und von Fortuna gesegnet wie kein anderer. Jedes Gewinnspiel hat er gewonnen, sein Glück war schon fast sprichwörtlich. Und auch um den Rennsport hat er sich als Kopf der Factio Russata langjährig verdient gemacht.

    Kurz, auch ich sehe ihn ohne Frage als würdig für die Aufnahme in das Ulpianum an. Ich plädiere zudem dafür, ihm dort nicht nur eine Büste sondern eine lebensgroße Mamorstatue zu errichten – mit Caligae an den Füßen dargestellt."

    Die Hochzeitsnacht


    Ein rauschendes Fest lag hinter uns, samt Fackelzug und allen erforderlichen Riten, jetzt klang es in einem fröhlichen Gelage aus. Doch für Valentina und mich wurde es ernst. In dem opulent geschmückten Brautgemach standen wir uns gegenüber. Ein glückverheißender Bronzephallus mit Glöckchen hing über dem Bett, das mit Blumen bestreut war.... Der Duft der Blüten war üppig, zu üppig, mir war, als würde er mir den Atem nehmen... oder lag das an etwas anderem? Mein Schwips vermochte gegen die Nervosität, die mich lähmend befiel, wenig auszurichten.
    Dabei war ich gut vorbereitet, ich hatte ja mit Scybale geübt. Doch Valentina war eben ganz was anderes als eine Sklavin, sie war ehrenwert, lieblich und hold, ich wollte sie gerne umarmen, auch mal respektvoll küssen, hochachten und umsorgen, doch mit ihr zu schlafen, diese Vorstellung erschien mir gerade einfach im höchsten Maße.... absurd!


    341-802a7903.jpg
    Decimianus Icarion

    Nur Valentinas Renenet und mein guter Icarion waren noch bei uns, um uns behilflich zu sein.

    Mein Libertus reichte mir, wie abgesprochen, einen großen Becher Stendelwurz, den trank ich bis zur Neige aus. Dann nahm er mir die Toga ab, und begann in aller Ruhe, die amethystfarbene Seide über einer Stuhllehne zu ordnen.
    Ich lächelte Valentina verkrampft zu, wartete bis Renenet fertig war mit ihren Haaren und Valentina die Sklavin entlassen hatte, begann dann an dem komplizierten Nodus Herculaneus herumzunesteln, der ihren Gürtel zusammenhielt. Kein Wort dabei. Endlich löste sich das Ding, der Gürtel fiel und das Gewand hing locker um ihre zarte Gestalt.


    "Carissima..." Ich beugte mich zu ihr, und fuhr ihr liebevoll aber linkisch durch das Blondhaar. "... ich habe da einen Vorschlag, also nur so eine Idee, hör mal... was hältst du davon wenn vielleicht... also wirklich nur wenn du magst, es muss nicht sein, wir schaffen das auch so, ganz gewiss, es ist wirklich nur eine Idee... also, wenn Icarion vielleicht noch etwas bleibt.... er ist wirklich sehr zärtlich und ganz vielseitig, ich denke es könnte uns beiden mehr Spaß machen mit ihm. Und er würde uns auch gerne diese Freude machen..."
    Hilfesuchend blickte ich zu ihm. "Nicht wahr?"
    "Ja, sehr gerne." Unaufdringlich stand er neben der Toga, das Lächeln mit dem er uns beide umfing war freundlich und gelassen.
    "Natürlich nur..." beteuerte ich treuherzig, wieder zu Valentina, "wenn er dir auch zusagt!"

    Die Gemächer des Hausherrn standen nach dem Rückzug des Senators Decimus Livianus nach Hispania lange Zeit leer. Doch schließlich hat sein Sohn Decimus Serapio diese anlässlich seiner Hochzeit umgestalten lassen, und ist aus seinem alten Cubiculum umgezogen.
    Die Räume liegen im ersten Obergeschoss des Hauses, in Richtung des Gartens und der Morgensonne. Sie sind untraditionell großzügig, und auch die Einrichtung zeigt einen eher ägyptisch/orientalischen Einschlag. Die Wände sind mit Trompe-l'œil -Malereien verziert. Ins Auge springen unter anderem: einige Theatermasken, ein buntgeknüpfter Seidenteppich als Wandbehang, die Vielzahl von Kleidertruhen, ein Rüstungsständer und ein sehr großer Spiegel im Ankleidezimmer, das elegante Zitrusholz-Mobiliar, ein wirklich breites Bett und eine Kiste mit Elfenbein-Intarsien, die Motive aus dem Osiris/Serapis-Mythos zeigt, und auf der sich ein Stapel ungelesener Schriftrollen auftürmt.
    Nur die treue Cubicularia Corythia und der Libertus Decimianus Icarion haben Zutritt zu diesem Reich.
    Über einen gemeinsamen Balkon, auf dem in Terrakotta-Töpfen sowohl Blumen als auch Hanfpflanzen gedeihen, sind die Gemächer der Hausherrin Quintilia Valentina zu erreichen.

    Ich drehte mich in meinem alten Zimmer einmal um die eigene Achse. So leergeräumt wirkte es ganz anders. Lange hatte ich hier gehaust – unterbrochen von den Provinzeinsätzen – aber jetzt, da klar war, dass mein Vater in Hispania bleiben würde, jetzt, da ich die Geschicke unserer Gens in Rom lenkte, und noch dazu verheiratet war, da war es an der Zeit, die repräsentativen Räume des Hausherren zu beziehen. Ich nahm einen letzten Hanftopf von der Fensterbank und schloss die Türe hinter mir.

    Der Fackelzug


    Im flackernden Schein der Weißdornfackeln zogen Valentina und ich mit den Hochzeitsgästen einmal um den Block und einmal auf den Hügel hinauf. Es war nasskalt und ungemütlich, niemand schien bestrebt die Prozession in die Länge zu ziehen.
    "Du bist jetzt geraubt!" scherzte ich gut angeheitert mit meiner holden Braut, deren Schleier ätherisch hinter ihr herschwebte, und legte besitzergreifend den Arm um sie. "Wirst verschleppt, oh je meine arme Valentinula, musst mir altem Soldaten den Haushalt führen!" Ihre Ägypterin trug ihr Rocken und Spindel hinterher. "Und Garn spinnen und meine Tuniken weben, von früh bis spät!" fügte ich bei dem Anblick breit grinsend hinzu.


    "Talassio! Talassio!" riefen fröhlich die Gäste, und Spottverse dazu (bisher nur nette, nichts wirklich bissiges), die Musiker spielten Hochzeitslieder auf ihren Flöten – wobei ihre Finger wohl klamm von der Kälte waren, denn es klang hin und wieder ziemlich schief.


    >>>

    Während der Rauch der Opferfeuer fettdampfend gen Himmel stieg, die Menge schwatzend aus dem Circus strömte, und das Volksfest begann, zogen wir Prätorianer mit der gleichen Präzision, mit der wir aufmarschiert waren, auch wieder ab. Die anderen Einheiten folgten.
    Unsere Waffen waren entsühnt, ein jeder von uns hatte in Respekt und Bewunderung sich aalen dürfen, manche Brust war stolzgeschwellt, und unser Band zum Kaiser war durch dessen schneidige Ansprache, öffentlichen Dank (und natürlich durch das angekündigte Donativum) um ein weiteres Mal gestärkt.
    Ich meinte, noch die Wassertropfen der rituellen Reinigung in meinem Gesicht zu spüren, rein und frisch, und hatte noch das Kriegslied der Salier im Ohr, während ich meine Cohorte zurück zur Castra Praetoria führte. Trotz allen Hinterfragens, so spürte ich doch – wie jedes Jahr auf neue – ganz deutlich, wie dieser Ritus eine Last von uns nahm.




    ~~ Ende ~~

    Unter der Hülle war nichts göttliches. Aus glitschigen Eingeweiden bestand das Innere des edlen Hirsches, genauso wie bei jedem anderen Wild, bei jedem anderen Lebewesen. Auch der gewaltigste Kataphrakt, der mächtigste Kaiser... oder ich selbst oder sogar Kyriakos in all seiner wahrhaften Schönheit... wenn man uns aufschnitt waren wir alle nur stinkendes Gekröse.
    nobis cum semel occidit breuis lux / nox est perpetua una dormienda

    ~wenn einmal das kurze Licht erlischt, / muss eine einzige ewige Nacht von uns geschlafen werden
    dachte ich mit Catullus und betrachtete gebannt, fasziniert und abgestoßen zugleich, was mein Jagdgefährte da mit dem Herz anstellte. Gewiss war das ein spartanischer Brauch... sehr archaisch-exotisch dünkte mich das, und ließ mich zögern, als er mir das Organ entgegenhielt, welches ich leicht angebraten mit Zwiebeln und Kräutern deutlich appetitlicher gefunden hätte... und dann der Frevel... - Ich schluckte nervös, sah in die Tiefe seiner Augen und fand mich bezwungen von der Wucht seiner Gabe. Eine Sehnsucht nach dem Ungefähren und Entgrenzten ergriff mich, ich wollte mich auflösen in der Verheißung seines Raubtierlächelns...

    Meine Hände schlossen sich um die seinen, wie um eine Schale. Ich näherte meinen Mund der rotglänzenden Spitze des Herzens, sah Kyriakos an, als ich die Lippen darum schloss, dann die Zähne in das feste Muskelfleisch schlug. Einen blutig tropfenden faserigen Bissen nahm ich davon, kaute und schluckte, wischte mir mit dem Handrücken über den Mund.


    Ein kühler Windstoß ging über die Schonung. Ohne meinen Blick von seinem zu wenden, löste ich die Lacerna, die ich über meiner Jagdtunika trug, waldgrün, zünftig bestickt und seidenweich gefüttert, und legte sie ihm um die Schultern. Meine Hand verharrte in seinem Nacken, wühlte sich in sein Haar, überbrückte die Distanz, die bei dieser Tages-Begegnung, ganz anders als bei der nächtlichen, bis jetzt zwischen uns geherrscht hatte. Ich küsste seinen blutigen Mund, drängend und aufgepeischt zog ich Kyriakos an mich und presste mich an ihn, wobei es mich keinen Deut scherte, dass er voll Erde war, und Schlamm. Nichts konnte verlockender sein als er in diesem Augenblick.
    "Du bist ein großer Jäger, Kyriakos." murmelte ich, atemlos zwischen den Küssen, "Das ist die stolzeste Beute, die ich je gesehen habe. Wir... sollten aber doch der Diana von Nemi ein Sühneopfer bringen, am besten gleich morgen."
    Es war nicht weit bis zum Nemisee, und ich hatte irgendwann mal gehört, die dortige Diana sei ganz besonders Schutzherrin der Hirsche.

    Nach einer ereignisreichen Nacht hatte ich des Morgens die Villa Flavia aufgesucht, um "dringend den Konsular zu sprechen". Darauf hatte er seine Salutatio unterbrochen, und wir hatten uns in sein Arbeitszimmer begeben, unter vier Augen. Helles Morgenlicht fiel erbarmungslos herein.
    "Es ist etwas vorgefallen, Manius..."
    Übernächtigt rieb ich mir die Augen, vergewisserte mich, dass die Türe geschlossen war und kein Einblick durch das Fenster möglich, dann erst trat ich auf ihn zu, um ihn in die Arme zu schließen, und mit einem flüchtigen Kuss auf die Lippen zu begrüßen.
    "... ich beginne mit der guten Nachricht: wir haben heute Nacht ein Nest radikaler Christianer ausgehoben, in der Casa Didia. Die schlechte: unglücklicherweise haben wir sie erst erwischt, nachdem sie im Tempel deiner kaiserlichen Ahnen, ähem, einiges an Schaden angerichtet haben. Und das verrückte ist... ich habe meinen Augen kaum getraut, als ich ihn sah... Sciurus lebt. Er war bei ihnen, im Tempel, in Fleisch und Blut. Er nahm dann eine Geisel, so ist er uns entkommen. Aber ich lasse intensiv nach ihm suchen, wir werden ihn schon kriegen."



    Sim-Off:

    diese Szene liegt zeitlich ein Stück zurück

    Tot oder lebendig


    Nicht nur auf dem Forum wurde der Steckbrief ausgehängt, er wurde auch an allen Stadttoren an die Kollegen von den Stadtkohorten verteilt.





    314-f2ee9713.png


    Die Cohortes Praetoriae geben bekannt:


    Gesucht wird


    SCIURUS


    Meuchelmörder, Tempelschänder, Fugitivus, Christianerkultist.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.


    Der Gesuchte ist hochgewachsen,

    von sehniger Statur,

    hat kurzes hellblondes Haar,

    auffallend helle Augen, die an Fischaugen erinnern,

    und einen stechenden Blick.
    Er ist bewaffnet mit Dolch und Würgeschlinge und mordet skrupellos.



    Für seine Ergreifung ist eine Belohnung ausgesetzt:


    tot 500 Sesterzen

    (der Leichnam muss noch zu identifizieren sein)


    lebend 1000 Sesterzen
    bei Ablieferung in der Castra Praetoria.


    gez.
    F. Decimus Serapio
    Gardetribun



    314-f2ee9713.png



    Die Cohortes Praetoriae geben bekannt:


    Gesucht wird


    SCIURUS


    Meuchelmörder, Tempelschänder, Fugitivus, Christianerkultist.



    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.



    Der Gesuchte ist hochgewachsen,

    von sehniger Statur,

    hat kurzes hellblondes Haar,

    auffallend helle Augen, die an Fischaugen erinnern,

    und einen stechenden Blick.
    Er ist bewaffnet mit Dolch und Würgeschlinge und mordet skrupellos.



    Für seine Ergreifung ist eine Belohnung ausgesetzt:


    tot 500 Sesterzen

    (der Leichnam muss noch zu identifizieren sein)


    lebend 1000 Sesterzen


    bei Ablieferung in der Castra Praetoria.



    gez.
    F. Decimus Serapio
    Gardetribun

    Noch in derselben Neumondnacht, in der wir die Tempelschänder festgenommen hatten, führte ich zwei Contubernien zur Casa Didia. Unter den Paenulae, die wir anstandshalber trugen, waren meine Leute und ich voll gerüstet und bewaffnet. Lange genug (und langwierig genug) hatten wir geduldig ermittelt und observiert – jetzt war es an der Zeit, das Nest auszuheben. Zudem sah ich eine gewisse Chance, das Rabenaas Sciurus, das uns am Tempel durch die Finger geschlüpft war, noch dort anzutreffen.


    Ich ließ das Haus umstellen, dann brachen wir ohne Federlesen mit einer Ramme die Türe auf, sicherten Raum um Raum und nahmen die verschlafenen Bewohner allesamt (sortieren konnten wir später) unter Verdacht auf staatsfeindliche Umtriebe fest.* Es lief reibungslos. Wir konfiszierten Kultgegenstände und verdächtige Schriften, fanden einen verborgenen Versammlungsraum im Keller und einen Vorrat zinnoberroter Farbe. Nur Scirus, den fanden wir leider nicht.



    Sim-Off:

    *abgesprochen ;)

    Eine kleine Zelle, deren Wände Kälte verströmten, auf dem Boden spärlich Stroh, in dem hin und wieder etwas raschelte, zwei Pritschen mit Wolldecken und ein Eimer, ein Wasserkrug und etwas trockenes Brot, das vergitterte Fenster in der schweren Türe meist durch eine Klappe verschlossen, das war es, was die beiden gefährlichen Christianerkultisten nach ihrer Festnahme bei der Schändung des Flaviertempels in der Castra Praetoria erwartete. Gründlich wurden sie noch einmal auf Waffen oder als Waffen zweckentfremdbare Dinge durchsucht, dann schloss sich die Türe hinter ihnen und der Riegel wurde vorgeschoben.
    In der Nebenzelle nahm derweil ein Prätorianer Platz, der die Gefangenen durch einen verborgenen Spalt im Mauerwerk bequem belauschen konnte.