Der Kleine schien sich in seiner oppositären Position wohl zu gefallen, zumal er es nicht lassen konnte seine Loyalität dem lebenden Inventar gegenüber mit trotzig klingender Stimme zu betonen. Und? Wen interessiert das schon? Auch wenn es ihr schwer fiel, Prisca vermied es tunlichst ihr Desinteresse offen zu zeigen, oder gar dem Sohn ihres Gatten in spe - vor dessen Augen und Ohren - über den Mund zu fahren. Stattdessen ließ sie seine Worte mit einem schlichten: "Nun, junger Mann, das ist natürlich dein gutes Recht deine Sklaven zu behandeln wie es dir beliebt." von ihrer Seite aus stehen zu lassen. Genauso wie die Erklärungen seines Erzeugers, zu denen sie lediglich beifällig nickte. Die Gepflogenheiten der Flavier waren ihr nicht gänzlich unbekannt, schließlich hatte sie lange genug in diesem Hause gelebt und doch wurde sie immer wieder auf´s Neue überrascht von den Eigenarten und Besonderheiten der Flavier.
Zum Glück schwenkte Gracchus schnell zurück auf das Thema Spiele und hatte Prisca eben noch auf seine Begeisterung und ungeteilte Zustimmung gehofft, so wurde sie nun von seiner eher reservierten Haltung und Kritik eines Besseren belehrt. Kurz blickte Prisca hinüber zu Ihrem Cousin Lupus, der sich auffällig still verhielt. Hatte er nicht ähnliche Bedenken und Anmerkungen geäußert, als sie ihm ihre Idee vorgetragen hatte? Von wegen, dass dieses Geschenk für einen solchen Anlass womöglich etwas zu pompös wäre und es die Flavier gar brüskieren könnte? Gut möglich. Allerdings hatte Prisca (wie des öfteren) nicht so genau hingehört und sich lieber von ihren eigenen Vorstellungen leiten lassen. Abgesehen davon hatte der Beschenkte selbst alles andere als beschämt gewirkt, noch hatte Scato irgend etwas daran auszusetzem gehabt. Ich erinnere mich noch gut daran, wie begeistert er von meinen Ideen gewesen ist. … Und von mir war er ebenso begeistert!, erinnerte sich Prisca (mit leichtem Herzklopfen und etwas Wehmut) an das schöne Erlebnis am Meer zurück, bei dem es allerdings nicht nur um die Ausrichtung der Spiele gegangen war.
Wie also sollte sie nun mit den Anmerkungen ihres künftigen Gatten umgehen, ohne gleich die jungen Bande, die sie soeben geschlossen hatten, mit einer Zwistigkeit zu belasten? Zumal Gracchus der Grundidee ja scheinbar positiv gegenüber stand und seine Einwände und Anmerkungen durchaus logisch und berechtigt klangen: "Ich gebe dir recht, werter Flavius, dass ein solches Geschenk vielleicht etwas zu großzügig erscheinen mag, doch war es keineswegs unsere Absicht euch damit in irgend einer Weise in der Öffentlichkeit zu beschämen", ergriff Prisca nun wieder das Wort, da sie ja hauptsächlich für das Geschenk und die bisherigen Planungen verantwortlich war. "Wie ich bereits erwähnte, möchten wir mit diesem Geschenk das Ansehen unserer beider Familien in der Öffentlichkeit wieder stärken, nachdem so viele Gerüchte, Lügen und hetzerische Unwahrheiten über uns verbreiten worden sind", erinnerte Prisca an das Regime des Vesulariers und der regelrechten Verfolgung, der sie allesamt ausgesetzt waren: "Das Geschenk war also nicht ganz uneigennützig gedacht, wenn du mir diese Offenheit erlaubst, auch wenn es augenscheinlich allein deinem Verwandten zu Teil wurde."
Prisca machte eine kurze Pause um einen Schluck verdünnten Wein zu nehmen, da ihr Mund und ihre Zunge sich vom vielen reden ein wenig trocken anfühlten. Außerdem konnte sie so die Einwände ihres Zukünftigen nochmals überdenken. Den Wahlsieg Scato´s zu feiern wäre also das falsche Signal? Besser wäre es seine Kandidatur damit zu verbinden? … Und anstatt Sklaven freizulassen, sollten wir lieber professionelle Gladiatoren nehmen? Es fiel Prisca nicht leicht sich einzugestehen, dass sie bei der Wahl des Anlasses ein wenig über das Ziel hinaus geschossen war ebenso, wie sie die Folgen der Freilassung der Sklaven unterschätzt hatte. Da es aber der positiven Außenwirkung (und darum ging es ihr hauptsächlich) kaum dienlich wäre mit einem überdimensionierten Geschenk zu protzen und somit Gefahr zu laufen, als "dekadentes Patrizierpack" hingestellt zu werden, bedurfte es wohl einer "kleinen Korrektur": "Was nun den Anlass und den Umfang der Spiele betrifft ...", begann Prisca dann bedächtig wieder zu sprechen und dabei blickte sie entschuldigend zu Gracchus: "So muss ich gestehen, dass ich die Angemessenheit und die Folgen wohl falsch eingeschätzt habe. Verzeih mir bitte meine Unbedachtheit."
Es half nichts, auch wenn Scato es womöglich nicht gefallen würde, dass er SEIN Geschenk im nachhinein würde teilen müssen, … aber hätte er Gracchus rechtzeitig informiert, dann müsste ich jetzt nicht hinter seinem Rücken auf die Schnelle eine Lösung finden, mit der wir alle leben können, versuchte Prisca den Vorschlag, den sie nun machte, damit zu rechtfertigen indem sie ihm kurzerhand eine gewisse "Teilschuld" zu sprach:
"Ich freue mich jedenfalls, dass dir das Thema der Spiele zusagt. Zum Glück ergab sich noch keine Gelegenheit zum Kauf der Sklaven, sodass wir ohne Probleme - anstatt ihrer - die Gladiatoren nehmen können. Es bliebe nur mehr zu klären, woher wir genügend verurteilte Verbrecher bekommen, die in der Arena den Tod finden sollen. Ich hatte so an etwa siebzig bis hundert gedacht", nutzte Prisca ganz nebenbei die Gelegenheit dazu, um einen der offenen Punkte auf ihrer Planungsliste mit anzusprechen: "Und was würdest du davon halten, wenn wir neben der Kandidatur Scato´s zusätzlich noch unsere bevorstehende Hochzeit und die von Domitilla angeben? Damit wäre der Umfang des Spektakels doch in jedem Falle den Anlässen entsprechend angemessen, oder nicht?" Prisca hielt diesen Vorschlag nicht nur für einen guten Kompromiss sondern vielmehr für eine zwingende Konsequenz, da sie ihre Eheschließung selbstverständlich in einem gebührenden Rahmen feiern wollte. Hätte ich das mal eher gewusst, dass ich so schnell wieder einen Mann finden werde … (wenn auch nicht gerade den "Traumprinzen" , von dem sie noch vor kurzem geträumt hatte) ...