Beiträge von Minna

    Ein Glück, dass sie Nordwin hatten. Er hatte wirklich an alles gedacht. "Ein Foculus? Sicher, so etwas können wir gut gebrauchen." meinte sie und nickte anschließend mit einem breiten Grinsen auf Fionas Bemerkung hin. Der Himmel war in dieser Nacht besonders klar und auch wenn es in ihrer Heimat um diese Jahreszeit einiges kälter war, so war es schon recht kühl und die paar Kerzen, die sie dabei hatten, würden sie garantiert nicht vor der Kälte schützen können. Mit so einer Feuerschale war das Problem damit gelöst und obendrein hatte sie zum offenen Feuer den Vorteil keine allzu offensichtlichen Spuren zu hinterlassen. Wie klug Nordwin doch war, dachte sich Minna und schmunzelte vor sich hin.


    Nach einigen Augenblicken, in denen sie gedankenversunken da gestanden hatte, machte sie sich an die Arbeit. Sie griff nach den Decke, die Fiona mitgebracht hatte, und begann diese auf dem Boden auszulegen. Anschließend packte sie die mitgebrachten Sachen aus und war sichtlich erfreut, wie viel jeder von ihnen dazugesteuert hatte. "Worauf wartet ihr noch? Lasst uns endlich anfangen." Gut gelaunt nahm sie auf eine der Decken Platz und zündete gleich darauf einige Kerzen an. Licht war bei diesem keltischen Fest wichtig um die Ahnen willkommen zu heißen, das wusste sie noch vom letzten Samhain. Eine Kerze reichte sie an Chimerion weiter. "Weißt du," begann sie zu erklären, denn sie wusste ja nicht, ob ihm solch einen Brauch bekannt war oder nicht, "bei diesem Fest wird sowohl der Beginn des neuen Jahres gefeiert als auch den Geistern der Toten geehrt."

    Cassim hieß er also. Minna hatte keine Ahnung, woher dieser Name schon wieder stammte. Wahrscheinlich auch aus dem Süden oder aus dem Osten. Zumindest weit weg von ihrer germanischen Heimat, soviel war klar. Noch klarer war sein charmantes Lächeln, welches ihr auffiel und zunehmend irritierte. Seine Bemerkung über seinen Herren machte ihn aber recht sympathisch und so lächelte auch sie ihn unentwegt an. Erst als er auf das Thema Kerzen kam, verstarb ihr Lächeln in Sekundenschnelle. "Kerzen?" Er hatte also doch etwas von ihren Vorbereitungen für ihr heimliches Fest mitbekommen. Etwas erschrocken blickte sie zu Fiona. Was sollten sie denn jetzt tun? Ihn einweihen oder gar einladen? Einerseits schien er ja ein ganz netter Kerl zu sein, doch konnten sie ihm auch vertrauen? Schließlich hatten sie ihn gerade erst kennen gelernt. Zugegeben, Chimerion kannten sie auch nicht länger, doch von ihm wussten sie immerhin, dass er die Römer genauso wenig mochte wie sie es taten und das war zumindest für Minna eine leichte Sicherheit. Doch Cassim konnte sie nicht einschätzen. Besonders seine schmachtenden Blicke verunsicherten sie und machten die Germanin nur noch misstrauischer. Daher beschloss Minna ihn vorerst ein wenig zu testen um herauszufinden, ob er überhaupt 'würdig' war von ihrem Fest zu erfahren. "Nun," setzte sie an und legte dabei eine geheimnisvolle Miene auf "wir benötigen in der Tat ein paar Kerzen. Wenn du wirklich wissen willst, wofür wir sie brauchen, dann besorge uns erst die Kerzen. Vielleicht verraten wir dir dann unser kleines Geheimnis." Herausfordernd funkelten ihre Augen ihn an. Ob er sich auf ihr Spiel einlassen würde?

    Der Alte hatte also wirklich gute Nachrichten für Fiona gehabt. "Das ist schön zu hören, dass einige von deinen Leuten den elenden Römern entkommen konnten." Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn ihr jemand solche Neuigkeiten mitteilen würde. Oh, wie sehr sehnte sie sich danach endlich zu wissen, ob es ihrer Familie gut ging. Doch wieso wurde ihre Freundin plötzlich so nachdenklich? "Einige, von denen du es nicht gedacht hättest...?" wiederholte die Germanin fragend. Wie hatte sie denn das jetzt gemeint?
    Nach einiger Zeit blickte sie wieder zu dem alten Tattergreis... äh ehrwürdigen Druiden Cadfeal, der einen etwas zerstreuten Eindruck auf sie machte. Ob er ihre Entschuldigung angenommen hatte? Irgendwie zeigte er keine Reaktion und das verunsicherte Minna. "Hm... was machen wir denn jetzt mit ihm?" fragte sie schließlich die Keltin und deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf den alten Mann. Irgendwo musste er ja hin ohne dass er sich Ärger mit den Römern einhandelte. "Was macht der überhaupt hier in Rom?"

    Voller Stolz ließ Minna ihre Beute von den anderen begutachten. Immerhin hatte sie dafür ihren Hals riskiert. Eine ihrer Augenbrauen schwang sich allerdings in die Höhe, als Fiona ganz stolz verkündete, dass sie noch etwas besseres mitgebracht hätte. "Da bin ich aber mal gespannt!" Minna war jetzt schon ganz neugierig darauf, womit ihre Freundin sie überraschen wollte.
    Chimerion führte die beiden Frauen durch den riesigen Garten und zumidest für Minna hatte es den Anschein, als wolle er einfach kein Ende haben. Zudem wurden die Wege allmählich immer dunkler und für einen kurzen Moment verspürte sie ein leichtes Unbehagen. Konnten sie Chimerion denn überhaupt vertrauen? Schließlich kannten sie ihn noch nicht sehr lange, genau genommen erst seit heute. Doch dann erinnerte sie sich wieder an seinen Blick, den er bei Essen hatte als er über die Römer gesprochen hatte. In seinen Augen hatte Minna erkennen können, dass er einer von ihnen war. Jemand, der genauso wie sie nur Verachtung für die Römer übrig hatte. Dieser Gedanke beruhigte sie wieder und sie warf sämtliches Misstrauen, was Chimerion betraf, kurzerhand über Bord. Das Versteck, welches er sich für ihr Fest ausgesucht hatte, gefiel Minna auf Anhieb. Der Platz lag etwas abgelegen von der Villa und die dichten Palmen boten einen sicheren Schutz. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass sich jemand mitten in der Nacht an diesen Ort verirrte. "Wunderbar! Dieses Plätzchen hier ist wie geschaffen für ein Fest wie Sam..." Knack! Minna schrak zusammen, als sie ein Geräusch aus dem Dickicht hörte. Jemand war ihnen gefolgt! Bei den Göttern, das durfte doch nicht wahr sein! Doch es war zum Glück nur Nordwin, der sich zu ihnen gesellte. "Nordwin! Was bin ich froh, dass du es bist!" meinte sie freudig und war mächtig beeindruckt von dem Hasen, den er gleich mitgebracht hatte. Gleichzeitig bekam sie aber auch ein schlechtes Gewissen, da sie gar nicht an ihn gedacht hatte, als sie sich zum Fest verabredeten. Hoffentlich war er ihr deswegen nicht böse, denn er lächelte sie nur ganz kurz an und sah dann auch schon wieder weg. Irgendwie musste sie das wieder gutmachen, nur wie? Sie würde sich schon was einfallen lassen, spätestens nachdem sie ein paar Becher Wein getrunken hatte.

    Auch Minna kicherte unentwegt, als sie den gemeinsamen Abend planten. Doch als plötzlich jemand sie ansprach, zuckte sie leicht zusammen und blickte erschrocken hoch. Hatte da jemand etwas von ihrem Fest mitbekommen? Aber nein. Erleichtert stellte sie fest, dass der hinzugekommene Sklave nur nach dem freien Platz, auf dem zuvor Chimerion gesessen hatte, fragte. Und zwar auf eine ganz bestimmte Art und Weise, bei der sie nicht so recht wusste, ob sie ihr gefiel oder für ihren Geschmack nicht doch zu viel des Guten war. Mit einer Portion Skepsis begutachtete sie diesen fremden Mann vor sich. Was für ein Charmebolzen, war ihr erster Gedanke beim Anblick seines betörenden Lächelns, ließ sich aber selbstverständlich nichts anmerken. "Sicher, bitte nimm doch Platz." erwiderte sie mit einem ebenso freundlichen Lächeln und musterte ihn anschließend. Wo der wohl wieder herkam? Ihr schien es so, als seien in diesem Haus sämtliche Völker untergebracht. Fiona ließ nicht lange auf sich warten und stellte sie beide dem Fremden vor. Die Germanin nickte, als sie ihren Namen hörte. "Nach der Hochzeit unserer Herrin mit dem Flavier sind wir mit in die Villa gezogen. Und wie ist dein Name?"

    Es tat Minna unheimlich gut mal wieder mit jemanden aus ihrer Heimat zu sprechen und so verging die Zeit während der Unterhaltung mit Siv wie im Flug. Die drei Sklavinnen standen in einem kleinen Kreis und tauschten sich über die neusten Geschehnisse aus. Sowohl bei ihnen in der Villa Claudia noch bei den Aurelier war in der letzten Zeit allerhand passiert. Nach einiger Zeit fiel Minnas Blick auf die römischen Herrschaften, die ihren Göttern bereits ein Opfer dargebracht und sich nun zum Festessen begeben hatten. Es würde also nicht mehr lange dauern bis der Brautzug begann. Dies war der Teil der Hochzeit, der nicht nur für die Braut eine besondere Bedeutung hatte, sondern auch für sie, Fiona und Minna, eine entscheidene Rolle spielte. "Wir sollten allmählich wieder zur Herrin zurückkehren. Sieh nur, das Festmahl hat schon begonnen." meinte sie daher zu Fiona und wandte sich anschließend wieder zu ihrer Landsfrau um diese aufzuklären. "Weißt du Siv, die wichtigste Neuigkeit haben wir dir noch gar nicht erzählt. Wir beide werden die Braut nämlich auf dem Hochzeitszug begleiten und schließlich mit in die Villa der Flavier einziehen." Dass die beiden Sklavinnen als lebende Hochzeitsgeschenke dienten, ließ sie außen vor. Siv kannte die Römer sicherlich gut genug um zu wissen wie der Einzug in die flavische Villa zu deuten war. Mit einem warmherzigen Lächeln verabschiedete sie sich schließlich von ihr. "Es war schön dich einmal wieder gesehen zu haben. Vielleicht sieht man sich ja an den Saturnalien oder gar bei einem kleinen Julfest wieder." Verschwörerisch blinzelte sie ihr dabei zu. Selbstverständlich hatte sie den letzten Satz auf Chattisch ausgesprochen, schließlich musste niemand vom Julfest erfahren. Außerdem hatte Minna nicht oft die Gelegenheit sich in ihrer Muttersprache zu unterhalten. "Kommst du?" rief sie zu Fiona und verschwand danach in der Menge.

    Na endlich! Nach einiger Zeit hatte sich Fiona wieder daran erinnert, dass ihre Freundin auch noch anwesend war. Dankbar darüber, dass sie nun endlich aufgeklärt wurde, hörte Minna der Keltin aufmerksam zu. Er war also jemand aus ihrem Dorf? Dann gab es also noch Hoffnung für Fionas Heimat? Jetzt konnte sie verstehen, wieso sie völlig aus dem Häuschen war. Wer wäre das nicht an ihrer Stelle gewesen? Die Germanin freute sich auf jeden Fall sehr für ihre Freundin. "Oh, und was berichtet er über deine Heimat? Los, sag schon!" Doch was hatte sie außerdem noch erwähnt? Ein Druide sei er? Sie erinnerte sich, wie ihr einmal Tilruna, eine alte Frau aus ihrem Dorf erzählt hatte, dass Druiden die Priester und Gelehrten der Kelten waren. Sie seien demnach in gewisser Weise die keltischen Goden, so hatte es die Alte formuliert. Ob das nun wirklich so stimmte, wusste die junge Germanin nicht, denn Tilruna war vor allem wegen ihren kuriosen Geschichten bekannt. Aber falls es so sein sollte, so konnte Minna es nur allzu gut nachvollziehen, weshalb ihre Freundin in solch großer Ehrfurcht von ihm sprach. Und was hat sie getan? Minna wurde mit einem Mal ganz bleich im Gesicht. Sie hatte ihn, ein angesehener Mann aus Fionas Dorf, auch noch böse angemeckert! Wie konnte sie das nur wieder gut machen? "Du Fiona, spricht der erhabene Cadfeal auch Latein? Falls nicht, richte ihm bitte aus, dass ich mich für mein loses Mundwerk von gerade eben entschuldigen möchte. Es tut mir schrecklich leid ihn so angefahren zu haben." Mit einem betretenen Lächeln blickte sie den Alten an und hoffte, dass er nicht allzu nachtragend mit ihr sein würde.

    Was Pünktlichkeit betraf, so war Minna nun wirklich kein herausragendes Vorbild. Es dauerte eine ganze Weile bis auch die kleine Germanin bei der Gartentür eintraf. Zum einen lag ihre Verspätung daran, dass sie über einen schlechten Orientierungssinn verfügte und somit nicht auf Anhieb die Tür zum Garten fand. Es war immerhin das erste Mal seit ihrem Einzug in die Villa, dass sie den hortus betrat. Zum anderen hatte sie kurz zuvor in einem waghalsigen Manöver einige 'Utensilien' aus der Küche mitgehen lassen, damit aus dem bevorstehenden Fest kein Trauerspiel wurde. Beinahe wäre sie von der miserablen Köchin, die für das Essen der Sklaven zuständig war, erwischt worden. Aber eben nur beinahe.


    Leise schlich sie sich nun von der culina aus durchs atrium bis hin zum hortus. Dabei war sie immer auf der Hut von niemanden gesehen zu werden. Sie nahm zwar an, dass um diese Uhrzeit niemand von Herrschaften mehr durch die Villa umherstreifte, aber Römer waren ja bekanntlich immer für eine Überraschung gut, vor allem Römer flavischen Geschlechts. Ah, da standen die beiden weiteren Partygäste auch schon! Minna war erleichtert, als sie Chimerion und Fiona erblickte. "Entschuldigt, dass ihr so lange auf mich warten musstet. Aber... " Während sie sprach, begann sie an ihrer Tunika herumzutasten. "...aber dafür habe ich euch das hier mitgebracht!" Sie lächelte den beiden viel versprechend zu und zauberte anschließend ein kleinen Sack und eine einfache Amphore unter ihrer Kleidung hervor. "In dem Beutel sind ein paar Äpfel und etwas Brot. Ach ja, und natürlich Kerzen. Die sind schließlich wichtig. Na, und was haben wir wohl hier feines drin?" Sie wedelte aufgeregt mit der Amphore hin und her und wartete erst gar nicht eine Antwort ab, sondern plapperte munter weiter. "Richtig, lecker Wein! Selbstverständlich unverdünnt." Dieses verwässlichte Gesöff tranken doch nur diese Weicheier von Römern, aber keine echten Germanen. Wenn es schon kein Met gab!

    Fionas Freude über die geplante Fete steckte auch Minna an. "Aber natürlich, im Garten! Wieso bin ich da nicht selbst draufgekommen?" Wo sonst konnte man besser Samhain feiern als im hortus? Erinnerungen an das Fest vergangenen Jahres kamen in ihr hoch. Wie schön sie doch alle zusammen gefeiert hatten. Selbst dann noch, als sie von diesem Aurelier erwischt worden waren. Doch hier in der Villa Flavia mussten sie vorsichtiger sein, das wusste sie. In sämtlichen Sklavenkreisen kursierten seit eh und je die wildesten Geschichten über flavische Strafen und Minna hatte wahrlich nicht vor auszutesten, wie viel Wahrheit in ihnen steckte. Als Chimerion sich verabschiedete, warf sie ihm noch einen verschwörerischen Blick zu. "In Ordnung. Bis nachher im na-du-weißt-schon-wo!" Sie zwinkerte ihm noch zu und kaum war er verschwunden, fing sie vor lauter Vorfreude an zu kichern und zu glucksen. "Fiona, das wird sicher lustig!"


    Als wieder von dem Essen die Rede war, betrachtete sie für einen Augenblick den Brei vor sich und nickte anschließend auf Fionas Äußerung. "Das stimmt, dieser Fraß ist nicht das Wahre. Pustula hatte sich wenigstens immer Mühe gegeben, dass das Essen auch schmackhaft ist. Naja, immerhin ist es erträglich." Sie schaute wieder hoch, als Fiona sie schließlich fragte, womit man das Fest noch versüßen konnte. Wie die Keltin sie dabei anschaute! Sicher heckte ihre Freundin gerade etwas aus. Sie kannte sie ja schließlich schon gut genug um ihre Blicke deuten zu können. Das Erste, was Minna in den Sinn kam war der gute alte Met, doch diesen Gedanken verwarf sie gleich darauf wieder. Met war bei den römischen Herrschaften ganz sicher nicht zu finden, denn die hatten nämlich keinen Geschmack, was das betraf. "Hm, gute Frage. Kleinigkeiten wie Äpfel und Brot finde ich wichtig. Vielleicht können wir ja so etwas heimlich aus der Küche stibitzen. Bei der Gelegenheit könnten wir auch versuchen an etwas Wein heranzukommen. Oh, und natürlich brauchen wir Kerzen. Die sind doch für Samhain wichtig, oder?"

    Was ging denn jetzt ab? Sie hatte sich ja auf so einiges gefasst gemacht, aber damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Völlig verdattert blieb Minna an ihrem Fleck stehen und betrachtete das Spektakel, was sich vor ihren Augen abspielte. Hatte sie das eben richtig verstanden? Dieser alte Mann kannte Fiona? Als dann auch noch ihre Freundin sich in die Arme des Mannes warf und schließlich heftig zu weinen begann, verstand die Germanin nun gar nichts mehr. Die Tatsache, dass die beiden sich dabei auch noch in ihrer Heimatsprache unterhielten, machte das Ganze nicht gerade einfacher für sie. Bei den Göttern, was war denn hier los? Sie wartete einen Moment lang bis sich die beiden wieder ein wenig beruhigt hatten. "Ähm... Fiona?" Ein leises Räuspern war zu vernehmen. "Ich will euch ja nicht bei eurer kleinen Unterhaltung stören, aber könntest du mich bitte mal aufklären? Wer ist dieser Mann? Und woher kennt ihr euch?"

    So so, seine Herrin war also eine Zicke? Na, das hätte Minna aber auch gewundert, wenn sie das als römische Dame nicht wäre. Mittlerweile war die Chattin nämlich zu der festen Überzeugung gekommen, dass die meisten Römerinnen - zumindest die Patrizierinnen unter ihnen - eher zu der launenhaften Sorte Mensch gehörten. Ein Glück, dass ihre Herrin Epicharis da eine Ausnahme machte. Wie das allerdings passieren konnte – immerhin stammte diese ja aus dem claudischen Haushalt – war ihr absolut schleierhaft. Sie kicherte leise, als Fiona ihr zuzwinkerte. "Das stimmt. Mit Drachen kennen wir uns bestens aus." Und so schlimm wie Claudia Ofella konnte Chimerions Herrin gar nicht sein. Das war völlig unmöglich. Zumindest hoffte sie das inständig.


    "Ja, wir Chatten sind ein tapferes und stolzes Volk." Sie senkte ihre Stimme ein wenig. "Niemals würden wir uns widerstandslos diesem elenden Römerpack unterwerfen oder uns gar mit ihnen verbünden." Wie es einige germanische Stämme doch wahrhaftig taten. Für die Chattin war dies unbegreiflich. Sie hätte sich noch weiter über diese räudigen Verräter auslassen können, doch stattdessen hörte sie nun Chimerions Geschichte aufmerksam zu. Aus Dacia kam er also? Sie hatte bisher noch nie davon gehört und so ging sie davon aus, dass seine Heimat noch weiter von Germanien entfernt lag als Rom es tat. Und doch hatte sein Volk das gleiche Schicksal ereilt wie ihres oder das von Fiona. Diese verfluchten Römer schienen überall zu sein. "Es stimmt, wir sind beide nach Rom verschleppt worden. Davor hatten wir glücklich als freie Menschen gelebt..."


    Es gefiel ihr, dass Chimerion so freundlich auf sie und Fiona zuging und Interesse an ihrer Herkunft zeigte. Auch ihrer Freundin aus Britannia schien es regelrecht gut zu tun wieder über ihre Heimat reden zu können. Man konnte es förmlich spüren, als man ihren Erzählungen zuhörte. Doch plötzlich konnte man bemerken, wie sehr die Erinnerungen hochkamen und ihr zu schaffen machte. Minna wollte schon ein paar aufmunternde Worte sagen, doch Fiona fing sich sogleich wieder und machte obendrein einen Vorschlag, von dem Minna gleich begeistert war. "Eine tolle Idee. Doch wo könnte man hier heimlich feiern?" Da die beiden sich noch nicht sonderlich in der flavischen Villa auskannten - zumindest was heimliche Sklavenfeten betraf - wandte sie sich an Chimerion: "Was meinst du? Weißt du ein gutes Plätzchen?"

    Chime-was? Herrje, und sie hatte immer geglaubt, dass nur Römer auf solch merkwürdige Namen kommen. Doch sie war erfreut, dass dieser Sklave sie und Fiona so freundlich aufnahm. Den Namen seiner Herrin sagte ihr nichts, doch mit Sicherheit würde Minna sie bald zu Gesicht bekommen. Hoffentlich entsprach diese Flavierin eher Epicharis' Wesen und nicht dem von Ofella. Das könnte sonst was werden!


    Skeptisch begutachtete sie das Essen in ihrer Schüssel. Es schmeckt anders? Das konnte ja alles heißen! Aber die Art wie Fiona dabei zu Chimerion grinste, sagte ihr, dass es sich wohl nicht um ein positives anders handelte. Es schmeckte tatsächlich recht gewöhnungsbedürftig, doch immerhin schien es einigermaßen nahrhaft zu sein. Und das war ja schließlich die Hauptsache.


    Sie ließ ihrer Freundin den Vortritt, als sie nach ihrer Heimat gefragt wurden. Minna bemerkte, wie die keltischen Augen plötzlich zu leuchten begann und sie konnte ihre Freundin nur allzu gut verstehen. Schließlich beantwortete auch sie die Frage des Sklaven: "Und ich stamme aus dem Volk der Chatten. Es liegt weit oben im Norden. Die Römer nennen uns Germanen oder auch... Barbaren." Beim letzten Wort verzog sie das Gesicht und schnaubte verächtlich. "Doch sag, woher kommst du? Wie jemand aus dem Norden siehst du nicht aus, wie ein Römer allerdings auch nicht."

    Auch kleine Germaninnen müssen irgendwann etwas zu sich nehmen und sei es nur ein schlecht gewürzter Eintopf. So dauerte es nicht lange, bis es auch Minna in die 'cantina flavia' verschlug. Doch es gab noch einen weiteren Grund, weshalb sie diesen Raum aufsuchte. Kurz zuvor hatte sie ihre keltische Freundin Fiona aus den Augen verloren und hatte auch sonst keines der wenigen Sklavengesichtern entdecken können, die ihr bekannt waren. Ihre Hoffnung lag nun darin jemanden bei den Mahlzeiten anzutreffen. Wo sonst hätte man in solch einem riesigen Haushalt besser suchen können?


    Und tatsächlich, nachdem sie sich ihre Ration besorgt hatte, entdeckte sie einen unverkennbaren Rotschopf zwischen all den anderen Sklaven. Erleichtert ging sie mit der Schüssel in der einen Hand und dem Stück Brot in der anderen auf die Keltin zu. "Fiona, da bist du ja! Ich habe dich schon gesucht. Wie schmeckt denn das Essen? Besonders schmackhaft sieht es ja nicht aus..." Erst als sie sich mühevoll zwischen zwei anderen Sklaven auf die Bank gequetscht hatte, bemerkte Minna, dass ihre Leidensgenossin bereits mit einem flavischen Sklaven Bekanntschaft gemacht hatte. Mit verstohlenen Blicken musterte sie den Fremden. Er hatte langes Haar, wie germanische Männer. Doch das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die sie zwischen ihm und ihren Landsmännern entdecken konnte. Sein Haar war merkwürdig gebunden und obendrein auch noch pechschwarz. Wo dieser Sklave wohl herkam? Wie dem auch sei, letztendlich waren sie hier in diesem Raum eh alle gleich und so wandte sie sich mit einem freundlichen Blick an den Dunkelhaarigen, der sich bereits prächtig mit Fiona unterhielt. "Salve, ich heiße Minna. Meine Freundin Fiona kennst du ja anscheinend schon. Ich bin wie sie neu hier in dieser Villa."

    Minna war mehr als froh, als Epicharis ihnen gewährte, sich ein wenig umzusehen. Auch wenn sich - abgesehen von den Sklaven natürlich - überwiegend nur Römer unter den Anwesenden befanden, war ihr das immer noch lieber anstatt neben ihrer Herrin zu stehen und sich irgendwelche langweiligen römischen Konversationen anhören zu müssen. Auch Fiona hatte sich das nicht zweimal sagen lassen und so huschten beide schnell davon. Ein erfrischendes Getränk für die Braut war rasch besorgt und Minna hoffte, dass diese mit dem süßlichen Wasser-Fruchtsaft-Mix zufrieden war.


    Anscheinend war sie das, also mischten sie sich anschließend unter die Gäste und blickten suchend umher, in der Hoffnung jemand bekanntes unter den feinen Herrschaften auszumachen. Doch nur eitle Römer oder ihnen unbekannte Sklaven waren zu sehen. Nach einiger Zeit, Minna hatte eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet jemanden zu treffen, machte Fiona sie auf eine Person aufmerksam. Als die Germanin in die Richtung blickte, in der ihre Freundin wies, erkannte sie gleich den leuchtenden Blondschopf, der so gar nicht zum restlichen vorwiegend dunkelhaarigen Umfeld passte. Es war tatsächlich Siv. "Du hast recht, das ist sie. Komm, lass uns sie begrüßen." Wie lange hatte Minna sie schon nicht mehr gesehen. Am liebsten wäre die Germanin gleich auf sie zugelaufen und hätte sie herzlichst begrüßt. Doch sie riss sich zusammen, denn das konnte sie sich in diesem Moment selbstverständlich nicht erlauben. Schließlich war sie zwischen all den Römern nur eine kleine Sklavin und das wurde zu ihrem Bedauern wieder einmal mehr bewusst. Wie sich Siv wohl inmitten in dieser römischen Hochzeitsgesellschaft fühlte? Vermutlich war ihr genauso mulmig zumute wie den beiden claudischen Sklavinnen. Wie dem auch sei, erfreut darüber ein bekanntes Gesicht erblickt zu haben, gingen sie auf die blonde Germanin zu. Denn gegen ein kleines Gespräch unter Sklaven war ja schließlich nichts einzuwenden. Diese hatte Fiona und Minna bereits entdeckt und begrüßte sie auch sogleich. "Heilsa Siv. Wie schön dich wiederzusehen." grüßte sie ihre Landsfrau auf chattisch, wechselte anschließend ebenfalls ins Lateinische damit Fiona alles verstehen konnte. "Ja, lange haben wir uns nicht gesehen. Sag, wie geht es dir?"

    An diesem Tag war es soweit, heute begann für ihre Herrin Epicharis ein neues Leben und somit auch für die beiden claudischen Sklavinnen Fiona und Minna. Dementsprechend waren sie nicht minder aufgeregt als die Braut selbst, wenngleich die Unruhe der beiden Sklavinnen einen anderen Grund hatten. Der blonden Germanin wurde bei dem Gedanken in eine neue Villa zu ziehen regelrecht übel. Nicht weil sie die Villa Claudia wahnsinnig vermissen würde, im Gegenteil, es war vielmehr die ungewisse Zukunft, die ihnen bevorstand. Einen gewissen Teil ihres flauen Magengefühls trugen natürlich auch die vielen Gerüchte über den flavischen Haushalt und dessen Sklavenhaltung bei.


    Epicharis sah in ihrem prächtigen Gewand bezaubernd aus. Eigentlich tat sie das ja so gut wie immer, wie Minna fand, doch heute hatte sie sich selbst übertroffen. Auch wenn sie es nie zugeben würde, es freute die germanische Sklavin die Claudia so strahlend zu sehen, schließlich war es ihr besonderer Tag. Doch auch sie und Fiona waren heute in edle Stoffe gehüllt. Natürlich nicht einmal annähernd so luxuriös wie die ihrer Herrin, doch für Minna war es dennoch recht ungewöhnlich so ein feines Kleid zu tragen.
    Als sie den weitläufigen Garten betraten, kam die Germanin aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit den verschiedensten Pflanzen hatte man ihn üppig geschmückt. Einige von ihnen hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen. Für einen kurzen Augenblick lenkte der gewaltige Eindruck des Gartens von ihrer Nervosität ab, doch so schnell wie sie verschwand, so schnell war sie auch schon wieder da.


    Fiona wurde derweil beauftragt die Namen der bereits anwesenden Gästen auszumachen. Es dauerte nicht lange da erschien die Keltin auch schon wieder und berichtete Epicharis von den Besuchern. Zu gerne hätte Minna gewusst, ob Fiona neben den Hochzeitsgästen auch einige bekannte Sklaven hatte ausmachen können. Das würde die Sache gewiss erträglicher für sie machen. Doch leider war dies nicht der geeignete Zeitpunkt dafür sie nach solchen Belangen zu fragen. So verharrte Minna schweigend im Hintergrund und beobachtete, wie ihre Herrin schließlich zaghaft die Terrasse betrat. Im ersten Augenblick schienen die Anwesenden sie nicht zu bemerken, waren sie zu sehr in ihren Gesprächen vertieft, doch es war nur eine Frage der Zeit, wann man die umwerfend schöne Braut bemerken und ihr alle Aufmerksamkeit schenken würde. Da trat auch bereits einer der Gäste heran, es handelte sich um den Flavier, den sie bei einem Spaziergang mit Epicharis getroffen hatten, und sprach die Claudia mit einem Latein an, von dem Minna trotz ihrer Bemühungen nur Bruchstücke verstand. Doch das machte ihr nichts, ihr galten die Worte ja immerhin nicht. Viel bedeutender war die Tatsache, dass die Braut nun entdeckt worden war. Sie warf ihrer Mitsklavin einen vielsagenden Blick zu. Jetzt ging es los. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Weder für die Braut noch für den Bräutigam. Und schon gar nicht für Fiona und Minna.

    Hallo,


    ich bin vorerst wieder da. Ich war wegen gesundheitlichen Problemen nicht anwesend. Tut mir sehr leid, dass ich mich nicht vorher abgemeldet habe und einfach so verschwunden bin. ;(


    Tillachen, dir wünsche ich alles Gute! :wink:

    Was für eine Aufregung! So kurz vor der Hochzeit zwischen ihrer Herrin Epicharis und dem Flavier hatten die Sklaven des claudischen Haushalts allerhand zutun. Auch Fiona und Minna gehörten zu jenen, die sich eifrig um die zukünftige Braut zu kümmern hatten. Doch im Gegensatz zur restlichen Dienerschaft waren ihre Aufgaben um einiges verantwortungsvoller, denn sie waren die Sklavinnen, die der Claudia bei den Vorbereitungen am Vorabend halfen. Auch wenn sie es niemals zugeben würde, so erfüllte es die Germanin mit Stolz, dass man ausgerechnet sie dazu auserkoren hatte. Auf der anderen Seite war sie aber auch sehr aufgeregt, denn über die Hochzeitsrituale der Römer war ihr nur wenig bekannt. Doch ein Gutes hatten die ihr aufgetragenen Aufgaben. Se boten ihr wenigstens eine willkommene Ablenkung vor den quälenden Gedanken, die ihr in letzter Zeit immer wieder durch den Kopf gingen. Minna konnte sich gar nicht entscheiden über was sich mehr den Kopf zerbrechen sollte, die bevorstehende Hochzeit oder die ungewisse Zukunft, die ihr bevorstand. Immerhin würde sie ihre Freundin Fiona an ihrer Seite haben und diese Tatsache beruhigte sie wieder etwas.


    Eilig huschte Minna durch die Gänge der Villa. Wie ein kostbares Gut hielt sie die silberne Speerspitze fest in ihrer Hand. Sie wusste zwar nicht genau, was es damit auf sich hatte, aber es schien den Römern von enormer Bedeutung zu sein. Für die Germanin war es nur ein weiterer Beweis dafür, dass die römischen Bräuche mehr als sonderbar waren.
    Als sie schließlich das cubiculum von Epicharis betrat, fiel ihr als erstes das Hochzeitsgewand auf, welches ihre Herrin selbst gewebt hatte. Es war dezent, doch gerade diese Schlichtheit empfand Minna als wunderschön. Epicharis wird als Braut umwerfend aussehen, da war sie sich jetzt schon sicher. Fiona war bereits anwesend und Minna nickte ihr unauffällig zu. Hoffentlich hatte man nicht allzu lange auf sie gewartet, kam es ihr noch in den Sinn, dann wandte sie sich zu Epicharis. "Herrin, ich bringe dir die Hasta caelibaris." Ein aufmunterndes Lächeln umspielte ihre Lippen während sie ihr die gebogene Spitze übergab. Auch wenn sie selbst nie in diese Situation gekommen war, so konnte sie sich gut vorstellen, wie es in diesem Moment in ihr zumute sein musste.

    Sim-Off:

    :D


    Argwöhnisch blickte sie den raubeinigen Zottel vor ihr an. Ohne auch ein einziges Wort zu verstehen, war es doch sehr wohl an seinem Ton mehr als offensichtlich, dass er ihr nicht wohlgesinnt war. Ihre ehrlich gemeinte Entschuldigung schien auf taube Ohren gestoßen zu sein. Minna fühlte sich verletzt. Ihre Augen verengten sich daraufhin und sie bereute es, dass sie sich noch kurz zuvor bei ihm entschuldigt hatte. Gut, wenn er sich mit ihr anlegen wollte, bitte! Das konnte er haben! "Sprich gefälligst in einer Sprache, die jeder versteht, du komischer Kauz!" Mit den Händen in den Hüften gestemmt baute sie sich vor ihm auf - sie war sogar etwas größer als er, was nun wirklich selten vorkam - und wartete auf eine Reaktion. Wie ein typischer Römer sah er keinesfalls aus. Täte er das, hätte sie ihre Zunge gehütet, wohlwissend dass sie in diesem Fall eindeutig den Kürzeren gezogen hätte. Aber so... "Nun was ist? Wird's bald?" Wo dieser schräge Vogel wohl nur herkam? Vielleicht versteht er auch einfach nur kein Latein? kam es ihr noch in den Sinn, doch sie war in diesem Moment zu sehr aufgebracht, als das diese Tatsache sie hätte beruhigen können. Mit einem Seitenblick suchte sie Fiona um sich zu vergewissern, dass sie in ihrer Nähe war. Für den Fall, dass dieser Kerl ungemütlich werden sollte, wäre es sicher hilfreich die kühne Keltin in unmittelbarer Nähe bei sich zu haben. Ah, da stand sie ja etwas abseits von ihnen! Doch was machte sie denn nur für ein Gesicht?