Beiträge von Claudia Callista

    Dies Stückchen wird als Märchen man mir schelten. Sei's!
    Beglaubigt ist es meinerseits durchaus als wahr,
    doch geb' ich zu, es mutet allerseltsamst an.



    Sie kriecht beherzt in den Höhlengang.
    Obwohl es bitter kalt wohl ist,
    und die Räuber können nah'n,
    so wird es ihr nicht bang.
    Im Rücken der Galan.


    Der Brite, der sie schützt.
    Es tropft. Es rauscht.
    Die Flucht. Sie ist ungewiss.
    Die Räuber. Sie gröhl'n. Callista lauscht.


    Doch dann ist's vorbei. Der Tunnel ist zu End.
    Eine Höhle zeigt ihre schwarze Face.
    Callista richtet sich auf.
    Erhebt sich mit g'schmeidigem Gang.
    Sie lächelt verschmitzt.
    Es ist gewitzt.
    Ihre Flucht vor den Wüterichs.


    Doch, o weh, es ist noch nicht geschafft.
    Die Schurken. Sie merken's.
    Es rumpst. Es kracht.
    Gebrüll. Es wird laut. Gerufe. Es erschallt.
    Callista sie rennt.
    Der Schritt. Er hallt.


    Ein Fluss. Der springt.
    Unterirdisch. Fern des Licht.
    Der kalte Wind. Er klagt und singt.
    Doch der Brite und die Maid.
    Sie zögern nicht.
    Sie klettern. Sie fliehen.
    Sie laufen. Sie kriechen.


    Im Nacken die Gauner.
    Entdeckt das Loch.
    Und doch.
    Sie entkommen. Das Licht. Es erstrahlt.
    Der Tag. Er lacht. In einem fort.


    Die Fährnis. Das Bangen um Leib und Leben.
    Das Herz es klopft. Es rast dahin.
    Ganz anderes lässt es regen.
    Den Stein im Rücken. Den Mund auf den Lippen.
    Es ist geschehen. Noch ehe es versiegt.
    Das Ringen um Atem. Die Flucht vor den Gemeinen.


    Die Bäume. Sie umschließen. Sie schützen und verbergen.
    Die Fährte. Die Sicht. Der Räuber.
    Deren Augen die Geflohenen wollen suchen.
    Es ist vollbracht.
    Die Flucht aus dem Dunkeln. Entfloh'n sind die Beiden.
    Entwichen den widrigen Wüterichs.

    Aus der Zeit wollt ihr einen Strom machen, an dessen Ufern ihr sitzt und zuschaut, wie er fließt.
    Doch das Zeitlose in euch ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewusst
    Und weiß, dass Gestern nichts anderes ist, als die Erinnerung von Heute und Morgen der Traum von Heute
    - Khalil Gibran, Der Prophet


    Schwärze. Jegliche Sicht ist beraubt. Callista trägt ihre Augen geschlossen. Die Sicht der Sichtlosigkeit verbirgt jegliches Ungemach. Das über sie herein brechen kann. Einem trotzigem Kind similär verschließt sie sich all der Gefahr. Boshaftigkeit. Skrupellosigkeit. Sie paart sich mit der grenzenlosen Naivität, dass sie unverletztlich ist und in ihren jungen Jahren glaubte sie noch an die eigene Unsterblichkeit. Bar jeglicher Faktizitäten. Callista spürt die Arme um sich geschlungen. Nicht im Tanz der Leidenschaft. Im Reigen einer Liebkosung. Hart. Unerbittlich. Ähnlich eisernen Ketten. Die ihr die letzte Luft abschnüren. Sie versucht sich zu befreien. Zwecklos. Hinwieder gibt Callista nicht auf und ihr Körper strampelt in der festen Umklammerung. Es ist jedoch unerspriesslich und Callista scheint gegen einen Brocken ins Feld zu ziehen.
    "Hör auf zu zappeln."
    Dunkel ist die Stimme des Briten. Raunt es in ihre Ohrmuschel. Presst die Hand fester auf den verwöhnten Patriziermund. Den Erdbeermund. Der sonst Küsse und zarte Berührungen gewöhnt ist. Eisern. Rabiat. Doch es verhilft nicht sie zur Ruhe zu bewegen. Ihre gedämpfte Renitenz ist durch die Hand des Briten deutlich zu vernehmen. Es raschelt. Äste knacken. Waffen werden gezogen. Callista sieht nichts von all dem. Sie hat ihre Augen inskünftig verschlossen. Der Körper. In dem Callista gefangen ist. Er spannt sich um ihren eigenen Corpus an. Ein höhnisches Lachen dringt an ihr Ohr.
    "Wen haben wir denn hier? Ist das nicht unser kleiner Verräter. Was treibst du dich im Wald herum? Yannig?"
    Die Arme lösen sich um Callista und sie schlägt ihre Augen auf. Bärtige Gesichter starren sie an. Grüne und blaue Augen. Blonde und braune Haare. Starren vor Dreck. Stinken bis zu ihrer empfindlichen Nase. Sie verzieht ihr Gesicht und wären nicht die Waffen, sie würde sich umdrehen und schnell das Weite vor den Flohträgern suchen. Doch ein Schwert fuchtelt ihr unter der Nase herum. Sinnbildlich. Einige Hand weit ist es noch entfernt. Die eiserne Umarmung löst sich und Callista vermag auf ihren eigenen Füßen zu stehen. Sie atmet tief durch. Wären nicht jene Wegelagerer. Sie würde ihren Zorn über die grobe Behandlung an dem Briten auslassen. Jedennoch beäugt sie zweiflerisch die Waffen vor ihr. Insbesondere die Träger der Nämlichen. Als sie zurück weicht. Stößt ihr Rücken gegen die Brust des Yannig.
    "Nichts. Nichts, was Dich angeht. Ronan."
    Der Angesprochene schnaubt en canaille. Die Männer umkreisen sie. Die Patrizierin. Und den Briten. Es ist schnell klar. Sie hegen keine guten Absichten. Geschweige denn, dass sie die Beiden ziehen lassen. Ein trotziges Aufbegehren von Yannig. Die Männer schlagen ihn nieder. Callista beugt sich vorläufig der Macht. Aber mit erhobenen Hauptes. Augen sprühen Blitze. Wäre sie eine Tochter des Iuppiters. Die Männer lägen tot im Gras. Schweigend folgt Callista. Ungerührt betrachtet sie den bewusstlosen Briten.


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    Dunkel tropft es in der Kavität. Pilze verströmen ihren putreszenten Ruch. Füße taumeln über den felsigen Boden. Es sind die Wegelagerer. Die Rebellen. Die Insurgenten. Mit ihnen führen sie zwei Gefangene. Yannig. Der Brite. Der sich stolz und doch so sarkastisch gebärdet und keinen Respekt hat. Vor der Patrizierin. Die die Zweite ist. Claudia Callista. Verbannte in Britannia. Verlobte eines Ritters. Den sie verachtet. Und vor dem sie flüchten will. Noch ehe eine Ehe geschlossen wird. Schwarze Gedanken umkreisen ihren Geist. Wenn sie an jenen versprochenem Römer denkt. Aber jetzt spürt die die harte Wirklichkeit. Die sich in ihren Rücken bohrt. In Form eines Streitkolbens. Er stößt sie nach vorne in die schwarze Höhle. Hernach folgen die Männer. Callista unterdrückt einen empörten Ausrufer. Sie presst ihre Lippen zusammen zu einer schmalen Linie. Licht fällt auf die Aushöhlung im Berg. Die das Versteck der Widerständler ist. Der Brite wird similär einem nassen Sack auf den Boden geworfen. Callista bleibt stehen bis grobe Hände sie herunter drücken.
    "Fesselt sie. Beide."
    Kehlig. Rau. Fremd. Callista versteht den Rebellen nicht. Er spricht in seiner Muttersprache. Aber die Fesseln brauchen keine Worte. Die ein anderer Mann hebt und anfängt den bewusstlosen Briten der Bewegung unfähig zu machen. Er wendet sich Callista zu. Sie hebt das Kinn und folgt der Aufforderung. Legt die Hände auf den Rücken. Grobes Seil berührt schmerzhaft ihre weiche Patrizierinnenhaut. Callista stöhnt. Wehleidet am Schmerz und lässt es den Mann deutlich spüren. Callista ist gekonnt.
    "Au."
    Der Mann zögert kurz. Doch er bindet weiter. Bis der Knoten getan ist. Die Männer wirken zufrieden und wollen sich zum Gehen abwenden. Callista sieht zu dem Fesselkünstler.
    "Kann das Licht hier bleiben? Bitte. Ich fürchte mich sonst. Bitte."
    Latein ist ihre Aussprache. Griechisch vermag Callista zudem. Aber zweifelsohne kein Britisch. Schlagartig wirkt sie um Jahre gejüngert. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Ihre Unterlippe zittert und sie sieht den Mann verzweifelt an. Herzerweichend. Flehend. Schnell einem Mann ein falsches Faktum zu mimen. Darin ist Callista meisterhaft. Die Spinne webt ihr Netz. Die Fliege verfängt sich darin. Er nickt. Und lässt ein Licht zurück.
    Launisch. Temperamentvoll. Stur. Zickig. Callista ist von kurzlebigem Naturell. Aber sie kann auch geduldig sein. Sie wartet. Bis die Männer ruhiger werden. Sie verharrt. Bis der Brite stöhnt und die Augen aufschlägt. Es bedarf einige Momente. Bis er versteht, wo sie sind. Er spürt ihren dunklen Blick auf sich ruhen.
    "Bei Aedd Mawr. Vermaledeite Kerle. Es tut mir leid."
    Callista lächelt spöttisch.
    Er entschuldigt sich?
    Für etwas woran er keine Schuld trägt. Welch ein Narr.
    Traun.
    " Wir werden fliehen."
    Der Brite zerrt an seinen Fesseln. Sie sind stramm.
    "Fliehen, Weib? Du siehst. Wir sind gefesselt."
    Das Gespött weicht nicht von Callistas Lippen.
    "Du vielleicht."
    Sie dreht ihre Handgelenke. Macht sie schmal. Und befreit ihre schmalen Hände von den Fesseln. Triumphierend hebt sie die Taue und lässt sie wie Schmutz auf die Erde fallen. Yannig pfeift anerkennend aus. Leise. Geschmeidig erhebt sie sich. Beugt sich über den Briten und löst schnell die Fesseln. Ihr Kinn deutet auf die Lichtquelle.
    "Wage es nicht. Mich ein zweites Mal so zu nennen. Ergreife das Licht. Wir fliehen nicht dorthin."
    Sie meint den Weg, den sie gekommen sind. Sie hat die Männer gehört. Sie harren in den vorderen Höhlen. Sie sieht auf eine Felswand.
    "Dort ist ein Durchgang. Dort werden wir unser Heil suchen."
    Skeptisch wirkt der Brite. Aber er sieht es ein. Dass ihnen keine andere Wahl bleibt. Callista lächelt hinwieder vergnügt. Ein Abenteuer hat begonnen. Ihr Herz schlägt schneller. Das Blut wallt. Ihre Wangen röten sich vor Aufregung. Sie lebt. Die Monotonie ihres Lebens ist verflogen. Zumindest für den Moment. Schnell geht sie auf die Knie und fängt an durch das schwarze Loch zu kriechen. Verwundert betrachtet der Brite sie. Scheint sie nicht wieder zu erkennen. Die Flucht beginnt.

    Ein rechter Räuber, seines Werts durchdrungen,
    Und sei er auch der Schule just entsprungen,
    Kann nicht der Bürger glatte Wege wandeln,
    Wo Förster und Magister ihm begegnen.
    Er braucht das Dickicht, wo kein Hund ihn wittert,
    Braucht finstre Höhlen, buschwerkübergittert,
    Wo kein Gesetz ihm lähmt das kühne Handeln
    Und keine Prügel in sein Handwerk regnen.
    Hohe Sommertage, Gustav Falke



    Grüne Teppichwolken. Fetzen von ätherischem Gras. Geschwindigkeit. Brausende und berauschende. Das Pferd scheint zu fliegen über die Landschaft von Britannia. Im Sonnenschein des ersten und noch kühlen Frühlingstages. Geschmeidig sind die Muskeln unter ihren Schenkeln. Leicht ist ihr Gewicht. Wie eine Feder auf dem Rücken des Pferd. Und so jagt es dahin ohne Reiter. Scheinbar. Mit weit ausholenden Hufen prescht es unter Zweigen entlang. An Hügeln vorbei. Immer dem Horizont entgegen. Den Briten hat sie längstens abgehängt. Ein herrliches Tier hat sie unter ihren Schenkeln. Es sprüht voller Kraft. Voller Leben. Und makelloser Schönheit. Tugenden. All die Nämlichen schätzt Callista. Callista von den Claudiern. Jugend. Schönheit. Leben. Callista ist geblendet von der Oberfläche. Betört. So sie es versucht. Andere zu täuschen. Schönheit über einer niedrigen Seele zu legen.
    Sie duckt sich unter Zweigen weg. Lenkt das Pferd über eine Kuppel und auf einen dichten Wald zu. Die hohen und mächtigen Bäume umschließen Pferd und Reiterin. Die Hufen fallen auf weiches Gras. Moos zwischen den grünen Grashalmen. Weich über schorfe Stämme. Hoch und dicht in diesem Wald. Klein und verloren die Blüten von blauen Krokussen und weißen Anemonen am Laufe eines Bachs. Sterne zwischen grünem Himmel.
    Callista zügelt das Pferd und lässt es bis zum Bach austraben. Sie gleitet geschmeidig vom Tierrücken. Ihr Schuhwerk zertritt einer der perfekt geformten Blütengemälde. Zertrampelt die natürliche Harmonie. Versinkt im saftigen Gras von diesem fremden Land. Dass sie nur zu hassen gelernt hat. Aber das erste Mal eine Schönheit in der Provinz zu entdecken vermag.
    Calliste senkt ihren Oberkörper. Streckt ihre schmale Hand aus. Und entreisst der fruchtbaren Erde eine Anemone. Einen Stern des Bodens. Der Stengel zerbricht. In wenigen Stunden wird die Blume verdorrt und hässlich sein. Wie viele Dinge. Die Callista in ihrem Leben berührt hat. Und Verderben gesäht über jene Nämlichen. Arglos und scheinbar ohne Bösartigkeit dreht sie das Gebilde zwischen ihren zwei Fingern.
    Hufschlag. Ein schnaubendes Pferd. Ein schnaufender Reiter. Schritte. Die sich ihr nähern und eine Hand. Die grob ihre Schulter packt und Callista herum dreht. Zornig gerötet ist das Gesicht des Briten. Seine Augen funkeln wütend. Seine Muskeln im Gesicht zu einer Maske des Furor verzogen.
    "Du verwöhnte kleine Patriziergöre."
    Grollend wie eine Meereswoge über den Steinen. So ist seine Stimme. Callista beachtet ihn mit Befremdung. Niemand wagt es so mit ihr zu sprechen. Mitnichten ein Peregrinus. Dahingegen tat dieser Peregrinus das. Betont betrachtet sie die Hand. Die das Arbeiten gewöhnt war. Und die Nämliche ihre Schulter schmerzhaft hielt.
    "Was denkst du dir. Wo du bist, Claudia? Das hier ist kein Land für zierliche und zimperliche Römerinnen."
    Zimperlich. Hat er zimperlich gesagt?
    Traun, Callista. Sehr deutlich.
    Was nimmt er sich heraus?
    "Wage es nicht. Derart das Wort zu erheben, Peregrinus. Ich bin Claudia Callista. Die Nachfahrin großer und göttlicher Kaiser. Und ich bin nicht -"
    Sie verstummt. Unfreiwillig. Denn der Brite packt sie. Schlingt einen Arm um sie und presst eine Hand vor ihren Mund. Gepresst dringt ein wütender Schrei aus ihrem Mund und sie beginnt wild zu zappeln. In seinen Armen. Die ungleich stärker als sie sind.
    "Sei still!"
    Das Raunen ist nutzlos. Callista ist in Rage.

    Im Schutz der schwarzen Eiben sitzen aufgereiht die Eulen,
    fremden Göttern gleich;
    ihr rotes Auge glüht. Nachdenklich.
    Reglos sitzen sie bis zu der traurig ernsten Stunde,
    da Finsternis, die schräge Sonne abwärts stoßend,
    rings sich verbreiten wird.
    Ihre Haltung lehrt den Weisen,
    dass er in dieser Welt die Unrast meiden soll und die Bewegung;
    Der Mensch, der einem flüchtigen Schatten trunken nachjagt,
    trägt stets die Strafe, dass er den Ort verändern wollte.
    - Die Eulen, Charles Baudelaire


    Unendliche Weite. Stahlgrau. Morastig. Unergründlich. Klingenbrecher. Wellenstahl. Ergießen sich über schwarze Steine. Ein drakonischer Strand. Der Atrozität. Ferne. Fremdheit. Verloren und einsam. Rote Schleier. Dünne Stoffe. Sie rascheln an ihrem schlanken Leib. Steine knirschen unter ihren bloßen Füßen. Rundungen. Die sich in ihre Haut graben. Kanten. Die ihr weh tun. Es ist als ob das Land sie hasst. Und sie diese Gefilde. Frostklirrend weht eine stürmische Brise über das Meer. Die Wellen insistieren in ihrer Bewegung. Einem Relief similär. Eine Möwe. Sie steht am Himmel. Schwarz bekränzt von der bleichen Sonne.
    Die Hand. Erhoben zum Horizont. Verharrt in der Regung. Hoffnungsvoll. Doch kein Schiff erscheint. Kein Schwan der Menschen breitet seine Flügel aus. Sie zu erretten in dem Land des kalten Grau.
    "Weshalb müssen wir stets verlieren, um zu wissen, wie man gewinnt?"
    Sie dreht sich um. Wellen klatschen gegen Ufer. Laut. Brutal. Schmetternd. Sie sieht in sein Gesicht. Unendlich enttäuscht. Hager. Verhärmt. Flehend streckt sie ihm die Finger entgegen. Er weicht zurück. Verschwindet im schwarzen Äther.
    Ca
    Cal
    Callista.
    Lippen ohne Münder. Formen ihren Namen.
    Niemand.
    Nichts.
    Keine Rettung. Desperation verschlingt sie. Zieht sie in einen schwarzen Wald grauer Trauerweiden. Deren Zweige herab hängen in einem nebligen Weiß. Es knackst unter ihren Füßen. Ausgeliefert. Verloren.
    "Die Götter neiden es den Menschen. Das Glück am Leben. Sie nehmen. Als grausame Strafe."
    Schnäbel glotzen auf Callista. Eulenschnäbel. Im Gesicht von Menschen. Menschenköpfe auf Eulenkörper. Auf einem schwarzen Ast sitzen sie. Es ist der stolze Brite. Er starrt sie an. Seine Mund bewegt sich. Seine Federn richten sich auf. Er schüttelt seine grau-weißen Eulenflügel. Seine gelben Augen starren. Die Äste ächzen. Die Zweige seufzen. Der Wald weint. Callista sinkt in sich zusammen. Welt ohne Körper. Körper ohne Sein. Es zerfließt nebulös.
    /"Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein."\
    Claudia.
    Callista.
    Nicht allein. Immer Du.
    Inexistenz. Existenz. Sein. Schein. Traum. Muße. Muss. Muse.
    "So ist mein Glück keines, da niemand lebt wie du, und doch du einzigartig bist."
    Callista sieht auf. Erblickt ihn. Lächelt. Streckt ihm die Hand entgegen. Gleißendes Licht bestrahlt ihn. Illuminiert seine göttliche Gestalt. Apollon selber neigt sein Haupt zu ihr. Kluge Augen sehen ihr in die Seele. So tief wie der Brunnen der Weisheit. So olympisch wie die Harfe des Sonnengottes. Ehrvoll. Ehrenhaft. Ehrerbietig. Erhaben. Erfüllend. Das Licht der Phantasie. Das sie zu den hohen Sphären tragen will. Kein Wort vermag es zu beschreiben. Was er ihr bedeutet. Was er vermag. In ihr auszulösen. Ohne ihn ist sie ein Schatten. Ein Hauch ihres Seins. Ein welkes Blatt im anbrechenden Herbst. Eine tote Wurzel im ewigen Winter. Weshalb müssen wir stets verlieren? Verlieren. Verlust. Sie sieht es in seinen Seelenfenstern. Ihre Finger lösen sich. Er tritt zurück in das lichte Gleißen. Das sie blendet. Dieserhalb muss sie ihre Augen schließen. Tränen perlen an ihren schwarzen Wimpern. Ihre Brust hebt und senkt sich in zitternden Wogen. Mit jedem Schluchzen. Das sie tangiert. Das Licht schwindet. Die Bogen von feinem schwarzen Haar um ihre Augen heben sich. Es ist nichts vor ihr. Nur gähnende Leere. Und die Gewissheit. Dass es nie mehr so sein wird. Wie einst. Kronos ist gegangen. Apollon vom Himmel gestürzt. Die Musen im Wind verweht. Und das Zeitalter der Menschen ist noch trüber und grauer geworden.
    Warum?
    Ein solches Licht kann die Dunkelheit der Welt nicht ertragen.
    Traun.
    Sie wusste es. Sie würde nie mehr ohne ihn sein können. Ihre Morphe sank in die Schwärze. Vereinte sich im Nichts.




    An Manius Flavius Gracchus. Meinem Apollon.


    Phoibos, dich preist sogar der Schwan mit rauschenden Flügeln,
    wenn er sich auf die Ufer des wirbelnden Stromes Peneios
    niederschwingt. Dich preist, die helle Leier im Arme,
    zu Beginn und Ende mit holdem Liede der Sänger.


    Heil dir, Herrscher, o neige dich gnädig meinem Gesange.




    _________________
    /Simone de Beauvoire\





    Nun will der Lenz uns grüßen,
    von Mittag weht es lau;
    aus allen Wiesen sprießen
    die Blumen rot und blau.
    Draus wob die braune Heide
    sich ein Gewand gar fein
    und lädt im Festtagskleide
    zum Maientanze ein.


    Waldvöglein Lieder singen,
    wie ihr sie nur begehrt;
    drum auf zum frohen Springen,
    die Reis' ist Goldes wert.
    Hei, unter grünen Linden,
    da leuchten weiße Kleid!
    Heija, nun hat uns Kinden
    ein End all Wintersleid.
    - Volkslied
    [SIZE=7]Zurückzuführen möglicherweise auf
    Neidhart von Reuental (um 1210 - 1240)

    [/size]



    Grün. Zart. Frisch. Es sprießt aus dem grau grünen Wintergras. Das die Kälte vieler Monate ertragen hat. Getränkt von geschmolzenem Schnee. Grauen Wolken. Die ihren Regen auf die Erde geschickt haben. Doch langsam drehen sich die Ströme des Windes. Warme Luft dringt bis zu dem kalten Norden. Es weckt den Frühling in diesen unwirtlichen Landen. Die fürwahr ausheimisch sind. Für Callista.
    Im Sonnenlicht des späten Morgens räkelt sich Callista auf dem Bett. Sie streckt sich. Seufzt. Sieht sehnsüchtig. Hinaus aus dem Fenster. Und langweilt sich schrecklich. Seit zwei Wochen ist sie schon in diesem Haus. Der Landvilla. Monotonie wird nur durch anstrengende und wenig liebsame Zerstreuung unterbrochen. Sanft kitzeln die Sonnenstrahlen über ihre bronzene Haut. Wohlig seufzt sie. Und erfreut sich. Dass es auch in diesem Gebreit Sonne gibt. Wenn auch seltener als in ihrem geliebten Ägypten.
    "Fatigant. Horribel."
    Stumme Zustimmung. Ihre Sklavin neigt ihr Kinn. Callista seufzt bitter. Streckt ihr Bein und wackelt mit den Zehen. Das goldene Kettchen an ihrem Fußgelenk klimpert leise.
    "Wie soll ich das ertragen? Die nächsten Jahre nachher."
    An diesem Tag. An dem Nämlichen hätte Callista allemal die Gesellschaft des Taurus ertragen. Um die Distraktion zu erhalten. Nach der sie begehrt. Sie weiß nichts mit sich selber anzufangen. Alleine. Auf dem Landgut in der Fremde. Doch ihr Anverlobter ist in die Stadt aufgebrochen. Die Stadt, die keine ist. Wenn man es mit Alexandria oder Rom vergleicht. Nur ein unbedeutendes Dorf hinwiederum. Verlassen. Vereinsamt. Vergessen. Derlei perzepiert es die Claudierin.
    "Soll ich Papyrus holen, Herrin? Für Briefe?"
    Zaghaft ist die Frage der Sklavin. Callista blinzelt in die goldenen Strahlen.
    "Nein."
    Ihr ist es nicht nach Briefe schreiben. Sie richtet sich auf.
    "Es ist genug. An Käfig. Ich bin lange genug hier. Ohne etwas gesehen zu haben."
    Dessen ungeachtet, dass Callista kein Interesse an dem Land hat. Doch es kitzelt ihr unter den Fußsohlen. Hinaus zu streben. Sich eine Spur an ihrer alten Freiheit zu verlustieren. Wendig schwingt sie sich aus ihrem Bett. Hebt ihre Arme. Damit ihre Sklavin sie ankleidet. Stoff umschmeichelt ihren Körper. Ungeachtet sie es liebt. Nackt zu wandeln. Doch die Menschen hier würden es nicht verstehen.


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    Der Hund zu seinen Füßen belfert aufgeregt. Zeigt sein breites Raubtiergebiß. Mit dem er Knochen zermalmen kann. Seinen Herrn unterstützend. Der kalt und doch zornig sein Gegenüber anstarrt. Yannig und Arlen. Sie können sich nicht ausstehen. Schon von der ersten Sekunde an. Renitent ist die Haltung des Arlen. Die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Yannig tritt einen Schritt näher an den Kelten. Bohrt seinen Blick in die grünen Augen des angeheuerten Soldaten.
    "Wenn ich Dich noch einmal dabei erwische, Arlen. Dann fliegst Du hier. Das ist meine letzte Warnung. Hast Du mich verstanden, Arlen?"
    Lippen weichen auseinander. Arlen gibt Yannig ein höhnisches Grinsen zurück.
    "So? Komm schon, Yannig. Es ist nur eine Frage der Zeit. Bis der Römer Dein doppeltes Spiel erkennt. Das wissen wir doch beide."
    Yannig richtet sich auf. Zieht seine Augenbrauen zusammen. Wut. Kälte. Sie strahlt aus seinen Augen heraus. Seine Hände ballen sich zu Fäuste. Nur mit Mühe kann er verhindern. Sich auf Arlen zu stürzen.
    "Wer hat... ?"
    Derart beginnt er durch seine zusammen gepressten Kiefer zu zischen.
    "Wo ist der Stall?"
    Beide Männerköpfe wirbeln herum. Starren zu der Frau. Die an den Rand des Hofes getreten ist. Weiße fließende Gewänder mit roten Blumenstickereien verleihen ihr etwas unschuldiges. Der Ausdruck auf dem Gesicht negiert es. Eitle, blasierte Herablassung. Sie unterbricht jedoch den aufkeimenden Streit der beiden Männer. Und verhindert noch eine verhängnisvolle Frage. Die Yannig fast entschlüpft wäre. Verwirrung mischt sich in den Zorn. Der schon herab brandet. Der Anwesenheit der Patrizierin wegen. Er bemerkt auch die Sklavin. Hinter dem Rücken der Claudia.
    "Gleich hinter uns. Wieso?"
    Misstrauen regt sich in dem Briten. Insbesondere als er der Vorfreude der Claudia gewahr wird. Die auf ihrem Gesicht zu lesen ist. Diese lächelt süffisant.
    "So zeige er mir den Stall."
    Gravitätisch schreitet sie auf den Stall zu. Mit einem grimmigen Seitenblick auf Arlen folgt der Brite der Claudia. Durch die offenen Fenster und die Stalltür fällt das Sonnenlicht in den Bau. Staubkörner tanzen in einem munteren Reigen. Glitzern vor goldenem Heu. Pferde schnauben. Stampfen. Ein Besen. Er kehrt eine Stallecke. Wird von einem jungen Sklaven geschwungen. Der faustisch zu ihnen sieht. Inquisitiv inspiziert Callista die Pegasi des Taurus.
    "Welches ist das Schnellste?"
    Argwöhnisch wird Callista beäugt. Schwere Schritte über den Stroh bedeckten Boden. Yannig geht zur nächsten Stalltür. Zwei geteilt. Die obere Hälfte ist offen. Ein Zaun aus Holzbalken. Trennt ein Rund ab. Der Brite deutet mit dem Kinn auf ein Pferd. Ein Fuchs. Unruhig läuft das Pferd von einer Seite zur Anderen. Wirft den Kopf in die Höhe. Schüttelt die Mähne. Stampft mit den Hufen. Die Muskeln spielen unter dem rötlichen Fell.
    "Er. Letztes Jahr ist er eingeritten worden. Doch man kann ihn schwerlich reiten. Er wirft einen Reiter gerne ab. Besonders auf offenem Feld. Er heißt Maponus."
    Das Tier findet Anklang bei Callista. Sie nimmt Maponus in Augenschein. Dreht ihren Kopf unerheblich zu dem fegenden Sklaven.
    "Sattel das Tier, Servus."
    Die Ombrage transformiert sich zu Renitenz.
    "Nein."
    Unternehmungslustig glitzert es in den dunklen Augen. Callista apperzipiert keinen Zorn. Ungeachtet des Widerstandes von Yannig. Ein kalter Blick zu dem Sklaven genügt. Dass der Nämliche indessen nach Zaumzeug greift. Vorsichtig sich dem roten Pferd nähert.
    "Du begleitest mich."
    Ihre Lippen wölben sich nach oben. Während sich ein Seil um den Hals des Pferdes schlingt.
    "Es sei denn, Du fürchtest von einer Römerin abgehängt zu werden."
    Martialisch schnaubend packt der Brite selbiges Rüstzeug für die Rösser. Geht zu einem Anderen.


    Die Sklavin trägt ein Taburett heran. Stellt ihn im Erdreich ab. Das Pferd. Es ist unruhig. Wird mühsam von dem Sklaven an den Zügeln gehalten. Callista steigt auf die Fußbank. Einige Augen verfolgen das. Ein Sklave kichert leise. Sie halten es für die Kapriole einer verwöhnten Römerin. Freuen sich schon auf die Landung im Dreck. Die die Patrizierin alsbald voll führen wird. Callista greift nach den Zügeln. Sie ist zu klein. Um sich vom Boden hoch zu schwingen. Indes hilft ihr der Schemel. Sie fasst mit der anderen Hand in die Mähne. Geschmeidig gleitet sie auf den Rücken des Pferdes. In einem Schwung. Umgehend spannt sich das Pferd an. Unter ihren Schenkeln. Wirft bockig den Kopf in die Höhe. Steigt mit den Vorderhufen hoch. Callista hat es erwartet. Eine Hand in den Sattel. Die Andere an den Zügeln. Die Schenkel halten sie. Sie bleibt oben. Ihr Herz springt genauso in die Höhe. Beginnt aufgeregt zu schlagen. Abenteuer. Gefahr. Sie liebt es. Immer auf Messers Schneide zu wandeln. Die Zügel hält sie fest in den schmalen Händen.
    "Meine Benohé. Du bleibst hier."
    Alsdann lockert sie die Zügel. Einem Pfeil similär. Schießt das Pferd los. Auf das geöffnete Tor zu. Einige Sklaven murmeln enttäuscht. Als die Patrizierin nicht zu Boden fällt. Vielmehr das Anwesen verlässt. Ihr dicht auf der Brite.

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    Zoll für Zoll. Kriecht er über den Boden. Streut Körner aus. Späht an Strohballen vorbei. Nein. Die Sklavin hat ihn noch nicht gefunden. Nero lächelt spitzbübisch. Streut noch mehr goldenen Weizen aus. Einige Strohhalme haben sich seinen schwarzen Haaren verfangen. Seine Wangen sind gerötet. Von der Aufregung. Der Jagd. Wie sein Onkel. Wenn er auszieht. Wild zu erlegen. Nero robbt weiter und stützt sich auf seine Ellbogen ab. Da ist es. Seine Beute. Die er stibitzen will. Im Stall in der Fremde. In Britannia. Er weiß nicht, wo das ist. Sie sind aber lange mit dem Schiff unterwegs gewesen. Noch einige Hand breit. Das Wild. Es ist ahnungslos. Der kleine Junge spannt sich an. Seine dunklen Augen leuchten. Dann springt er auf und stürzt auf das Tier. Er hat es. Es wehrt sich. Seine Klauen dringen tief in Neros Haut. An seinen Unterarmen. Nero wimmert leise auf. Doch er lässt nicht los. Irgendwann hört es auf sich zu wehren. Mit seinen Flügeln. Mit dem scharfen Schnabel. Er spürt das Herz des Tieres. Es schlägt wild. Und schnell. Aber nicht so schnell wie bei seinen Singvögeln. Das Herz der kleinen Vögel rast dahin. Und hört manchmal ganz plötzlich auf zu schlagen. Dieses Herz pumpt langsamer. Aber schnell genug. Nero lächelt zufrieden. Sucht nach dem Bindfaden. Und befestigt es an dem Fuß des Tieres. Dann lässt er es los. Gackernd entkommt das Huhn. Doch nur drei Mal kann es mit den Flügeln schlagen. Dann endet die Freiheit. Die Bindeschnur zieht den Vogel zurück. Der nicht mehr fliegen kann. Zufrieden lächelt Nero.
    "Nero. Wo bist Du?"
    Er duckt sich. Hinter einen Ballen. Ganz langsam schiebt er sich hoch. Späht auf den Hof. Der unter dem Heuboden liegt. Die Inderin. Die Sklavin. Sie sucht ihn. Nero presst die Lippen aufeinander. Atmet nicht. Hofft, dass sie ihn nicht findet. Er mag die Sklavin. Sie hat viel Aufmerksamkeit für ihn. Aber manchesmal möchte er einfach davon laufen. Erforschen. Erkunden. Ergründen. Warum die Dinge auf der Welt so sind. Wie sie sind.
    "Nero. Liebling. Es ist Zeit. Für Deine Tropfen. Komm doch, mein Liebling."
    Nero versteckt sich schnell. Angewidert ist sein kleines Gesicht. Er hasst die Tropfen. Sie schmecken widerlich. Aber stärker machen sie ihn nicht. Auch nicht größer. Die Sklavenkinder. Sie wachsen alle schneller als er. Schritte. Sie kommen näher. Verharren. Jetzt schlägt Neros Herz flott. Es rauscht in seinen Ohren. Er fühlt sich gut. Er zittert vor Aufregung. Dann entfernen sich die Füße wieder. Nero atmet auf. Das Huhn flattert. Es versucht vom Strick fort zu kommen. Doch Nero bindet sich diesen an sein Handgelenk.
    Mit den Beinen voran rutscht er zur Kante und setzt seinen Fuß auf die Holzleiter. Um hinunter zu klettern. Er traut sich nicht, die kleine Hühnerrampe runter zu rutschen. Sie sieht ihm zu wackelig aus. Schon hüpft er auf den Boden. Mit einem Ruck wird das arme Federvieh hinter her gezogen. Es flattert wild. Kann jedoch nicht fliegen. Fasziniert verfolgt Nero die Bemühungen des Tieres. Dann läuft er weiter. Das Huhn hinter sich her ziehend wie einen Hund.


    Schnell rennt Nero die Palisade entlang. Die Steinerne. Die zum Schutz des Anwesens errichtet wurde. Immer wieder zerrt er an dem Strick. Doch der Vogel will nicht fliegen. Immer wieder schleift Nero das verängstigte Tier hinter sich her. Dann gibt er auf.
    "Blöder Vogel."
    Verdrießlich spricht er die Rüge. Der Vogel kauert sich zusammen. Zieht den Kopf zwischen seine Federn. Ist völlig panisch. Stellt sich tot. Nero wölbt seine Lippen zusammen. Dann beugt er sich herunter. Um greift den Vogel. Er tritt zur Ballestrade und streckt seine Hände darüber hinweg.
    "Böser Vogel. Du musst schon fliegen lernen. Du bist doch ein Vogel. Los. Wenn ich Dich fallen lasse. Dann musst Du fliegen. Sonst bist Du tot. Dummes Federvieh."
    Nero lockert den Strick. Streift ihn von seinem Handgelenk. Schon will er los lassen.
    "Was tust Du da, Junge?"
    Ertappt dreht sich Nero um. Lässt dabei das Huhn los. Dass sich mit zwei Flügelschlägen von der Schwindel erregenden Höhe retten kann. Auf der Mauer landet und davon flieht. Enttäuscht sieht Nero dem Vogel hinter her.
    "Nichts."
    Unschuldig sieht Nero auf. Und erblickt den Mann. Den seine Mutter heiraten soll. Den sie nicht mag. Das spürt Nero. Er ist in dieser Hinsicht sehr empfindsam.
    "Nero. Das ist Dein Name."
    Es ist eine halbe Frage. Nero presst die Lippen aufeinander. Sie bilden jetzt einen Strich. Er sieht den Mann unwillig an. Langsam nickt er. Aber sonst will er mit dem Mann nicht sprechen. Der seine Mutter unglücklich macht. Und Nero liebt seine Mutter sehr. Auch wenn diese sich zu wenig um ihn kümmert. Gleichfalls er ihr nicht so viel bedeutet. Wie er es sich wünscht. Nero hängt trotzdem an ihr. Sehr. Wohl als einziger Mensch auf der Welt mit dieser Bedingungslosigkeit.
    "Magst Du Hühner?"
    Eine doofe Frage. Das findet Nero die Nämliche.
    "Ich mag Vögel."
    Jetzt hat er sich doch herab gelassen. Dem Mann zu antworten. Nero ärgert sich. Über sich selber. Lässt seinen Mund wieder zu einem Strich werden. Nero taxiert den Fremden. Der Mann betrachtet ihn nachdenklich.
    "Im Dachboden ist ein Falkennest. Mit kleinen Vogelkindern. Soll ich sie Dir zeigen?"
    Es ist ein Friedensangebot. An Nero. Der Junge denkt nach. Er will nicht illoyal sein. Sich mit dem Feind seiner Mutter einlassen. Aber die Falkenjungen möchte er schon gerne sehen. Seine Unterlippe wandert nach rechts. Dann nach links. Als er wägt. Die Lage überdenkt. Darnach deutet er seine Zustimmung an. Mit seinem Kopf. Aber er wird nichts sagen. Nur angucken. Mehr nicht. Die angebotene Hand des Mannes schlägt er aus. Er dreht sich um und tappst die Treppen hinunter.




    Sacerdos. Der Begriff scheint mir an sich schon sehr nebulös zu sein. Derjenige, welcher die heilige Handlung vornimmt. Grundsätzlich ist das ein Terminus, den man auch auf die Magistrate anwenden kann. Die die Opferhandlungen vornehmen. Aber die Frage nach dem Sacerdos Publicus hat mich in meinen Büchern suchen lassen. Und was ich fand, hat mich zu einem ähnlichen Schluss kommen lassen. Dass es neben den Magistrati als Priesterschaft die Kollegien gab. Aber von einem sonstigen, davon getrennten Priesterstand habe ich nichts gelesen.


    Ich vergass zudem eine Göttin. Ceres. Sie hatte auch eine Priesterin. Isis natürlich auch. Aber das ist eindeutig ausländisch. Wie du schon erwähnt hast. Wenn auch nicht unbeliebt bei den Römern. Im Gegenteil.



    Ad Sabinus: Deine Frage summiert sich in eine Reihe von Diskussionen. Sie ist eine logische Konsequenz aus der Entwicklung der Frauenrolle. In dieser Simulation. Dennoch eine Seite, die 'frau' gut verteidigen muss. Um wenigstens einige wenige Felder der öffentlichen Betätigung zu haben. Die, Axilla erwähnte es schon, über die Einkaufs- und Ehemann-Such-Threads hinaus gehen.

    Zitat

    Original von Iunia Axilla
    ...


    Traun. So sehe ich das auch.
    Dazuhin darf man den Fortuna-Kult nicht vergessen. Der war auch sehr weiblich dominiert. Historisch gesehen. Und wenn mein Wissen mich nicht betrügt.

    Blass. Fahl gelb. Die Sonne erreicht kaum den Erdboden. Fern und weit weg scheint die Scheibe des Helios von Britannia zu leuchten. Als ob ihr das Land zu wider ist. Aber so will es nur Callista sehen. Ihr Kreuz gerade. Ihr Kinn hoch erhoben. Die Gestalt angespannt. Sie lauert und belauert. Wird geprüft. Gewogen. Gemustert. Von den Augen des Taurus. Am Tage sieht sie jeden einzelnen Makel in seinem Gesicht umso deutlicher. Jede Falte, die das Leben in seine Haut gegraben hat. Regungen. Sentiment. Tiefe Spuren haben sie hinterlassen. Krähenfüße um die Augen. Vom Lachen. Eine Furche zwischen den Augenbrauen. Vom Zorn. Das auf und ab der Haut fasziniert Callista. Vermag sie jedoch nicht anzuregen. Zu kordialen Empfindungen. Abscheu weckt diese. Das Wägen findet ein Ende. Sie sehen auf das Frühstück.
    Das Brot. Es dampft noch von der Hitze des Ofens. Honig glänzt golden in einer Tonschale. Etwas Weißes. Was Callista nicht kennt.
    "Hast Du gut geschlafen?"
    Sinnlosigkeit. Banalitäten. Callistas Mund verzieht sich spöttisch.
    "Ja."
    Es entspricht der Richtigkeit. Einem Stein similär. So hat sie die Stunden vor Morgengrauen verbracht. Tief schlafend. Nach der Tortur der letzten Nacht. Nein. Der letzten Wochen. Darum war sie heilfroh um ein Bett unter einem beständigen Dach. Callista dreht das Stück Brot auf dem Teller. Sie hat keinen Hunger. Morgens nie. Stille. Sie spricht nicht. Spürt dabei weiterhin. Dass er sie prüfend mustert.
    "Wenn Du möchtest, kannst Du mich morgen in die Stadt begleiten."
    Callista sieht von dem Brot auf. Stadt? Welche Stadt? So etwas gibt es in Britannia? Das die Bezeichnung auch wert war? Und nicht mehr war als eine größere Ansammlung von Kuhhäusern? Skepsis formen ihre Lippen und zeigen ihre Augen.
    "Eventualiter."
    Ein Löffel klappert an Geschirr. Verdünnter Wein rinnt menschliche Kehle hinab. Zähne zermalmen Brotkruste. Mahlen und zerkleinern. Ehe auch der Bolus hinunter wandert. In das Innere des Mannes. Callista schaudert. Sie findet es abscheulich. Und zwingt sich mit aller Macht. Sitzen zu bleiben.
    "Womöglich findet auch eine Theatervorstellung statt."
    Lockend. Versöhnend. Mit der versteckten Botschaft. Dass es auch Kultur in Britannia gibt. Callista tut überrascht.
    "Theater?"
    Taurus neigt sein Kinn nach unten. Eine Nuance. Als Zeichen seiner Bestätigung. Die er mit Worten untermalt.
    "So ist es. Eine Truppe aus dem Süden gastiert momentan in der Stadt."
    Callista lässt sich Wein ein gießen.
    "Gut."
    Ob das Theater wirklich ihre Pläsier zu wecken vermag. Das bezweifelt sie.


    Türflügel öffnen sich. Ein kühler Wind weht hinein. Es zischt in den immer brennenden Kohlebecken. Die zu dieser Jahreszeit zu jeder Stunde neu geschürt werden. Damit die Kälte nicht zu sehr in die Gemäuer kriechen. Auch unter dem Boden wabern warme Dampfschwaden entlang. Wärmen den Stein. Doch nun tritt Kühle in das Speisezimmer. Und mit dem morgendlichen Frost folgt eine Gestalt. Die Callista vertraut ist. Es ist der Brite. Der noch im Morgengrauen die Hütte verlassen hat. Die bäuerliche Kate. Das erste Nachtlager, in dem Callista traumlos in Britannia verbracht hat. Obwohl Callista allzeit lebhaft träumt. Denn Phantasie und Schimären besitzt Callista genug.
    Der Brite. Er streicht einen Umhang zur Seite. Der vom Regen benetzt ist. Wie ein feines Gespinst einer Wasserspinne. Tropfen spritzen auf den Steinboden. Er bleibt vor dem Tisch stehen und deutet eine Verbeugung an. Callista hat er noch nicht bemerkt. Was sie kränkt.
    "Herr. Es gibt Probleme. Die letzte Lieferung wurde auf dem Nordpass abgefangen. Dieselben Halunken."
    Suetonius Taurus lässt seinen Becher sinken und runzelt verärgert die Stirn. Da. Da ist sie. Die Furche zwischen seinen Augenbrauen. Sie vertieft sich links und rechts zu einem tiefen Tal. In der Mitte erhebt sich ein Hautberg. Callista betrachtet das. Ein deutliches Zeichen seines Alters. Womit er jeden Tag in schnellen Schritten näher dem Tod kommt. Die Patrizierin erschauert.
    "Leidlich."
    Taurus setzt den Becher ab. Callista reckt sich.
    "Halunken?"
    Die Augen des Briten wandern augenblicklich zu ihr. Erstaunen. Verwunderung. All das sieht sie in seinem Gesicht. Klar und deutlich. Man sieht ihm vieles an. Findet sie.
    "So ist es. Diebe. Die sich schon seit Wochen in der Gegend herum treiben. Aber wenn ich vorstellen darf? Claudia Callista, das ist Yannig. Er steht seit einigen Jahren in meinen Diensten."
    Yannig scheint kein Sklave zu sein. Taurus erklärt sie. Ihm gegenüber. Callista bemerkt das.
    "Das ist Claudia Callista. Sie ist meine Verlobte. Ich habe Dir doch von ihr erzählt."
    Lippen. Sie formen lautlos ihren Namen. Der Mund von Yannig öffnet sich erstaunt. Natürlich wusste er es nicht. Callista hatte ihren Namen nicht genannt. Noch ein anderer Ausdruck ist in seinen Seelenspiegeln zu sehen. Callista vermag ihn nicht zu deuten.
    "Dann werdet ihr sicherlich noch viel zu tun haben. Ich möchte nicht stören."
    Callista erhebt sich. Sie hat keinen Bissen angerührt. Ihr Verlobter nickt zerstreut. Scheint sich schon um seine weltlichen Probleme Sorgen zu machen.
    Schnöder Mammon.
    So sind sie. Die Ritter. Habgierig.
    Traun.
    Callista wendet sich ab. Fühlt sich überlegen. Weil sie nur Geld ausgeben kann. Es aber nie selber verdient hat. In ihrem ganzen Leben. Sie spürt noch den Briten. Der ihr nach sieht. Als sie den Raum verlässt.

    Rauch beleckt die Wände. Hinterlässt feine Rußspuren. Alle paar Jahre muss die Farbe erneuert werden. Die kostbaren Pigmente neu aufgetragen werden auf den Fresken. Die die Innenseite der Landvilla bedecken. Glutlicht wabert über die zierliche und kleine Gestalt der Patrizierin. Sie sieht aus dem Fenster. Erblickt schwarze Baumschatten. Die sich dem Wind beugen, wie Sklaven ihrem Herrn. Ein Vorhang bläht sich. Vor dem geöffneten Fenster. Schlanke Finger streichen sie zur Seite und dunkle Augen schauen in den Abend hinaus. Der in diesen Landen besonders früh zu kommen scheint. Sie seufzt. Tief. Herzergreifend. Doch es berührt die Sklavin nicht. Die leise die Kleidung einräumt. Die noch in den Kisten verstaut war. Callista ist in ihrem neuen Cubiculum. Ein großzügiges Gemach. Das will sie gerne zu geben. Es stimmt sie wieder milder. Dennoch ist sie angespannt. Similär einer Wildkatze. Die sich bereit macht eine Feldmaus zu erschlagen. Rascheln von Stoff. Holz als es aufeinander trifft. Eine Kiste wird verschlossen. Sie ist leer geräumt.
    "Meine Benohé?"
    Kalt liebkost die Luft ihr Gesicht. Sie spürt sie. Die Sklavin an ihrem Rücken. Finger, die ihr Gewand berühren. Als ob sie den Glanz einer Göttin erheischen wollen, aber es nicht wagen. Ihn zu durchbrechen. Callistas Mundwinkel heben sich amüsiert. Die Schüchternheit ihrer Sklavin ist eine neue Seite. Oder war es etwas anderes?
    "Was hältst Du von ihm?"
    In das Gesicht der Inderin sieht Callista nicht. Schwarze Baumriesen betrachtet sie. Die in der Nacht fest gewurzelt scheinen. Und sich im Morgenrot aus dem Erdreich fort bewegen würden. Um einen neuen Rastplatz zu finden. Ehe die Menschen sie bemerken.
    "Er ist alt."
    Callistas Atem entweicht in einem warmen Hauch.
    "So ist es."
    Sanft streicht der Luftodem über ihren Nacken. Callista schließt die Augen. Die Wildkatze in ihr streckt sie wohlig.
    "Er wird Dich nicht glücklich machen."
    Die Katze springt auf und faucht. Callista öffnet die Augen und dreht sich um. Schwarz bohrt sich in Braun. Zwei Finger breit sind ihre Gesichter getrennt. Genugtuung. Ein Schatten ist in dem Seelenspiegel der Benohé zu sehen. Callista entgeht er nicht. Sie kennt ihre Sklavin gut. Sehr gut. Benohé ist jedoch nicht sacrosanct. Obwohl Callista an ihr hängt. Ohne Zögern würde sie die Sklavin an das Kreuz schlagen lassen. Wenn ihr danach ist. Wenn sie auf begehrt gegen Callista. Lippe presst sich fest an Lippe. Zorn und Misstrauen. Das erweckt die Sklavin in Callista. Aber es gibt etwas, was die Patrizierin fürchtet. Die Einsamkeit. Sie möchte nicht alleine in der Fremde sein.


    Poltern. Krachen. Die Tür öffnet sich. Callistas Kinn wirbelt herum. Erbost. Ihr Zorn richtet sich auf jemand anders. Doch vergessen wird sie es nicht. Was sie an ihrer Sklavin gesehen hat. Ein Sklave. Er betritt toll dreist ihren Raum und guckt sich abschätzig um. Ehe er sie sieht.
    [color=]"Mein Herr schickt mich. Er lädt Dich zur Cena ein."[/color]
    Um einen Zoll wächst Callista in die Höhe. Ihr Kinn hebt sich an. Ihr Gesicht erhält blasierte Züge.
    "Sage Deinem Herrn, dass ich nicht disponiert bin. Ich bin müde. Ein anderes Mal. Und erstatte ihm ebenso berichtet, dass er dereinst keinen Rüpel schicken sollte. Wenn er meine Präsenz wünscht. Geh jetzt, Servus."
    Scheinbar desinteressiert wendet sich Callista ab. Innerlich kocht sie. Der Sklave wird auch noch dafür bestraft werden. Sobald sie glaubt. Es sich leisten zu können. Schweigen. Die Verwirrung springt ihr förmlich in den Rücken. Die der Sklave verspürt. Dann entfernen sich feste Schritte. Ihre Sklavin schließt die Türen zum Gemach. Callista hebt ihre Arme. Sie wird entkleidet. Erschöpft kriecht Callista in das Bett. Es knistert verdächtig nach Stroh unter dem Laken. Sie verzieht das Gesicht. Auch daran wird sie etwas ändern müssen. Morgen. Und entschläft.


    Feucht glänzt das Gras. Das bis zu den Waden hoch steht und sich im kalten Wind beugt. Die Sonne strahlt leichenbleich über die Erde Britannias weg. Im kläglichen Rest des Tages. Feuerkohlebecken erwärmen die Räume. Belecken die Innenwände der Villa Rustica mit ihrem rot gelben Schein. Spielen mit den Schatten auf dem weißen Gemäuer. Schritte hallen in dem Gang wieder. Schnell und eilend. Ein Sklave. Ein Junger, kaum dem Knabenalter entwachsen. Er rennt auf eine der Türen zu und reißt sie auf. Rot glimmt die Kohle und färbt den grauweißen Bart in einen blutigen Schein. Titus Suetonius Taurus hebt seinen Kopf an. Sieht von Schriftrollen auf.
    "Sie kommen, Herr."
    Der junge Mann strahlt aufgeregt. Taurus hebt eine Augenbraue. Er legt die Schriftrolle zur Seite. Auf einen Haufen vieler Pergamente. Leder. Das sich in dem feuchten Klima von Britannia besser hält. Als das vergängliche Papyrus.
    "Eile voran und rufe alle zusammen. Zündet die Lichter im Hof an. Beeile Dich, Belenos."
    Eifrig. Belenos rennt davon. Rufe tönen durch die Villa. Das Leben flammt auf. Wie die roten Kohlestücke aus denen Feuerzungen empor tanzen. Und warm das Arbeitszimmer erhellen. Taurus greift nach einem schweren goldenen Ring. Der seine Ritterwürde offenbart. Ebenso der purpurne Streifen am Rande seiner Tunica. Seine Gedanken schweifen zu dem Brief. Von seinem Bruder verfasst. Er hat seine Braut besehen. Die Tochter seines früheren Freundes. Claudius Myrtilus. Lange ist es her. Dass er den Claudier gesehen hat. Zusammen gedient hatten sie. Bei der Flotte. Äonen scheint das her zu sein. Die Jahre sind im Flug an ihm vorbei gezogen. Taurus seufzt.
    Jung. Schön. Das soll sie sein. Sie hat die Dame des Hauses zu sein. Aber mehr erwartet Taurus nicht. Sie muss nicht klug sein. Sie muss ihn nicht amüsieren. Selten vermag eine Frau das noch. Über dem dunklen Holzstuhl mit den runden Lehnen liegt sein dunkelblauer Überwurf. Er nimmt ihn in seine Hand und schreitet gemessenen Schrittes in den Gang hinaus. Ohne Eile strebt er auf den Hof.


    Dämmerung steigt auf. Die Dunkelheit naht. Wie ein schwarzes Band kriecht es über die matte Helligkeit des Tages. Frisst den Schein der Sonne hin fort. Die bleich hinter den Wolken erstrahlt. Feuchtigkeit und Regen hängen in der Luft. Wie in den letzten beiden Tagen. Ihrer Reise über das Land. Wälder. Wiesen. Wälder. Wilde Tiere. Mehr erblickt Callista von dem Land nicht. Große Seen streifen vorbei. Hügel. Einige Vögel schweben in der Luft. Einen Adler erblickt sie am Morgen. Sie sieht seinen majestätischen Flug und ihr Herz hüpft in die Höhe. Sie wäre auch gerne ein Adler. Der tödlich seine Klauen in das Opfer fahren konnte. Aber über allem erhaben war.
    Sanft schaukelt die Sänfte. Sie trägt Nero. Der müde ist. Er schläft auf den weichen Kissen. Schon seit einigen Stunden. Callista reitet indes hoch zu Ross. Ihr Umhang fällt weich über den Rücken des Pferdes. Hinter ihr sind die Männer. Leibwächter von Suetonius Taurus. Rau ist das Land. Gefährlich. Einige üble Gesellen haben die Männer schon vertrieben. Die interessiert die Kisten auf dem Wagen beäugt haben.
    Die Sonne weicht zurück. Zieht ihr Licht von dem Weg hin fort. Der auf das Anwesen zuführt. Die Wälder streben auseinander. Mauern erheben sich inmitten von Grün. Wehrhaft und mit Türmen an den Ecken. Eine Villa Rustica thront zwischen ihnen. Pferde. Schafe. Sie grasen auf saftigen Wiesen. Callista zügelt ihr Pferd. Die Villa wirkt gedungen. Ihr fehlt die Anmut der Ägyptischen. Sie passt zu diesem Land. Findet die Patrizierin. Ihre Fersen stoßen in die Flanken. Das Pferd trabt auf die Tore zu. Vorbei an der hohen Statue.


    [Blockierte Grafik: http://img368.imageshack.us/img368/8048/taurusbh5.gif]


    Lichter brennen im Innenhof. Fackeln flackern über den Kies und lecken in den dämmrigen Himmel empor. Tuscheln. Mauscheln. Die Sklaven flüstern. Einige Frauen kichern leise. Denn sie sind alle gespannt. Wer an diesem Abend in die Villa ziehen wird. Um die Frau ihres Herrn zu werden. Die ihnen in Zukunft auch Befehle geben darf und wird. Einige Hunde kläffen in den Stallungen. Eine Ziege dreht sich aufgeregt an dem groben Strick. Der sie an einem hölzernen Pfahl neben der Mauer fest hält. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Inmitten aller Sklaven und Angestellten wartet Taurus. Seine Augen sind auf das Tor gerichtet. Das noch geschlossen ist. Wachen stehen auf den Zinnen und starren auf den Weg. Dann schwingen die Tore auf. Pferde traben hinein. Ein Stück vor der Sänfte und dem Wagen. Taurus will den Pferden keine Beachtung schenken. Erwartet die Patrizierin in der Sänfte. Ein Pferd trabt auf ihn zu. Er sieht hoch. Sein Mund öffnet sich. Eine Nuance. Vor Verwunderung. Eine Frau sitzt auf dem Pferderücken. Einige schwarze Strähnen kitzeln ihr neckisch an der Wange. Streichen über ein kleines Ohr. Bronze ist die Haut. Stolz und gerade die Haltung. Eine tadellose Reiterin. Was Taurus noch nie bei einer Römerin gesehen hat. Er spürt ihren prüfenden Blick. Abschätzig. Verächtlich. Taurus kennt die Menschen lange genug. Um in dem Gesicht der jungen Frau zu lesen. Wie in dem Pergament, das er in den Händen gehalten hat. Er will seinen Mund zum Sprechen öffnen. Die Claudia kommt ihm zuvor.
    "Bist Du Suetonius Taurus?"
    Taurus schließt seinen Mund. Seine Lippen wölben sich zu einem amüsierten Lächeln. Er neigt gebieterisch den Kopf.
    "So ist es. Willkommen in meiner Villa, Claudia Callista, Tochter von Claudius Myrtilus."
    Hass sieht er in den Augen als er den Namen ihres Vaters nennt. Taurus bemerkt das. Stolz ist die Bewegung ihres Kinns. Sie hebt es. Und betont dadurch die schlanke Wölbung ihres Halses. Ein Schwanenhals.
    "Du hast mich warten lassen, Suetonius Taurus."
    Einem Todesurteil gleichend. So klingen die Worte aus dem Mund der Claudia. Sie schwingt sich vom Pferd. Der Umhang rauscht um ihre zierliche Gestalt. Sie geht Taurus bis zum Kinn. Dennoch wirkt sie größer. Durch ihre hoch gereckte Gestalt.
    "Führe mich zu meinen Gemächern. Und sorge dafür, dass mein Gepäck dort hin kommt, Suetonius."
    Keine Widerworte duldet die Intonation der Worte. Callista schreitet erhaben an den Sklaven vorbei. Würdigt die neugierigen Menschen nicht. Lässt einen verblüfften Taurus zurück. Der atmet tief ein. Um den Zorn nieder zu kämpfen. Er dreht sich um und folgt der Claudia.

    Sonne frisst den Nebel hin fort. An den Grashalmen hängen die Tropfen. Perlen aus klarer Brillanz. Von den Dächern der Häuser steigt weißer Dunst auf. Zerfasert sich in der Luft. Das Dorf erwacht zum Leben. Schweine werden aus den Ställen getrieben. Sie fangen an zu wühlen. Im schlammigen Erdreich. Nach fressbarem. Die Kühe. Sie wurden schon vor dem ersten Licht gemolken. Sie grasen das saftige Grün. Aus den Häusern qualmt es. Von den Herdfeuern. Auch in dem Haus. Das Callista als Herberge dient. Sie sitzt am Tisch. Und verfolgt mit den Augen das Treiben der Keltin. Mit einer Schöpfkelle holt sie Brei aus einem Topf. Einen schwarzen Kessel. Aus dunklem Eisen geschmiedet. Primitiv ist er. Aber zweckmäßig. Callistas Augen wandern hoch und runter. Jeden Schritt. Den die Schüssel sich ihr nähert. Dann steht der dampfende Brei vor ihr. Angewidert rümpft die Patrizierin die Nase. Schiebt das Essen von sich fort. Rau ist die Stimme. Der Keltin. Bewegende Lippen. Schroffe Laute. Callista versteht die Frau nicht. Gleichgültig studiert Callista das Leder vor den Fensterhöhlen. Die Frau gibt auf. Schnaubt ärgerlich. Indolent. Für Callista.
    Tapsende Schritte. Ihr Sohn kommt heran gelaufen. Seine Wangen sind rosig. Drollig. Süß ist er. Aber er ringt seiner Mutter kein Lächeln ab. Sie ist mit sich selbst beschäftigt. Wie immer.
    "Mater."
    Artig bleibt Nero stehen. Er wartet bis Callista ihn bemerkt. Sie sieht ihn an. Erst dann spricht er weiter.
    "Darf ich es behalten?"
    Einer Bindschnur können die Augen folgen. Bis zu einem rot und braun gefiedertem Vogel. Ein Huhn. An seinem gelben Fuß ist der Faden gebunden. Nero zieht die Henne hinter sich her. Wie einen Hund.
    Das Tier. Es steht für die Bauern. Es ist ihr Federgetier. Callista schaudert. Schon beim Anblick dieses Tieres. Das mit den Stummelflügeln schlägt. Ein Vogel. Der nicht fliegen kann.
    "Nein."
    Einsilbig. Callista wendet sich ab. Das enttäuschte Gesicht ihres Sohnes sieht sie nicht. Es wäre ihr wohl auch gleichgültig. Callista stützt ihr Kinn ab. Auf dem Handballen. Und denkt nach. Sie ist zum Warten verdammt. Bis der Brite zurück kehrt. Und ihr den Weg weisen kann. Ein Gefährt organisieren muss. Sie hasst das Warten.



    [Blockierte Grafik: http://img66.imageshack.us/img66/3852/arlenhz3.gif]


    Pferdehufen. Die sich in matschigen Boden graben. Wiehern. Schnauben. Fünf Reiter galoppieren hinter ihrem Anführer her. Weg von dem leeren Wagen und der Sänfte. Hin zu Arlen. Der grimmig auf einen Strand starrt. Kisten. Über und über auf dem Sand. Umspült von der Flut, die mit ihren salzigen Zungen nach dem Holz leckt. Ein Pferd stampft. Aus ihren Mündern wehen Atemwolken. Arlen kratzt sich über die stopelige Glatze. Ist verärgert. Anscheinend ist das Weib schon angekommen. Aber verschwunden. Wenn er sie nicht findet, dann wird sein Herr recht wütend sein. Die Flut hat die Spuren ausgewischt. Ärgerlich. Er deutet den Reitern. Ihm zu folgen. Pferde galoppieren weiter. Über grüne Wiesen. Grassohlen werden aufgewirbelt.



    Angewidert. Als Callista am Türrahmen steht und das Treiben der Menschen verfolgt. Primitiv. Bäuerlich. Fremdartig. Callista mag das Land nicht. Ressentiment. Die sie den Menschen entgegen bringt. Diese spüren es. Gaffen sie an. Starren hasserfüllt auf sie. Die doch für die Römer steht. Die ihr Land erobert haben. Hoheitsvoll hebt sie ihr Kinn und erwidert ruhig die Verachtung.
    Pferdehufen. Sie donnern über den Boden. Nähern sich dem Dorf.
    Ein Mann. Grobschlächtig. Kahlköpfig. Er sieht sich um und erblickt sie. Er scheint erleichtert zu sein. Das Pferd nähert sich Callista.
    "Claudia Callista?"
    Hässlich klingt ihr Name. Mit dem schroffen Akzent des Fremden. Giftig. So ist der Glanz in den Augen der Callista. Ihre Lippen wölben sich pikiert. Sie schweigt. Es ist unter ihrer Würde mit diesem Grobian zu sprechen. Die Sklavin tritt hinter sie. Sie nickt. Callista erfreut sich. An dem Ärger. Der sich auf dem Gesicht des Mannes zeigt.
    "Wir sollen Dich zu Deinem Verlobten bringen. Wir haben Dich eigentlich am Strand erwartet."
    Schroff ist die Rede des Mannes. Callista würdigt ihn nicht mehr. Mit ihrer Aufmerksamkeit. Arlen beugt sich runter und reicht ihr die Hand.
    "Du kannst bei mir mit reiten. Bis zu dem Strand. Eine Sänfte wartet dort."
    Nasenflügel erbeben. Indigniert ist Callista. Nun muss sie es doch. Ein Wort von sich geben. Sie wendet das Kinn ihrer Sklavin zu.
    "Sage dem Mann, dass er vom Pferd steigen soll."
    Ein Wortwechsel. Arlen sieht es nicht ein. Doch Benohé bringt ihn dazu. Immer wütender steigt der Mann ab. Callista lässt sich ihren Umhang reichen. Dann greift sie nach den Zügeln des Hengstes. Kein zierliches Pferd ist es. Stämmig. Geschmeidig und gewandt schwingt sich Callista auf den Rücken des Pferdes. Erstaunen. Bei den Männern.
    "Meine Benohé. Du reitest bei einem der Männer. Nero kommt mit mir."
    Benohé hebt Nero hoch. Callista umschlingt ihn. Mit einem Arm. Zieht den Umhang fester um ihn. Arlen raunt Flüche. Schimpft auf die Römerin. In seiner Sprache. Er vertreibt einen der Männer von seinem Pferd. Benohé steigt zu einem Anderen. Temperamentvoll. So ist das Pferd unter Callista. Sie spürt es. Und freut sich auf den Ritt. Sie liebt es im wilden Galopp zu reiten. Doch sie wird sich zurück nehmen. Ihres kränklichen Sohnes wegen. Sicher treibt sie das Pferd an. Sie trabt voran. In die Richtung des Strandes. Kein Wort an Yannigs Schwester. Kein Blick für das Dorf.

    Stiche. Bisse. Kratzen. Unangenehm mutet das Nachtlager an. Warme Arme umschlingen Callista. Sie seufzt. Dreht sich im Stroh herum. Das leise knistert und raschelt. Ihre Sklavin spendet Wärme. An ihr Herz gedrückt hält sie Nero. Ihren Sohn. Der friedlich schläft. Wie ein süßer Cupido. Sie ist entzückt über seinen drolligen Anblick. Doch dann kneift es sie. Sie runzelt ärgerlich die Stirn. Der Wind pfeift um das Haus. Das Leder am Fenster seufzt. Schwärze. Um sie. Langsam gewöhnen sich ihre Augen daran. Konturen erscheinen. Von dem Fenster. In dem sich das Leder gegen den Wind stemmt. Die Claudia löst ihre Arme. Von ihrem Sohn. Zieht die grobe Decke höher. Vorsichtig erhebt sie sich. Es ist indifferent. Ob Benohé erwacht. Aber Nero. Er soll weiter schlafen. Leichtfüssig entsteigt Callista dem hölzernen Kasten. Das lange Nachthemd fällt um ihre Beine. Eine weiße Tunika. Leuchtend. Hell. Strahlt es in der Dunkelheit. Das Holz stöhnt. Singt ein leisesTrauerlied. Als ihre Füße darüber hin weg gehen und zu dem Fenster treten. Finger berühren das harte Leder. Das die Fensterhöhlen bedeckt und den Wind davon abhält, sein grausam kaltes Spiel mit den Schlafenden zu treiben. Es ist überraschend warm in diesem Haus. Der Geruch ist schon schwächer geworden. Sie nimmt ihn kaum wahr. Nicht derart intensiv. Aber immer noch beleidigt er ihre Nase. Sie hebt ihre Hand und schiebt das Leder hinfort. An einer Ecke, an der es sich von der Sehne gelöst hat. Die es am Fensterrahmen festhält.


    Dämmerschwarzer Schein. Der Nachthimmel ist heller als das Innere der Kate. Dunkle Konturen von Dächern. Sie zeichnen sich vor schwarzen Hügeln ab. Wie zusammen gekauerte Schafe. Die sich vor dem kalten Wind fürchten und nach Wärme suchen. Es zieht. Die Patrizierin fröstelt und schlingt ihre nackten Arme um sich herum. Einsam und schrecklich verloren fühlt sich die Claudia. Hier. Am Ende der Welt. Barbarei. Eiseskälte. Raue Sitten. All das erwartet sie. Aber kein Trost in diesen schwarzen Tagen. Bitter verhöhnt die Kälte sie. Eine Schaf blöckt. Callista schaudert bei der fremden Wildheit des Landes. In dem sie sich befindet. Schritte. Sie wendet den Kopf und sieht einen dunklen Schemen. Es ist der Brite. Der sich sehr unverschämt benimmt, sie mehrfach verspottet hat.
    "Es ist kalt."
    Sarkasmus ist nun die Regung in ihr. Ihre Mundwinkel zucken. Sie schweigt. Die Wärme des Mannes spürt sie. Sie bewegt sich nicht. Als seine Hand zu dem Leder greift. Nahe an ihr vorbei. Und er hinaus sieht.
    "Was führt eine Frau hierher? Die so ist wie Du?"
    Die so ist wie ich. Was meint er damit?
    Er ist nun mal ein Barbar. Was erwartest Du, Callista?
    Traun.
    Eisiges Schweigen. Callista antwortet nicht auf impertinente Fragen. Von fremden Männern gestellt. Der Brite wirkt irritiert. Sie spürt ein Mustern ihres Rücken. Sie zittert. Als der Wind durch die Öffnung zieht.
    "Leben Verwandte von Dir hier?"
    Welch Graus. Schon die Vorstellung. Aber nein. Ihre Familie besaß Stil. Sie ließ sich in den schönen Provinzen des Reiches nieder. Bis es ihr in Erinnerung kommt. Dass manch ein Claudier schon in Germanien gesehen wurde.
    "Nein."
    Sie denkt nicht daran. Sich ihm anzuvertrauen. Langsam dreht sie ihren Kopf. Wendet ihr Kinn dem Mann zu. Und betrachtet ihn. Als schön würde sie ihn nicht bezeichnen. Kantig. Markant. Attraktiv war er. Aber ihm fehlte die makellose Schönheit. Die sie bei vielen ihrer Sklaven geschätzt hat. Aber auch diese Art der Beauté kann ihr gefallen.


    Hochmütig. Sich ihres Standes bewusst. Aufrecht steht sie. Im Stall einer Bäuerin. Im fernen Britannia. In einem einfachen Leinennachthemd. Ihre schwarzen Haare fließen über ihre Schultern. Legen sich sanft auf ihren Rücken und folgen bis hinab zu den Hüften. Sie sehen sich an. Stumm. Callista lauert. Yannig mustert. Prüft und wägt. Die Dämmerung erscheint. Zart rosé. Lieblich. Vertreibt die letzten Regenwolken vom tristen Himmel. Sie atmet. Lauscht dem Klang. Der letzten Regentropfen. Die vom Dach gleiten und in die Erde sickern. Sie rührt sich nicht. Sie löst den Blick nicht. Sie spürt die Wärme. Dann. Klopft es.
    Ein Blinzeln. Callista wendet den Kopf. Und merkt. Sie ist einen Schritt näher an Yannig. Oder er an ihr? Sie wendet sich von ihm ab. Schritte. Die nach unten treten. Dann die unverständlichen Stimmen. Die die raue Sprache der Kelten von sich geben. Die Bohlen knarren. Yannig kehrt zurück.
    "Ich muss gehen. Ein Freund braucht meine Hilfe."
    Callista interessieren die Belange des Mannes nicht. Sie neigt huldvoll ihren Kopf. Erst als die Tür unten zu schlägt. Da realisiert sie. Er ist der Einzige im Haus. Der Latein und diese furchtbare Sprache von sich geben kann. Callista geht zum Bett. Und bemerkt den Blick ihrer Sklavin. Kälte strahlt Benohé entgegen. Diese senkt ihre Augenlieder.

    Primitive Einfachheit starrt Callista entgegen. Lacht sie höhnisch an. Verspottet sie mit der bäuerlichen Misere. Ein Feuer brennt in einem Kamin. Ein Boden aus Erde. Fest gestampft. Ein einfacher Tisch. Grob gefertigt. Rauch, der in der Luft hängt. Der Geruch jedoch. Der lässt ihr das Wasser im Mund zusammen laufen. Es ist ein köstlicher Duft nach Essen. Und sie hat Hunger. Ist erschöpft. Und friert immer noch. Ihre Augen schweifen über das Interieur der Kate. Dann treffen ihre Augen auf ein Gesicht. Ein Mann, der sie ansieht. Als ob sie aus den Wellen getreten wäre. Aus Schaum sich offenbarend. Augenblicklich hebt das Callistas Laune. Bewundert zu werden gefällt ihr. Immerzu. Selbst in dieser Armseligkeit. Ihre eingesunkenen Schultern heben sich. Ihr Kinn wandert in die Höhe. Scheinbar unbeteiligt sieht sie von dem Fremden fort. Eine verhärmte Frau. Sie steht neben dem lodernden Feuer. Eine Ähnlichkeit kann Callista erkennen. Zu dem Mann. Doch es ist ihr gleich.
    Besitz ergreifend. So ist Callista. Als sie in den Raum geht und auf einen der Stühle zu. Die Frau beachtete sie nicht. Als ob diese nur eine Sklavin war. Aber in Callistas Augen war sie nicht viel mehr. Eine Peregrina höchstens. Und Callista eine römische Bürgerin. Eine Patrizierin. Arrogant wähnt sie sich nicht. Sie meint nur um ihre Stellung zu wissen. Nach eingehender Betrachtung nimmt Callista Platz. Die entschuldigenden Blicke ihrer Sklavin bemerkt Callista nicht. Den Furien sei Dank. Sie sieht unbestimmt in den Raum.
    "Spricht einer von euch Latein?"
    Callista erwartet nicht viel von den Barbaren in diesem Land. Womöglich sieht der eine oder andere ansprechend aus. Aber Zivilisation? Das ist hier nicht zu finden. Staunen. Als die dunkle Stimme des Mannes hört. Rauh und mit einer intensiven Artikulation. So ist sein keltischer Akzent bei den lateinischen Worte. Hinwieder versteht Callista seine Formulierungen.
    "Das tue ich."
    Wohlwollen zeichnet ein Lächeln auf dem Gesicht der Claudia.
    "Wunderbar."
    Ein Lichtblick in der Finsternis. In dem Land der primitiven Kultur. Von Kultur kann man natürlich nicht sprechen. Nicht wirklich. In Callistas Augen selbstverständlich.


    "Ich möchte einen Becher mit etwas Warmen."
    Sie ist sich der dreisten Forderung nicht bewusst. Fühlt sich den Beiden überlegen. Das spöttische Lächeln von Yannig sieht die Claudia nicht. Sie hat ihm den Rücken zu gewendet. Was auch gut ist. Sonst wäre sie wutentbrannt davon gestürmt. Selbst wenn die Kälte draußen wartet. Ihr Stolz ist größer als ihr Selbstmitleid. Schweigen herrscht in dem Haus. Aber nur kurz. Yannig wechselt unverständliche Worte mit seiner Schwester. Callista versteht es nicht. Sie verfolgt das Geschwisterpaar. Und erkennt die Ähnlichkeit. Ein Zug von Wehmut zeigt sich in ihren Augen. Sie sehnt sich nach ihrem Bruder. Der sie befreien könnte. Augen treffen auf Augen. Der Mann scheint die Regung in Callista zu erkennen. Ihr Antlitz versteinert. Sie sieht hin fort. Zu der Frau, die ihr einen hölzernen Becher reicht. Es dampft. Darum übersieht Callista das einfache Gefäß, dass ihre patrizische Lippen berühren darf. Niemals wäre das sonst geschehen. Warm und erholsam glitt das warme Getränk über ihre Lippen. Ein seltsamer herber Geschmack. Unbekannt. Intensiv. Ungewohnt. Callista holt tief Luft. Aber eine warme Flamme gleitet durch ihren Körper. Wärmt das Eis, das sich in ihrem Inneren gebildet hat. Und sie immerfort hat frösteln lassen. Das Zittern ihrer Finger hört auf. Sie schlingt sie um den warmen Becher. Die kalte Wut löst sich. Wenn sie auch nicht verschwindet. Als der Duft von Gekochtem in ihre Nase aufsteigt. Da sieht sie hinab. Zu dem Eintopf. Aus seltsamen Fleisch. Kuriosen Ingredienzien. So etwas würde sie niemals essen. Wenn sie in gewohnter Umgebung wäre. Aber sie hat schrecklichen Hunger. Die Frau fixiert Callista. Unwirsch deutete diese auf das Essen. Callista zögert. Doch dann nimmt sie den Holzlöffel. Und isst.


    "Was macht eine Römerin alleine in dieser Gegend? Mit ihrem Kind und der Sklavin?"
    Den Bissen kaut Callista. Langsam und betont. Bis sie ihn herunter schluckt. Erst dann ist sie gnädig für eine Antwort.
    "Ich sollte hier abgeholt werden. Ich wurde wohl vergessen."
    Kälte. Schneidende. Tief sitzender Groll. Wut. Hass. All das spricht aus ihrer Stimme heraus. Callista vergisst es nicht. Wenn man sie verschmäht. Sie sitzen lässt. Sie vergisst. Sie. Eine Claudia. Nein. Sie. Callista. Die sich für unvergleichlich hält. Selbst wenn das ihr Verlobter noch nicht weißt. Er hätte es besser wissen sollen. Niemand lässt sie warten. Sie isst.
    Vielleicht hat der Unterton ihn verschreckt. Der Mann fragt nicht weiter. Callista nimmt einige Bissen zu sich. Dann kann sie nicht mehr. Sie schiebt den fast vollen Teller zur Seite. Sieht sich suchend nach einem Zimmer um. Wo sie schlafen kann. Ein weiches, warmes Bett.
    "Wo ist das Gästezimmer?"
    Sie sieht es. Das Amüsement auf den Lippen des Briten. Das erheiterte Funkeln in seinen Augen. Gleichsam zornig dessen ist sie. Findet aber auch Gefallen an dem Glanz. Es hat seinen Reiz. Sie unterdrückt ein erbostes Schnauben. Das ihrer nicht würdig ist.
    "Wenn Du mir bitte folgst, meine Dame?"
    Der Mann, Yannig, erhebt sich. Er hat sich nicht vorgestellt. Callista hat nicht gefragt. Indigniert verzieht Callista ihre vollen Lippen. Sie mag Spott nicht. Wenn er ihr gilt. Geschmeidig erhebt sich die kleine Patrizierin. Folgt dem Licht, das Yannig in seiner Hand trägt.


    Schnauben. Grunzen. Muhen. Er führt sie in einen angrenzenden Stall, der kaum vom Haus getrennt ist. Treppen führen nach oben. Erstaunt folgt sie weiter. Über die Stiegen. Und auf den Dachboden, wo Kästen stehen. Gefüllt mit Stroh. Zwei an der Zahl. Suchend sieht sie nach einem weiteren Durchgang. Der zum Gästezimmer führt. Der Gestank der Schweine beleidigt sie. Zutiefst.
    "Hier kannst Du schlafen. In dem Bett. Das Andere werden meine Schwester und ich nutzen."
    Der Schock steht wohl auf Callistas Gesicht geschrieben. Sie soll hier schlafen? Über dem Grunzen von Schweinen? Dem Muhen der Kühe? Dem Gackern des Federvieh? Callista ist entsetzt. Wie wohl noch nie in ihrem Leben.
    "Das ist inakzetapel. Ausgeschlossen. Hast Du kein anderes Zimmer? Das du mir anbieten kannst?"
    Die Schultern von Yannig zucken. Callista sieht es nicht.
    "Nein. Wenn Du nicht in der Kälte nächtigen möchtest. Dann musst Du mit unseren bescheidenen Mitteln vorlieb nehmen."
    Es wird Callista ganz schwach. In ihren Beinen. Das Bett wird sicher Wanzen haben. Ihr Körper ist doch ihr Tempel. Niemals will sie etwas unwürdiges daran lassen. Keine Wahl. Keine Gnade für sie. Sie schließt die Augen. Und hasst alle Männer noch mehr. Implizit ihren Vater und ihren zukünftigen Verlobten. Den sie nicht kennt. Aber auch ihn, der sie im Stich gelassen hat.


    Die Dämmerung legt sich wie ein erdrückender Schal über das Land. Graue Schatten tanzen mit dem kalten Wind. Der über die Hügel Britannias weht. Ein auf und nieder ist es. In dem Wagen. Callista leidet. Unter den holprigen Bewegungen. Aber auch unter der Kälte. Der Wagen bleibt stehen. Gelber Schein spiegelt sich in ihren dunklen Augen wieder. Es dringt aus einer schäbigen Kate. Eingepflanzt in einem armseligen Dorf. Ein Schwein grunzt im Schlamm. Eine Kuh brüllt auf. Als sie gemolken wird von kalten Frauenhänden. Blass und unglamourös geht die Sonne hinter grauen Wolken unter. Taucht die Welt in den dunklen Schatten. Der ihr folgt. Jeden Tag aufs neue.
    "Tha."
    Callista hebt müde ihren Kopf von den Knien an. Wo sie ihr Kinn abgestützt hat. Ihre Augen sind glanzlos und erschöpft. Sie späht auf die schäbigen Bauden. Es brüskiert sie kaum noch. Das Ungemach ist groß genug. Gewesen an einem Tag. An vielen Tagen. Die in ihrem Leben vorbei gestrichen sind. Kürzlich. Sie richtet sich auf. Lässt sich von Benohé aufhelfen und steigt langsam vom Wagen. Ihre Füße versinken im Schlamm. Gemischt mit dem Abgang des Vieh. Callista schließt die Augen. Es erfordert viel Beherrschung. Doch ein gequältes und genervtes Seufzen entrinnt ihren Lippen. Haucht über die zarte Haut hinweg.
    "Benohé?"


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    Die Sklavin weiß. Sie wandelt nun auf Messers Schneide. Denn je wortkarger ihre Herrin wird. Desto ungemacher und reizbarer ist sie. Es fehlt das Meine. Vor ihrem Namen. Benohé horcht auf und tritt heran. Den kleinen Nero an ihrer Hand haltend.
    "Finde ein Gasthaus für uns."
    Ergeben neigt Benohé das Haupt und dreht sich um. Ihre Augen fahren suchend über die Katen. Doch das Dorf scheint klein zu sein. Zu unbedeutend für eine Taberna. Sie beugt sich hinab und hebt Nero auf ihre Arme. Der legt seinen Kopf an ihre Schulter. Ist von der Aufregung sehr erschöpft und hustet leise. Die Hand auf den Rücken des Jungen geht Benohé über den Dorfplatz. Sie wendet ihre Augen und verfolgt den Wagen. Der verschwindet. Ihre Herrin sinkt auf eine Steinmauer und wartet ungeduldig. Benohé entscheidet sich für ein Haus. Sie tritt heran und klopft sachte. Licht dringt zwischen dem Holz der Tür hervor. Den Brettern, die aneinander gebunden wurden. Lederhäute verdecken die Fensterhöhlen. Um den Wind und den Regen abzuhalten. Benohé wartet und dann öffnet sich die Tür. Sie sieht in das Gesicht einer Frau. Die vierzig Sommer schon erlebt hat. Verwundert sieht sie auf die Inderin. Die exotische Erscheinung in der Abenddämmerung.
    "Ya?"
    Benohé wölbt ihre Lippen zu einem Lächeln. Um die Frau gewogen zu machen. Das Misstrauen aus ihren Augen zu vertreiben.
    "Verzeih. Gibt es ein Gasthaus in dem Dorf?"
    Betont langsam spricht Benohé. Latein natürlich. Unverständnis spiegelt sich in den Augen der Britin. Doch sie hebt die Hand und dreht sich herum.
    "Yannig?"



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    Vom Tisch in der Mitte des Raumes sieht Yannig auf. Der Wind weht kühl in die Kate seiner Schwester. Die er an jenem Tag besucht hat. Seine graubraunen Augen sehen auf die geöffnete Tür. Er erhebt sich und schiebt die dampfende Schüssel hinfort. In der das Abendessen ist. Der hölzerne Hocker wird zur Seite gedrängt. Mit schweren Schritten tritt er an die Tür. Seine Schwester, Ula, macht ihm Platz.
    "Römer."
    Yannig deutet an. Er hat verstanden. Er wendet sich an die Frau. Erstaunen deuten die Augenbrauen an. Die sich zusammen ziehen. Eine derartige Frau hatte er noch nie gesehen. Dunkle Haut.
    "Ja?"
    Er sieht die Erleichterung in den Augen der Frau. Als er auf sie Latein anspricht. Sein Akzent ist schwer. Sein Latein könnte besser sein. Aber es reicht, um sich mit den Römern in ihrem Land zu verständigen. Was er immer mußte. Arbeitete er schließlich für einen Römer. Yannig legt seine Hand an den Balken über die Tür.
    "Ich suche ein Gasthaus."
    Der Brite legt den Kopf zur Seite. Dann schüttelt er den Kopf.
    "Es gibt kein Gasthaus hier."
    Das Entsetzen in den Augen der Sklavin erstaunt Yannig. Es stimmt ihm milder gegenüber der Fremden. Denn es ist echte Angst. Die sich in diesen exotischen Seelenfenstern zeigt.
    "Du kannst hier schlafen. Du und Dein Kind."
    Er deutet auf den Jungen in den Armen der Sklavin. Goldene Armreifen klimpern an den Handgelenken der Frau als sie über den Rücken des Jungen streicht. Liebevoll. Wie Yannig findet. Doch ihr Lächeln düngt traurig.
    "Das ist der Sohn meiner Herrin."
    Erstaunen zeigt sich bei Yannig. Goldene Armreifen. Edle Kleidung. Die Sklavin wirkt selber wie eine hohe Dame.
    "Wo ist Deine Herrin?"
    Und warum ist sie hier? Doch die Frage verkneift er sich. Benohé dreht sich um. Einen Schatten erkennt Yannig.
    "Dann Du, Deine Herrin und ihr Kind."
    Yannig wird mit Erleichterung belohnt. Die sich bei der Sklavin zeigt. Sie lächelt ihn dankbar an. Und geht ihre Herrin holen.


    Seufzend dreht sich Yannig um und sieht in das fragende Gesicht seiner Schwester. Es bedarf weniger Worte, um seine Schwester zu verärgern. Da er leichtfertig die Frauen in ihr Haus geladen hat. Doch schon zeichnen sich die Schatten am Türrahmen ab. Yannig sieht eine kleine Frau in einem dicken Pelz die Kate betreten. Zwei Kopf kleiner ist sie. Als der Brite. Sie hebt ihre Hände und streicht die Kapuze von ihrem Kopf. Ihr angewiderte Ausdruck fällt ihm sofort auf. Dann treffen sich ihre Blicke. Er sieht kaum noch den bronzenen Ton ihrer Haut. Nur noch die Schwärze ihrer großen Augen.

    Stolz und erhobenen Hauptes steht Callista am Rande der Klippen. Sie hat das Land bezwungen. Wenn es auch nur ein Weg war. Ihre Haare flattern im Wind. Streicheln sanft über ihr Gesicht. Die wogenden Winde des Landes versuchen sie zum Straucheln zu bewegen. Callista bleibt unbewegt. Ungerührt. Aufrecht. Ehe die Kälte sie bezwingt und sie sich fröstelnd abwendet. Ein Poltern dringt an ihr Ohr. Erst leise. Dann wird es immer lauter. Sie dreht sich um. Ihre Augen streifen über die steinige Küste. Da. Ein Wagen nähert sich. Ein alter Mann sitzt auf dem Kutschbock. Zahnlos. Glatzköpfig. Hässlich. Alt. Ein glänzender Rappen ist angespannt. Callistas Augen weiten sich. Sie hat das gesehen. In einer anderen Welt. Die nicht greifbar war. Sphären voller Farben und Mysterien. Jetzt? Hier? Wirklich? Sie schüttelt den Kopf. Es kann nicht sein. Sie senkt den Blick. Lässt die Steine in ihren Geist tropfen. Dann hebt sie ihr Kinn. Nein. Kein Wallach. Zwei Ochsen ziehen den Wagen. Und der Alte hat keine leeren Augenhöhlen. Sie atmet erleichtert auf.
    Die Räder poltern über den steinigen Weg. Eine Peitsche knallt durch die Luft. Der Kutscher lässt sie immer wieder auf die beiden Ochsen herunter fahren. Gleichmütig trotten die beiden Kastraten den Weg entlang. Lassen den Wagen hinter sich hüpfen. Wenn sie über eine Kuhle oder ein Loch marschieren. Durch geschüttelt. Durch gerüttelt. Das wird der Mann auf dem Kutschbock. Es rührt den Mann nicht. Er hat ein breites Kreuz.
    "Hooooooo!"
    Die Tiere verharren. Der Kutscher sieht auf die beiden Frauen und den Jungen.


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    "Herrin?"
    Fragend ist die Stimme der Benohé. Callista neigt zustimmend den Kopf. Benohé schreitet auf den Kutscher zu. Dabei den Korb mit den beiden Tieren und die Tasche des wertvollen Schmucks tragend.
    "Salve, guter Mann. Verstehst Du mich?"
    Der Alte zieht ein Stück Holz aus dem Mund. Auf dem er kaut. Damit sein zahnloser Kiefer nicht zu sehr schmerzt.
    "Ya. Male. Pessimus."
    Zögern zeichnet sich im Gesicht der Sklavin ab.
    "Ist – hier – ein – Dorf?"
    Betont sind ihre Worte. Sie hebt die Hand und zeichnet ein Dach in die Luft. Der Alte starrt sie an. Sucht wohl danach, die Bewegung zu verstehen.
    "Dorf?"
    Benohés Kinn wandert hoch und runter. Es ist ein Nicken.
    "Ya."
    Erleichterung zeigt sich bei der Sklavin. Es würde vielleicht ihre Herrin milde stimmen. Bald in ein warmes Haus zu kommen.
    "Wo – liegt – es? Kannst – Du – und – dort – hin – bringen?"
    Abfällig betrachtet der Alte die Frauen. Zuckt mit der Schulter.
    "Tha."
    Seine runzelige Nase deutet über eine grüne Kuppel. Auf der sich das Gras dem Winde beugt.
    "Ya."
    Eindeutige Gesten laden ein. Den Wagen zu besteigen. Exkulpiert ist indes die Sklavin. Sie wendet sich ihrer Herrin zu, die huldvoll ihren Kopf neigt. Benohé erklimmt den Wagen. Zwischen Rüben steht sie. Sie streckt ihre schlanke Hand nach Callista aus und hilft der Patrizierin hinauf. Pikiert betrachtet die Claudia das Gemüse.
    "Er soll das hin fort schaffen. Sofort. Es beleidigt meine Nase."
    Die Sklavin hebt den vergnügten Nero hinauf. Und denkt nach. Wie sie es ihrer Herrin schonend bei bringt. Dass sie auf das Wohlwollen jenes Mannes angewiesen waren. Doch schon ruckt es durch den Wagen. Er holpert über die Straße.
    Mit einem lauten:
    "Au!"
    landet Callista auf ihrem Allerwertesten und mitten zwischen den Rüben. Wütend schnaubend schlägt Callista die Hand aus. Von Benohé. Die ihrer Herrin aufhelfen will. Callista schlingt ihre Arme um sich. Grimmig sind ihre dunklen Augen auf den Horizont gerichtet. Sie schmiedet Pläne. Die bis dato auf Luftschlössern gebaut sind.

    Immerfort. Stetsfort. Die Wellen wallen gegen die grauen Staden der britischen Küste. Weiße Schaumkronen lecken den Strand entlang. Gieren nach den Kisten. Die auf dem steinigen Strand verteilt liegen. Eine von ihnen hat die Ehre, Callista als Sitzgelegenheit zu dienen. Triste vor sich hin sehend. Missmutig die Lippen verzogen. Callista wartet. Und wartet. Wartet noch länger. Die Wut steigt in ihr auf. Einem eisigkalten Vulkan gleichend. Der kein Feuer mehr spuckt. Sondern kalte und todbringende Asche.
    Die leichten Schritte eines Jungen durchbrechen die ewige Monotonie des Wellenganges. Mit geröteten Wangen und fröhlich blitzenden Augen kommt Nero den Strand entlang gerannt. Er schwingt einen Stock und hüpft fröhlich über die Steine hinweg. Hin und wieder verharrt der Junge. Um in den Sand zu greifen. Zwischen den Steinen zieht er eine Muschel hervor. Steckt sie in den kleinen Beutel, den er bei sich trägt.
    "Immerhin einer. Der sich freut, meine Benohé."
    Stumm steht Benohé hinter ihrer Herrin. Wagt es nicht, zu antworten. Denn sie sieht das brodelnde Magma unter der kühlen Oberfläche der Callista. Wer an dieser tückischen Kruste kratzt, der vergeht. Verglüht im Zorne der Callista. Die sich von der kleinen Frau in eine Furie verwandeln kann.
    Die Zeit vergeht. Stunde um Stunde. Die Sonne wandert hinter schmutzig grauen Wolken weiter. Beleuchtet dunstig gelangweilt die feuchten Wiesen und das stahl-graue Meer vor Callista. Ihr Mund ist verkniffen. In warmen Pelz ist sie gehüllt. Der Wind spielt in den Haarkleid des Kaninchens. Das ihr Wärme geben soll. Indessen ist Callista verfroren und zittert am ganzen Leib. Es fängt an zu regnen. Die Tropfen rinnen über ihre Stirn. Liebkosen mit kalten Fingern ihre Lippen.
    Nach einer endlosen Warterei steht Callista auf. Der Wind bauscht ihren Umhang auf und weht einige Strähnen in ihr ovales Gesicht.
    "Das reicht. Eine Claudia lässt niemand warten."
    Erbost lässt sie ihre Augen über die Klippen streifen. Suchend. Forschend.
    "Wir lassen die Kisten hier. Womöglich ist ein Dorf in der Nähe. Nur meinen Schmuck wirst Du mit Dir nehmen, meine Benohé. Und meine Lieblinge."
    Gesagt. Getan.
    Der Wind stemmt sich gegen Callista. Bei jedem Schritt, den sie über den Strand geht. Der Luftstrom greift nach ihren Haaren. Nach ihrer Kleidung. Einer weißer Schleier weht hinter ihr her. Es ist der ihrer Palla. Mit jedem Setzen ihres Fußes erkämpft sie sich den Weg hinauf.
    Die Klippen fallen steil herab. Callistas dunkle Augen fahren über den grauen Horizont hinweg. Sie sieht nach Süden. Irgendwo dort geht es nach Roma. Der Perle. Und noch etwas weiter nach Ägypten. Ihrer neuen Heimat. Sie schürzt ihre Lippen und seufzt wehmütig.
    Denkt er an mich?
    Ohne Zweifel.
    Er treibt sich herum. In den Armen einer anderen Frau.
    Eventual.
    Callistas Nasenflügel beben. Ihre Augen blitzen vor Zorn. Sie wendet sich ab.
    Stolz und erhobenen Hauptes erklimmt sie den felsigen Weg. Erobert sich jeden Zoll Boden unter den Füßen. Selbst wenn es Britannia ist. Sie ist immerhin eine Claudia. Sie folgt den Pfaden des göttlichen Iulius. Ihrem Ahn. Dem Bezwinger vieler Barbaren.