Der Posteingang von Tiberia Arvinia ist... voll
Beste Grüße,
Tilla
Der Posteingang von Tiberia Arvinia ist... voll
Beste Grüße,
Tilla
Sie musste nicht sehr lange warten. Vor der fremden Frau machte sie einen leichten Knicks und sah nicht zu ihr auf, bevor sie ihr das Anschauen erlauben würde. Zu Aurelia Laevina. flüsterte Tilla lautlos mit einem Atemzug. Inzwischen hatte sie dieses stimmlose Flüstern ziemlich gut drauf, weil sie es öfters anwendete als die Gebärdenzeichen. Trotzdem zog sie zusätzlich den inzwischen zerknitterten Brief von ihrer Herrin heraus und reichte ihm dem sichtlich schlecht gelaunten Sklaven. Ich war schon bei den Aureliern. Nun bringe ich ihr wie befohlen ihr Geschenk. Man sagt, sie ist Aicht im Hause und ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich gehöre meiner Herrin Laevina.
Bitte bringe mir etwas alexandrinische Kosmetik mit für meine Hochzeit! Wenn ich bereits im Hause meines Verlobten leben sollte, melde Dich bitte mit Hektor bei Aurelia Prisca!
Vale,
Aurelia Laevina
Wortlos nickend gehorchte Tilla dem Türsteher und legte ihr Gepäck wie befohlen in Türnähe ab. Sie folgte ihm, sah sich aufmerksam um. Eine schöne Villa.
Sie erinnerte sich an die wenigen Male, wo sie andere Villen von innen beziehungsweise den Eingangsbereich gesehen hatte. Heute noch sie sich nicht entscheiden, welche bisher der schönste Ort gewesen war. Der Reichtum der neuen Familie war nicht zu übersehen.. ebenso dass Teile dieses Bereichs neu gestaltet worden waren. Passierten hier aufregende Dinge wie bei den Aureliern?
Tilla bemühte sich auf die Begegnung mit der unbekannten Frau zu konzentrieren. Ob diese schon den Brief von Prisca gelesen hatte? Hoffentlich! Laevinas Rolle hielt sie in einer Hand, bereit diese der Tiberia zum Lesen auszuhändigen. Ihre freie Hand strich über den moosgrünen Stoff ihrer liebsten Tunika.
"Ja, ich möchte mit der anderen Frau sprechen." erwiderte Tilla stumm flüsternd. Seine Frage überrumpelte sie geradezu. Eilig schüttelte sie den Kopf. Nein, nicht Laevina hatte ihr die Zunge rausgeschneiden lassen, das war jemand anders gewesen und dies war scjhon ziemlich lange her. Seit sie ihre leibliche Mutter gefunden hatte, dachte Tilla nicht mehr oft an damals. Jetzt in diesem Augenblick brach eine neue Zeit an. Mit gemischten Gefühlen, nahm Tilla ihr Gepäck auf und folgte dem Türsteher nach innen ins atrium. Oh... da vorne war schon das unvermeidliche wasserauffangbecken zu sehen.
Wenn sie wüsste, dass er dachte, sie sei kleines junges Ding, dann würde sie ihm zuflüstern, dass sie mit siebzehn Jahren dem Teenageralter fast entwachsen und somit eine beinahe erwachsene Frau war. Aber Tilla konnte seine Gedanken nicht lesen, geschweige denn erahnen.
Na sowas.. ihre Herrin war nicht da. Und jetzt? Am besten zur Frau, diese wusste sicher was nun zu geschehen hatte. Tilla strich ihre Haare hinter die Ohren zurück und zeigte die Form einer wohlgeformten Frau an. Na, jetzt würde der Türsteher sicher große Augen machen. Gespannt wartete sie auf seine Mimik und nächsten Worte.
Schniefend nahm sie das Taschentuch an, prustete krä#ftiog hinein und fand ein trockenes Zipfelchen für die herabkullernden Tränen. Ja.. die Hauptsache.. ja.. ja.. du hast recht. Ich bin so froh noch am Leben zu sein.. und dass die anderen auch überlebten. Hektor haben wir am meisten zu verdanken.. Eine kurze Schweigephase folgte, während dieser trank und aß Tilla etwas von dem gebrachten Imbiß. GUt, ich mache es so wie du sagst. Ein paar schriftliche Worte finde ich eine gute Idee. erwiderte Tilla stimmlos flüsternd. Ich hab dich verstanden. Der dunkle Sklve bekam sogleich einen neuen Auftrag, der sich um Schreiben und Tinte handelte. Tilla atmete erleichtert auf, hörte Prisca gut zu und bemühte sich die kommenden nächsten Fragen so gut wie möglich zu beantworten.
Es gab eine weitere Überraschung für Tilla. Mutter und Pumillio durften eine Nacht hierbleiben, sollten durch Priscas Kontakte Arbeit und Unterkunft finden. Sie schenkte der Aurelierin ihr bestes Lächeln und drückte voll Dankbarkeit deren zarte Hand ganz sanft. Esther kann gut mit Kräutern umgehen. Sie hat uns mit einem Sud vor der Seekrankheit bewahrt und auch ansonsten geholfen, wenn einer von uns sich wehgetan hatte oder Schmerzen hatte. Manchmal hat sie mir und Pumillio etwas zum Schlafen gegeben, wenn wir ganz schlimm von Marduk und der Königin träumten. berichtete Tilla mit gutem Gewissen und strahlte übers ganze Gesicht. Die ältere Frau würde außerdem ihre Herrin bitten, dass sie ihre Mutter besuchen dürfte. Oh.. das ist das allerbeste.. aber nein, du bist die Allerbeste! gab Tilla kund und sah davon ab die Aurelierin dafür zu umarmen, obwohl sie dies wirklich gerne getan hätte. Nein, wie kann ich jetzt traurig sein.. ich freue mich so.. alles wird gut.
Tilla sah zu, wie er die Rolle nahm und darin zu lesen begann. Auf seine Frage hin nickte sie bejahend und lächelte ihm freudnlich zu. Denn wenn sie zukünftig hier wohnen sollte, musste sie sich mit dem Türsteher anfreunden. Tilla hatte keine Lust, sich jedes Mal bei Caius vorstellen zu müssen.. aber das war alles noch offen. Sie lernten sich jetzt das erste Mal kennen und das Ende dieses Kennenlernens war noch offen.
Zu Aurelia Laevina. flüsterte Tilla lautlos mit einem Atemzug. Inzwischen hatte sie dieses stimmlose Flüstern ziemlich gut drauf, weil sie es öfters anwendete als die Gebärdenzeichen. Trotzdem zog sie zusätzlich den inzwischen zerknitterten Brief von ihrer Herrin heraus und reichte ihm dem sichtlich schlecht gelaunten Sklaven. Ich war schon bei den Aureliern. Nun bringe ich ihr ihr Geschenk.
Bitte bringe mir etwas alexandrinische Kosmetik mit für meine Hochzeit! Wenn ich bereits im Hause meines Verlobten leben sollte, melde Dich bitte mit Hektor bei Aurelia Prisca!
Vale,
Aurelia Laevina
Von ihrer Mutter Esther und Pumillio hatte sie noch am Toreingang schweren Herzens verabschiedet. Ein paar Tränen waren gerollt und auf den Wangen versiegt. Ihre Habseligkeiten im Seesack auf dem Rücken tragend, stand sie nun vor dem Seiteneingang der tiberischen Villa, klopfte hörbar an. In der Hand hielt sie die Tasche mit den gewünschten Mitbringseln aus Alexandria... sie sollten für Laevina sein. Hoffentlich war diese daheim und wollte sie empfangen. Hoffentlich wollte diese sie überhaupt noch als Sklavin um sich haben.. schon wieder schwirrten so viele Hoffnungen in ihrem Kopf herum. Tilla seufzte stumm, wiederholte das Klopfen.
Klopfklopfklopf...
Hektor musste sie alleine lassen und gehen. Tilla nickte ihm noch schnell zu, bevor er aus ihrer Sicht verschwand, bedankte sich mit diesem Nicken nochmals für seine Mühen. Auch ihre Mutter wurde wenig später zum Essen und Trinken in die Küche geschickt. Tilla sah ihnen stumm nach und musterte den dunklen Sklaven sehr lange bis auch er aus ihrem Blickfeld verschwand. Hoffentlich geschah Esther und Pumillio nichts.. und vielleicht war die nette Köchin Niki noch da. Aus eigener Erfahrung wusste Tilla wie lecker die Mahlzeiten von Köchin Niki sein konnte. domina Prisca sorgte dafür, dass auch sie etwas gegen ihren Hunger und Durst bekam. Der dunkle Sklave brachte alles, stellte es in Griffweite ab und blieb bei ihnen stehen.
Die ältere Frau erlaubte ihr sich zu ihr zu setzen und prüfte sie mit weiteren Fragen. Bereitwillig beantwortete Tilla mit stimmlosem Geflüster ihre Fragen, sog nebenbei mit der Nase schnuppernd den vertrauten Duft von Priscas Parfüm ein. Wir sind ganz kompliziert entkommen. Die unterirdische Höhle brach plötzlich ein. Der Weg nach draußen wurde uns von herabfallenden Felsen versperrt. Also sind wir allesamt ins Wasser gesprungen und abtauchend wieder nach oben gekommen. Die Königin wollte mich im Wasser töten, ich erstach sie mit meinem Messer. Wir landeten an einer Oase, so heißt ein grüner Platz in einer pflanzenlosen Wüste, sagt Esther. Tilla schluckte und errinnerte sich mit Schaudern an den Kampf mit der Königin, welcher sie manchmal in ihren Träumen heimsuchte. Esther sagt, sie hätte niemanden mehr von den Männern gesehen. Und das stimmt. Ich habe Marduk und seine Männer nicht mehr entdeckt. Nicht mal mehr gehört oder gesehen. Tilla nickte eifrig, darauf hoffend, dass Prisca ihr das abnahm, sie musste einfach es glauben, dass die Männer ihnen nicht gefolgt waren.
Endlich lächelte Prisca und berichtete von Aurelia Laevina Verbleib nach der Hochzeit. Ich wäre so oder so sowieso hierher zurück gekommen. Allein dafür, um mich bei Euch zu entschuldigen, dass ich so plötzlich verschwunden bin, domina. Es ging alles so schnell... erwiderte Tilla und spielte kurz mit einer Haarsträhne. Mir geht es gut. Meiner Mutter ist froh, dass sie ihre Tochter wieder bekommen hat. Pumillio aber schweigt immer noch und das ist kein gutes Zeichen. Ich will nicht, dass er stumm bleibt, weil er eine schöne Stimme hat. Wie es hier weitergeht, ist sonnenklar. Ich muss meine Sachen packen, zu domina Aurelia Laevina gehen und bei ihr einziehen. Ich möchte Mutter und Pumillio aber weiterhin sehen, um zu wissen, dass es ihnen gut geht, während ich domina Laevina diene. Der Gedanke schon bald wieder von Esther getrennt zu werden, trieb Tilla plötzlich die Tränen in die Augen. Welche sie die Wangen runterlaufen liess, denn die Erleichterung, dass sie das Abenteuer heil überstanden hatte, wollte endlich raus. Hektor ist ziemlich mutig gewesen... ohne ihn wären wir nie wieder zurückgekommen. schluchzte Tilla. Und.. ohne Laevinas Anweisung uns zu suchen wären wir immer irgendwo noch in Ägypten bei einer wahnsinnigen Königin gefangen.
Plötzlich war Aurelia Prisca da. Tilla sprang von ihrem Platz auf, um sie stehend zu begrüßen. Doch die ältere Frau putzte zuerst einmal Hektor und Cimon nieder. Oh jemine! Das sah überhaupt nicht gut aus. Oh jemine! Tilla sank zurück auf die Bank und suchte Esthers Hand zum Festhalten. Mit gespitzten Ohren lauschte sie dem Wortwechsel zwischen dem dunklen Sklaven und der Aurelierin.
Langsam löste Tilla ihre Hand von Esthers Hand und stand noch einmal von der Bank auf. Egal wie weich ihre Knie schon wieder waren und werden würden, sie wollte im Stehen mit Prisca sprechen, genauso wie sie es bisher gehandhabt hatte. Nur Esther allein ist mit mir verwandt, sie ist meine Mutter. Pumillio ist ein Freund von der Straße, er kommt von dort wo ich vorher gelebt habe. Wir haben ihn bei uns aufgenommen und ich nenne ihn meinen kleinen Bruder... egal ob verwandt oder nicht verwandt. Auf sich gestellt und allein gelassen überlebt er die Straße nicht. flüsterte Tilla stumm, bemühte sich deutlich und verständlich zu flüstern, damit sie jeder verstand. Gemeinsam wurden wir entführt. Hektor holte uns ein, um uns aus der Patsche zu helfen. Zusammen fanden wir meine Mutter, gingen nach Alexandria. Hektor wurde eingefangen und kehrte hierher zurück. Er brachte Briefe von Aurelia Laevina mit. Sie bat uns zurück zu kommen, weil wir gebraucht werden. Nun stehen wir hier... und erfuhren soeben von Cimon, dass sie längst geheiratet hat sowie ausgezogen ist. domina Laevina aber schrieb, dass wir uns zuerst an euch wenden sollen, egal was geschehe!
Dann waren sie im Garten. Neugierig sah Tilla sich um, entdeckte hier und dort blühende und welkende Veränderungen. Den flachen Brunnen und die marmornen Steinfiguren passierten sie leider nicht, aber das war nicht schlimm. Sie würde Esther nachher alles selber zeigen wollen... wenn es denn ein nachher geben würde! Die weichen Knie konnten nun kommen, denn da vorne war die Sitzbank. Mit einem stummen Seufzer setzte sich Tilla auf die Sitzbank, erst nachdem Esther sich mit Pumillio gesetzt hatte.
Stumm blickte sie Cimon auf seine Frage hin nachdenklich an. Ja, was konnten sie jetzt gebrauchen? Stumm musterte die junge Frau die Kleidung aller! Bitte, bringe uns Waschwasser und Haarbürste. Und äh.. Rasierzeug für Hektor? deutete sie Esther und Hektor gegenüber an. Zugleich darauf hoffend, dass eine der beiden stimmgemäß für sie übersetzen würde. Der ständige Durst machte sich bemerkbar. Zitronenwasser oder süßer Wein wäre toll! Äpfel und Wurstbutterbrote. fügte Tilla hinzu und hoffte, die richtigen Einfälle gehabt zu haben, an denen sich alle gut tun konnten. Immerhin mussten sie sich irgendwie stärken und zudem für das Erlebnisse erzählen wach bleiben. domina Prisca oder domina Laevina brauchen wir auch!
Hektor nahm ihre stummen Gesten wahr und verstand sie sogleich. Mit ihrem breitesten Lächeln bedankte sie sich beim Bartträger. Also dafür, dass er wusste, was sie gemeint hatte und es auf zu bewundernde Weise schaffte alles wichtige in klaren Worten auszudrücken. Gespannt wartete Tilla ab und dachte immer noch an Aurelia Prisca. Der dunkle Mann schien allmählich zu verstehen worum es ging und liess sie dann alle zusammen den Eingang übertreten.
Tilla erfasste instinktiv Hektors große Hand und liess sie nicht mehr los. Die ersten Schritte machte sie an der Seite von Hektor, weil sie beide diesem Hause gehörten. Wie lange würde sie selber noch hierher gehören, bevor sie wieder wegmusste? Sie musste, wenn es soweit war, dann auch von ihrem großen Bruder Abschied nehmen und das würde ihr nicht allzu leicht fallen! Zuviel hatten sie zusammen erlebt. Schliesslich liess Tilla sich nach mehreren stummen wehmütigen Blicken zu Hektor zurückfallen und ging einträchtig neben ihrer Mutter her. Cimon führte sie in den Garten? Ja... das war ein guter Ort! Tilla lächelte schwach.. ihre Mutter würde den Kletterbaum zu Gesicht bekommen.
Sie machte große Augen, als die Tür geöffnet wurde und war genauso erstaunt wie Hektor einen weiteren schwarzen Mann in der Villa Aurelia anzutreffen. Sie begrüßte ihn mit einer stummen Geste, einem Winken gleich und merkte sich seinen Namen. Wieviel sich hier wohl seit ihrer Entführung verändert hatte? Hatte man sie vermisst oder abgeschrieben?
Sie erfuhr eine weitere große Neuigkeit und musste sich zusammenreissen, um nicht in die Knie zu gehen. Ihre Herrin war schon ausgezogen? Tilla biss sich auf die Lippen, sah Esther und Hektor hilflos an. Was machten sie jetzt? Sie stupste Hektor an. Wir müssen rein und zu Aurelia Prisca, sie weiss, wo die Villa Tiberia steht! Außerdem hat die Prisca mich zum letzten Mal gesehen.. bevor Marduk uns einfing und wegbrachte! errinnerte sie die Reisegefährten mit stummen Gesten an das lange Zeit zurückliegende Geschehen.
Ihr fielen die Briefe Laevinas ein. Tilla kramte diese aus den Tiefen ihrer Kleidung und reichte sie Cimon. Da, lies nach, da steht was wir machen sollen! Bitte bringe uns direkt zu Prisca. fügte sie mit weiteren stummen Gesten hinzu, darauf hoffend, dass ihre Mutter oder der Bartträger ihre lautlosen Gebärden mit ihren Stimmen übersetzte. Tillas Lippen waren zu trocken, um verständlich beziehungsweise deutlich flüstern zu können. Ihre Kraft liess merklich nach, je länger sie stehen musste. Die Müdigkeit vergrößerte sich ebenfalls, sie merkte es an den Armen, die sich wie schwere Gewichte anfühlten. Und wenn der schwarze Mann sie trotz der Briefe nicht hinein liess? Das stumme Mädchen dachte ganz fest an die Aurelierin, die Prisca hiess und wünschte sich, dass diese an die Tür kommen möge. Doch dies würde wohl viel eher ein Wunschtraum bleiben.. oder?
Tilla-Mia, Esther, Hektor und Pumillio am Seiteneingang der Villa
Ja, sie kamen alle von weit weit her, vom Hafen Alexandrias bis nach Rom. Das war eine ziemlich weit zurück zu legende Strecke und dieser Weg war jetzt zu Ende. Er endete vor der Eingangstüre zur Villa Aurelia, dem Zielort ihrer Reise. Wir sind da! gebärdete Tilla knapp. Mit ängstlichen Blicken sah sie ihre Mutter Esther und Bartträger Hektor an, strich dem schlafenden Pumillio liebevoll übers Haar. Ihre Kleidung über und über war von Reisestaub bedeckt. Etwas was sie wohl lange nicht mehr mit eigenen Augen sehen durfte. In der einen Hand trug sie ein hölzernes selbst geschnitztes Kästchen in der sie das Geschenk für ihre junge Herrin aufbewahrte und mit sich führte.
Tilla kramte in dem leinenen Seesack, den sie quer über der Brust trug und reichte Hektor Laevinas handgeschriebene Briefe. Wir sollen zu allererst zu Prisca.. egal was uns geschieht. Bene? wies Tilla den jungen Mann, Freund und Begleiter an und hängte ihren freien Arm in Esthers Arm ein. Man sollte es gleich sehen.. sie hatte ihre leibliche Mutter wiedergefunden. Ich hab dich lieb, Mama. Mit diesen stummen Gebärden bedachte Tilla ihre Mutter. Hektor wusste sicherlich selbst was er tun musste. Sie selbst konnte nicht sprechen.. oder aber er oder Esther sprachen für sie.
Der blaue Tränenstein hing unter etlichen Kleidungskragen verborgen um ihrem Hals. Dieses Schmuckstück war die Ursache ihrer unfreiwlligen zugleich erlebnisreichen Reise gewesen. Zudem hing es nicht mehr alleine um ihrem Hals, sie trug jetzt auch ein Medaillion ihres Vaters, der ein tapferer Soldat gewesen war. Das stumme Mädchen atmete tief durch, pustete eine Strähne von der Stirn und wappnete sich für das was nun kommen würde. Natürlich hatte sie Angst, versuchte dies nicht allzudeutlich zu zeigen und hob endlich die Hand mit dem Kästchen um anzuklopfen. "Tocktocktock..."
Was konnte man anderes fühlen als in Hektors Armen? Man konnte sich sicher und geborgen fühlen. Leise schniefend liess sie sich die Tränen abtupfen und umarmte auch ihn von ihrer Seite. Tilla nickte zustimmend, dass es hier schön sei und sah wegen neu aufsteigender Tränen den Türrahmen des Hauses der Freundin nicht mehr, in welchem sie saßen. Es kamen keine Menschen die rein oder raus wollten.. sie war augenblicklich ziemlich froh um diese Ungestörtheit mit Hektor. Diese Briefe.. was sollte sie bloß machen? Einerseits dachte jemand im fernen Rom an sie und andererseits.. ja andererseits war eine gute Frage. Sollte sie hierbleiben.. sollte sie fortgehen?
Tilla wusste nicht wie lange sie schon mit tausend Fragen über ihre Zukunft und mit Hektor zusammen gesessen hatte, aber es musste darüber mehrere Sandkörnerminuten verstrichen sein. Ihre Mutter und der kleine Junge kehrten zurück und begrüßten Hektor ebenfalls so freudig wie sie es getan hatte. Anschliessend liess der Bartträger sie mit ihrer Mutter alleine und kümmerte sich dafür um Pumillio. Der Aufforderung ihrer Mutter kam sie ohne zu zögern nach, liess sich von deren Armen umschliessen. Am liebsten würde Tilla jetzt eine unscheinbare Maus sein.. am besten die ausstehende Entscheidung verschieben. Eingeschlossen in den Armen ihrer Mutter vergoß Tilla auf Esthers Haut dicke Tränen, was sie nun machen sollte. Mit einem stummen Nickend beantwortete sie Esthers Frage und lauschte immer noch unter neu aufquellenden Tränen leidend ihrer Stimme.
Esther wollte und würde, egal wie Tilla sich entscheiden würde, sie nicht alleine lassen. Das stumme Mädchen hätte eiine nochmalige Trennung sowieso niemals mehr zugelassen. Das würde sie gar nicht verkraften können, doch Tillas Charakter und Lebenswille war stärker als sie in diesen tränenreichen Momenten glaubte. Rom ist arg weit weg, Mama, und wir sind hier. Ich hätte nie und nimmer geahnt, dass sie sich immer noch an mich errinnert. Ich war noch gar nicht so lange der Herrin zu Diensten, bevor ich auf Äpfelchen stiess. Mama, vielleicht sollten wir direkt vom Hafen aus zuerst die Sybille aufsuchen, bevor.. wir zur Villa Aurelia gehen und an die Türe klopfen. gebärdete sie mit lautlosen Gebärdenzeichen. Diese schweren Sätze stumm flüsternd auszusprechen, danach war ihr momentan überhaupt nicht zumute. Mit dem Handrücken wischte sie nachfliessende Tränen beiseite. domina Prisca ist mit mir zum Orakel gegangen, weil sie es mir versprochen hatte. Ob Laevina diesen Gang mir erlauben wird, wenn ich vor ihr stehe? Da steht geschrieben, dass sie heiraten wird. Demnach zieht sie in eine andere Villa. Und was wird aus dir und Äpfelchen? Ich mag euch alle nicht verlassen!! Tilla umarmte Esther feste und versuchte mit heftigem Blinzeln den nebligen Tränenschleier zu lösen. Wir müssen so oder so.. zurück... nach Hause.. und dem Schicksal folgen.
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den Text zu den Saturnalien gibt es immer noch bei Spiegel Online zu lesen... er ist vom 09.11.2008.. zu finden in der Sparte 'Wissenschaft'
Ja, ich bin auch total froh, dass uns nichts weiter passiert ist. Mama war ganz schön vorsichtig damit mit uns rauszugehen. Entweder sie nimmt mich mit und Pumillio bleibt bei ihrer Freundin. Heute durfte Pumillio mit ihr gehen, weil er neue Kleider braucht. Danke! strahlte Tilla über Hektors Lob zu ihrem Aussehen und zum schönen Geschirr. Immer noch voller glückseliger Freudensgefühle über Hektors Rückkehr kuschelte sie sich an seine Seite und sah ihn von der Seite her an. Genau! Die Delphine gehören nur uns alleine! Und weisst du was? Du siehst auch gut aus.. dein Bart wird immer länger. feixte sie auf ihre typisch lieb gemeinte Irrwisch-Art. Sie blickte auf seinen Delphin und umschloß seine Hand mit ihren Fingern, um sie sanft loszulassen. Behalte ihn, Hektor! Es ist dein Delphin... er begleitet dich immer und überall hin!
Aufmerksam hörte sie ihm zu, er hatte bestimmt viel zu erzählen. Heftig nickte sie über den Schock, dass er von ihnen fort gerissen worden war und mochte gar nicht mehr daran zurück denken. Bis zu den Aureliern? staunte Tilla. Du hast Leavina alles erzählt? Das Sklavenleben in der Villa schien so weit weg und gar nicht mehr wirklich. Tilla dachte zwar ab und zu an die Bewohner, die Errinnerungen aber verblassten mit jedem Tag, den sie hier in diesem fernen Land war. Post? Für mich? staunte Tilla und öffnete die Briefe. Ja, das war die Schrift ihrer Herrin. Schweigend las Tilla die wenigen Zeilen. Sie hatte nichts zu befürchten und wurde gebraucht. Laevina hatte geheiratet und wollte Kosmetik haben. Und sie sollte zu Laevina oder zur Prisca gehen.
Tilla schickte tiefe Atemzüge in die Luft und lehnte sich schlussendlich wieder an Hektor an. Noch vermochte sie nichts zu flüstern, stattdessen kullerten dicke Tränen über ihre Wangen. Es war ein heftiger Gefühlsausbruch den sie in diesen Augenblicken durchmachte. Ein Schwenk von großer Freude zu tiefer Traurigkeit. Mit langsamen Bewegungen rollte sie die Briefe ein und hielt sie in einer Faust, wischte mit der anderen Hand die Tränen von den Wangen. Irgendwie wusste ich, dass ich zurückkehren soll.. nur... ich wollte es nicht wahrhaben, Hektor! Weisst du, es ist so schön hier! Ich bin mit meiner wiedergefundenen Mama zusammen, habe dazu einen kleinen Bruder bekommen. Wir haben ein Dach überm Kopf und schauen uns ganz viel an. Ich brauche nicht zu stehlen, um zu überleben, denn Münzen verdiene ich mit dem Schnitzen. flüsterte Tilla. Die Briefe segelten auf den Boden.
Tränengetränkte Hände wanderten auf den Nacken, wo das Brandzeichen der Aurelier ruhte. Nochmals tief durchatmend flüsterte sie stumm weiter. Andererseits weiss ich in der Villa nette Leute, denen ich gerne diente. Prisca, Ursus, Cotta, Laevina! Sie ist es, die mich zurück haben will. Was sollen Mama und Pumillio ohne mich machen? Was wird mit Ihnen geschehen? Ich möchte und will sie nicht verlieren. Will das Schicksal mich in Rom wissen? Soll ich das Orakel erneut aufsuchen? Wirbelnde Gedanken suchten Tilla heim. Herrjeh, wusste Hektor überhaupt was direkt vor der Entführung passiert war? Sie erzählte ihm vom Ausflug mit Prisca zum Orakel, vom Aufeinandertreffen mit Pumillio und von Marduks Auftauchen. Was blieb ihr anderes übrig als zurück zu kehren? Das stumme Mädchen umfasste den Tränenstein, liess es zu, dass die Sonne sich darauf wiederspiegelte. Mit trockener Kehle wartete sie auf Hektors Worte... und auf die Rückkehr von Esther und Pumillio!
Schritte erklangen. Tilla spitzte die Ohren, riss die Augen auf, als eine ihr ziemlich gut bekannte Stimme sich dem Haus näherte! Sie schob sich etwas mehr in den Schatten und wartete lauernd ab, wer sich da näherte! Noch einmal wollte sie nicht auf einen bösen Plan reinfallen, gar entführt werden! Doch dann zeigte sich die Person, der die Stimme gehörte. Tilla juchzte stumm auf und lief los, um Priscas Leibwächter Hektor geradezu in die Arme zu springen und ganz fest zu umarmen.
HEKTÖRCHEN!! Lieber Hektor! Du bist zurück gekehrt? Wie kommt das? Bist du geflohen? Haben sie dich wieder freigelassen? Oder besser noch ziehen lassen? flüsterte Tilla ihrerseits stumm auf ihn ein. Sie freute sich riesig ihn wiederzusehen und gab ihm sogar je einen Kuss auf seine bärtigen Wangen! Strahlend sah sie ihn an und merkte selber, dass sie schon längst kein kleines Mädchen mehr war, das auf dem Arm eines erwachsenenen Mannes verweilen durfte. Mama Esther und Pumillio sind einkaufen! Sie wollten zu Mittag wieder zurück sein. beantwortete sie rasch seine Frage nach den anderen und liess sich nach einer erneuten Umarmung Hektors auf die Füße stellen. Uns gehts soweit gut! Pumillio leidet immer noch unter unserem Abenteuer, er weint viel..
Tilla deutete auf die Stufen des Hauses. Setz dich, ich hole dir etwas zu trinken, dann können wir reden. Sie verschwand im Inneren des Hauses der Freundin und kehrte asbald mit purpurrot und wasserblau angemaltem Trinkgeschirr zurück. Schau, die Becher samt Krug habe ich von meinem ersten selbstverdienten Geld gekauft! Weil ich meine Schnitzereien verkauft habe... Rosen, Pferde, Boote, Palmen... aber keine Delphine! Die gehören dir und mir allein! Gewissenhaft schenkte sie ein und lehnte sich an Hektor an. Ich habe dich vermisst! Wir waren alle ziemlich erschrocken als sie dich uns wegraubten! Unbewusst zeigte Tilla ihre Waden, die nicht mehr arg dünn waren, endlich begann ihr schlacksiger Mädchenkörper die weiblichen Rundungen einer kräftigen Frau zu entwickeln.
Schon seit dem frühen Morgen saß Tilla im Hauseingang und wartete geduldig auf die Rückkehr von Esther und Pumillio. Letzteren hatte ihre Mutter mitgenommen, um ihm neue Kleidung und Schuhe zu kaufen. Der Junge war gewachsen, sein Charakter aber nicht, denn er weinte viel. Tilla genoß die unerwartete Ruhe des Morgens und reckte der Sonne ihr Gesicht entgegen. Leider versteckte sich die Sonne asbald hinter Wolken und legte die Umgebung in einen merkwürdigen Schatten. Hin und wieder stand Tilla von ihrem Platz auf, um den ein- oder austretenden Bewohnern oder Angehörigen des Hauses Platz zu machen. Fest zog sie den Umhang um sich, als sie sich wieder einmal hinsetzte und blickte in beide Richtungen der Straßen, ob die Zwei schon zu sehen waren. Nichts!
Behutsam holte sie das Medailion ihres Vaters hervor und betrachtete es. Immer wenn sie es betrachtete, 'lebte' das stumme Mädchen mit offenen Augen träumend, die Reise durch das Wasser und den Kampf mit der bösen Königin noch einmal durch. Es war ein unglaublicher Kampf im Wasser gewesen und dann das viele Blut welches sie dann umgeben hatte. Sie hatte die Königin nicht mehr gesehen, nachdem sie sie mit ihrem Messer am Hals getroffen hatte. Die böse Frau war einfach verschwunden und Tilla aus der Quelle der Oase wieder herausgekommen.
Tilla schüttelte den Kopf, rieb sich die brennenden Augen. Sollte die Königin auch für immer verschwunden bleiben.
Nie wieder würde sie sich entführen lassen! Und trotzdem.. wäre sie nie entführt worden, hätte Esther sie nie wieder zu Gesicht bekommen und wäre gestorben ohne zu wissen, dass ihre Tochter lebte. Langsam versenkte Tilla das Medailion im Halsausschnitt ihrer Tunika und fühlte nach dem Tränenstein. Der Stein hing immer noch um ihren Hals und diesen würde sie verborgen halte. Niemasnd mehr sollte wissen, dass der Stein existierte. Blinzelnd sah Tilla nach einem Hinweis, wie lange sie mit offenen Augen geträumt hatte. Es musste schon später, beinahe Mittag sein, denn die Straße leerte sich. Die wenigen Händler räumten ihre Auslagen ein. Esther musste bald wieder zurück sein oder Pumillio weinte wieder einmal. Stumm seufzend stand Tilla auf, klopfte den Staub vom Umhang und lehnte sich schliesslich gegen den Türrahmen.. sie konnte auch im Stehen warten.