Diagoras grinste und krabbelte mit der linken in seiner Ledertasche nach einem Apfel. "Der Vergleich mit der Lehre Epikurs stammt von Dir, O Kassandros. Und im Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den einzelnen Lehren liegt auch ein großer Gewinn - nicht zuletzt in der der Lehre der hier vorgestellten Stoa, nicht?" Nicht wenige der anwesenden Jungen hatte schon heiße Ohren, kaum hatten sie das Wort "Lust" gehört. Wahrscheinlich rannten sie als nächstes zur Tafel mit der Liste der am Museion anwesenden Philosophen und suchten einen Epikureer, damit er ihnen im Lustgewinn Unterweisung geben möge. Diagoras biß ein Stück vom Apfel ab und epfand ganz unepikureische Lust, wie er fand.
Beiträge von Diagoras von Melos
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"Manchmal führen Antworten zu neuen Fragen, O Kassandros!" warf Diagoras ein, der eigentlich nicht vorgehabt hatte, sich mit der Stoa herumzuprügeln. Aber weil er Nikolaos' Frage und dann die ersten Sätze von Kassandros Antwort vom Gang her vernommen hatte, wo er gerade sich philosophischer Muße hingebend perambulierte, stand er am Eingang gelehnt und lächelte.
"Du hast gerade von der 'Lust' Epikurs gesprochen, als sei sie ein eklatanter Gegensatz zuden Zielen, die die Stoiker benennen. Was ist denn Deiner Meinung nach denn ene 'Lust' der Epikureer?"
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Hiermit kündige ich die folgende Veranstaltung an:
EINE KLEINE GESCHICHTE DER ZIVILISATION I
(Das Zeitalter der Hellenen)Ort: Raum Theta VII,
Turnus: alle fünf Tage nach der Mittagsruhe
(Feiertage ausgenommen),1. Sitzung: Am Tag, der auf das
Fest für Kybele und Attis folgt.Teilnehmerkreis: Akroates aller Stufen,
interessierte Gasthörer (freie Plätze vorbehalten)DIAGORAS VON MELOS e. h.
Philosoph am MuseionSim-Off: Gemeint ist der 29. März, Datum und Turnus sind nicht SimOFF zu verstehen. Leider wird der Kurs in loser Folge abgehalten werden ... Weitere Ankündigungen und der Kurs selbst in diesem Thread.
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Zitat
Original von Prosekon tou Mouseiou
~ Sosimos von Korinth ~[...]
Dann wandte er sich an Diagoras, dessen Intention dem alten Gelehrten klarer war. Akademie, Gastlehrer, sprach für Theodoros, hatte sich also schon gut und für Sosimos passend engagiert, Sosimos dachte noch einen Moment darüber nach, dann fing er an zwischen den Schriftrollen zu suchen, einige fielen dabei von seinem Tisch bis er wohl die Richtige gefunden hatte. „Ah, hier!“, murmelte er und begann mit einer Rohrfeder etwas darauf zu kritzeln, dann hob er den Kopf. „Gut, Diagoras, Du erhältst von mir die Gelegenheit hier am Museion zu unterrichten. Ich werde Dich bei den Philosophen eintragen. Willkommen am Museion. Hast Du schon Räumlichkeiten, in denen Du hier am Museion wohnen kannst?“
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[...] ...und im Übrigen Dich auch...“, meinte er auch zu Diagoras. „...im Auge behalten, ob ihr dem Museion eine Bereicherung seid oder ihm eher schadet. Mögen die Musen Dich anleiten und Willkommen, Kassandros.“ Erneut hob Sosimos seine Feder und kritzelte etwas auf die Rolle. „Gibt es Fragen?“ Sosimos war kein Mann der langen Worte, er kam stets zu dem, was ihm wichtig erschien. (Womöglich war das auch gut, denn schließlich war der Mann nicht mehr der Jüngste und hatte nicht mehr allzu viel Zeit im Leben.)
Mit wenigen Worten und in wenigen Augenblicken können sich ganze Leben verändern. Mit knapp über dreißig war Diagoras kaum mehr ein Jungspund, auch wenn sein emotionaler Quotient oft noch auf der Skala "Pubertät" herumkrebste - aber nun schien das Jugendlotterwanderleben ein Ende zu haben. Lehrer am Museion! Wenn er anstellig wäre, würde er spätestens im nächsten Jahr zum Inventar gehören und damit unbeachtet von allen und allem sein Leben nach seiner Façon leben können. Materiell abgesichert und sorgenfrei. Blühende Landschaften voll von Apfelbaumhainen taten sich vor des Philosophen innerem Auge auf.
"Danke", sagte Diagoras und nahm den Schrieb entgegen. "Momentan logiere ich im Gästetrakt, o Sosimos. Räumlichkeiten, in denen ich auch arbeiten und Schüler empfangen kann, wären natürlich höchst erfreulich." Diagoras strahlte. Er dachte an die weichen Polster des Doros.
"Dann können wir uns ja gratulieren, Kassandros - auf eine gute und segensreiche Arbeit!" Daß ihre Arbeit am Anfang kritisch beäugt werden würde, was Diagoras klar. Im Wissenschaftsbetrieb galt zweifellos die Devise, daß nichts so süß riecht, wie die Leiche eines Konkurrenten. Darum galt die meiste Energie in der ersten Zeit, entweder sich aller unliebsamer Kollegen zu entledigen - als Arzt war man da klar im Vorteil - oder möglichst als gefahrlos wahrgenommen zu werden.
"Fragen? Nein, ich denke, die Einzelheiten zum Lehrbetrieb kann ich auch mit den Grammatoi aushandeln, auch wenn das Museion größer und berühmter ist, sind die Strukturen doch ähnlich wie überall." Diagoras hatte schon seine - sehr unterschiedlichen Erfahrungen in Ephesos und Athen gemacht, Raumbelegung, Sprechstunden, Handapparate, Antragsformulare und aller der Kram, mit denen einem das akademische Leben vergällt wurde.
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Zitat
Original von Prosekon tou Mouseiou
~ Sosimos von Korinth ~"Genau", antwortete Diagoras. "Die Akademie in Athen wünschte sich Theodoros als neuen Epistates, darum war ich auch damals am Museion. Guter Mann, dieser Theodoros, leider ein Jude, was aufgrund seiner Reputation aber niemand in Athen wußte." Womit dann die Kandidatur ziemlich aussichtslos geworden war, aber vielleicht hatte der Rückzug von Theodoros auch noch andere Gründe. Vor Diagoras' geistigem Auge emanierte das Bild einer höchst, eigentümlichen Person, geschlechtslos häßlich.
"Und - da ich Muße habe, möchte ich forschen und Lehren. Theologia und Historia." Und nicht zu vergessen: Äpfel.
Für Diagoras standen Äpfel für Freiheit, Pluralismus und Toleranz. Als junger Ephebe war er Begründer der "Ephesischen Apfelfront", die sich mit den Anhängern der Nationalephesischen Arbeiterpartei regelmäßig Straßenschlachten lieferte und so manchen faulen Apfel einem dieser Genossen an die Stirne klatschte. Warum ausgerechnet "Äpfel"? - Fragen Sie mich etwas anderes.
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Zitat
Original von Prosekon tou Mouseiou ~~ Doros von Pelusium ~~
Von dem voll getunkten Brot[...]Manche Heiterkeit und mancher Gleichmut rühren her aus einem heiteren und gleichmütigen Herzen. Doros, so scheint es, gehört zu jenen glücklichen Zeitgenossen, auch wenn seine Heiterkeit die eines aufmerksam teilnehmenden Beobachters ist, der immer einen Becher Spott bei der Hand hat und hofft, ihn über jemandem ausleeren zu können. Unseres Helden Gleichmut und innere Heiterkeit ist eher durch mangelndes Einfühlungsvermögen bedingt, Diagoras 'macht's wie die Sonnenuhr - er zählt die heit'ren Stunden nur', vor allen, weil er die bewölkten nicht sieht, was, wenn es Regenwolken sind, ihn oft ziemlich in den Regel zu stellen pflegte.
Und wie wir uns erinnern: auf seinem parthischen Abenteuer war er ziemlich in den Regen gekommen, eigentlich sogar unter die Traufe und hatte bis zum Scheitel im Regenwasserfaß gesessen. Parthien ist kein gesundes Klima, nicht einmal für diejenigen, die dort nur zur Zerstreuung hinwollen, nicht wenige hatten dort ernsthaft Schaden an ihrer Gesundheit genommen. Wenn dort ein Kaiser über, bleiben wir im Bild: über den Euphrat gehen könnte, dann mußte ein einfacher Philosoph ebenda mindestens naß werden, schon aus Gründen der Gerechtigkeit.
"Styx?" fragte Diagoras ein wenig abgelenkt. "Nein, zwischen der Provinz Syria und dem Königeicht Parthien fließt der Euphrat ... äh" Ihm ging dann doch ein Licht auf. "Styx, ahso, ja, ja. Nein, nein: den Kaiser habe ich nicht gesprochen, ich habe auch nicht nach ihm gesucht. Obwohl ich überlegt hatte, ihn wegen der Epistates-Bestellung um Eile zu bitten." Wobei wir sicher annehmen dürfen, daß dem Imperator die Sedisvakanz am Museion im Moment so bedeutsam erschienen sein muß, wie wenn in Rom ein Sack importierter parthischer Sand umfällt.
"Ich habe das eroberte Edessa besucht. Dort gedeiht es eine besonders robuste Apfelsorte: den "Maschanzker von Edessa". Robust, sicher. Jedenfalls solange niemand darauf herumtrampelt.
"Ein paar Exemplare konnte ich ergattern. Dann bin ich ins nicht weitentfernte Samosata zu Lukian gegangen." Zu Fuß. (sic!)
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Nun, vielleicht war es doch besser gewesen, zuerst zu Doros zu gehen und dann - ihm folgend - zu Sosimos. Unser Philosoph hatte nicht die leiseste Ahnung, wo - im Vergleich zum Sonnenstand - er sich befand und er würde wahrscheinlich auch selbständig nicht mehr zurück in sein Zimmer finden, aber an solcherei geographische Orientierungslosigkeit gewöhnt, würde er einfach solange laufen, bis er jemand finden würden, den er fragen könnte. Wer alles vergißt, lernt andauernd Neues und Überraschendes kennen.
"Chaire, Sosimos" begrüßte er das sich selbst bewegende Fossil. Im Zimmer des Gelehrten roch es nach alter Mann, leicht ranzig und verstaubt. Diagoras kramte nach einer Birne und biß hinein: 'Lukians Liebling', weil sie sein Freund so gerne als Mus auf's Brot aß, allgemein aber eher bekannt als 'holzfarbige Butterbirne'.
"Wir hatten uns schon auf dem Synodon zum Wahlvorschlag eines neuen Epistates getroffen. Ich bin Diagoras von Melos." Vielleicht reagieren die Atome des Alten ja auf Reizwörter und stoßen mit solchem Geräusch zusammen, daß Erinnerungen geweckt werden. "Ich habe an der platonischen Akademie in Athen als Gast gelehrt und war vorher Bibliothekar in Ephesos und Klient des Tiberius Iulius Celsus Polemaeanus". Ein bißchen Namenfallenlassen kann nicht schaden, Iulius Celsus Polemaeanus war einer der angesehensten Bürger von Ephesos und früher Legionstribun in Ägypten gewesen - aus dem würde sicherlich noch einiges werden.
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Diagoras schnaubte. Warum die Menschen immer ihre eigenen Animositäten in anderen zu finden glaubten? "Ich habe nichts gegen Frauen und auch nichts gegen Römer, und auch nicht aus einer Kombination von beidem", erwiderte der Philosoph leicht pikiert. "Ich weiß einfach nicht, was ein Arzt ..." aber da waren die beiden anderen schon unterwegs.- 'Doros?' Bei den Greueln von Edessa! Was wollen wir bei Doros? Sagte Diagoras nicht eben deutlich, wer wolle zu Sosimos? Er zuckte mit den Schultern und schlurfte hinterher.
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" Es gibt unterschiedliche Wege, sich der Erstursache gedanklich anzunäheren, so eben über den Gedanken der Einheit in der Vielheit, denn wenn alles eine Ursache hat, muß ja von diesem Einem in allem etwas zu finden sein. Außerdem muß ja nicht die Erstursache in unzugänglichem Lichte wohnen, sondern mitten unter uns, als apersonales Prinzip wie in der Arithmetik beispielsweise ..."
Diagoras gehörte zu denjenigen, die beim Diskutieren von einem Ast zum anderen hüpften und hierher und dorther Analogien, Beispiele, Gedankenstränge und -fäden zu einem großen Knubbel verwurstelte. Auch Elektizismus und die Biegsamkeit zeigt die Einheilt in der Vielheit. Jenen, denen die Vielfalt ein Greuel war und ist, vertrauten und vertrauen ja mehr ihrer Einfalt.
Diagoras zuckte mit den Schultern und biß erneut in seinen Apfel.
"Ach, die Angestellten im Museion sind Kummer gewöhnt" wiegelte er die Bedenken Kassanders ab. Wo kam man denn hin, wenn man nicht einmal mehr im Museion bei jeder Gelegenheit sich in Gespräche ziehen lassen konnte?
"Nun, Grammateus, ich glaube kaum, daß wir einen Arzt benötigen - und schon gar keine Hebamme, auch wenn unser aller Freund Sokrates sich selbst gerne der Hebammentechnik zum Gewinn von Erkenntnis bediente. Wenn Du nach Sosimos von Konrinth schicken lassen oder uns zu ihm begleiten würdest ... das wäre famos." Diagoras pulte mit der Zunge nach einem Stückchen Schale, daß sich zwischen seine Zähne gesetzt hatte.
Sim-Off: Decima Valeria wird momentan leider so gut wie nicht bespielt, hingegen die NPCs - wie Sosimos oder Doros erfreulicherweise schon ...
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"Der ehrenwerte Grammateus meint im Klartext, die meisten haben erst Muffensausen bekommen und dann Fersengeld gegeben" schaltete sich Diagoras ein. "Und wie ich erfahren mußte, hat das Museion auch keinen Oberen. Seit nun über einem Jahr! Die Gelehrten sind zu blöde, sich ein Oberhaupt zu wählen und die Römer zu desinteressiert, eines zu ernennen." Diagoras wollte nicht weiter darüber nachdenken, geschweige denn darüber reden. Seine damalige Mission war im Grunde völlig gescheitert, so schön man sich es auch schönreden könnte.
"Aber - und darum bin ich hier, Grammateus - ich will Vorlesungen anbieten: einen 'über die Götter', einen über die Geschichte der Hellenen und auch einen kleinen über die Geschichte der Rhomaier, falls sich für letzteren überhaupt Interessierte finden.
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Diagoras konnte - ohne daß er sich umdrehte - bemerken, wie die Schreiber im Vorraum die Augen verdrehten. Das heißt: er bildete es sich sind, weil er innerlich die Augen verdrehte. In einer ähnlichen Situation wären ihm Schreiber, die die Augen verdrehen völlig egal gewesen, weil er sie überhaupt nicht bemerkt hätte. Auch jetzt bemerkte er nichts von augenverdrehenden Schreiberlingen, sondern weil Diagoras wollte, daß es so sei, er auch glaubte, daß es so ist.
Unser Held weiß es noch nicht, aber er wird peu à peu ein Skeptiker und Nihilist, momentan wabert er noch bei den Agnostikern herum und in ein paar Jahren wird es ihm völlig egal sein, ob die Götter, er selbst oder überhaupt irgendetwas existiert. Aber noch ist er nicht soweit.
"Sicher ist in der Vielheit die Einheit zu finden, etwas, das alles einigt aus dem alles ist. Demokrit, soweit ich weiß, meinte, es seien die Atome, unteilbare Teilchen, Pythagoras meinte, es sei die Zahl. Was einander nicht ausschließt, da ja auch die '1' nicht teilbar ist." Daß feste Körper aus losen, einander abstoßenden Teilchen bestehen, die herumzappeln wie ein Weib, dem eine Maus ins Gewand gekrochen ist, hielt Diagoras für absurd, die Idee der Zahl hingegen, nun, solange man nicht so ein Gedöns daraus machte wie der Alte damals ... warum nicht?
"Wenn aber nicht etwas 'Größeres' und 'Unbegreiflicheres' hinter allem steht, sondern alles so ist, wie es ist, wirklich nur das ist, womit man schmeißen kann, wie ein Apfel beispielsweise - möchtest Du einen?" Diagoras griff in seine Tasche und beforderte einen "Schönen von Mogontiacum" ans Tageslicht und biß herzhaft hinein. "wäre das eine große Enttäuschung? Ich meine, die Menschen gelten ja in ihren Taten auch oft als unbegreiflich - und meist ist ist dann doch nichts dahinter. Und schon gar nichts Großes. Was wollen wir hier eigentlich?" Diagoras schaute sich im Raum um.
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"Aha." sagte Diagoras. "Hinter drei guten Göttern verbergen sich die anderen guten Götter, hinter denen sich ein unbegreiflicher Allgott verbirgt. Ist dieser ... Allgott dann nicht gut, weil er sich verbirgt?" Diagoras kannte diesen philosophischen Monotheismus, das HEN, das EINE, in dem alles zusammenfällt. Irgendwann würde noch jemand behaupten, in IHM fallen alle Gegensätze, also auch die Logischen zusammen. Diagoras lächelte dünn.
Im Grunde hatte er nichts gegen die Eingottgläubigen, die, die die Vielheit in der Einheit sahen - oder eben die Einheit von allem in ihrer Vielgestaltigkeit. Wozu dann aber noch die vielen Götter vorschalten? Was braucht es einen göttlichen Mittelbau, wenn man sich gleich zum Zentrum wenden kann? Staffage? Konvention?
"Die Welt braucht wahrlich eine Retterin, die ganzen Retter haben es ja nicht weit gebracht mit unserer Welt, nicht? Sie stöhnt und ächzt immer wieder seit den Zeiten der Titanen." Irgendein fahrender Philosoph hatte ihm weismachen wollen, sie lebten hier in der besten aller möglichen Welten. Oh Graus, Diagoras dauerten die Menschen in den anderen Welten ungemein.
Sim-Off: Ich verwechsele die beiden auf dem Fresko immer - für mich ist Aristoteles einfach der alte Sack und Platon der Junge. Historisch zwar umgekehrt (auch im Kopf wohl, wenn man die Nomoi bedenkt), aber sowas wird man schlecht los ... Vielleicht merx ich mir ja jetzt.
"Heilige Familie" - ich vermansch' gerne auch Anachronistisches, wenn es irgendwie 'reinpaßt ... daß die Verehrung von Maria, Joseph und dem Jesuskind (und die meinte ich, vgl. den rk. Feiertag ..) mit der Trinität in gedanklichem Zusammenhang steht, vgl. Tritheismus, halte ich für schwierig, obwohl nicht völlig abweisbar (obwohl - Dreizahl - Trias ist ja ein gängies Motiv auch ohne Trinität und Tritheismus). Jesuskind, Maria und Joseph jedenfalls tauchen mindestens ab dem 5. Jh. in der Kunst auf (Flucht nach Ägypten, dann Geburtsszene) ...
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'Heilige Familie'? Redeten nicht die Christianer, diese Krätze aller Abergläubischen hie und da davon? Diagoras' Hirn gähnte und reckte sich und bekam von einigen Botenstoffen Tritte auf die hinteren Regionen. Nein, der Mann sah eher aus wie Aristoteles, denn wie ein verrückter Eselskopfanbeter, obwohl man bei Ägyptern ... Diagoras Hirn fing an zu trudeln, fing sich aber gleich wieder.
"ich, äh, war schonmal in Alexandria, vor etwa einem Jahr. Aber noch nie in Ägypten." Ägypten lag irgendwo, Alexandria mitten in der zivilisierten Welt. Herodots Einschätzung über die Herkunft der Religion aus Ägypten - oder war es Thukydides? teilte Diagoras nicht im geringsten. Kein Wunder, denn keiner dieser beiden Leute hatte wohl je seinen großen Zeh in Wüstensand gebohrt.
"Achje, nein, keine Kinder" trompetete Diagoras entsetzt. Kinder! im Museion! Diese neunmalklugen Scheißer, so wie er einer gewesen war. Diagoras war froh, nicht sich zum Schüler gehabt zu haben. So sehr er seine Kindheit liebte, dieses vorwurfsvolle 'Du warst doch auch einmal Kind!' fand er geschmacklos.
"Junge Männer, natürlich nach der Ephebie, aber - naja keine alten Leute über dreißig Lenze, wie wir" stellte Diagoras sein Weltbild klar. Er war vor wenigen Jahren von den Zwanzigern in die Dreißiger eingetreten und hatte sich schlagartig uralit und siech gefühlt. Obwohl ihn an der Akademie in Athen, wo er vor zwei Jahren einige Zeit als Gast gelehrt hatte, hie und da mit den Studenten verwechselt worden war.
Sim-Off: Klar, aber "Erwachsener" ist auch ein dehnbarer Begriff. Heute gibt's 27jährige, die nicht erwachsen sind.
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Und so standen sie da, Alexandros von Alexandria und Diagoras von Melos aus Ephesos (Präzision!: aus Ehepsos aus Samosata) und lassen einander den Vortitt. Beide schwenkten einladend ihre Arme und hofften darauf, daß nicht dann, wenn sie den ersten Schritt selbst tun, der andere auf dieselbe Idee käme. Warum waren die Türen hier eigentlich zu schmal für zwei Personen?
"Äh, ja" konstatierte Diagoras zweifelnd. Auf Verwaltung war nirgendwo Verlaß, allerdings war in diesem einzigen Punkt auf die Verwaltung Verlaß. War also nun Verlaß auf die Verwaltung oder nicht? Jedenfalls, daß auf die Verwaltung kein Verlaß war, darauf war Verlaß.
Stoa. Aua. Tugend, virtus, Areté - Dulden, Ertragen, Aushalten - Politik, Feiertagsreden, Selbstgefälligkeit. Von Stoikern hielt Diagoras noch weniger als von Religiösen. Die erkannte man wenigstens von weitem, bei Stoikern mußte man näher herantreten.
"Serapis-Isis?" klammerte sich Diagoras an ein Stichwort wie an ein Floß im Fluß. "Interessant", lächelte er verbindlich. Die Ägypter hatten so, so, so ... interessante Götter. Anubis wollte Diagoras nicht um Dunklen begegnen. Und was die mit ihren Katzen haben! Als Kind hatte er brennende Lumpen an Katzenschwänze gebunden, nicht auszudenken!
"Bitte, voran" drängte Diagoras nun, obwohl er eigentlich nichts im Vorraum mit den Schreibern wollte. "Ich kann Dich aber beruhigen: unterrichtet werden hier nur die Schüler, nicht die Erwachsenen. Die wollen alle nur etwas beibringen, aber nichts lernen." 'Wie auch?' wird mancher Philologos spöttisch fragen, 'ich weiß doch alles'.
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"Gesundheit!" antworte Diagoras höflich. "Mögen die Götter Dir wohlgesonnen sein" fügte er vorsichtshalber an.
Und obwohl Diagoras inzwischen die Götter wieder für nichtexistent hielt und, insofern sie doch exisiterten, er sie sich im Gegensatz zu Epikur nur mißgünstig vorstellen konnte, versuchte er doch, sich an gewisse Gepflogenheiten und an ihn mit seiner Kindheit verbindenden liebgewonnenen Plattitüden zu halten.
"Ich bin Diagoras von Melos aus Ephesos" stellte sich unser Philosoph umständelos vor. "Ist Dir auch, äh," langweilig, wollte Diagoras fragen, denn obwohl er Tagträume liebte, waren sie doch ein untrügliches Zeichen für Langeweile. "Suchst Du jemanden? Hm, ich gaube, hm, ich habe heute im Verwaltungstrakt noch niemanden gesehen" Abgesehen von den drei Schreibern, die über Diagoras gestolpert waren, als der sich bückte und den zwei Schülern, die hofften, ihre Seminararbeit noch rechtzeitig zu ihrem Dozenten bringen zu können, weder den Dozenten aber je gesehen hatten, noch sein Dienstzimmer kannten. Diagoras war gerade dabei gewesen, die Auswahl an Birnensorten im kleinen Gewächshaus in die zweite Runde gehen zu lassen und beide Jungen nicht bemerkt.
"Oh?" sagte Diagoras zu dem Grammateus und bot dem bärtigen Alten den Vortitt an.
Sim-Off: edit:// Anpassung wg. Überschneidung/Überstürzung von Ereignissen.
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Diagoras von Melos gehörte zur schnellen Truppe, was die Auffassungsgabe anglangt. Kaum waren die Feierlichkeiten vorüber, wußte er auch schon, daß weche stattgefunden hatten. Ein Tempo, das zweifellos nicht einmal eine Schildkröte einholen hätte können, selbst wenn unser Held nicht Diagoras, sondern Achill gewesen wäre.
Also, die Feierlichkeiten waren vorbei und Diagoras wußte es. Nein, halt, Diagoras wußte, daß Feierlichkeiten stattgefunden haben oder hatten, nicht aber, daß sie vorbei waren. Präzision, Präzision!
Also, Diagoras wußte von Feierlichkeiten und stellte sich darum auf einen ruhige und beschaulichen Rundgang durch das Museion ein. Schnüffelnd und mümmelnd hatschte er durch die Gänge wie ein junger Faun, die Hände lässig auf dem Rücken verknotet. Der wünschte sich eine pomologische Versuchsfarm herbei, was, wie wir wissen, nur durch eifrige Drittmitteleinwerbung und Lobbyisten-Arbeit überhaupt erst denkbar werden kann.
Daß das Museion einerseits ihm einen bezahlen Lehrauftrag geben, andererseits seine naturkundlichen Forschungen, die so übehaupt nichts mit seiner eigentlichen Fachrichtung zu tun hatten, finanzieren würde - das sind Hirngespinnste, Unmöglichkeiten wie die, einer erfahrenen Hure die Unschuld nehmen zu wollen.
So in Gedanken und Träumen versunken, unter anderem an eine neue Apfelzüchtung, die er den "Schönen aus Melos" taufen wollte, ungeachtet der Tatsache, daß auf Melos zwar ein Haufen anbetungs- und anknabberungswürdige junge Schönlinge gediehen, die gerne ihre Oberschenkel zeigten, aber ein Apfelbaum kaum eine Woche überlebt hätte.
Mehr zufällig denn gewollt schwenkte er in den Vorraum mit den Schreibern
ein, 'aber hallo!' dachte sich Diagoras, als er auf einen Alten traf, der offenbar einen ähnlichen Gedanken hatte oder - eben nicht hatte und nun auch vor der Tür stand. -
Seinem Gastgeber folgend, nahm Diagoras auf einer der Klinen Platz und versank gleich bis zur Hüfte in den weichen Polstern der Matraze. Zweifellos, Doros hatte es sich gut eingerichtet - wenn man da sein eigenes B(r)ett zum Vergleich heranzog!
Mit spitzen Fingern und einem entschuldigenden und gleichzeitig dankbaren Lächeln angelte Diagoras nach einem gefüllten Weinblatt und schob es in seinen Mund. "Farietaf ...", hub er an, kaute aber dann doch glücklicherweise und schluckte dann den ersten Bissen des Tages mit Genuß herunter.
"Varietas delectat ... und die Mißgunst in Einrichtungen, wo Männer oder Frauen zusammenleben ist ja allseits bekannt." Die Idee, daß Männer, daß Frauen gar, die nur durch ihre Interessen verbunden, gemeinsam in einem Haus leben, hielt Diagoas für eine absurde Idee ohne Zukunft. Was sollte dabei schon herauskommen als Zeter und Mordio? Sobald er von seinen genügend Geld angewiesen bekommen hatte, würde er sich eine Bleibe außerhalb des Museion suchen. Theodoros hatte es richtig gemacht, außer, daß bei den eigenen Eltern zu wohnen für einen Mann seines Alters und seiner Position auch kaum als Optimum gelten konnte.
"Also ist das Museion nach wie vor, äh, kopflos? Ein Zustand von unnachahmlicher Traurigkeit, nicht?" Nicht, daß es irgendeines Epistaten bedurft hätte, womöglich noch eines, der sich in alles einmischte und sich selbst wichtiger machte, als er es war. Ein Diener der Diener der Wissenschaften sollte er sein, was man von dem verblichenen Tychios allem Anschein nach nicht sagen konnte. Wahrscheinlich erholt sich das gesamte Museion noch immer von ihm.
"So? Sosimos lebt also immernoch? Spannend, wahrscheinlich nur noch aus lauter Trotz." Die "Naturphilosophin" überging Diagoras, weil er sich nicht vorstellen konnte, wie "Frau" und "Philosoph" zusammenging, wahrscheinlich irgendein reiches Ding, daß mangels Ehebewerbern nun ihre Zeit mit irgendwelchen Küchenkräuterstudien zubrachte. Daß Diagoras seine pomologischen Studien aus ähnlichen Gründen aufgenommen hatte, schlicht: weil ihm ziemlich fade gewesen war und ihm, als er unter einem Baume vor sich hindöste, ein Apfel an der Schulter getroffen und er das damals als ein Zeichen der Götter genommen hatte, kam ihm natürlich nicht in den Sinn. Oder, wenn doch, dann wissen wir ja: wenn zwei das gleiche tun, ist es doch nicht das gleiche.
Daß Doros seine Abwesenheit bemerkt hatte, freute Diagoras einerseits, andererseits war ihm auch nicht gerade danach, diese näher zu erklären, weil er ahnte, daß seine damalige Impulsivität nicht nur von seinem Freund Lukian als kindisch abgetan werden würde. "Meine Aufgaben waren damals erledigt und ich habe die Gelegenheit genutzt, mir ein Bild von den Kämpfen in Parthien zu machen und zugleich einen Freund zu besuchen" , faßte Diagoras in erstaunenswerter Kürze zusammen. "Aber nun habe ich mich entschlossen, hier am Museion meine Lehr- und Forschungstätigkeiten aufzunehmen. Da werde ich wohl mal mit Sosimos reden , wo hat der denn seine ... Arbeitsraum?" "Seine Grablege" hätte Diagoras eigentlich sagen wollen, aber das hielt Gyrus, ein aufmerksamer Wächter in seinem Sprachzentrum noch gerade so eben zurück und schickte stattdessen eine passendere Vokabel auf den Weg.
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Wenn wir annehmen, daß Diagoras aufgrund seiner Reise durch die halbe Welt und seinen unfreiwillig überlangen Kuraufenthalt im fernen Samosata (weiß eigentlich zum Kuckuck jemand, wo das liegt? Genau - agegen ist das rauhe Kilikien ein Rentnerparadies.) ein neuer Mensch geworden ist, sind wir entweder so dämlich wie schon vor Monaten oder einfach nur Gutmenschen.
"Chaire, lieber Doros, Du Geschenk der Götter, daß ich Dich hier antreffe!" rief Diagoras erfreut aus. Daß er Doros in Doros' Zimmer antraf, war keineswegs verwunderlich, umso verwunderlicher hingegen, daß sich jener an diesen, also Doros an Diagoras noch erinnern konnte. "Ich bin's - in der Tat und ich hoffe, ich störe nicht" setzte unser Held mit dem Hauch einer rhetorischen Frage nach. Daß man den jungen Arzt kaum bekleidet, vielmehr kaum bekleidet nennen konnte, fiel Diagoras nicht auf - und wenn, dann nicht ins Gewicht.
Er folgte der Einladung und ins Zimmer. Kreatives Chaos wie eh und je, ein hoher, sonnendurchflutetet und von einem leichten Lüftchen durchzogener Raum, vor dessen Fenster erstaunlicherweise Vögel zwitscherten. Bei Doros war alles anders. Lag es an ihm oder am Raum selbst?
Diagoras sah sich im Raum um und schnüffelte. "Wirklich ganz reizend, Danke!" Dann verfiel er in sekundenlanges neugieriges Schweigen. "Wie? Oh, ja: Wein wäre wirlich willkommen", lächelte er nach innen gekehrt, die Augen weiter nach außen alles aufsaugend, um es dann in seiner eigenen schmalen und kümmerlichen Kammer wie ein Bild an die Wand projezierend wieder von sich zu geben. Diagoras' Magen meldete sich hungrig angesichts der appetitlichen Essensreste, eine Insubordination, die Diagoras hingegen nicht beachtete.
"und wie geht's? Wie steht's? Lebt Theodoros noch - oder ist der neue Epistates auch schon ermordet worden?" Wir erinnern uns: als Diplomat war Diagoras eine ziemliche Niete.
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Es wäre übertrieben, zu behaupten, Diagoras sei auf dem Weg zu Doros von Pelusion ein Mensch begegnet; er nahm nicht den Weg durch die Bibliothek, sondern ging schnurstracks und zielstrebig zunächst in die falsche Richtung und - als er seinen Fehler bemerkte - denselben Weg zurück, über den richtigen Hof zum richtigen Nebengebäude.
Trotz dieser unfreiwilligen Verlängerung der Möglichkeit, jemandem zu begegnen, dem er wenigsten ein stillevertreibendes Grunzen hätte entlocken können, wurde diese Möglichkeit von niemandem erkannt und entsprechend auch nicht wahrgenommen. Im Grunde war es Diagoras dann doch einerlei, denn er setzte große Hoffnung auf die spitzbübische Geschwätzigkeit des jungen Arztes, den zu konsultieren ihm bei seinem ersten Besuch nicht vergönnt gewesen war.
Diagoras schaute sich um. Niemand. Nichts. Er räusperte sich, das Räuspern war zu hören. Wenigstens etwas.
Mit schnellen, leicht dahingeworfenen Bewegungen klopfte er an die Tür.