Beiträge von Straton

    Begeistert klang sie nicht, soviel stand fest. Es schienen sich doch einige dunkle Wolken am Horizont der Liebenden angesammelt zu haben, wie es immer war, wenn die erste Verliebtheit ein wenig abgeflaut war und man sah, was man am anderen hatte. Eine Beobachtung, die der Grieche immer wieder gemacht hatte, und die ihn immer wieder erstaunte - im Grunde war dies vorhersehbar, fast vorherberechenbar.
    "Man kann es Dir fast von den Lippen ablesen, Bridhe - glaubst Du wirklich, ich wüsste nicht, wie es ist, sich eine Freiheit zu wünschen, die man wahrscheinlich niemals bekommen wird? Eine Sehnsucht zu hegen, die sich nicht leicht erfüllen kann? Im Grunde ist auch dies hier eine Prüfung, und ich gedenke, sie in meinem Sinne zu bestehen. Es könnte sehr viel schlimmer sein, wenn man die Alternativen bedenkt. Meine Eltern haben als Sklaven des Flavius Atticus glücklich gelebt, sie haben den Flaviern gerne gedient, sie sahen es als Ehre, das Leben dieser Menschen zu teilen - und sie hatten das ganze Vertrauen des Vaters unseres Herrn. Was für Dich wahrscheinlich wie der blanke Hohn klingt, da Du das Leben in der Freiheit kennst - für meine Eltern war es ein glückliches und zufriedenes Leben, in einer Sicherheit, die sie nur durch ihre Arbeit und durch Loyalität bezahlen mussten. Für alles war gesorgt, für Ausbildung, Unterkunft, Essen, all jene Dinge mussten nie bedacht werden, und mein Vater war als vilicus der Stellvertreter seines Herrn, wenn dieser auf Reisen war, er traf die Entscheidungen. Du magst auf ein solches Leben herabsehen, aber ich denke, dass meine Eltern dieses Leben gerne geführt haben, und auch jetzt ist meine Mutter in der Obhut des flavischen Haushalts gut aufgehoben, da für sie gesorgt wird."


    Nach dieser langen Rede hielt Straton einige Momente lang inne, bevor er fortführte: "Es gibt Gesetze, die eine Freilassung von Sklaven beschränken - selbst wenn der Herr wollte, vor Deinem dreissigsten Jahr wäre es ihm verboten, Dich freizulassen. Auch dieses solltest Du bedenken - und während der Lebenszeit eines römischen Bürgers darf dieser auch nur eine bestimmte Anzahl an Sklaven überhaupt freilassen. Es ist in jedem Fall keine so leichte Entscheidung, wie man es vielleicht denken mag."

    Zitat

    Original von Caius Flavius Aquilius
    ....
    "Komm herein," sagte ich, während ich der Tür den Rücken zuwandte und darauf wartete, dass der Grieche eintreten würde. Er schaffte es oft, so leise zu sein, dass ich seine Präsenz nicht bemerkte, aber glücklicherweise nicht immer. Es hätte mich wohl auch ziemlich frustriert, wäre es immer der Fall gewesen.


    Fast, dachte der Grieche und runzelte kurz die Stirn. Womit hatte er sich verraten? Durch den Luftzug? Nun, das nächste Mal würde es wieder klappen, soviel war sicher. "Du willst sicher erfahren, was Dir Aurelia Prisca ausrichten lässt, dominus," sagte er gelassen und blieb in der Nähe des Schreibtischs stehen, bis er sich sicher war, die Aufmerksamkeit Aquilius' zu haben. "Sie lässt Dir bestellen, dass sie zurückfordert, was ihr gehört - in fünf Tagen. Und anscheinend hat ihr auch gefallen, was Du ihr schriebst, sie sah ziemlich verklärt aus, als sie den Brief durchgelesen hatte." Straton machte eine kurze Pause. "Nun sage es mir ehrlich - liegt Dir wirklich etwas an ihr? Sie ist noch sehr jung. Und Du ... nun ja, darüber müssen wir nicht sprechen, oder?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und blickte zu dem Flavier herab, eine Braue marginal erhoben.

    Anscheinend hatte sich die Liebesdichtung seines Herrn um so einige Grad gesteigert, zumindest wirkte die junge Dame angetan ob dessen, was im Brief für sie verzeichnet gestanden hatte. Der Grieche ertrug es mit einer gelassenen Haltung - von den Flaviern war er nun einmal sehr vieles gewöhnt - und blickte sie ruhig an, als sie sich zu einer Antwort entschlossen hatte.
    "Natürlich, domina, ich werde es ihm wörtlich ausrichten: Du möchtest gern zurückhaben, was Dir gehört, und das in fünf Tagen." Damit neigte er abermals den Kopf und wandte sich auf ihre Geste hin zur Tür, innerlich die Augen verdrehend. Also war Aquilius wohl wirklich an dieser Frau interessiert. Straton sah eine sehr große Menge an Spaziergängen zur villa Aurelia vor seinem inneren Auge auftauchen und fand diese Aussicht gar nicht einmal so erschreckend. Nur konnten sie dann nicht einfach beide Briefe schreiben? Wenigstens hatte sie ihm keine Küsse mitgeschickt, die er seinem Herrn 'ausrichten' sollte oder etwas ähnliches ... auch wenn der Gedanke, von einer jungen, hübschen Frau geküsst zu werden, so unangenehm nicht war. Mit diesem Gedanken schied der Grieche aus den Räumlichkeiten Priscas, und nahm die Botschaft mit sich.

    Die Milch hatte wirklich gut geschmeckt, auch wenn sie ein bisschen zu wenig gewesen war - Straton nahm sich vor, am nächsten Tag auch welche zu besorgen, irgendein guter Vorwand würde sich sicher finden lassen. Das war der Vorteil langer Jahre im Dienst als Sklave, man kannte einfach fast jeden Trick.
    "Hmm ..Fischer?" Das war dann doch neu und ein wenig erstaunlich. Aber es klang so, als wäre die dahinterliegende Geschichte zumindest einer Erzählung wert, denn in diesem Punkt kannte der Grieche seinen Jugendfreund und Herrn recht gut - er behauptete solche Sachen nicht einfach so aus Spaß. Einige Oliven fanden den Weg zwischen die Lippen Stratons, dann ließ er sich etwas zurücksinken und betrachtete Bridhe nachdenklich.
    "Die Frage ist doch vielmehr, was man für sein persönliches Glück definiert. Manche Menschen leben gerne einfach - beispielsweise der Philosoph Diogenes, der nichts besaß, nicht einmal einen irdenen Becher, weil er dies so wünschte - andere umgeben sich mit Prunk und Gold, um sich wohl zu fühlen. Ich denke, das Leben stellt einen immer wieder vor eine Prüfung, und je nachdem, wie man sich dabei schlägt, ist es einem möglich, immer wieder das Glück zu finden oder auch nicht. Du magst vieles verloren haben, aber hast Du nicht auch hier etwas gewonnen - Deinen Liebsten?"

    Hmm ... ausgebildet werden alle Leute, die es wollen - wenn uns jemand klar sagt, dass er/sie keine Ahnung hat, dann gibt es auch Unterricht für discipuli, in dem Dinge besprochen und gespielt werden, die für die Probatio rerum sacrarum I relevant sind und an die Thematiken heranführen sollen, die einen im CD immer wieder beschäftigen werden. Aber ohne 'Hallo, ich könnte mal Hilfe brauchen' kann es auch keine geben, letztendlich sind wir keine Hellseher ;) wenn sich jemand sattelfest genug fühlt, gleich als Priester loszulegen, dann geht auch das.


    Edit: Oh man, falsche ID, aber auch wurscht. ;)

    Die Milch hinterließ einen schimmernden, weißhellen Flim auf ihren Lippen und wider seinen Willen betrachtete Straton dieses Detail deutlich länger, als er es gemusst hätte. Fast dankbar für die Ablenkung nahm er schließlich den Becher entgegen, und für einen kurzen Moment begegneten sich beider Hände, hinterließ die Berührung einen vagen, kaum wahrnehmbaren und doch fühlbaren Funken. Darüber hinwegtäuschend hob der Grieche den Milchbecher.
    "Jámas! Ich denke, es wird mich nicht umbringen, aus demselben Becher wie Du zu trinken, und sollte es passieren, hoffe ich, dass Du meine Leiche an einem schönen Ort versteckst."


    Trocken schmunzelnd nahm er die letzten Schlucke Milch aus dem Becher und stellte sie beiseite. Der Gedanke einer hinter Aquilius herrennenden Bridhe, die ihn zu mehr Lauftraining zu animieren versuchte, hatte jedenfalls genug Amüsement in sich, um ihn zu einem etwas deutlicheren Schmunzeln zu veranlassen. DAS war etwas, was man sich vielleicht vorstellen konnte, aber sicher nie passieren würde. Zumindest hoffte er das.
    "Er war vor allem ein unglückliches Kind - wir sind oft einfach nur abgehauen, um den dauernden Streit in seinem Zuhause auszuweichen. Ansonsten - was machen Jungen schon in ihrer Jugend? Streiche spielen, essen klauen, diese ganzen Sachen. Warum fragst Du?"

    Straton wartete geduldig, bis Bridhe mit dem Tablett voller Essen zurückkehrte, und das Warten hatte sich wirklich gelohnt. Auch wenn sie sicher noch nicht lange dabei war als Sklavin, die wichtigsten Tricks schien sie sich bereits angeeignet zu haben. Und dass sie Oliven nicht mochte, war ein weiterer sehr sympathischer Charakterzug an ihr - Straton mochte nämlich Oliven, sehr gern sogar. Aber er war klug genug, sie nicht auf diesen Umstand hinzuweisen, Frauen neigten leider sehr dazu, sich solches Wissen zunutze zu machen.
    "Da hast Du wirklich eine gute Auswahl zusammengestellt bekommen - ich kann kaum glauben, dass die Küche wirklich glaubt, dass der Herr das alles isst. Würde er das jeden Tag schaffen, wäre er inzwischen sicher dick und rund, und könntest Du Dir das vorstellen?" Zumindest innerlich grinsend schob der Grieche den Schreibtischstuhl zum Tisch und nahm sich ein Stück Brot mit einem guten Brocken des Ziegenkäses, begutachtete das Brot auf beiden Seiten und begann dann, als er sich sicher war, dass es noch gut war, zu essen.


    "Ja, haben wir. Genauer gesagt, sind wir gemeinsam aufgewachsen, mein Vater war der Leibsklave seines Vaters," gab Straton schließlich gleichmütig zu und kaute genüsslich den Käse, der wirklich gut war. Kein Vergleich zu dem elenden Zeug, das die Sklaven herunterwürgen mussten. "Danke übrigens. Ich hätte mir sonst heute wohl selbst etwas klauen müssen, diesen puls aus der culina werde ich nicht essen. Das Zeug macht sicherlich krank. Wer weiss, welchen Dreck der Koch da mit hinein mischt, dass es so aussieht wie frisch erbrochen."

    Wie ein Drachen sah sie nicht gerade aus, überlegte Straton, und ihr Lächeln verhieß sehr vieles, aber sicher nicht irgendwelche unangenehmen Konsequenzen. So trat er ruhig vor und legte die Schriftrolle behutsam in ihre schlanke, weich wirkende Hand, um dann wieder zurück zu treten und abzuwarten, dass sie las - glücklicherweise hatte ihn sein Herr nicht mit dem Inhalt belastet, zumindest früher war Aquilius' Liebesdichtung scheusslich schwülstig gewesen. Aber vielleicht hatte sich das auch geändert?


    Dem Sonnenstrahl gewidmet, der mir erhellt die dunklen Stunden.


    Hörst Du das leise Rauschen der Wellen,
    die samtig weich den Strand umschmeicheln?
    Hörst Du das ferne Schrei'n der Möwen,
    von Sagen kündend, die wir niemalsvernehmen?
    Hörst Du das Lachen, das noch in uns steckt,
    hervorgelockt von der Sonne allein?
    Hörst Du das Kelcheklingen, vermischt
    mit der geruhsamen Stille gestillten Hungers
    an einem frischen Tag?


    Eine Reise von nur weniger Strecke, und doch so weit von allem fort,
    eine and're Welt eröffnet, ein vollkommener Ort
    eingefangen nur wenige Stunden, gehalten in Deiner Hände Wärme
    genossen gemeinsam, gemeinsam gelacht, gemeinsam geträumt.


    Begleite mich auf diese Reise, für einen Tag die Sonne einfangend,
    das Meer soll Ziel uns sein, ein Essen am Strand, und nur das ewige Blau
    würde schenken ich Dir, könnte ich es
    so bleibt es doch nur ein Ausflug für eine besondere Frau.


    Lasse meinen Sklaven wissen, ob Du geneigt bist, Dein Pfand zurück zu erhalten, Du mein Sonnenstrahl - den Tag bestimmst allein Du.


    C.F.A.

    Während Straton dem schwarzhäutigen Sklaven durch das Innere der villa Aurelia gefolgt war, hatte er sich natürlich auch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, sich ein bisschen umzusehen. Im Grunde ähnelte die villa Aurelia der villa Flavia sehr - teure, nicht zu protzige Dekorationsgegenstände, sauber gemalte Wände, ein Fußboden, von dem man hätte essen können - und Straton nahm es gerade beim Essen mit der Sauberkeit sehr genau - und natürlich überall winzige Hinweise auf die Exclusivität des Hauses selbst. Das atrium war bestens dafür geeignet, Bittsteller einzuschüchtern und vom Reichtum der gens zu überzeugen, und Straton fand es fast amüsant, dass sich anscheinend alle wichtigen Patrizierfamilien derselben Mechanismen bedienten.


    Als Leone vor der Tür zum cubiculum der Aurelia Prisca zögerte, machte das den Griechen natürlich stutzig. War die Aurelierin etwa ein Drache, eine zickige, gemeine Frau zu ihren Sklaven, wenn selbst ein eigentlich kräftig gebauter Mann wie Leone es nicht eilig hatte, sie zu sprechen? Es würde sicherlich interessant werden. Als die Tür geöffnet war und ihm bedeutet wurde, einzutreten, kam er dem natürlich nach, blieb neben der Tür stehen und neigte den Kopf in Richtung der Aurelierin, bevor er sich vorstellte.


    "Salve, domina Aurelia Prisca. Mein Herr wünscht, dass ich Dir dies übergebe und Dir seine besten Wünsche ausrichte." Damit zauberte er die versiegelte Schriftrolle hervor und blieb abwartend stehen, denn so direkt und schörkellos in die Hand drücken war nicht gerade höflich.

    Schade, dachte Straton, das machte die Möglichkeit auf einen zweiten Ausflug durch die Stadt, bei dem er sich nicht beeilen musste, leider zunichte. Andererseits würde er den verdammten Liebesbrief loswerden, bei dem er stets die Befürchtung hatte, das darin gespeicherte, schwülstige Empfinden würde noch auf ihn abfärben.
    "Danke," erwiederte der Grieche dann schlicht und folgte Leone in das Innere der prächtig ausgestatteten villa.

    "Wahrscheinlich wird hier wirklich anders mit Sklaven umgegangen als in Hispania. Im Haushalt der Eltern meines Herrn werden wir besser versorgt - auch nach beider Tod hat sich das nicht geändert. So weltfremd Flavius Atticus mit vielem auch gewesen ist, er wusste sehr genau, dass jemand, der viel harte Arbeit verrichten muss, auch ein anständiges Essen braucht, wenn er nicht umfallen will vor lauter Erschöpfung. Ich werde dieses Thema einmal zum Herrn bringen. So, wie es hier aussieht, könnte man meinen, wir wären in der subura bei den ganz armen Leuten gelandet, und das kann ja nun wirklich nicht sein." Ihre Meinung zum Thema Essen wie Küchenabfälle teilte der Grieche in jedem Fall und verzog leicht angeekelt das Gesicht. Allein die Überlegung, dass diese Beköstigung ihm wohl die nächsten Wochen bevorstand, ließ seinen Magen vorsorglich revoltieren.
    "Im Zweifelsfall muss der Koch eben überzeugt werden, dass er uns dieses Zeug nicht servieren kann, wenn er weiterhin angenehm leben will." Die dunklen Augen Stratons glitzerten verdächtig, und es mochte der Eindruck entstehen, dass er diese Art Überzeugung nicht zum ersten Mal ausführen würde.


    "Na, bei einem kräftigen Mann fragt sich auch niemand, wenn er reichliches Frühstück bestellt, in sofern .. der Küche wird es nicht wehtun und dem Herrn auch nicht. Im Gegenteil, ich bin mir fast sicher, er würde es amüsant finden, wie Du Dir Dein Essen organisierst. Früher, als wir noch Kinder waren, haben wir oft irgend etwa aus der culina geklaut, wenn uns das Essen am Tag nicht geschmeckt hat ..." Seine Kindheit war, gemessen an der anderer Sklaven, auf jeden Fall sehr aufregend und amüsant verlaufen - und er erinnerte sich gerne an die Streiche, die er gemeinsam mit Aquilius jedem im Haus gespielt hatte.

    "Salve," sagte der Grieche in ruhigem Ton und betrachtete sein Gegenüber einige Momente lang. Was starrte der ianitor ihn so dämlich an? Hatte er etwa vergessen, die Haare sauber zu frisieren? Aber eigentlich vergaß Straton solche Dinge nie. Wäre man unfreundlich, hätte man ihn sicher irgendwann auch treffend als einen selbstfixierten, eitlen Pedanten bezeichnet. "Ich habe von meinem Herrn Caius Flavius Aquilius eine Nachricht an die domina Aurelia Prisca und bin angewiesen worden, diese nur persönlich zu übergeben. Ich hoffe doch, dass sie derzeit anwesend ist?" Wahrscheinlich stimmte es, was man über Schwarze sagte - dass sie alle ein bisschen gaga waren. Dem Blick dieses Mannes nach zu urteilen war die Behauptung jedenfalls nicht allzu weit von der Realität entfernt.

    So lagen die Dinge also ... Straton hob leicht einen seiner Mundwinkel zu einem angedeuteten Schmunzeln. Sein Herr (und Freund) hatte sich die hübsche junge Frau in sein Bett geholt, wen wunderte es? Wäre er an Aquilius' Stelle gewesen, hätte er sicherlich auch darüber nachgedacht. Vielleicht würde sich ihm noch die Gelegenheit bieten, der Natur dieses Arrangements ein wenig nachzuspüren, wenn sich auch die Zeit dazu fand.
    "Du glaubst Doch nicht ernsthaft, dass ich freiwillig irgend etwas essen werde, was aus dieser versifften Küche stammt? Da muss man ja befürchten, dass man krank wird und schwach noch dazu. Ich frage mich wirklich, wieso die culina in einem so schlechten Zustand ist, lasst ihr euch das hier wirklich gefallen?" Der Grieche schüttelte den Kopf - zumindest das war in Hispania eindeutig besser, man ließ die Sklaven nicht in einem dreckigen Loch essen, und die Qualität der Nahrung war ebenso sehr viel höher als das, was er hier hatte sehen und riechen müssen.
    "Und was meinst Du mit 'etwas Genaues'?" Nicht, dass er etwas gegen ein Frühstück einzuwenden hätte, aber wer konnte schon wissen, was sie sich da dachte?

    "Ich bin auch die nächsten Tage noch hier, eine Gelegenheit wird sich sicher finden. Zur Not bitte ich den dominus, dass er Dir einen Nachmittag frei gibt, denn mit einigen kurzen Erklärungen ist es nicht unbedingt getan, ohne etwas Übung dabei ist es recht sinnlos, sich damit zu beschäftigen," erwiederte der Grieche, nun wieder deutlich gefestigter. Dass sie nun auch noch in Wortkombinationen verfiel, die man zumindest mit etwas Phantasie als zweideutig empfinden konnte, stellte Straton vor eine Frage, die er mangels Kenntnis ihres Charakters noch nicht eindeutig beantworten konnte - war es Absicht, dass sie so sprach, oder tat sie es arglos? Es gab genug Frauen, die gerne spielten, aber was er nicht wusste, war, ob sie zu jenen zählte oder eben nicht.
    "Das lesen und schreiben ist ohnehin nichts, was man an einem Tag lernen könnte," fügte er dann sicherheitshalber hinzu, wer wusste schon, was sie sich bisher angeeignet hatte. Damit schob der Grieche den verworrenen Stapel zerknitterter Rechnungen beiseite und meinte dann: "Hast Du heute schon gefrühstückt? Allein beim Gedanken an diese Pampe, die es garantiert wieder gibt, wird mir schon schlecht." Unverfängliche Themen eigneten sich nach wie vor am besten, um ein gutes Klima mit einem fremden Menschen aufzubauen, alles weitere würde Straton dann eben sehen müssen.

    Kurz zuckten die Mundwinkel des stoischen Griechen in die Höhe, dann meinte er nur: "Keine geheime Mission, nur eine Mission .. und ... ich weiss nicht, wie Du es in Hispania gewöhnt bist, dominus, aber hier in Rom ist es wohl üblich, dass man sich duzt. Die respektvolle Anrede einem Sklaven gegenüber wird hier ein bisschen von oben herab betrachtet, und ich fände es schade, würde Deine Höflichkeit von den anderen falsch interpretiert werden." Nach diesem in Güte vorgetragenen Hinweis führte Straton ihn in die Richtung des Arbeitszimmers, in dem sein Herr schon warten würde.

    Gemächlich war Straton die Straßen entlang geschritten, er hatte es nicht wirklich eilig - und Rom bot so vieles zu sehen. Bürger, die um die Mittagszeit noch unterwegs waren und ihren Mittagpuls in einem irdenen Gefäß mit sich herumtrugen, um ihn nach Hause zu den Kindern zu bringen. Reiche Bürger, die in Sänften geschleppt wurden. Noch reichere Bürger, ebenfalls in Sänften, mit einem großen Aufgebot an Sklaven - es gab vieles in Rom zu sehen, und für einen Mann, der gerne beobachtete, wahrscheinlich noch das Meiste. Stunden hätte er mit diesem Auftrag verbringen können, und er genoss es, sich durchzufragen. Als er endlich vor der villa Aurelia angelangt war, hatte er gut eine Stunde gebraucht, um den eigentlich nicht so langen Weg hinter sich zu bringen, und klopfte dann kräftig an der porta an. Eigentlich lächerlich, so viel Aufwand für einen dummen Liebesbrief - aber sein Herr mochte so etwas. Für Straton waren Liebesbriefe allgemein eher Zeit- und Ressourcenverschwendung.

    Wie es sein Herr ihm befohlen hatte, wartete der Grieche in der Nähe jenes Korridors, der zum cubiculum des Flavius Lucanus führte - hier musste er auf jeden Fall vorbeikommen, um zu seinem privaten Raum zu gelangen. Immerhin musste er ihm nur ausrichten, dass sein Großonkel ihn in seinem Arbeitszimmer erwartete ...

    Der Grieche blinzelte ein wenig, als sie sich einverstanden erklärte, den Umgang mit dem Abakus zu erlernen - für einen kurzen Moment lang war ihm der Faden seiner eigenen Erklärung verloren gegangen, aber dann zog er die Augenbrauen zusammen und konzentrierte sich wieder auf das eigentliche Thema des Gesprächs, tippte mit einem Finger auf die unordentlich wirkenden Rechnungen, von denen eine große Menge ziemlich zerknüllt aussah, und meinte: "Wenn ich das hier fertig habe, zeige ich Dir gern die ersten neun Zahlenstellungen, aber zu sehr viel mehr werden wir heute wohl nicht kommen. Er hat noch einen ganzen Kasten voll mit irgendwelchen Rechnungen und Verträgen, sodass ich nicht weiss, wann genau ich mich Dir widmen kann."
    Als die Worte heraus waren, hätte sich Straton am liebsten mit der Hand an die Stirn geklatscht. Was sie jetzt wohl denken mochte, der Satz war ziemlich zweideutig gewesen - und er hatte die hühnenhafte Gestalt ihres Geliebten noch sehr gut in Erinnerung. Am Ende würde er sich noch mit dem Germanen prügeln müssen, weil sie glaubte, er hätte sie falsch angesprochen. Aber andererseits ... ihr Blick und der seine begegneten sich kurz, und ehe dieser Kontakt zu intensiv werden konnte, räusperte sich Straton merklich.


    "Kannst Du lesen und schreiben, Bridhe? Wenn ja, wird es Dir deutlich leichter fallen, auch das rechnen zu lernen, wenn nicht ... nun ja, wenn der Herr es erlaubt, kann ich Dir auch das beibringen." Wie lange hattest Du jetzt eigentlich keine Frau mehr? Oder überhaupt jemanden? überlegte Straton insgeheim und atmete stumm den noch immer übermächtig scheinenden, zarten Geruch der jungen Frau ein, vorsichtig, sodass sich die Nasenflügel dabei nicht verräterisch bewegten. Lass es. Du bist hier nicht in Hispania. Es war ein großer Haushalt und irgendwelche Spaßaktionen untereinander führten auf lange Sicht ohnehin nur zu Problemen. Meist zu Problemen wie diesem Germanen, zu breit, zu kräftig, zu ... germanisch. Wobei es sicherlich amüsant zu betrachten sein würde, überlegte er weiter, zu sehen, was geschehen würde, sobald die Variablen in diesem Spiel einen eigenen Willen entwickelten. Ob Aquilius mit ihr schlief?

    Aquilius' Stirnrunzeln ließ Straton recht kalt, dafür kannten sie sich einfach schon zu gut, als dass es ihn in irgendeiner Form erschreckt hätte. Erst wenn sein Herr leise wurde, flüsternd drohende Worte ausspie, dann war es ernst, vorher nicht. "Natürlich," sagte der Grieche, nahm den gerollten Brief mit einem kurzen Heben der Mundwinkel entgegen - sicherlich mal wieder irgendeine schwülstige Liebesbotschaft, Aquilius' Anfänge in der Liebesdichtung waren verheerend gewesen - und verstaute ihn im Gürtel seiner tunica, die dem griechischen chiton nachempfunden war und aus einem guten Stoff bestand. "Hast Du sonst noch irgendwelche Anweisungen, dominus?" Das letzte Wort war wie so oft aufreizend amüsiert betont, und auch dies war ein stummer Scherz zwischen ihnen beiden gewesen, den sie sich früher oft erlaubt hatten. Diesmal allerdings blieb die Reaktion aus, und auch sonst wirkte Aquilius heute eher ernst denn so lebenslustig wie sonst. Was auch immer geschehen war, es schien an ihm zu zehren.
    "Wir sollten uns beizeiten einmal über die Zustände in der culina der Sklaven unterhalten," deutete Straton dann noch vorsichtig an, ein Alternativthema anbietend.

    Leise, wie es seine Art war, betrat der Grieche das Arbeitszimmer seines Herrn und betrachtete ihn kurz einige Momente lang von der Tür aus. Er schien während der letzten Monate älter geworden, was sich aber nicht zwingend an der äußeren Erscheinung manifestierte, sondern eher an seinem Blick. Das Haar noch bleicher, die Haltung aufrechter - inzwischen mochte man in Aquilius nicht mehr den leichtlebigen Patrizier sehen, der sein Geld mit beiden Händen zur eigenen Belustigung ausgab. Zweifellos hatte sich der Herr verändert. Und es würde an Straton liegen, dies herauszufinden, nicht zuletzt, weil er sich noch sehr gut an die vielen Nachmittage beider Kindheit erinnerte, an denen sie sich gegenseitig mit Schlamm und Dreck beworfen hatten und alles so viel leichter gewesen war. Inzwischen hatte sich die Welt entschieden verändert.


    "Dominus? Dein Großneffe Lucanus ist hier in der villa eingetroffen und möchte mit Dir sprechen," sagte Straton nach einigen Momenten der stillen Betrachtung und nahm neben der Tür Haltung ein, darauf wartend, dass Aquilius ihn zur Kenntnis nehmen würde. Noch schrieb er eifrig und hielt dann inne, aufblickend. Für einen Moment lang trafen sich die Blicke der beiden Männer, die auf eine sehr seltsame Weise nicht nur Herr und Sklave waren, sondern auch Freunde.