Beiträge von Sertorio

    Gestern Abend hatte Sertorio ohne zu fackeln die Matratze entsorgt, sich'n Strohsack aufs Bett geschmissen und war darauf innerhalb von Sekunden eingepennt. Bestens ausgeruht schwang er seine Beine auf den Boden, kurz darauf krähte ein Hahn, der Mond schien zum Fenster hinein und beleuchtete die Gesichter seiner Zimmergenossen, die er kurzerhand weiterknacken ließ. Morgens war ihm halt noch nich' so nach reden. Er wusch sich im Küchenhof, zog wieder die Tunika an, die Kordel, und kämmte sich sein Haar: nach hinten, nach links, nach recht und nach vorne, Ende.


    Inner Küche war wieder schon wer zugange, ein Kessl mit Puls war wieder aufgesetzt und in einem Eimer schwappte immernoch die Milch. Sertorio grunzte diesmal nichts, klatschte sich wieder Puls inne Schüssl und schöpfte wieder einen Becher Milch ab. Mit der Beute schlurfte wieder er zu einem freien Platz (er hatte natürlich wieder die völlig freie Auswahl), mit'm Rückn zur Wand, den Raum im Blick. Nach knapp drei Minuten wischte er sich mit dem Handrückn übern Mund, blieb aber noch 'ne Weile sitz'n und wischte mit'm Zeigefinger in der Schale herum.


    Was'etz'? Den Kanickln beim wachsn zuschaun? Blätter klaub'n?


    "Und?" die Köchin, die Sertorio und Caelyn gestern versorgt hatte, hat sich vor ihm aufgebaut. "Noch was?" deutet Niki auf die leere Schale Puls. Sertorio schiebt die Tonschale kratzend über'n Tisch. "Selbst ist der Mann" erwiedert Niki.


    Sertorio stützt die Arme auf'n Tisch, erhebt sich und trottet zum Kessl, wo er die Schale wieder klatschend mit'm Pamps füllt.


    "Gut", sagt Sertorio. "Ach?" meint Niki mit leicht spöttischer Augenbraue, dreht sich dann wech un' hantiert herum, Sertorio schlurft zurück an seinen Platz, setzt sich aber nich', sondern holt sich auch noch Milch. Langsam kommen die anderen Sklaven, "moin" sagt der eine zur anderen, "moinmoin" wird von den Redseligeren erwidert. Sertorio stopft sich'n Puls innen Mund und kaut, feuchtet mit Milch an, kaut, schluckt. "Moinmoin!" trompetet ein kleiner Mann mit schütterem rothaarigen Haar frohgelaunt und setzt sich Sertorio gegenüber. "Ich bin Enoch - und Du?" Sertorio schaufelt weiter den Puls in sich hinein, "ich putze im Haus das Silber und poliere die Goldgeschirre, wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, die Herren zählen auf mich" trompetet Enoch in Sertorios Richtung und versprüht kleine Spucketröpfchen.


    "Fickdich", murmelt Sertorio ohne aufzublicken, einer der Jungs lacht. "Dannich', liebe Suse", sagt Enoch leichthin und fängt an zu essen, wirkt aber beleidigt.


    "Sätorrioo?" krächzt jemand im Stimmbruch durch den immer voller werdenden Raum. "Sätorrioo?" Sertorio schluckt 'runter, nimmt die inzwischen leere Schale und den Milchbecher, steht auf und entdeckt einen zu dünnen Knaben, der sich suchend umschaut. Ihre Blicke treff'n sich. "Machloss, Aurrelliuss Urrrsuss willdich sseh'n!" Sertorio trinkt aus, umkurvt Tische, Bänke und Menschen, stellt sein Geschirr ab und folgt dem Dürren.


    'Im Empfangsbereich möchte ich Dich zu Beginn nicht sehen' hatte Aurelius Ursus gestern gesagt, und jetzt wird Sertorio ins atrium geführt.
    "Kommmschon" knarrt der Junge und macht eine Bewegung: zackzack. Wenn das atrium nicht der Empfangsbereich ist, was dann? Aber über die Konsequenz seiner Mitmenschen hat Sertorio sowieso eine eigene Meinung.


    Sertorio kommt zum stehen, hält respektvoll Abstand, weil er erkennt, daß Aurelius Ursus seinen morgendlichen Dienst für die Vorfahren, die Lahren, oder für andere Hausgötter verrichtet. Der dürre zieht sich zurück.


    Sertorio steht und wartet.

    Das ruhige Plätzchen ist die Bank, auf der Sertorio eigentlich seinen Rücken strecken und nichts tun wollte, also das, was reiche Patrizier für viele Aurei auf dem Land in extra luxuriös ausgestatteten villae rusticae unter Anleitung eines hochqualifizierten und hochbezahlten Iatros bekommen können.


    Sertorio hockte sich ohne weiteres da hin und er und Caelyn teilen sich Brot und Wurst. Das Ding in Caelyns Hand is' ziemlich lang un' dick, Sertorio denkt sich 'was und vergleicht im Kopp, aba viel zu dunkl un' verschrumplt. Der feste Griff, mit dem Caelyn die Wurst auseinanderteilt, irritiert ihn etwas und er schaut erstmal woanner hin.


    "'ke", sagt Sertorio und nimmt einen Kanten Brot und ein Stück von der Wurst, steckt den Zipfl innen Mund und reißt mit den Eckzähnen daran herum, bis'n Stück abgeht un' er darauf herumkauen kann. Vom Brot beißt er auch ab und stopft sich damit 'n Mund voll.


    Sertorio schaltet sein Hirn ab, während er kaut, man soll nix gleichzeitig mach'n, dann pfuscht man. Er starrt vor sich hin auf'n Kiesweg, wandert mit'n Aug'n über die Beete, lauta Bod'decker, Zwerchmispl, Kriechspindl, rote Teppichbeere, sogar 'ne Golderdbeer un' so'n Zeuch nimmter wahr. Nich' genießbar, nich' ma wirklich schön, aba praktisch.


    "Lekker", sagt Sertorio, weil ihm einfällt, Kählin will vielleich' mit ihm re'n. Konwasazion mach'n, wemma am Strand sitzt un'nen heißn Sand genießt, die Wellen schwapp'n ans Ufa, alles supa, aba re'n muß'ma drüba, sons' isses für 'n Mädchen nix. Mädchen denk'n, seh'n un' hör'n mit'm Mund.


    "Echt", setzt Sertorio also draufgängerisch hinzu.

    Prima. Fraun sin' für's Essn zuständig, auch wenn'se nich' wirklich kochn können. Viel zu wenich Einfälle, keine Kre-a-tifi-tät oda wie des heißt. Aba mal kostn, der Morgenfraß war okay, keine Leistung, machte satt. Ey! Das'ne annere Schnalle, diese Niki, als die von heute mor'n. Is' das die Köchin? Geil.


    Sertorio konnte sich nich' entscheiden, ob er nu' alle Frauen geil fand oder nur nach drei Monaten Askese - Alles-Käse - so ziemlich alle, egal welchen Baujahrs und welcher Karosserie, we'mma so will.


    Sertorio steht da und wartet. Wer arbeitet kriegt 'was zu essen. Punkt. Wozu da rumred'n?

    Sertorio schaut - etwas verwundert? - hinter Caelyn her, rafft's, reißt's un' stapft hinner ihr her. Anner Ecke stehn schon annere Säcke, die nich' nach Vorräten ausschaun. Dahin.


    Sertorio wirft seine beiden Säcke dazu. Klatscht dreimal inne Hände.


    Wasjetz'? Gute Frage. Pause. Gute Antwort.


    "Komm'ma, mach'ma Pause. We' arbeitet, darf Essn fassn. Das mach'ma jetz'. sagt Sertorio und grinst. Nicht lüstern, obwohl sich bei ihm wieda 'was rührt, wenner Kählin anschaut. Scheißdrauf. Kählin is'n Sonnerfall. Neue Erfahrung, mitter Frau, fast als sei'se 'n Kindchen. Inner Mordsfigur.


    Er schiebt sie sanft in Richtung Küche.

    Die Sonne hat sich über die Dächer der Stadt erhoben, auch über die der villa Aurelia und bricht ihren Strahlen die Bahn, beleuchtet die Szene. Der Morgennebel weicht vor den tastenden Fingern Sols zurück - und vor dem Rechen Sertorios, der inzwischen beim Laub in den Beeten, Rabatten und Grasflächen angelangt ist und es systematisch zusammenkehrt.


    Jeder Atemzug eine Bewegung, jedes Rechen ein Ausatmen. Sertorio schwitzt inzwischen, die feuchte Vorderseite seiner Tunika kann auch von dem Schweiß herrühren, der auf seiner Haut glänzt wie eine leichte Ölschicht und gleich in der noch morgendlichen Kälte verdampft. Wer arbeitet, wird nicht krank, wer arbeitet, überlebt.


    Die Schnalle ist wiede' aufgetaucht, sinnlos, was zu sag'n. Sollse pennen, war so abgemacht, wieso isse wiede' da? Sertorio arbeitet weiter, vergißt die Frage.


    Sie arbeiten schweigend nebeneinander, miteinander.


    "Fettich'" sagt Sertorio nach einer ganzen Weile, nimmt Caelyn den inzwischen zweiten vollen Sack ab, schnürt ihn wie den ersten, legt den Rechen auf'n Bod'n.


    "Wohin?" fragt Sertorio, wirft sich die Säcke, die aussehen, als wären Steine drin, aber leicht wie Federbetten der Aurelier sind, über die Schultern.

    Ohne ein weiteres Wort geht Sertorio aus dem Stall, schiebt die Tür hinter sich zu.


    Im Garten hebt er den Rechen auf und recht die Wege, zieht die Zacken durch den Kies wie eine Pflugschar durch den Acker. Jedes Ästchen, jedes noch so kleine Blättchen hebt er auf, stopft es in den Sack und klaubt zusammen, was herumliegt.


    Ordnung auf'n Weg'n, Ordnung im Kopf, saubermachen, arbeitn, nich' denkn. Die Bewegungen seiner Arme pumpen die Gedanken, die Verwirrung aus ihm heraus. Er friert nich', fühlt nich', er is' nur. Da. Hier.

    Langsam raffte er, daß sie überhaupt nix rafft. 'Die is' Jungfrau, un' nich' nu' in echt, auch im Kopf!' denkt er sich. Das ist echt bestürzend. Sertorio hat noch nie'n Mädl kennengelernt, das nicht irgendwelche Vorstellungen davon hatte, was Jungs machn wolltn und was sie machn wolltn, aber nich' zugabn. Oder so irgen'wie.


    Sertorio rollt sich vorsichtig zur Seite, steht auf und wankt - immer mit'm Rückn zur Kählin! - zum Trog. Er löst die Kordel, rollt sie zusammen und zieht sich die Tunika übern Kopf. Mit schnellen, kräftigen Bewegungen schaufelt er das eisige Wasser in sein Gesicht, auf seinen Oberkörper, die Lenden, die Schenkel.


    Seine Schlange, eine blau-schwarze Tätowierung, die seinen ganzen rechten Rücken einnimmt und sich vom Steißbein aufwärts um die Wirbelsäule windet, bis sie auf dem rechten Schulterblatt drohend zur Mitte seines Rückens hin das Maul aufreißt, bewegt sich auf seinen Muskeln.


    Sertorio prustet und atmet tief unter der Kälte des Wassers. Klarer Kopf, dasisses jetz'. Klarer Kopf.


    Er näßt seine Tunika, wässert die Flecken, wringt den Stoff aus, zieht sie wieder an, wäscht sich nochmals'n Kopf, das Haar trieft, hinterläßt nasse Flecke auf seiner Tunika. Kordel. Fertich.


    "Kählin, geh' penn'. Ich mach'n Sack voll, paß' draußn auf, daß niemand kommt, gut?" Was tuter? Auf'n Mädchen aufpassn? Auf'ne Jungfrau, die aufm Präsentierteller liegt? Sertorio denkt, Sertorio spinnt. Aber er kannich anners. So isses recht.

    Sertorio wälzt sich, von Caelyn angestupst, auf die Seite, die Hände weiter im Schoß gekreuzt, blickt ihr leicht bekifft in die Augen und lächelt sie verschwommen an. Etwas unbefriedigt, aber irgendwie doch nich', irgendwie selich-ruhig.


    "Oh Mann, kommschon, lachmich aus, hab's nich' anners verdient." Sertorio versucht, das Kinderlächeln zu einem männlich-souveränen Grinsen zu verziehn. Oh Mann, oh Mann, das war ihm noch nie passiert, das Mädl war 'ne Wucht oder er völlich, naja, egal. Jetz' isses egal.



    "Tut mir echt leid, wahnsinnich echt, ah, eh, hm, laß' ma. Ich muß'ma zu dem Trog da hinne", Sertorio hatn Wassertrog fürde Pferde entdeckt, frisches, arschkaltes Wasser, aber wassoller machn. So kanner nich' unter die Leute, nich' unter Kählins Augn tretn.

    Wie Kählin anner Leiter steht, ein Bein schon auffer erstn Sprosse, ihr Hintern streckt sich ihm in leichten festen Rundungen entgegen, der kräftige Unterschenkel wird zur Gänze sichtbar, das Bein schiebt die Tunika hoch, Sertorio kriegt Augn wie Servierteller, da passierts.


    Wie ein junger Priapus, nicht leichtfüßig und auf sieben Wölkchen, eher gezogen und schiebend, war Sertorio hinter Caelyn hergelaufen, von großen Erwartungen getrieben, in der Fülle seines Saftes. 'Drei Monate. Drei beschissene Monate. Neunzich Tage wie'n scheißgriechischer Asket, naja, mehr oder weniger, simma ehrlich. Aba trotzdem. Sertorio zittert, nicht vor Kälte sondern vor Aufregung, immer hinter ihr her.


    "Hmpf", stöhnt Sertorio, hält sich die Hände zwischen die Beine, ihm wird schwummrig vorn Augn unber klappt vornüber, fängt sich grad noch und läßt sich aufn Strohhaufn falln, der grad rumliegt. ScheißeScheißeScheißeScheiße. Urpeinlich. Endspeinlich. Urendspeinlich. Er keucht, schließt die Augen. Oh, nein. (Oh, doch.)

    Off'nsichtlich is' in dem Gesöff doch 'mehr' gewes'n, oder die Tante wurde schon vom Schnüffl'n besoff'n. Sertorio grinst sich eins, daß die Götter die Frauen erschaffen hatten, glichen sie mit der Erfindung des Alkohols wieder aus. Alles'm Lot.


    Un' daß die Göttern ihm ne Wes'nsverwandte hierher schickt'n, Sertorio hatte zwar schon oft Mädels seine Karnickl gezeigt - 'ach wie füüüüüüüüüüß!' kreischt'n se dann meistns , herztn und schnuckelten mit den Viechern 'rum, küßtn se sogar aufs dreckige Fell - bah! - un' so'n Mist. Eimmal wollte er sogar mit einer eines brat'n, aber als er dem Viech'n Hals umgedreht hatte, eine Sekunde - knacks -, hat nix gespürt das Kanickl, da gab's dann Trara un' Tränen, hat ihm sogar die Fäuste auf die Brust getrommlt. Ein totaler Reinfall. Das Kanickl hat Sertorio dann für seinen Kumpl gemacht. War echt prima.


    Und die hier: 'Am Spieß' - geil. Sertorio guckt vorsichtig. Is' die'n Kerl? Is' Kählin'n Jungsname? Mit dem Haar un' den Dingern vorne? Ne, Transn sin' anners. Aufgesetzt feminin, "Süßer" hier un' "Süßer" da. Außerdem zicktn die nich' so rum, war'n aber auch meist besoffn, wegen den Seeleutn.


    Echt, n'Kumpl, 'ne Frau mit Verstand. Rom is' doch anners. Aber er denkt an das Mädl Tilla, als Caelyn den Namen erwähnte - nich' ganz anners, aber manches schon.


    "Logo", sagt Sertorio und grinst jetzt. Zufrieden. Hier zu sein war nich' übl. Er läßt sich mitziehen, und schlendert mit einem Blick über die Schultern mit Caelyn zum Stall. Leicht läßt er hinter ihr seinen Arm baumeln.

    Sertorio ist trotzdem ziemlich überrascht über den Kurswechsel. Vielleicht will'se ihm in die Eier tret'n, aber nich' hier oder vor anderen lächerlich machen. Mußte man halt Vorsorge treffn un's Terrän selbst organisier'n.


    "Geh'ma'n Stall hinta? Schön warm, jetz' kommt sicha keine Sau vorbei, sagt Sertorio. Jedenfalls nich' die nächste halbe Stunde und wenn doch, dann ham'se sich die Kanickl angeschaut.


    "Ey, neue Kanickl hat's, sin' dort, magste anschau'n", 'ne leichte Romantik, Kanickl, das Ergenis na' Rammelei, sin' die süß un' so. Sicha förderlich.

    'N'also, die Schnalle hat sich'n Zack'n angesoffn, Kopf aus, schon geht 'was.' Wenn es eine Entschuldigung dafür gab, daß Frauen trinken, dann, daß sie ihre Komplexe vergessen. Ansonst'n war das eher nervig, manche gicksten doch bescheuerter 'rum, rasteten völlich aus, roch'n aus'm Mund. Aber was soll'ma mach'n. Ma' kannich alles ham.


    Bei Sertorio regt sich 'was: jene gierige Nervosität, die er so sehr begrüßte wie jedesmal, wenner unter seinem Boot die silbernen Leiber eines Schwarms Fische blinken sah, die nur darauf warteten, harpuniert zu werden. Sertorio unterdrückt ein Grinsen, Kählin war darauf nich' angesprungen, wie die meist'n Mädls. Jungs standen eher auf offne Lüsternheit, gradlinig halt.


    "Klardoch, geh'ma 'ne Runde pennen", sagt Sertorio. 'Wir' zusammen, nicht 'wir' einzeln. Jedenfalls erstmal.

    "¡Salu'!", erwidert Sertorio unter Schlürfen und Pusten das, was wohl ein Trinkspruch ist. Er taucht drei Finger in das Getränk und sprengt einige Tropfen auf den Kies. Nich', daß er abergläubisch is', aber wenn's nich' hilft, schadet's auch nix.


    'S schmeckt wie Glühwein', denkt sich Sertorio, 'wie starker Glühwein und nich' noch nach anderem mehr, wasauch?' Und die Wärme des Getränks breitete sich in seinem Körper aus, wird mit jedem Herzschlag in seinen Körper gepumpt. Er steht da, pustet und schlüft, der Alkoholgeruch, vermischt mit den Gewürzen steigt in seine Nase und in seinen Kopf, wie Rauch in darüberhängenden Schinken.


    Die Sonne bricht durch und der Alkohol ersetzt den kalten Nebel durch warmen. Er darf von dem Gebräu nich' zu viel süffln, sonst hat er nur noch zu wenigm Lust, kalter Wein belebt und stärkt ihn, warmer Wein macht ihn schläfrig und träge. Er is' schonmal einfach beim Mädl eingepennt ohne was zu machn, knackte einfach ein, während er sie von hinten weiter umklammert hielt. So sin'se dann beide aufgewacht, er mi'm dick'n Schädl und einer Scheißlaune.


    "Ganz gut", bekräftigt Sertorio die Qualität des Glühweins. Er glüht und bringt zum Glühen. 'Kählin is' in Ordnung, vielleicht'n Kumpl, auch wenn'se nur 'ne Frau is'', denkter. 'Was 'drauf hat'se schon.'

    Sertorio schweigt, was sollte er auch sagen? Er nimmt den Rechen und fegt mit großen Bewegungen das Laub zusammen, legt das Gerät auf den Boden, stopft das Laub in den Sack und fegt wieder Laub zusammen. Bis das Mädchen wieder mit zwei schwappenden und in der Kälte dampfenden Bechern zurückkomt.


    'Wennigstns hatsich die Schnalle nich' aus'm Staub gemacht, ihr Angebot "vergessn" oder so', oder rein zufällig wen anders getroffen auf den se gar mehr Bock gehabt hat. Vielleicht soff sie ja auch nich' gern alleine, besoffene Weiber warn noch blöder als nüchterne, auch wenn'se nich' mehr so rumzickten. Vielleicht ist Kähla oder Kählin? ja nach'm Becher wärmer mit ihm.


    Er läßt den Rechen fallen und nimmt ihr einen Becher ab. "'ke. Prima." sagt er und schlüft vorsichtig vom heißen Gebräu etwas ab.

    'Warumnich', was'n dabei?' Sertorio weiß, daß solche Fragen nur zu weit'rem Gekeife führn, ihm selber machte sowas nix aus, er versteht einfach nich', was da großes dran sein soll. Aber Jungs war'n da sowieso unmkompliziert, 'schlicht' ebn, wie sein Kumpl sagt. 'Schlicht' is' schön, nich' überladen, protzich, klar, einfach, direkt.


    "Wennich weitermache, geht's schneller", gibt Sertorio zu bedenken, nimmt aber seine Arbeit wieder auf. Weiber sin' unlogisch, die blickn's in ihrer Kompliziertheit nich'. Egal. Also nich' aufhörn.


    "Un' wenn'de meins', daß ich keine' von den Pappnasn bin, die gleich mit jeder 'n Glühwein trink'n, hastes nich' kapiert.- Klar, das kömma ja auch machn." Saufn aber nich' rummachn, sach'ich doch. Sertorio verzieht etwas spöttisch seinen Mund.


    "Maato, okay, merk'ich mir", Sertorio wird sich den Namen zwar nicht merken, weil er ihm im Grunde egal ist, aber was bei ihm durchs Sieb fällt, ist ihm nich' immer klar.


    "Ich arbeite für mein' Leben, ich sitz' nich' 'rum und schau zu, wie es vergeht", außerdem sin' Faule eine Pest, sie krieg'n Prügl, hungern irgendwann un' verreck'n. Hatte Sertorio nich' vor, wenn sich überhaupt sowas planen ließ.


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    War doch immer derselbe Scheiß mit den Weiber! Wenn man was von ihnen wollte, mußte man sich mindestens 'n Gedicht oda 'n Kunststückchen einfallen lassen. Wemma fragt 'haste Hunger, magste essen?' - kein Problem, sind'se sofort dabei, wemma fragt 'haste Lust, magste fickn?' - Riesntheater, Weltuntergang, dann soll'se doch alle Vestalinn wer'n oda wie die heiß'n. Könn' sich lebendig einmauern lassn, wennse wolln.


    "Dann'nich, war ja nu'n Vorschlag zur sinnvolln Freizeitgestaltung", zuckt Sertorio mit den Schultern ohne innezuhalten. 'Freizeitgestaltung' auch so'n Getüm aus'm Wortschatz seines Kumpls. 'Was'n das: 'Freizeit'? hab' ich gefragt. 'Freizeit, das ist Zeit, die man frei hat, um auch die Dinge zu tun, zu denen man Lust hat oder einfach überhaupt nix zu tun, 'was sinnvolles eben. So wie wir jetzt.' Aha. Bom, warum nich' klang gut.


    "Ich kann's ja auch lassn mi'm Klaubn, dann dauert's länger un' wir sin' alle glücklich, was?" Er hält kurz inne, anscheinend is' das hier beide Aureii wirklich sowas wie unorganisierter Kuraufenthalt.


    "Wer's'n der maiordomus hier?" Wer organisiert'n die 'sinnvolle Freizeitgestaltung' der Kurgäste?

    "Nee", sagt Sertorio, nich' die letzten drei Monate. Drei scheißlange Monate.


    "Kannst mir ja'n bißchen Nachhilfe gebn, wenn wir's Laub fertich ham", Sertorio grinst zum erstenmal, 'ne kleine Aufmunterung kanner schon gebrauchen. Sie schien nich' so abgeneigt, aber auch nich' gerade einladend zu sein. Na, kamma nachhelfen, wenn was geht.


    "Bom, Kälin, un' jetz' mach'schon hinne mi'm Fegn; sonst mach'ma das'n ganzen Scheißtag lang." Bald würde die Sonne durch den Nebel brechen und ihm jegliche Lust nehmen, auf dem Boden herumzukriechen und Laub einzusacken. Vielleicht gibt's ja 'ne Belohnung - dafür, daß er ihr grad zur Hand geht.


    Sertorio stopft weiter Laub innen Sack, auch welches, das ihr Besn noch garnich' berührt hat. Arbeit machtma zackzack, hintereinanderweg. Dann Pause.

    Die Schnalle arbeitete in Zeitlupe, so als wär'se 'ne Mietsklavin un' könntese jede Minute einzeln berechnen. Wenn'se so weitermachte, könnten'se schon mit'm Laub vom näxten Herbst anfangn ...


    Sertorio arbeitet einfach weiter und gönnt sich, als er angesprochen wird, einen atemberaubenden Aufblick von unten über ihre kräftigen Unterschenkel, weiter über die Tunika, die enttäuschend blickdicht is', bis zu ihrem Gesicht. Er schaut ihr in die Augen und läßt die linke Augenbraue nach oben und wieder nach unten zucken.


    "Sertorio", sagt Sertorio von unten. "Seit gestern an Bord" - auf diesem Narrenschiff. Er arbeitet weiter, klaubt die Blätter vom Boden.

    Einige wenige Sekunden lang, in denen es keine Sekunden, nicht einmal Zeit gab, war Sertorio in die Ewigkeit getaucht. Wenn er draußen aufm Meer wartete, daß er einen Fang machte, daß die Fische kamen, passierte ihm das regelmäßig, manchmal einige Minuten, eine Stunde, oder nur wenige Sekunden. Doch immer war ein Fühler an der Wirklichkeit, ein Zittern der Schnur, eine leichte Bewegung der Angel, ein unheilvolles Schlagen der Wellen und Sertorio war wieder in der Zeit.


    Er schlägt die Augen auf, starrt in den morgendlichen Nebelhimmel, einen Wimpernschlag, dann schwingt er sich mit einer Bewegung auf, der modrige Geruch von leicht feuchter Jute schlägt ihm in die Nase. Sertorio steht auf, grapscht nach'm Sack fängt an, das Laub, das die Frau mehr oder weniger zusammengefegt hat, innen Sack zu stopfn.


    "Was'etz'?", schaut er kurz zu ihr hin. Was steht die Schnalle 'rum, soll weiterkehren, so rennt das.

    Sertorio steht weiter herum und läßt das Hin und Her über sich ergehen, beobachtet Aurelius Ursus und dieses Kind 'Tilla'. Beim Klang ihres Namens in seinem Kopf läßt spontan er den Blick für einen Atemzug zu Tillas Brust wandern, bleibt da aber nich' sondern wandert gleich woandershin weiter. Er spürt eine leichte Erregung unten, nimmt sich vor, zu vermeiden, daß die Kleine ihm beim Ausziehen zusieht.


    Sie öffnet die Tür, Sertorio nickt zum Abschied seinem Herrn zu und wendet sich dann zur Tür 'raus. Da bleibt er stehen, weil die Kleine offenbar noch irgendwas hat, keine Ahnung, was. Entweder kriegt er es sowieso mit oder eben nich'. Er will jetz' badn, frische Klamotten un' die alten im Ofen verfeuern, während oben drauf ein guter Puls blubbert.


    'Wasjetz', gehma nu'?' Aber er wartet einfach.