Gestern Abend hatte Sertorio ohne zu fackeln die Matratze entsorgt, sich'n Strohsack aufs Bett geschmissen und war darauf innerhalb von Sekunden eingepennt. Bestens ausgeruht schwang er seine Beine auf den Boden, kurz darauf krähte ein Hahn, der Mond schien zum Fenster hinein und beleuchtete die Gesichter seiner Zimmergenossen, die er kurzerhand weiterknacken ließ. Morgens war ihm halt noch nich' so nach reden. Er wusch sich im Küchenhof, zog wieder die Tunika an, die Kordel, und kämmte sich sein Haar: nach hinten, nach links, nach recht und nach vorne, Ende.
Inner Küche war wieder schon wer zugange, ein Kessl mit Puls war wieder aufgesetzt und in einem Eimer schwappte immernoch die Milch. Sertorio grunzte diesmal nichts, klatschte sich wieder Puls inne Schüssl und schöpfte wieder einen Becher Milch ab. Mit der Beute schlurfte wieder er zu einem freien Platz (er hatte natürlich wieder die völlig freie Auswahl), mit'm Rückn zur Wand, den Raum im Blick. Nach knapp drei Minuten wischte er sich mit dem Handrückn übern Mund, blieb aber noch 'ne Weile sitz'n und wischte mit'm Zeigefinger in der Schale herum.
Was'etz'? Den Kanickln beim wachsn zuschaun? Blätter klaub'n?
"Und?" die Köchin, die Sertorio und Caelyn gestern versorgt hatte, hat sich vor ihm aufgebaut. "Noch was?" deutet Niki auf die leere Schale Puls. Sertorio schiebt die Tonschale kratzend über'n Tisch. "Selbst ist der Mann" erwiedert Niki.
Sertorio stützt die Arme auf'n Tisch, erhebt sich und trottet zum Kessl, wo er die Schale wieder klatschend mit'm Pamps füllt.
"Gut", sagt Sertorio. "Ach?" meint Niki mit leicht spöttischer Augenbraue, dreht sich dann wech un' hantiert herum, Sertorio schlurft zurück an seinen Platz, setzt sich aber nich', sondern holt sich auch noch Milch. Langsam kommen die anderen Sklaven, "moin" sagt der eine zur anderen, "moinmoin" wird von den Redseligeren erwidert. Sertorio stopft sich'n Puls innen Mund und kaut, feuchtet mit Milch an, kaut, schluckt. "Moinmoin!" trompetet ein kleiner Mann mit schütterem rothaarigen Haar frohgelaunt und setzt sich Sertorio gegenüber. "Ich bin Enoch - und Du?" Sertorio schaufelt weiter den Puls in sich hinein, "ich putze im Haus das Silber und poliere die Goldgeschirre, wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, die Herren zählen auf mich" trompetet Enoch in Sertorios Richtung und versprüht kleine Spucketröpfchen.
"Fickdich", murmelt Sertorio ohne aufzublicken, einer der Jungs lacht. "Dannich', liebe Suse", sagt Enoch leichthin und fängt an zu essen, wirkt aber beleidigt.
"Sätorrioo?" krächzt jemand im Stimmbruch durch den immer voller werdenden Raum. "Sätorrioo?" Sertorio schluckt 'runter, nimmt die inzwischen leere Schale und den Milchbecher, steht auf und entdeckt einen zu dünnen Knaben, der sich suchend umschaut. Ihre Blicke treff'n sich. "Machloss, Aurrelliuss Urrrsuss willdich sseh'n!" Sertorio trinkt aus, umkurvt Tische, Bänke und Menschen, stellt sein Geschirr ab und folgt dem Dürren.
'Im Empfangsbereich möchte ich Dich zu Beginn nicht sehen' hatte Aurelius Ursus gestern gesagt, und jetzt wird Sertorio ins atrium geführt.
"Kommmschon" knarrt der Junge und macht eine Bewegung: zackzack. Wenn das atrium nicht der Empfangsbereich ist, was dann? Aber über die Konsequenz seiner Mitmenschen hat Sertorio sowieso eine eigene Meinung.
Sertorio kommt zum stehen, hält respektvoll Abstand, weil er erkennt, daß Aurelius Ursus seinen morgendlichen Dienst für die Vorfahren, die Lahren, oder für andere Hausgötter verrichtet. Der dürre zieht sich zurück.
Sertorio steht und wartet.