Er wollte das Thema einfach nicht ruhen lassen. Seiana schloss die Augen und wünschte sich, ihr Kopfweh würde besser werden, aber gerade schien es eher noch zuzunehmen, ein dumpfes Pochen, das ihr das Denken schwer machte. Und dass Caius nun auch noch angefangen hatte, mit dem Bein zu wippen, machte es ihr noch unmöglicher, sich zu konzentrieren. „Kannst du damit aufhören?“ fuhr sie ihn mit einer Kopfbewegung zu seinem Bein hin entnervt und fügte dann noch hinzu: „Bitte.“ Und dann schwieg sie erst mal. Es gefiel ihr nicht, nicht zu wissen was sie sagen sollte. Aber sie wusste es einfach nicht. Sie wusste nicht, warum er unbedingt mit ihr befreundet sein wollte. Und was sie betraf… Sie wusste, dass sie ihn mochte. Gemocht hatte. Natürlich, immerhin hatte sie ihn heiraten wollen! Aber eine Freundschaft war etwas völlig anderes, und Freunde… Seiana wusste nicht, was Freunde taten. Sie hatte nicht wirklich Freunde. Sie hatte Bekannte, gute Bekannte, Verwandte… und zum Bekanntenkreis zählte Caius auch weiterhin, das ohne Frage, daran konnte sie ohnehin nichts ändern. Aber befreundet sein? Nach allem, was passiert war, was er getan hatte? Verletzter Stolz regte sich erneut in ihr. Er hatte sie abgeschoben. Hatte eine andere ihr vorgezogen. Wäre diese andere wenigstens tatsächlich besser als sie gewesen, Seiana hätte es noch irgendwie verstehen können. Eine Patrizierin. Oder die Tochter eines Senators. Die noch dazu repräsentativer war als sie, und die keinen Bruder hatte, der sich mit Caius prügelte. Aber er hatte ihr Axilla vorgezogen, deren Familie ihre glanzvollen Zeiten schon längst hinter sich gelassen hatte, und die auch selbst weit weniger zu bieten als Seiana. Und das begriff sie einfach nicht. „Was ich denke, ja?“ Sie erwartete nicht wirklich eine Antwort, das zeigte allein schon der bittere Tonfall, der sich nun hineinschlich. „Du betrügst mich, lässt mich sitzen, heiratest eine andere und willst trotzdem, dass ich dir die Stange halte?“ Sie wünschte sich, er hätte nicht nachgebohrt, wünschte sich, er hätte das Thema einfach auf sich beruhen lassen. Am besten wäre natürlich gewesen, sie wäre in der Lage, einfach nur Ja zu sagen. Ja, natürlich können wir befreundet sein. Und dabei ein Lächeln aufzusetzen, das so überzeugend wie falsch war. Aber dazu fühlte sie sich im Moment einfach nicht imstande. Caius hätte warten müssen, bevor er sie damit überfiel, hätte einfach noch warten müssen…
Das nächste Thema war nicht unbedingt einfacher, aber doch insofern besser, als dass es Seiana etwas gab, worauf sie anstelle dieser leidigen Freundschaftsfrage konzentrieren konnte. Und das funktionierte wenigstens für Augenblicke sehr gut, weil die Informationen, die Caius ihr gab, sie doch etwas kalt erwischten. „Er… Moment. Axilla wurde in meiner Taberna behandelt?“ Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Seekrankheit, die einfach nicht hatte verschwinden wollen… Und sie hatte ihr auch noch angeboten, sich in ihrer Taberna Rat zu holen. Dass Axilla allerdings derart frech, derart unverfroren sein würde, sich in ihrer Taberna, von ihren Angestellten behandeln zu lassen, weil sie von ihrem Verlobten schwanger war, das hätte auch Seiana nicht gedacht. Ihr Kopf dröhnte, während plötzlich Wut in ihr zu pulsieren begann. „Sie lässt sich von meinem Verlobten schwängern und geht dann in meine Taberna?“ Sie starrte Caius an, und ohne es zu merken, ballten sich ihre Hände zu Fäusten, so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Es dauerte Augenblicke, bis sie sich wieder so weit unter Kontrolle hatte, dass sie ihrer Stimme traute. Als sie dann das Wort ergriff, war ihr Tonfall kühl, um nicht zu sagen eisig. „Nun, ich bedaure, dass ihr nicht den Eindruck hattet, gut behandelt worden zu sein. Aber ich fürchte, es ist mein Eindruck, der maßgebend ist.“ Auf die Diskussion, was die Taberna an sich anging und mögliche nachträgliche Zahlungen ihrerseits an Caius ließ sie sich nicht weiter ein. Sie würde nicht mit ihm darüber streiten. Wenn er nicht nachgeben wollte, würde sie ihm einfach in den nächsten Tagen einen Beutel mit Sesterzen vorbeischicken, die den ungefähren Wert der Taberna darstellten zum Zeitpunkt, als sie sie übernommen hatte. Sie wollte ihm einfach nichts schuldig sein – aber dass er das nicht begriff, zeigten seine Worte deutlich. Und sie meinte ihn zu gut zu kennen, um zu hoffen, dass sie ihn umstimmen oder auch nur dazu bringen könnte, sie zu verstehen – und nachzugeben. Was seine Eltern anging allerdings fühlte sie sich bemüßigt, ihren Wunsch noch einmal zu bekräftigen. „Ja, das will ich. Es gehört sich einfach.“