Beiträge von Aurelia Laevina

    Ich war Septima gefolgt in der Hoffnung, dass sie mich führen würde und wurde auch nicht enttäuscht, abgesehen davon, dass ich formhalber meine Einverständnis zu allem erklären musste. Das anzusprechen war ich aber viel zu schüchtern.
    "Das ist eine gute Idee!", meinte ich zu ihrem Vorschlag den Maiordomus mitzunehmen. Ich befürchtete zwar, dass unser Gespräch etwas eingeschränkt würde und ich würde noch mehr auf meine Figur achten müssen, doch sicher war es sinnvoll, wenn dieser Verwalter uns begleiten und gegebenenfalls Aufgaben sofort in Auftrag geben konnte. Einem zufällig den Gang entlanglaufenden Haussklaven rief ich also zu: "Bring mir den Maiordomus!"
    Zufrieden stellte ich fest, dass mein Befehlston kein bisschen durch meine allgemeine Verunsicherung der letzten Wochen gelitten hatte. Hätte man so mit mir gesprochen, wär ich sicher auch gesprungen... Naja, wahrscheinlich wär der Sprecher eher mit ein paar Peitschenhieben davongekommen, wenn er glücklich gewesen wäre.


    War es ein grosses Versäumnis, mir keine Hausführung gegeben zu haben? Mir schien es fast so und ich wollte auf keinen Fall Durus in einem schlechten Licht dastehen lassen. Also sagte ich ausweichend: "Er war sehr beschäftigt in der letzten Zeit..." Ganz so als hätte ich irgendeine klare Vorstellung davon, was es wirklich hiess, Staatsmann und Konsul zu sein.


    Erneut gab Septima mir ein wohliges Gefühl der Geborgenheit. Ich schenkte ihr ein warmes Lächeln, fragte mich aber, ob wir wirklich im selben Alter waren. Sie kam mir älter vor. Das passierte mir jedoch oft, dass mir andere Mädchen oder junge Frauen, die tatsächlich nicht älter waren als ich auf mich so einen selbstbewussten oder erwachsenen Eindruck machten, dass ich sie falsch einschätzte. Vielleicht machte ich auch einen älteren Eindruck auf andere, überlegte ich. Oft konnte ich meine Unsicherheit verbergen. Andererseits musste ich neben Durus wirklich sehr jung wirken.


    "Das ist aber Durus´ cubiculum. Können wir da einfach hinein...?" Aber schon während ich es sagte, kam es mir komisch vor. Ich war die Hausherrin, Durus mein Gatte und immerhin wollte er sicher auch, dass ich den gesamten Haushalt unter Kontrolle hatte.
    Also lachte ich Septima entschuldigend an und betrat mit ihr und dem mittlerweile beflissen herbeigeeilten Maiordomus Durus cubiculum.

    Zu spät! Natürlich war ich wieder zu spät. Am morgen hatte mich ein Sklave auf das anstehende Treffen hingewiesen. Da ich allerdings schlecht geschlafen hatte, böse Träume hatten mich lange gequält und mich vom Einschlafen abgehalten. Also hatte ich mich schon früh fertig gemacht, war sogar im Bade gewesen, hatte eine Kleinigkeit gegessen und mich hübsch gemacht.
    Anschliessend war noch niemand im genannten Triclinium gewesen, so dass ich mich in meinen kleinen privaten Garten zurückgezogen hatte. Dort war ich fast sofort eingenickt und hatte so den Beginn der Zusammenkunft verpasst.


    Als ich also zu spät den Raum betrat, in dem die beiden Damen bereits zusammen saßen - Septima kannte ich ja bereits, die Claudierin konnte ich als solche identifizieren, auch wenn ich sie nicht persönlich kannte - bemerkte ich auch Celsus.
    "Entschuldigt bitte meine Verspätung...", begann ich möglichst fröhlich, war dann aber etwas peinlich berührt ob der Anwesenheit meines "Sohnes".
    Ich senkte den Kopf, hob ihn aber zügig wieder, weil ich nicht zu schüchtern wirken wollte und begrüsste "meine" Gäste. Schliesslich war es mein Haus... Seltsam.


    "Seid gegrüsst, Celsus, liebe Septima! Claudia Romana! Ich freue mich aufrichtig, Dich kennenlernen zu dürfen!" Dabei deutete ich jeweils eine Art Verbeugung an, ohne mich jedoch zu unterwerfen.
    Ich hoffte, dass meine Unbeholfenheit und Verwirrung - die ich dem letzten Gespräch mit Celsus zu verdanken hatte - nicht auffielen.

    "Oh ja! Ein Wandgemälde ist wirklich eine gute Idee!", freute ich mich über den Vorschlag der Tiberia. Es versprach ein guter Tag zu werden. Zum ersten Mal seit meiner Hochzeit hatte ich wirklich das Gefühl, aufgehoben und ein wenig zu Hause zu sein.
    Grün? Ich mochte grün sehr sehr gerne, es war meine Lieblingsfarbe. Trotzdem hatte ich selten Zimmer gesehen, die in grün gehalten waren. Aber vielleicht war gerade das ausserordentliche das, was die positive und beruhigende Laune verbreitete.


    "Vielen Dank! Ich werde das Angebot sicher wahrnehmen. Ich war doch etwas einsam die letzten Tage, aber ich bin auch nie auf die Idee gekommen, dich einfach zu besuchen. Ich dachte, du hättest bestimmt viel zu viel zu tun.", ging ich auf Septimas Angebot ein. Es bedeutete mir viel, dass sie aussprach, dass sie für mich immer erreichbar sei.


    Ich überlegte kurz, ob die Claudia auf meiner Hochzeit gewesen war, konnte aber kein Gesicht zuordnen und dachte auch an das, was Corvinus vor der Hochzeit über die Claudier gesagt hatte - was aber offensichtlich nicht ganz geklappt hatte.
    "Nein, ich fürchte, ich habe sie noch nicht getroffen.", räumte ich ein. Ich kannte wirklich nicht viele Mitglieder von Roms Adel. Aber Septima würde schon in wenigen Tagen damit anfangen, das zu ändern.


    "Jaaa, sie hören schon auf mich. Manchmal hab ich das Gefühl, dass sie mich heimlich belächeln." Das liess sich sicher ändern - ich musste bloss ersteinmal herausfinden, was wirklich genau meine Aufgaben waren.
    Schliesslich forderte Septima mich auf, ihr zu folgen und ich folgte ihr bereitwillig und fröhlich lächelnd auf den Flur.
    Dort zögerte ich einen Moment. "Wo wollen wir beginnen?" Als mir bewusst wurde, dass diese Entscheidung vielleicht mir zukam, fügte ich eilig hinzu: "Was schlägst Du vor?"

    Das war nun also das Mahl meiner Hochzeit. Ich fühlte mich grossartig. Alle schienen glücklich, ich beobachtete wie die jungen Damen, meine liebe Cousine eingeschlossen, den jungen Herren Blicke zuwarfen und freute mich. In jedem anderen Fall wäre ich vielleicht enttäuscht gewesen, weil ich nicht mitflirten und gucken konnte, heute war ich jedoch nur unheimlich glücklich über Durus. Ich kam mir den anderen etwas überlegen vor, ich wusste nämlich schon, mit wem ich den Rest meines Lebens verbringen würde.
    Gerade jetzt, da ich nicht mehr so sehr im Mittelpunkt der Veranstaltung stand, konnte ich den Tag richtig geniessen. Es war passiert! Ich war verheiratet. Doch natürlich und unweigerlich schoß der Gedanke hinterher: Das Wichtigste, das Aufregendste kommt noch. Selbstverständlich hätte ich das nie offen zugegeben, aber der Abend machte mich weit nervöser als die Zeremonie an sich, der ich ja selbst schon ein paar Mal beigewohnt hatte, auch wenn ich mir sicher war, dass noch kein Hochzeitsfest so schön gewesen war, wie meines.
    Ich genoß die Gegenwart meines frisch-angetrauten Gatten sowie meiner Familie und die gute Stimmung und ebenso das Essen. Jedoch ohne daran allzu viel Teilhabe zu zeigen. Nur von dem köstlichen (weil süssen) Wein liess ich mir immer wieder nachschenken. Wirklich zu köstlich!

    Durus kam zu mir hinüber, obwohl es erst so schien, als wolle er schimpfen oder laut werden. Doch er nahm mich nicht in seine Arme, wie ich es zunächst erwartete, sondern legte mir nur freundschaftlich die Hand auf den Rücken. So war ihm nicht geholfen und auch ich stand nun hilflos und etwas verloren dort. Ich bereute, dass ich ihn so angefahren hatte, er schien nun verunsichert und sicher war er sauer auf mich.
    Aber zu traurig war ich auch nicht, dass ich ihm meine Meinung nicht verschwiegen hatte.
    Schliesslich hatte er vor, meinen Sohn, der noch nicht einmal geboren war, schon im Vorhinein - sicherheitshalber - zu ersetzen.
    So liess ich mich auch nicht ganz so einfach beruhigen, als er auf der sachlichen Ebene ankam.
    Vernunft und Argumente waren wirklich nicht das, was ich brauchte. Ich vermisste jemanden, der mich festhielt und mich verstand. Diese Beleidigung war wirklich unerhört. Dass Durus es der Mutter des Jungen versprochen hatte, klang wie ein ganz plausibler Grund. "Dann hättest Du es mir aber trotzdem früher sagen können oder mit mir absprechen!", schniefte ich. Ich hatte mich sichtlich beruhigt, die Tränen die nun endlich einmal rauskonnten, befreiten mich von der Last vor Durus Augen immer feierlich, schön und edel zu wirken. Willkommen in der Realität...
    Ich war erschöpft von dem Streit, den wir kaum geführt hatten - Durus hatte sich darauf - zum Glück - nicht eingelassen.
    Ich fühlte mich klein und schlecht, weil ich Durus misstraut hatte, weil ich selbst solche Angst hatte, keine Kinder zu kriegen und weil ich ihn vor Celsus so blamiert hatte.
    Ausserdem fühlte ich mich jetzt noch einsamer, da Durus scheinbar auch Celsus mehr vertraute als mir. Trotzdem war Durus der einzige, der anwesend war und auch der, auf den ich mich stützen konnte.
    Ich blickte ihm von unten ängstlich in die Augen und lehnte mich dann an ihn, meinen Kopf leise schluchzend an seine Brust gelegt und wünschte mir einfach nur, dass er mich halten würde.
    "Ich hab solche Angst!", murmelte ich und fühlte mich tatsächlich für einen Moment geborgen, fürchtete aber, dass sein Unverständnis dieses angenehme Gefühl sofort wieder zerstören würde.
    Dann fiel mir noch etwas ein und naiv/süß zu ihm aufblickend, bat ich ihn: "Wirst Du das in den Vertrag schreiben...? Ich mein, das mit dem Abtreten vom Erstgeborenenrecht falls... wenn ich..."

    Die andere stärkte mein verletzliches Selbstvertrauen mit dem was ich für ein vertrauliches Lächeln hielt und ich fühlte mich mit der Fremden immer wohler.
    Dass sie nur das Einbinden der Hände erwähnte, überraschte mich jedoch ein wenig.
    "Ist da noch mehr? Ich meine... wirst Du später... auch dabei sein?" Ich war mir plötzlich unsicher. Ich hatte fest damit gerechnet, dass sie in der Hochzeitsnacht zumindest am Anfang anwesend sein würde. Jetzt plötzlich kam mir das aber furchtbar absurd und peinlich vor. Vielleicht war das nur aus irgendeiner Sage oder ein griechischer Brauch, den ich in meiner Jugend von einem unserer Sklaven falsch aufgeschnappt hatte.

    Tiberia Septima kam ins Zimmer und ich bat ihr einen Platz an. Sie schaute sich in meinem neuen Heim um und es schien ihr zu gefallen. Fröhlich antwortete ich: ""Vielen Dank! Ich finde es persönlich noch viel zu leer. Und vielleicht kann ich Durus noch zu einer anderen Wandfarbe überreden, irgendetwas freundlicheres."
    Natürlich hatte ich mich eingelebt... Selbstverständlich fühlte ich mich wie zu Hause. Das hatte ich Durus immer wieder beruhigend gesagt, wenn er mich gefragt hatte. Jetzt entschloss ich mich aber, Septima die Wahrheit zu sagen. Vielleicht konnte ich sie als Freundin gewinnen - zumindest aber musste ich aber gut mit ihr auskommen auch wenn mir noch nicht ganz klar war, welche Rolle sie in diesem Haus spielte.
    Und da war es hilfreich aufrichtig und ehrlich Auskunft zu geben.
    "Hmm, ehrlich gesagt habe ich manchmal ganz schön Heimweh..." Ich versicherte schnell: "Aber hier sind auch alle nett und Durus ist sehr gut zu mir und ich werde sicher ganz hier angekommen sein!" Ich schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln, das ich mir selbst gewünscht hätte.
    Einladungen nahm ich immer gerne an, so auch diese. "Oh wie schön... dass Du mich fragst! Sehr gerne würde ich mit dabei sein!!" Das würde mich für ein paar Stunden vom Briefeschreiben und grübeln entbinden und ausserdem waren solche Anlässe immer gut, Kontakte zu knüpfen. Ausserdem gefiel mir die Tiberia gut.


    Als sie allerdings zu ihrem nächsten Punkt kam, errötete ich etwas. "Oh, das tut mir Leid! Ich hätte mich sicher darum kümmern müssen." Das meinte ich vollkommen aufrichtig, schliesslich hatte ich hier jetzt die Aufsicht über die Sklaven. Aber wenig überraschend war ich einfach überfordert mit der Vielfalt der Aufgaben und auch bereits mit der Grösse des Hauses. Bisher hatte ich mich nur um mich kümmern müssen.
    Mir gefiel nicht, dass Septima mich kritisierte - aber lieber sie als Durus!
    Und dass sie mir anbot, mich durch das Haus zu begleiten und unmissverständlich aber sehr diplomatisch ihre Führung und Unterrichtung anbot, fand ich ausserordentlich freundlich von ihr und war entsprechend begeistert.
    "Ja, sehr sehr gerne! Vielen Dank :) Von mir aus können wir gleich anfangen!"
    Ich erhob mich und wartete ab, wo mich meine Führerin zuerst hingeleiten würde.
    Es war wirklich ein Glücksfall, dass sie sich so um mich kümmerte!

    Celsus verliess zum Glück schnell und ohne Kommentare den Raum und ich war mit Durus allein. Bisher hatte ich immer ein wenig Angst gehabt, mit ihm allein zu sein und mich mit ihm zu unterhalten. Er war mir in so vielerlei Hinsicht überlegen und manchmal hatte ich das Gefühl, dass er mich das zu deutlich spüren liess. Ich hatte immer Angst einen Fehler zu machen oder mich dumm oder unwürdig zu verhalten.
    Nun spürte ich nichts mehr von dieser Angst.
    Nur Wut und Enttäuschung brannten in meiner Brust. Durus sagte nichts also sprach ich die Worte, die mir auf der Zunge lagen - von denen ich nicht gedacht hatte, dass ich sie je zu einem - zu meinem Mann sagen würde.
    "Du enttäuscht mich!" Viel viel Kälte war in meiner schwachen Stimme, die Tränen in meinen Augen bedeuteten nichts mehr. Die Hitze war einer wütenden Kälte gewichen. Ich starrte meinen Ehemann böse an und wandte dann den Blick ab indem ich hinzufügte: "Du vertraust mir nicht! Du glaubst, dass ich Dir keinen echten Sohn geben kann. Wieso hast Du mich dann überhaupt geheiratet?"
    Meine eigene Angst drückte ich nun ihm gegenüber aus und war erleichtert, darüber zu reden und ihn und nicht mich angreifen zu können. Doch ich war noch nicht fertig.
    Ich drehte mich ihm wieder zu und rief nun lauter: "Ich dachte, Du nimmst mich zu Deiner Frau und ich würde zumindest an Deinen Entscheidungen beteiligt werden. Und dann adoptierst Du irgendeinen Dahergelaufenen... und ICH soll mich womöglich auch noch geehrt fühlen, dass ich seine Mutter sein darf?!"
    Ich war jetzt richtig in Rage und suchte nach etwas, das ich zerbrechen konnte, eine Vase vielleicht, die nicht allzu kostbar aussah, aber einen guten Effekt hergeben würde.
    Leider fand ich nichts entsprechen. So blieb mir nichts anderes übrig, als mir anders Luft zu machen. Ich legte meine Hände auf den Mund und krümmte mich wobei ich einen Laut ausstiess - halb Seufzen, halb Schrei. Er drückte meine ganze Wut, Angst, Verzweiflung, Enttäuschung und Unsicherheit aus.
    Adrenalin durchspülte nun meine Adern, wo ich mich getraut hatte, so laut und offen mit Durus zu reden und so hatte ich keine Angst vor der Reaktion, war aber hellwach, was meine Wut noch steigerte.

    Ich hörte Durus aufmerksam zu, als er anfing über den Mann zu reden. Celsus also. Jetzt wo ich es bedachte, mochte es wirklich sein, dass er hier lebte. Oder besser, dass ich ihn schon einmal angetroffen hatte.
    Als er erwähnte, dass die Eltern des jungen Mannes verstorben waren, nickte ich kurz und bedauernd dem Gesprächssubjekt zu. Das konnte ich nur allzu gut nachvollziehen.
    Adoptieren wollte er ihn. Das war sicherlich ein schlauer politischer Schachzug! Erst nach und nach drang die Bedeutung dieser Botschaft zu mir durch.
    Celsus war eine Rückversicherung, falls ich nicht schwanger werden und einen Sohn gebären würde! Das war eine masslose Beleidigung und geradezu ein Vertrauensbruch. Mir schwand die Farbe aus dem Gesicht und mir wurde kurz schwindelig.
    Den Rest gab mir dann Durus´ unüberlegte Bemerkung, ich würde Celsus eine gute Mutter sein. Nur einen kurzen Blick warf ich diesem durch meine sich mit Tränen füllenden Augen zu. Er hätte mein älterer Bruder sein können, mein Liebhaber. Und jetzt sollte er mein Sohn sein.
    Ich drehte mich um und wollte hinausstürmen, wollte nicht, dass mein Mann mich in Tränen sah. Doch dann überlegte ich es mir anders und mit unendlicher Willenskraft zwang ich mich zum Bleiben und liess die Tränen einfach laufen. Immerhin musste ich nicht laut schluchzen. Aber wenn ich jetzt Schwäche zeigte und heulend den Raum verließ, was würde Durus von mir denken? Und erst Celsus? Was, wenn er tatsächlich adoptiert werden würde?
    Stattdessen entschied ich mich für das, was ich für die weise Entscheidung einer echten Hausherrin hielt und sagte an Celsus gerichtet mit schwacher aber bestimmter Stimme: "Ich würde gerne alleine mit meinem Gatten reden."
    So aufrecht wie möglich aber schwer atmend wartete ich bis der angesprochene den Raum verlassen hatte.

    Wie gewöhnlich war ich dabei, an die Wand zu starren, während ein unfertiger Brief vor mir lag. Erschrocken schob ich die Papiere zur Seite und blickte an mir herunter, ob ich zeigbar gekleidet war. Ganz ausser Atem riss ich schliesslich die Tür auf. Es war Septima, eine der Tiberae. Erleichtert atmete ich aus und sagte erschöpft: "Ach Du bist´s!" Dann musste ich spontan lachen, weil mir auffiel, dass der Grund meiner Hektik keinen tieferen Grund als meine noch anhaltende Anspannung gab, den ich verspürte, seitdem ich hier bin.
    Etwas fröhlicher aber dennoch vorsichtig bat ich Tiberia Septima herein.
    "Wie schön, dass Du vorbeikommst! Komm doch rein!"

    Durus Sekretär folgend betrat ich das Tablinium und blieb erstaunt stehen. Durus war nicht allein. Ein anderer junger Mann war bei ihm, der mir irgendwie bekannt vorkam. Vielleicht hatte ich ihn auf der Hochzeit schon gesehen. Ich lächelte ihm freundlich aber ein bisschen schüchtern zu. Dann sah ich Durus an und erinnerte mich an den Rat meiner alten Leibsklavin: Immer aufrecht stehen!
    Ich richtete mich also auf, versuchte die Unsicherheit zu vertreiben und tat so als ob es selbstverständlich wäre, als ich Durus fragte: "Du hast mich gerufen? Was ist es denn?"
    Dabei kam ich mir allerdings äusserst komisch vor. Wenn niemand dabei war, war es seltsam mit Durus allein zu sein. Doch wenn jemand anwesend war, war es noch seltsamer.

    In den Tagen nach der Hochzeit zog ich um. Nach und nach und tagelang kamen alle meine Kleider, Schreibsachen, Kosmetika und so weiter zur Villa Tiberia, in der ich ab sofort lebte.
    Durus hatte mir ein recht grosses Zimmer zur Verfügung gestellt, das nun noch etwas spärlich eingerichtet wirkte, da mein altes Zimmer und meine eigenen Besitztümer einem kleineren Zimmer und meinem Status als Tochter und nicht als Frau des Hauses angepasst gewesen waren. Nun schmückte eine grosse griechische Vase und einige andere Hochzeitsgeschenke mein Zimmer, doch etwas karg wirkte es immer noch.
    Eine Tür führte ins Haus hinein, Durus Arbeits- und Schlafzimmer waren in unmittelbarer Nähe. Auf der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Fenster und eine Tür, die in den Innenhof führte. Dort war durch eine hohe Hecke ein Bereich mit einem kleinen Brunnen abgetrennt worden. So schien morgens die Sonne in mein Zimmer, nachmittags in "meinen" Garten und dennoch konnte ich dort und in meinem Zimmer ungestört von Blicken der sich im Garten aufhaltenden Sklaven und Familienmitglieder oder Gäste sein.
    Abends konnte ich oft nicht einschlafen und musste manchmal weinen, wenn ich allein war, doch gleichzeitig fühlte ich mich schuldig, dafür, dass ich mich so nach Hause sehnte. Denn Durus hatte wirklich alles versucht, um es mir hier so gemütlich und wohnlich zu machen, wie es möglich war. Neben diesem wunderbaren Zimmer hatte er mir auch einige sehr fähige Sklavinnen zur Seite gestellt - meine Frisuren saßen wie noch nie - und auch den nötigen Respekt hatte er versucht durch den Maior Domus den Sklaven einzuflössen. Immerhin war ich die neue Herrin - mochte ich auch noch so jung und unerfahren sein.
    Ich saß gerade am Tisch und schrieb einen Brief an Severa, wie ich es mir zur Angewohnheit gemacht hatte. Ich sah sie viel zu selten - sogar seltener als Prisca, der ich ebenfalls fast alles erzählen konnte. Oft, wenn ich nicht gerade von einer meiner Sklavinnen oder dem Maior Domus meinen Aufgaben näher gebracht wurde, verbrachte ich also meine Zeit damit, Briefe zu schreiben, was mich beruhigte und mir einige meiner Sorgen nahm.
    Ich suchte eben nach einer weiteren leeren Tafel, als der Sekretär Durus´ hineinkam um mich zu meinem Gatten zu bestellen. Ich nickte eifrig und folgte fast sofort.

    Geduldig liess ich all die Glückwünsche über mich ergehen, die grösstenteils von Menschen kamen, die ich nicht kannte oder die mir nichts bedeuteten. Nur ein paar der Gratulanten schenkte ich ein ehrliches Lächeln. So überraschte mich, wie aufrichtig und herzlich Orestes Glückwünsche bei mir ankamen und ich dankte ihm freundlich.
    Besonders berührte mich auch, als Tiberia Septima mich in ihrer Familie willkommen hiess. Ich hatte sogar Tränen in den Augen, das konnte ich aber auch auf die Erleichterung zurückführen, die mich nun umgab, da die offizielle Hochzeitsfeierlichkeit geschafft war. Nun konnten wir anfangen zu feiern.
    Schliesslich gratulierte mir auch meine liebe Cousine Prisca, die ich schon jetzt vermisste - schliesslich würde ich sie in Zukunft nicht mehr jeden Tag sehen können.


    Doch dann erhielt ich doch noch einen guten Grund, meine gute Laune zu verlieren.
    Ganz selbstverständlich kündigte mein Gatte die Verlobung von Orestes und Arvinia an worauf auch noch der zukünftige Ehemann das Wort erhielt und nicht nur auf uns sondern auch noch auf sich selbst trank.
    Das war nun wirklich zu viel. War dies nicht mein - oder zumindest unser Tag? Warum musste noch wer anders im Rampenlicht stehen? Warum ausgerechnet Orestes? Seine freundliche und aufrichtige Geste zuvor war vergessen, die alte Antipathie kehrte zurück. Gut, dass niemand meinen genauen Gesichtsausdruck hinter meinem Schleier erkennen konnte.
    Ich schaute Durus etwas vorwurfsvoll an - aber natürlich traute ich mich nicht, ihm zu sagen, wie sehr es mich verletzte, dass ausgerechnet am wichtigsten Tag meines Lebens der wichtigste Tag eines anderen angekündigt wurde.
    Da ich mich also sowieso nicht traute irgendetwas zu sagen, schluckte ich meine Wut hinunter und konnte die weiteren Gratulationen eine Zeit lang nur unbewusst entgegennehmen.
    Aber wie das so ist, entspannte ich mich nach einiger Zeit und hatte auch diesen Zwischenfall schon fast wieder vergessen, als die Feier endlich in Gang kam.

    Schon die Anwesenheit der anderen jungen Frau und ihre offensichtliche Ruhe und die Erfahrung die ich da hinein interpretierte, gaben mir Ruhe. Doch natürlich reagierte ich zunächst zumindest innerlich mit vielen Zweifeln, Fragen und Widersprüchen auf ihre Ausführungen.
    Doch schliesslich liess ich mich doch beruhigen. Was half es schon, wenn ich mir unnötig Gedanken machte. Schliesslich würde es so oder so passieren, es war nun mal nicht wirklich so, als hätte ich gross die Wahl. Die Geborgenheit, die Albina mir versprach, konnte ich mir bei dem mir völlig fremden Durus kaum vorstellen. Andererseits strahlte er wirklich Ruhe und Selbstsicherheit aus.
    Es war mir klar, dass Albina nicht mit mir über den interessanten Teil der ersten Nacht im Eheleben reden wollte. Einerseits wäre es sicher interessant gewesen noch nähere Berichte zu hören - andererseits hatte ich dafür ja auch Prisca gehabt...
    Was meine andauernden Besuche bei meiner Familie angingen, nagten auch nachdem ich zur Ruhe gekommen war noch Zweifel in mir. Ob Durus das recht sein würde? Wie wohl würde ich mich ausserdem in dem mir dann fremden Umfeld zuhause fühlen, wenn ich längst nicht mehr dort lebte. Ich malte mir ein hässliches Szenario aus, in dem ich zwischen allen Stühlen und völlig heimatlos höchstens noch auf die starken Arme des gesichtslosen Durus setzen konnte. Ein leichtes Schaudern überkam mich.
    Gleichzeitig fasste ich mir aber ein Herz, schluckte meinen Kloss im Hals hinunter. Ich wollte nicht allzu schwach auf Albina wirken und es würde wirklich nirgendwohin führen, wenn ich meine Fassung nicht gewinnen würde. Also gab ich mir grösste Mühe.
    "Vielen Dank... dass Du für mich da sein willst." Konnte man so formulieren, was die Tiberia für mich tat und tun würde? Gute Frage. "Was genau wird eigentlich Deine Rolle bei meiner Hochzeit sein?" "meine Hochzeit" klang sehr fremd in meinem Kopf, sobald ich es ausgesprochen hatte, doch das war nun einmal Fakt. Damit musste ich mich endlich abfinden.

    "und meiner Gattin"... Es fühlte sich seltsam fremd an, aber durchaus gut, als Durus diese Floskel gebrauchte. Die Opfer waren alle gut gegangen. Ich hatte mich nicht blamiert, Durus fühlte sich stark und selbstbewusst neben mir an. Die Ehe war geschlossen und auch die Gäste schienen sich bisher wohlzufühlen. Doch natürlich kam der wirklich unterhaltsame Teil der Zeremonie erst jetzt. Diesen sehnsüchtlich erwartend - vielleicht würde die Last des im Mittelpunkt stehens etwas von mir fallen - ließ ich mich von meinem "Gatten" in den hergerichteten Speisesaal führen.

    Die Fremde nahm meine Hände und obwohl ich erst etwas erschreckte, legte sich sofort Ruhe auf mein Gemüt. Diese Frau strahlte wirklich Erfahrung aus. Und vor allem lachte sie mich nicht aus.
    Aber schwierige Fragen konnte sie stellen!
    Weshalb ich genau Angst hatte, war mir gar nicht so besonders klar. Oder vielmehr wusste ich nicht, mit was ich anfangen sollte. Also legte ich ersteinmal drauf los, wie es mir einfiel und redete bald wie ein Wasserfall. Es tat gut, mich endlich jemandem anvertrauen zu können.


    "Naja, erstmal kenn ich ihn ja fast gar nicht. Er ist ein Fremder und schon so viel älter als ich. Wer weiss, ob er überhaupt was mit anfangen kann. Und was ist, wenn er stirbt und ich immer noch ganz jung bin!?" Das war ein ganz neuer Gedanke, der mich kurz in Schrecken versetzte, dann redete ich weiter.
    "Ausserdem bin ich noch so unerfahren. Weisst Du - was "es" angeht..." Hatte sie mich verstanden? Sicherlich... "Also klar hab ich Angst davor. Aber auch... auch dass ich vielleicht etwas verpasse! Ich bin doch noch viel zu jung um das zu beurteilen!" Diese Gedanken waren so intim und peinlich, dass ich puterrot wurde und meinen Blick senkte. So wirr wie sie in meinem Kopf waren, waren sie nun auch herausgekommen.
    "Ausserdem werde ich meine Freunde... und meine Cousinen so vermissen! Und die ganzen Feste... ICH soll die Frau des Konsuls sein - wo ich gerade erst nach Rom gekommen bin!" Natürlich war das übertrieben, es war ja nicht ganz so, dass ich keine Erfahrung auf Empfängen und dergleichen hatte. Aber in diesem Moment fühlte ich mich von meiner zukünftigen Position als fast-First Lady so überfordert, dass ich nicht fähig war, den gewöhnlichen Schein meines Selbstbewusstseins vor der pronuba aufrechtzuerhalten.
    Verzweifelt angesichts all dieser Zweifel und Ängste blickte ich auf in die beruhigenden Augen der Tiberia und konnte nicht verhindern, dass eine kleine Träne über meine Wange lief.

    Nach einer halben Ewigkeit - wie es sich in meiner Nervosität anfühlte - traf endlich meine zukünftige pronuba ein.
    "Ja, ich bin Laevina! Ich freue mich, Dich kennen zu lernen, Albina!" Denn dass sie diese war, war ja offensichtlich.
    "Vielen Dank, dass Du bereit bist, meine pronuba zu sein. Ich bin sehr froh, dass ich eine so erfahrene Frau an meiner Seite haben werde."


    Und nach einigem Zögern vertraute ich mich ihr sogleich an. Was brachte es, sie würde doch schlussendlich alles über mich erfahren.
    "...ich bin ziemlich nervös... also seeehr! Ist das normal?", fragte ich nervös.

    Zum Glück eilte Marcus zu meiner Rettung und siegelte das Dokument. Eine Sekunde kamen mir Zweifel, ob es überhaupt die volle Gültigkeit hatte, wo ich das Siegel doch nicht selbst unter meine Unterschrift gesetzt hatte. Wie viel war dann meine Unterschrift wert?
    Doch sicherlich war das so in Ordnung, sonst hätte mein Onkel sicher nicht so selbstsicher und ohne zu zweifeln gehandelt!


    Meine nuptia nahm meine Hand und reichte sie Durus. Er hatte schöne, weiche und vor allem warme Hände. Ein angenehmer Schauer durchlief mich, als ich seine starke Hand berührte und er mich fest hielt. Geborgen fühlte ich mich hier, es war wie ich es mir vorgestellt hatte - nein wie ich es mir gewünscht hatte!
    Mit leicht bebender Stimme sprach ich die wichtigen Worte, der wohl wichtigste Teil der Zeremonie: "Ich will dich, Manius Tiberius Durus, vor den Augen dieser Zeugen heiraten. Dir will ich mein Leben anvertrauen, dir treu und freudig folgen, wohin auch immer du mich führen magst."
    Gespannt wartete ich auf Durus und drückte seine Hand etwas fester, nachdem ich meine Worte gesprochen hatte. Diese Hand würde mich in Zukunft halten, sie würde mir Halt geben und wenn nötig beschützen, nicht zuletzt würde sie mich ernähren.
    Davon war ich überzeugt und in diesem Moment war ich geradezu glücklich. Nur noch ganz schwach flüsterten die Zweifel und Ängste in meinem Hinterkopf, doch für den Moment gelang es mir erfolgreich, sie zu verdrängen.