Als sie aus dem Tempel hinaus und ins Sonnenlicht traten, atmete Flava einmal tief durch. Sie liebte zwar den Tempel und opferte auch gerne, aber manchmal überkam sie dabei so ein unheimliches Gefühl. Und eben hatte sie es wieder gehabt, als würde ihr die Göttin bis in ihr Herz blicken, und nun war sie auch froh, wieder die freie, kalte Luft zu atmen.
Als Verus aber ansprach, sie nach Hause zu bringen, verflog das freie Gefühl und machte drei anderen dafür Platz. Zum einen war sie verunsichert. Wenn sie zuhause ankämen, bestand die Gefahr, auf einen ihrer Verwandten zu treffen. Und sie hatte nicht wirklich gesagt, dass sie in Begleitung eines Mannes zum Diana-Tempel gehen würde. Eigentlich wussten ihre verwandten nicht so genau, was sie heute machte, sie hatte nur gesagt, sie würde die Tempel besuchen. Und ihr Bruder fände es wohl alles andere als berauschend, sie in Begleitung des Ducciers zu sehen, und sie konnte für sein Temperament nicht garantieren.
Das zweite Gefühl war Verlegenheit, ausgelöst durch seine Worte. Er könnte dann kein Auge zumachen? Sorgte er sich denn um sie? Und er sprach es hier so offen an, schaute sie dabei wieder mit seinen blauen Augen an. Flava wurde ganz leicht rot davon, sie fühlte es auf ihren Wangen. Und so senkte sie schüchtern den Blick, damit er es nicht bemerken würde.
Aber das dritte Gefühl, das alles überstrahlte, war Glück. Sie war so glücklich, dass er Interesse an ihr zu haben schien. Er fand sogar ein paar tröstende Worte bezüglich ihres Vaters. Sie traute sich gar nicht, zuzugeben, was sie dabei empfand, denn es gab da einige Unsicherheiten, die sie nicht abwägen konnte. Aber dennoch machte ihr Herz kleine Sprünge, als wolle es tanzen und feiern. Flava mühte sich, ihn nicht anzulächeln, denn sicher war das nicht schicklich.
“Ich hoffe es, und bete, dass er bald zurückkehrt.“
Sie wagte nicht, daran zu denken, dass es einen Grund mehr geben könnte, der eine baldige Rückkehr wünschenswert machen könnte. Aber nein, schalt sie sich in Gedanken, Verus würde bald schon abreisen nach Mogontiacum, und sie würden sich nicht mehr sehen. Vielleicht konnte sie ihn wirklich doch einmal besuchen, aber das waren Träume, die sie eigentlich nicht wagen durfte, zu haben. Ihr Blick wurde etwas trauriger, als sie ihm in die Augen sah, aber sie versuchte, es sich nicht zu sehr anmerken zu lassen, was sie betrübte. Denn auch das wäre wohl nicht schicklich gewesen.
Langsam machten sie sich wieder auf den Weg, denn zur Casa Decima Mercator war es ein ganzes Stück. Üblicherweise spazierte Flava nicht so weit, aber heute konnte der Weg für sie am liebsten gar nicht lang genug sein. So konnte sie mehr Zeit mit Verus verbringen, wenn sie auch nur sittsam nebeneinander spazieren gingen.
“Wo wohnt deine gens hier in Rom eigentlich? Nicht, dass du erst zum einen Ende der Stadt gehen musst, um mich heimzubringen, und dann wieder zum anderen, um selbst heimzukommen.“