Beiträge von Marcus Hadrianus Barbatus

    Ein schwerer Schlag für den jüngsten Sohn eines einfachen Bauern, der die Ehre und die Erlaubnis gehabt hatte in die Legion eintreten zu dürfen. Und auch das Muss, denn sein Vater war arm und konnte ihn nicht auch noch durchbringen. Nun musste er einen anderen Weg des Lebensunterhaltes finden und irgendwann würde man ihn in einer der Tavernen antreffen, wo er bedeutend geschickter zur Sache ging als in der Legion. Ja, er würde es letztlich sogar zu einer eigenen Taverne und eine kinderreichen Familie schaffen, aber das war noch in der Zukunft und heute nicht mal ein Traum.


    Ganz begeistert war Marcus nicht über den Stellungswechsel, aber er war sich sicher, dass er das nun hinbekommen würde. Einmal, weil er selten gezeigtes verlernte - bei Sachen die er las war das schon eher der Fall - und zum Anderen, weil der Ansporn nicht den selben Weg wie der Dicke gehen zu müssen, alle nun voran trieb, nicht nur ihn.


    Und so ging es weiter und als der Befehl a dextram kam, handelte er, wie der Optio es ihnen erklärt und bereits mehrfach selber und an ihnen gezeigt hatte. Wer genau hinsah, konnte zudem erkennen, das sein Kamerad auch vorne eine sehr gute Figur abgab und seine Führungspersönlichkeit mit guter Koordination und Anpassung zeigte. Diesmal lief die Drehung beinahe reibungslos, nur einer in der letzten Reihe vergaß für zwei Schritte den Gleichschritt, fing sich aber sofort wieder, noch ehe jemandem mehr auffallen konnte.

    Und genau jetzt passierte es, was fast abzusehen war. Musste der Dicke vorher noch nur auf der Stelle treten und sich drehen, sollte er nun dabei eine Wegstrecke zurücklegen und irgendwie verpeilte er es total. Wären nicht neben ihm und hinter ihm jeweils ein Kamerad herrisch in leisen aber entschiedenen Befehlen gewesen, die ihn dirigierten, er hätte gänzlich versagt. Aber auch so kam er ins Stocken und mit ihm die Mannschaft. Letztlich aber stand er und trat auf der Stelle, hochrot im Gesicht auf Grund der für ihn peinlichen Situation und mit einem Ausdruck von leichter Panik im Gesicht, weil er schon die nächsten Schläge erwartete.


    Die Anderen hatten durch das Stocken etwas Zeit gehabt sich zurecht zu finden und waren dadurch sehr viel besser dran. Nur drei verloren in der Zwischenzeit komplett den Takt, aber auch sie waren recht bald wieder drin. Da er diesmal hinten in einer besseren Position stand, war es für ihn einfacher, auch wenn selbst er durch das Stocken zwischendurch den Takt verlor, nach fünf Schritten auf der Stelle aber wieder gänzlich drin war. Ein kollektives Atem anhalten entstand in der Gruppe, als der Optio scheinbar Anstalten machte zu dem Dicken zu gehen. Würde er es tun? Und wenn ja, was würde passieren? Noch mehr Schläge?

    Der Dicke, den er ansprach, war nach den Schlägen, die er bereits kassiert hatte, eifrig alles richtig zu machen. Dabei so eifrig, dass es fast schon übereifrig war und irgendwann würde einfach schief gehen müssen. Diesmal jedoch machte er es genau so, wie der Optio sagte. Sein Nebenmann tat es dem Optio gleich und stand auch in einer Linie zu seinem Nachbarn. So auch Nummer drei, der noch einmal mit einem halben Schritt nachkorrigieren musste, wie auch sein Nachbar, die Nummer vier.


    So zog sich das Ganze Reihe für Reihe nach hinten und hier und da sah man, wie die Männer nachkorrigieren mussten oder es tatsächlich auf Anhieb schafften. Zwei am Ende mussten sogar von ihren Kameraden hinter ihnen ein Stück zurück gezogen werden. Sie schafften dies, als der Optio scheinbar schon auf dem Weg zu eben diesen Beiden war. Dann standen auch sie korrekt und liefen auf der Stelle.


    Er selber hatte unendliches Glück, denn sein Kamerad, mit dem er gelaufen war, war nicht nur besonnener, sondern auch aufmerksamer und klüger als er. Er zog ihn förmlich mit und so gelang es ihm, dass er genau wie er in der Reihe zum auf der Stelle laufen stehen kam. Dann war der Zug gedreht und sie liefen weiter, nun wieder im Gleichschritt, zwischendurch war der an einigen Stellen zum Stocken gekommen, auf der Stelle und warteten.

    Scheinbar war der Status Quo zunächst in Ordnung, denn statt noch mehr der Probati zur Ordnung zu rufen, beziehungsweise zu prügeln, gab es den Befehl das normale Marschieren in den Laufschritt umzuwandeln. Doch genau darin sah er selber das Problem, denn er hatte gesehen, wie manche von ihnen liefen und sein Kamerad neben ihm sah das Problem wohl auch. Er zischte nach vorne einen Befehl, den er nicht verstehen konnte, aber scheinbar wurde dieser weiter getragen und so geland es, selbst dem Dicken, der nicht wirklich über Koordination verfügte, nach einigen Metern Missversuchen im Laufen sogar schneller zu Rande zu kommen, wie im normalen Gehen. Jeder richtete sich mit einem Mal scheinbar nach dem Dicken, der das Tempo und den Rhytmus vorgab.


    Irgendwie hatte er selber das Gefühl, der sich an den Rhytmus seines Nebenmannes und Kameraden anglich, dass dieser einmal ein guter Truppenführer werden würde, denn scheinbar behielt er den Überblick und ließ sich eher von Logik denn von Gefühlen lenken.

    Er sah die Geste des Optios und erwiderte diese nur mit einem sturen Blick. 'Warten wir ab, wer von uns Beidem an Ende den Kürzeren zieht,' dachte er dabei und seufzte letztlich über sich selber, weil er merkte, dass er sich gerade wieder in die selbe Bedrouille zu manövrieren begann, die dafür verantwortlich war, dass er in Britannien nur noch bedingt eine Zukunft gehabt hatte. Er musste unbedingt seinen Jähzorn und seine Wut auf alles und jeden mit Autorität in den Griff bekommen. Die Empfehlungen seines derweil verstorbenen Patrons sich seinem Problem zu stellen, indem er in die Legion gehen würde, hatte er lange Zeit als lachhaft erachtet, aber wie er hier so stand, bemerkte er, neben seiner Wut, zugleich, dass er, sollte er das hier irgendwie überstehen, vielleicht die Chance bekommen würde sich selbst zu besiegen und gleichzeitig als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen. Vielleicht! Vielleicht auch nicht!


    Auf den nächsten Befehl hin reihte er sich wieder ein und wich dem musterndem Blick seines Kameradens aus. Einmal bekam auch er die Gerte zu spüren, auch wenn sie seiner Meinung nach nicht korrekt war, aber er zwang sich darauf nicht zu reagieren und stur weiter zu laufen, im selben Rhytmus. Sie kam nicht wieder und er sah aus dem Augenwinkel, wie einer weiter vorne diese nun zu spüren bekam. Seine Unterlippe war innen schon stark geschwollen, so sehr biss er vor Wut auf dieser rum. Doch das Laufen half ihm sich auf das Eigentliche zu konzentrieren und wieder zu so etwas wie innerem Gleichgewicht wieder zu finden.

    So war das also, böser Ausbilder, noch böserer Ausbilder. Als der Dicke geschlagen wurde, hörte man im ersten Moment ein überraschtes Jammern, dann jedoch war bei ihm Stille. Vermutlich fragte er sich, ob er hier richtig war. Dann wurde der nächste geschlagen und man sah, wie dieser an sich halten musste um nicht plötzlich zurück zu schlagen. Das musste auch dem Optio und dem Centurio auffallen.


    Und dann stand der Optio plötzlich vor ihm. Seine Faust hatte sich bereits geballt, denn er war nicht bereit sich das gefallen zu lassen. Er wartete auf einen Schlag, nur auf die Zuckung der Hand des Optios und erwiderte dessen Blick mit leicht zusammen gekniffenen Augen. Dabei spürte er plötzlich einen leichten Stubser von der Seite und ein kaum hörbares Reiß Dich zusammen! Ob der Optio das auch gehört hatte, war sehr fraglich, denn es war fast mehr ein Zischen gewesen. Aber es hatte geholfen. Der Blick blieb zwar noch immer verkniffen und ernst, fast wütend, aber die Fäuste hingen schließlich mühsam entspannt an den Seiten.


    Als der Optio sich wegdrehte, biss sich Marcus feste auf die Lippen um seinen Wutanfall unter Kontrolle zu bekommen und schmeckte dabei bald Blut. Sein Kamerad neben ihm, dessen Namen er immer noch nicht kannte, zischte einmal mehr: Die bringen Dich um, wenn Du Dich nicht unter kontrolle hältst. Klar? Er sah ihn nicht an, aber gehört hatte er es. So nickte er ansatzweise um ihm zu zeigen, dass er verstanden hatte. Als der Optio fragte, ob seine Vorführung deutlich gewesen war, antwortete das ganze Glied, fast gleichzeitig und nur wenige nicht so laut wie die Anderen: "Ja Optio!" Sein Ja, Optio klang noch gepresst, was ihm wieder einen kaum sichtbaren Stups von der Seite einbrachte.

    Etwas irritiert sah er dem Mann hinterher und dann, als er noch einmal nachdachte, fiel ihm auf, dass er in seinem Ärger und seiner Müdigkeit da was überhört hatte. Seufzend entspannte er sich und schüttelte den Kopf. Ja, er musste sich unbedingt was einfallen lassen, sonst würde er hier nicht lange durchstehen.


    Nachdenklich ging er zu seiner Unterkunft zurück und sah mit Erleichterung, dass der Schnarcher noch nicht da war. Schnell entkleidete er sich und versuchte dabei alles an Ort und Stelle zu legen um nicht bei einer vielleicht plötzlichen Kontrolle Anpfiffe zu bekommen. Das Reinigen musste für heute einfach ausfallen. Er konnt ja kaum noch die Arme heben. Also fiel er einfach auf sein Lager und noch ehe der erste Kamerad kam um sein Tagwerk zu beenden, war er in den tiefen eines traumlosen, erschöpften Schlafes gefallen. Das erste Mal ungestört, seit er in der Legion war.

    Aufmerksam lauschte er den Worten des Tribuns und zog Vergleiche. So war das also? Nun, in einigen Dingen sah er Ähnlichkeiten, doch schien es ihm, als wären die Germanen mittlerweile friedlicher gemacht worden. Zumindest nach der damaligen Schlacht, in der auch sein Bruder gedient hatte. Er entsann sich noch an sein Schreiben. Aber die Pikten fielen noch immer über römische Güter und Siedlungen her und in nicht all zu ferner Zukunft, so würde man später wissen, sollte deshalb ja sogar ein Wall unter Kaiser Hadrian errichtet werden und noch zwei Jahrzehnte später weiter nördlich vom Hadrianswall der Antoniuswall. Doch bis dahin waren noch einige Jahre und heute sprach noch niemand davon.


    Gerade wollte er zu weiteren Fragen ansetzen, als der Tribun ihn zu Bett schickte. Er wusste, dass er Recht hatte und das er ausserdem schon eine immense Ehre erhalten hatte, aber dennoch ärgerte er sich ein wenig, wurden ihm die Antworten doch verwehrt. Er biss sich kurz auf die Unterlippe um dem Ärger nicht Luft zu machen, atmete zwei Mal tief durch und hob dann den Arm zu einem halbwegs gescheiten Abschiedsgruß, wie der Muskelkater und die Muskelmüdigkeit es ihm noch gestattetn. "Jawohl Tribun! Ich danke Dir für das Gespräch! Ich werde gerne auf das Angebot zurück kommen!" Dann wartete er, dass man ihm die Erlaubnis zum endgültigen Wegtreten erteilte.

    Na wunderbar, da dachte er noch kurz vorher, dass Pferde nichts für ihn waren und was stand dann da? Eine Handvoll Pferde. Ein leises Raunen war hier und da im Glied zu hören, er jedoch kniff nur leicht die Lippen zusammen. Dafür wurde er von seinem Nachbarn leicht angestuppst, nachdem sie alle nach rechts gesehen hatten und der Centurio seine Rede hielt, der ihn damit auf dessen Ton aufmerksam machen wollte. Leise hörte er ihn neben sich sagen: Sieh an, der Hund kann auch leise bellen. Wieder einmal musste er sich auf die Lippen beißen um nicht zu lachen, nickte aber leicht und verschwörerisch. Ein wichtiger Hinweis, dass sie das erleben durften.


    Aber die Szene war schneller vorbei, als es allen hier wohl lieb war und schon kam der nächste Befehl. Vorwärts also. Auf auf Männer, strebt vorwärts, nur nicht rückwärts. Dort vorn herrscht die Schlacht und den letzten beißen die Hunde. Sie setzten sich in Marsch und tatsächlich, es gelang, fünf Schritte, ja sogar zehn Schritte so etwas wie einen Gleichschritt zu schaffen. Dann aber kam einer aus dem Takt und noch einer und die Hälfte war bald nicht mehr in diesem, weil sie die Leute immer an den neben sich und Vordermann richteten und schließlich stolperte gar einer, als der vor ihm plötzlich ebenfalls den Takt wechselte. Verflixt, kannst Du nicht mal rechts mit links unterscheiden oder was? Pflaumte er denjenigen an.

    Bei einer Lupa als erstes fertig zu sein, das würde aber nur für eine besonders hässliche, besonders dumme oder besonders teure Lupa gelten. Immerhin waren die Damen nicht selten äusserst geschickt und wussten die Wonnen der Qual so lange hinaus zu zögern, dass die Erlösung wie ein Feuerwerk auf einen einprasselte und man, wenn man nicht schon so erschöpft gewesen wäre, am Liebsten gleich noch mal losstarten würde. Gut, er hatte auch schon Nieten dahingehend frequentiert, aber eben auch schon welche, an die er mit Wonnen zurück dachte.


    Doch Zeit zum Denken, zumindest an sowas, war nun keine mehr. Hier musste er aufpassen um nicht auch Opfer des Brüllers zu werden und so beobachtete er, wie sich nach und nach seine Leidensgenossen aufreihten und ihre letzte Reihe schließlich ebenso stand. Ein Arm nach vorne und einer zur Seite als Abstandsmesser. Dann perfektes stehen, oder zumindest das, was sie als solches erachteten. Er konnte schon von Probati am Anfang der Ausbildung Perfektion erwarten? Niemand, selbst so ein selbstgerechter Schleifer nicht.

    "Jawohl Centurio!" antwortete er nun bewusst lauter als er es normalerweise getan hätte und trat ins Glied zurück. Er sah einen seiner Kameraden, der mit dem er gleichauf gelaufen war, ansatzweise grinsen und zuckte seinerseits ansatzweise mit der Schulter, grinste ebenfalls.


    Der nächste Vortrag des Centurios floss so über ihn hinweg, auch wenn er ihn durchaus verstand, aber am Rande des Übungsplatzes sah er gerade Legionäre, die bereits weiter waren als die Probati, entlang gehen. Ja, eines Tages, wäre er auch so weit. Marschieren? Er wurde in die Realität zurück gerufen. Ah ja, marschieren. Das war was Gutes. Damit konnte er leben. Im Gleichschritt. Damit meinte er wohl nicht den eigenen. Schade. Aber auch daran konnte man sich gewöhnen. Wichtig war der Einklang des Atmens mit dem Laufen. Dann passte alles. Egal ob beim gemütlichen Schlendern oder beim Rennen.


    Schon als Kind war er gerne gerannt und auch heute tat er es eben noch hin und wieder gerne. Meistens aber, in Britannien zumindest, war er eher aus Zwang auf den Füßen gewesen um voran zu kommen, da er kein Reittier besessen hatte. Und es auch gar nicht hätte haben wollen, denn er mochte Pferde nicht sonderlich. Sie machten ihm zwar nicht unbedingt Angst, aber er kam mit ihnen nicht zurecht.


    Einreihen in eine Viererreihe war nicht so schwierig. Bei so wenigen Leuten gelang es ihnen auch gerade in der Linie zu stehen. Es entstand in der Mitte ein wenig Chaos, weil ein paar sich nicht gleich für eine Reihe entscheiden konnten, weshalb es dort auch einen Moment länger dauerte, ehe sich niemand mehr auf die Füße trat und einigermaßen die Reihen gebildet wurden. Da bei dem etwas rundlicheren Probati am anderen Ende der Schlange mit der Reihenbildung begonnen wurde, waren er und sein Laufkamerad die letzten im Glied und standen geduldig dort und warteten. Gleich brummt er wieder murmelte sein Nachbar so leise, dass nur er ihn verstand und mühsam verkniff er sich ein Grinsen, sah stur geradeaus um nicht los lachen zu müssen. Andererseits taten ihm die Leute, die gleich einen Anpfiff kriegen würden auch leid.

    Mhm, dachte er so bei sich. Vielleicht sollte der Centurio sich mal die Füße waschen, damit der Dreck aus seinen Ohren rieselt und er wieder was hört. Aber schnell verbiss er sich weitere solcher Gedanken, denn das führte nur zu sehr dazu, irgendwas in der Art am Ende laut zu sagen und das widerum gab im Zweifel nur Ärger. Auch das Augen verdrehen, genervt seufzen und so weiter verkniff er sich. Er musste sich damit arrangieren, dass hier so manches anders lief als in seinem früheren Leben. Er hatte es ja auch gar nicht anders gewollt. Also musste er da ran und das durchstehen.


    So sah er den Centurio nur einen Moment unbestimmt an, hob den Arm erneut und legte ihn an seine Brust, sah knapp über die linke Schulter des Centurios weg und sagte: "Salve Centurio Ateius!"

    Da ich nicht so der Fan von Social Communities bin, ist XING die einzige Plattform, wo man mich findet. Die Ideen von Wer-kennt-wen, Facebook, Lokalisten, new-in-town ist zwar ganz nett, aber nicht meine Wellenlänge.

    Scheinbar war das die richtige Aussage gewesen und innerlich atmete er erst einmal auf. Wer wusste schon, wozu der Mann sonst noch fähig war. Etwas beruhigter runzelte er kaum merklich die Stirn und sah sich verstohlen um. So Saustallmäßig fand er es hier eigentlich gar nicht, aber wenn der Centurio das sagte, dann würde das wohl schon so stimmen.


    Eine halbe Stunde war nicht viel Zeit, die er ihnen da gab, immerhin mussten sie wohl hier noch aufräumen und sich in die Montur stürzen. Aber das war ja wohl auch Sinn und Zweck der Übung. Möglichs fordernd und dadurch vielleicht fördernd. Er seufzte innerlich und machte sich, nachdem sie dafür entlassen wurden, mit den anderen dran hier für Ordnung, Sauberkeit und das Anziehen der vollen Montur zu sorgen. Das war gar nicht so einfach in der kurzen Zeit und sein Bettnachbar musste ihm zwei Mal aus der Anziehpatsche helfen, aber dann waren alle bereit und sie konnten zum Antreten raustreten, oder fast schon stürmen, denn nun waren sie knapp bei Zeit. Letztlich sollten sie theoretisch sogar genau rechtzeitig kommen.

    Ach war der nett drauf, dachte Marcus einen Moment bei sich, konzentrierte sich aber lieber auf das hier und jetzt, denn das der Mann "gut" drauf war, war ja schon bei der Begrüßung klar gewesen. Warum mussten solche Leute eigentlich immer so einen Drillton drauf haben?


    Stur sah er geradeaus, linste nur manchmal, so weit dies ohne Kopf bewegen möglich war, zur Seite um zu gucken, wer nun wieder den schwarzen Peter in die Hand gedrückt bekommen hatte. Wenigstens war er diesmal nicht derjenige, der angebrüllt wurde. Auch wenn er sicher war, dass das früher oder später noch oft genug passieren würde.


    Dann kam das Prozedere des Grüßens und irgendwie hatte er schon im Urin gehabt, dass der Centurio ihn ansprechen würde. Er konnte nicht genau sagen wieso. Aber es war da.


    So trat er vor, nicht zu eilends, um nicht hektisch zu wirken, aber definitiv auch nicht langsam und nahm dann vor dem Centurio Haltung an. Seine rechte Hand schloss sich zur Faust und er schlug sie vor seine linke Brust, deutlich hörte man das Geräusch des Auftreffens, und sagte zackig aber gut verständlich: "Salve Centurio Ateius!" Eigentlich war er der Meinung, dass Salve Centurio Ateius Corvus! mehr Respekt gezeugt hätte, aber der Centurio wollte es so und somit bekam er es auch so.

    Es ließ sich nicht umhin, dass er nun gewaltig irritiert den Centurio ansah. Sah er amüsiert aus? Dann musste seine Mimik sicher aber sehr selbstständig machen. Weil eigentlich war er nur müde. Brauchte entweder Schlaf oder ein bisschen Bewegung, damit der Kreislauf in Schwung kam und er mal das Gefühl von Wachheit erahnen konnte.


    Entsprechend irritiert, wie er war, dauerte es einen Moment, bis er etwas heraus bekam und das auch nicht unbedingt auf die intelligenteste Art und Weise, die ihm anheim war: "Centurio?" Mehr kam da erst einmal nicht, weil er nicht so recht wusste, was er dazu sagen sollte. Ein Gegenreden wäre als Mißachtung oder so wohl angesehen worden, ein Bestätigen wohl auch nicht so toll gekommen, zumal das auch gelogen gewesen wäre, und ein Nichts als Antwort war wohl auch nicht das Geschickteste. Also fragte er einfach nur mit einem ähnlich irritierten Ausdruck in der Stimme wie in seinem Gesicht zu sehen, Centurio.

    Überrascht, dass er die Frage stellen durfte, benötigte er einen Moment um sich zu sammeln und überlegte fieberhaft, wie er es am Besten anstellte. "Tribun, ich habe Zeit meines Lebens in Britannien gelebt, zumindest erinnere ich mich nicht an einen anderen Ort." Er war sich nicht ganz sicher, wann seine Familie dorthin gegangen war. Wahrscheinlich, nachdem sein Bruder bereits anderweitig versorgt war, immerhin trennte sie einige Jahre. "Dort lebten wir an der Nordgrenze des Imperiums, so zusagen Aug in Aug mit den Pikten, den dortigen Barbaren, die auch nicht selten in das Gebiet einzudringen versuchten, meist aber nicht weit kamen oder nach ein wenig Mord und Todschlag wieder verschwanden. Man erzählte dort aber, dass die Pikten und die Germanen sich in vielerlei Hinsicht ähnlich seien. Wohl sowohl in dem, was sie Kultur nennen, als auch in der Religion und dem Kampfstil. Ich bezweifle dies, wenn ich ehrlich bin. Denn ich kann mir nicht erklären, wie zwei voneinander unabhängige Völker, denn letztlich sind sie dies ja wahrscheinlich, sich so ähnlich sein können, wenn sie nicht den selben Einflüssen unterliegen. So wie dies bei den romanisierten Völkerscharen ja aber der Fall ist, die nun alle über Kultur und Struktur verfügen. Hast Du dahingehend Erfahrung und kannst dies gegebenenfalls bestätigen oder wiederlegen? Wie sind die Germanen? Was sind sie für Kämpfer und haben sie tatsächlich etwas, was man als Kultur bezeichnen könnte? Natürlich nur mit gutem Willen."


    Ein langer Monolog für den jungen Mann, der aber nicht vor hatte, nur weil er nun Befehlsempfänger war, mit dem Denken aufzuhören. Schon gar nicht, weil er viel noch in seinem Leben vor hatte. Und so lange er sich in einem anderen Land befand und die Gefahr bestand einem bisher unbekannten Gegner gegenüber zu stehen, wollte er sich mit Land, Leuten und besonders dem Gegner vertrau machen. Ja vielleicht diesen zu verstehen um ihn dann besiegen zu können, so dies notwendig war.

    Die armen Schweine, denen die Sachen umgekippt waren. Sie taten ihm leid. Aber er wusste, dass sich keiner von ihnen hier wirklich Mitleid erlauben konnte, denn das würde den Centurio wahrscheinlich erst recht gegen einen aufbringen. Ausserdem konnte im Kampf Mitleid vielleicht den Tod bedeuten. Aber war dem wirklich so? Rettete es nicht im Zweifel mehr als anders? Ein zwiespältiges und vielleicht sogar philosophisches Thema. Aber nicht an diesen Ort momentan passend.


    Laufen? Oh, das war gut. Laufen konnte er gut und da war er auch gut drin. Dazu brauchte er die Beine und konnte den Kopf seinen Gedanken nachhängen lassen. Die Arme waren zwar auch ein Teil des Bewegungsablaufes, aber nicht so wichtig und mussten nicht so trainiert sein wie die Beine, die es zum Glück schon lange waren. Er hatte schon eher befürchtet fünfzig Liegestützen oder so. Das wäre wahrscheinlich sein Untergang. Immerhin hatte der Capsarius ihm sogar geraten die Arme zu trainieren, da die ja eher schlecht trainiert waren im Vergleich zum Rest.


    Naja, kam Zeit, kam Rat. Zunächst reihte er sich ein und lief los, ein gleichmäßiges, nicht zu schnelles, aber rhytmisches Tempo, welches ihn im Laufe der ersten Runde langsam an dem ein oder anderen vorbeitrug, ohne dass er sich anzustrengen brauchte. In der zweiten Runde gelangte er schon auf Platz drei und schließlich auf Platz zwei, zusammen mit einem anderen Probatus, der einen ähnlichen Laufstil wie er hatte, nur eine etwas höhere Schrittfrequenz, die dafür eine kürzere Reichweite pro Schritt beinhaltete, obwohl er nur etwas kleiner, vielleicht einen Handspann, als er selber war. Die beiden nickten sich knapp zu und liefen ihre Runde zu Ende.


    Er ließ ihm den Vortritt und richtete sich dann, eine Armlänge von ihm entfernt, entsprechend an ihm aus. Die Nachfolgenden taten dies ihrerseits ebenso, mal besser, mal schlechter, bis der Letzte schließlich den Weg in die Reihe schaffte. Während er schon nach einigen Atemzügen wieder ganz entspannt atmete, wie auch sein Nachbar am Anfang der Reihe und einige wenige Atemzüge später der auf seiner anderen Seite, konnte man ein oder zwei Probati, die später ankamen, sogar bis zu ihm vorne keuchen hören. So als hätten sie nur wenig Übung in gleichmäßigem Laufen.

    Nun, in dem Fall war er wohl ein toller Legionär, dachte Marcus sarkastisch, da er ja die halbe Nacht wegen einer Geräuschkulisse wach gewesen war. Aber er wusste, dass er das nicht würde laut sagen dürfen und biss sich leicht auf die Unterlippe, um nicht damit rauszuplatzen. Es gab Momente, da sollte man immer schön die Klappe halten. Noch etwas, was er lernen musste, wo er aber wusste, dass ihm das schon noch irgendwie gelingen würde. Irgendwann.


    Seine Augen, die er mit Mühe auf einem erträglichen Maß offen hielt, erträglich für sein Gegenüber, verfolgten den Centurio und so war er nicht ganz aus dem Konzept gebracht, als dieser plötzlich vor ihn trat. Schon als er sah, dass sich die Richtung ihm zuwandte, raffte er sich auf und stellte sich so stramm wie sein müder Körper es zuließ auf und sah auf einen imaginären Punkt an der Wand, knapp über der linken Schulter des Centurios. "Probatus Marcus Hadrianus Barbatus, Centurio!"

    Erstaunlicherweise kam kein Gemecker, nur eine pathetische Rede. Aber die war in seinem Halbschlafzustand momentan auch besser zu ertragen, deshalb nickte er und bemühte sich nicht zusammen zu zucken, als er den Klaps abbekam. "Ja Tribun," erwiderte er nur, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Allerdings brannte ihm eine Frage unter den Nägeln, die er schon lange einmal jemanden stellen wollte, der vielleicht Ahnung davon hatte. Ob er es wagen konnte?


    Zunächst jedoch hörte er sich die weiteren Worte an und bemühte sich nicht den Mund schief zu ziehen, wegen dem Schlaf. Da musste er sich echt was einfallen lassen. Hatte nicht irgendwer was von wegen Wachs mal erzählt? Aber dann würde er wohl den Morgenappell nicht mehr mitbekommen. Alles hatte so seine zwei Seiten. Aber sicherlich würde er sich auch einfach, vielleicht, dran gewöhnen können. Die Anderen taten es auch.


    Nachdenklich betrachtete er den Tribun und fasste sich schließlich ein Herz. Fragen kostete nichts, außer vielleicht angepflaumt zu werden und das war er langsam hier eh gewohnt: "Tribun, gestattest Du mir eine Frage?"