Zitat
Original von Manius Flavius Gracchus Minor
Die Reaktionen der Delinquenten auf ihre Situationen fielen höchst different aus:
In einer Parzelle unweit der Loge der Ausrichter übertraf der Unbewaffnete den Bewaffneten beiweitem an Größe und Masse, weshalb er, anstatt furchtsam auszuweichen, prompt die Offensive wählte und sich auf seinen Gegner stürzte, mit einer Hand die Dolchhand des anderen umfassend und mit der anderen seine Rippen mit heftigen Hieben traktierend. Hektisch mühte sich der Delinquent mit dem Dolch, sich aus dem ehernen Griff seines Kontrahenten zu entwinden, doch endlich löste sich sein Griff von der Waffe. Doch augenscheinlich bedurfte der Unbewaffnete dessen nicht, denn nun schloss sich sein Griff, einem Schraubstock gleich, um den Hals des deplorablen Gegners, der noch eine Weile resistierte, ehe er lediglich zuckend noch seinen Geist aushauchte (respektive nicht mehr auszuhauchen vermochte).
An anderer Stelle zeigte sich hingegen ein gänzlich differentes Bild: Dort warf der Bewaffnete, ein Jüngling orientalischer Provenienz, den Dolch schlicht in den Staub, um auf die Knie zu fallen und seinen Gott (zweifelsohne den gekreuzigten Halbgott der Christen) anzurufen und um gnädige Aufnahme zu bitten, während sein Kontrahent unbeeindruckt nach der nun mehr ledigen Waffe griff und dem vermeintlichen Christen mit einem raschen Schnitt die Kehle zu durchtrennen.
Für gewöhnlich erwiesen sich die Kampfpaare jedoch als symmetrischer, sodass bisweilen spannende Ringkämpfe, bisweilen unwürdige Ausweichjagden in den winzigen Parzellen vor sich gingen, in welchen jedoch beständig die Todesfurcht der jeweiligen Kontrahenten in der Hektik ihrer Bewegungen und der Kraft der Desperation, welche all ihre Regungen bewegte, erkennbar blieb. Hielten die Delinquenten in ihren Kämpfen dagegen inne, griffen jene zwei Gehilfen, die bereits die Absperrungen mitgetragen hatten, zu Peitschen und trieben sie aufs Neue an, ihr Schicksal zu erfüllen.
Alles anzeigen
Keineswegs war mit dem unprofessionellen Fechten der Delinquenten bereits die Klimax jener durch den jungen Flavius ersonnenen Exekution erreicht, obschon mancher bereits sich wieder seinen Erfrischungen mochte zuwenden. Denn während die Aufständischen auf der Rennbahn noch um ihr Leben stritten, verteilten sich ihre kommenden Opponenten bereits auf klandestine Weise unweit der winzigen Arenen: Eine Weile hatte der Quaestor gemeinsam mit dem Magister Ludi des Ludus Magnus disputiert, wie kurzweilige Kämpfe für Menschen waren zu produzieren, welche bereits in gänzlicher Desperation nur ihres Todes harrten. Final waren sie deshalb schließlich bei jenem Modus verblieben, in dem man den Gefangenen ihr Schicksal verschwieg und jene Saat der Hoffnung säte, welche man in der ersten Runde der Hinrichtung hatte gesät. Glaubten also die nunmehr sich ihrem vorläufigen Triumphe zustrebenden Delinquenten, ihre jeweilige Arena lebend zu verlassen, präparierte sich bereits ihre Nemesis in Form kampferprobter Gladiatoren, verdeckt unter langen Kutten, unweit jener Schlachtzonen.
Als dann endlich die letzten Kämpfe gefochten waren und die bisweilen schwer lädierten Überlebenden sich hoffnungsvoll erhoben, während die an jedem Gatter befindlichen Knechte den getöteten Delinquenten beiseitezerrten, ergriff aufs Neue der Herold das Wort:
"Einen Teil der Mörder, die Rom unsicher machten, hat den Tod gefunden und die Medizin geschmeckt, die sie selbst unschuldigen römischen Bürgern verabreichten!
Aber was ist mit den anderen? Sollen sie Gnade erfahren?"
Wütendes Krakeelen erhob sich in den Rängen, als jene, welche ihre Familiaren und Freunde während des Sklavenaufstandes hatten verloren, die Perspektive der Gnade erkannten. Für eine Weile ließ der Herold jenes Pfeifen und Schimpfen in den Rängen erschallen, ehe er und mit ihm zahllose weitere Herolde an allen Enden des Circus wieder Ruhe geboten:
"Nein! Nein, habt keine Angst! Auch diese Männer wird die Gerechtigkeit Roms treffen!"
Furchtsam blickten nun die Delinquenten auf der Rennbahn um sich. In diesem Augenblick warfen die Gladiatoren ihre Mäntel von sich. Darunter präsentierten sich Murmillones, Thraeces, Hoplomachi und Samnites in voller Staffage, jeder von ihnen bewaffnet mit seinem charakteristischen Schwert samt Schild. Mit schweren Schritten bewegten sie sich auf die Gatter zu, welche die Knechte ihnen bereitwillig öffneten.
"Auch sie sollen erfahren, wie es ist, wehrlos einem schwer bewaffneten Mörder gegenüber zu stehen! Auch sie sollen um ihr Leben kämpfen!"
, kommentierte der Herold und aufs Neue erklangen die Fanfaren, um die zweite und finale Runde der Hinrichtung zu initiieren.
Waren die vorhergehenden Kämpfe bereits höchst ungleich gewesen, so boten sich dem Publikum nun noch disparatere Kampfpaare, denn während auf der einen Seite schwer bewaffnete Berufskämpfer standen, beschränkte sich die Kampferfahrung jener nackten, lediglich mit einem ärmlichen Dolch bewaffneten Sklaven zumeist auf nicht mehr als die Tage des Aufstandes. Die meisten ließen folglich nun jedwede Hoffnung sinken.
Einer von ihnen, ein Jüngling, dem sein überwundener Mitaufwiegler augenscheinlich in der Kraft der Desperation die Nase hatte gebrochen, versuchte etwa sogleich, Reißaus zu nehmen und wandte sich dem Gatter zu. Anstatt selbiges zu überwinden (worauf die Praetorianer ihn erwartet hätten), traf ihn jedoch lediglich hart die Peitsche der Knechte, während hinter ihm der Gladiator, ein Thraex seine Sica emporhob und mit schweren Schritten auf ihn zuhielt. Da der Sklave indessen unbeirrt versuchte, die Absperrung zu übersteigen, traf ihn hart ein Schlag des dort bereitstehenden Knechtes, weshalb er zurücktaumelte, ehe ihn die Waffe des Gladiatoren in den Rücken traf.
Unweit davon gerierte der Delinquent sich hingegen geschickter: Einem Hoplomachus gegenüber duckte er immer wieder sich unter den Hieben des schwer gerüsteten Gladiatoren hinweg und schreckte hier und dort immer wieder vor dem Kurzschwert des Kämpfers zurück. In jener Weise bewegte er sich so leichtfüßig durch die Parzelle, dass man dafürhalten mochte, er habe jene Strategie ersonnen und sein gesamtes Leben exerziert. Zunehmend ermattete jene Strategie den Hoplomachus, wie erfahrene Kenner der Materie leichtlich mochten erkennen. Hinzu trat eine gewisse Fahrlässigkeit, welche der Delinquent nach einer Weile des Tänzelns geschickt nutzte: Mit einem Male sprang er vor und stieß seinen Dolch am Rundschild des Gladiatoren vorbei in dessen Magenregion. Getroffen taumelte der Hoplomachus zurück und riss seinen Schild hoch. Mit einem Schrei stürzte er nun sich aufs Neue auf den bisherig von Fortuna favorisierten, der wiederum mit einem desperaten Sprung sich an dem massigen Gladiatoren vorbei rollte und lediglich am Rücken von dem Kurzschwert gestreift wurde.
Ungerechte Hilfe erlangte der Hoplomachus nun jedoch von jenseits dem Gatter, denn die dortig befindlichen Knechte schlugen nun mit ihren Peitschen nach dem geschickten Sklaven, der unter jedem Treffen zusammenzuckte und von der letalen Bedrohung innerhalb seiner Parzelle abgelenkt wurde. So nahm es nicht wunder, dass nach einem besonders guten Treffer der Peitsche er mit schmerzverzerrten Antlitz sich krümmte, als plötzlich ein Tritt des Gladiatoren ihn erreichte und er getroffen zu Boden stürzte. Voller Zorn ob jener unwürdigen Darbietung rammte der Hoplomachus sein Schwert in den Brustkorb des Delinquenten und vereinte seinen Schrei mit dem Johlen der Menge.
Zwischen jenen Polen bewegten auch die übrigen Gefechte sich in dieser zweiten Runde. Keiner der Delinquenten vermochte gegen die wohlexerzierten Gladiatoren zu bestehen, obschon mancher den Berufskriegern ein admirables Duell lieferte. Früher oder später obsiegte jedoch die Kondition der Gladiatoren, respektive die ungerechte Unterstützung durch die Peitschen der Knechte, über die bereits von der ersten Kampfrunde ermatteten Sklaven, weshalb nach einiger Zeit überall bisweilen blutende, doch stets lebendige Gladiatoren im Triumph ihre Waffen gen Himmel reckten.
"Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan! Der Quaestor Consulum Manius Flavius Gracchus Minor dankt euch für eure Geduld und wünscht euch viel Spaß mit dem zweiten Vorlauf!"
, erklärte der Herold die Exekution für beendet, während auf der Rennbahn die Praetorianer und Knechte bereits emsig die Barrikaden beiseite räumten, während andere Staatssklaven die getöteten Delinquenten an scharfen Haken von der Bahn schleiften. Alles musste schnell gehen, denn binnen Kurzem sollten nun wieder die Gespanne über die Bahn eilen!