Beiträge von Manius Flavius Gracchus Minor

    Noch immer evozierte die barbareske Haartracht der Duccii ein wenig Irritation bei dem jungen Flavius, doch hinsichtlich ihrer Manieren und Horizonte erwiesen sie sich durchaus als formvollendete Sprösslinge jener Schicht von Purpurträgern, welche sich aus dem gesamten Imperium rekrutierte und somit einen gewissen kosmopolitischen Einschlag sich bewahrte.
    Dass ihnen auch noch sein Vater bekannt war, erstaunte ihn jedoch dennoch ein wenig.
    "Ihr kennt meinen Vater?"
    , rief er daher überrascht auf, um sodann umsichtig seine Replik zu formulieren:
    "Deplorablerweise ist er derzeitig nicht sonderlich wohlauf und hat sich kurz nach meiner Abreise hierher auf seine Güter nach Baiae zurückgezogen. Um seine Gesundheit war es nie sonderlich gut bestellt, doch nun raten ihm die Ärzte, sich der Seeluft auszusetzen. Doch wie mir scheint, genießt er die Ruhe abseits Roms durchaus und sein Leiden scheint sich nicht zu aggravieren."
    Diey zumindest hatte Manius Minor dem Brief Manius Maiors entnommen.
    "Womöglich wird er unserer Familie dort ein weiteres Weingut einrichten auf dem Land, welches der Princeps ihm zum Abschluss seines Consulats schenkte."
    , bezog er sich abschließend noch auf den Kommentar Marsus', welcher augenscheinlich eher allgemeiner Natur gewesen war und keine konkreten Indizien für die Fama des flavischen Weinkellers bot.

    Die Reaktion des Statthalters ließ den jungen Flavius weiter im Unklaren, ob jene ihm durchaus überzogen erscheinenden Vorsichtsmaßnahmen für eine diplomatische bei den Germanen adäquat waren, obschon die Positionierung hinsichtlich der Ala ihn nicht unbedingt zu kalmieren geeignet war. Indessen schienen die Objektiven, welche man ihm erteilte, auch noch überaus fordernd, da sie doch eher der Kragenweite eines verschlagenen Spion als eines jungen Aristokraten entsprechen mochte.
    "Nun gut, dann also eine große Eskorte und eine umfangreiche Aufgabe."
    , resümierte er dennoch relativ trocken.
    "Und das ganze auf einem nächsten Thing oder sollen wir die zentralen Sippen separat visitieren?"

    Wieder lauschte der junge Flavius aufmerksam und war genötigt dabei zu konzedieren, dass jene Barbaren augenscheinlich doch über eine veritable politische Struktur verfügten, deren Regularien bisweilen durchaus an die Prinzipien des römischen Senates oder besser jene der alexandrinischen Demokratie erinnerten. Diese Einsicht kalmierte den Jüngling ein wenig, obschon die Mahnungen hinsichtlich der Ala ihn aufs Neue erschaudern ließen, da doch augenscheinlich ihre eigenen sakralen Regeln hinsichtlich des Thingfriedens bisweilen geringschätzten.
    "Ich wünschte, ich könnte dich mit mir nehmen, um dich bei Bedarf zu konsultieren."
    , vermerkte er endlich mit einem schwermütigen Seufzen, da doch es gänzlich indiskutabel schien, die Sklavin, welche eben den potentiellen Casus belli repräsentierte, mit in die Höhle des Löwen zu nehmen.


    Dessenungeachtet wurde ihm schlagartig gewahr, dass Luna keineswegs eine jener Vernae war, welche die Flavii vornehmlich in ihren Haushalten zum Einsatz zu bringen pflegten, sondern vielmehr eine frisch gefangene, ja geradehin ungerecht traktierte Wilde aus eben jenem Volke, welches ihn ängstigte. Ihre Freundlichkeit und Auskunftsbereitschaft war folglich durchaus mit Umsicht zu rezipieren, denn obschon sie augenscheinlich in einer amoureusen Relation zu ihrem Versklaver stand und sich bisherig niemals durch Widerspenstigkeit ausgezeichnet hatte, so mochte all dies auch leichtlich eine verschlagene Kriegslist sein, welcher eine Seherin durchaus kapabel wäre. Ein wenig beschämte es den Tribun, erst jetzt jenen Argwohn zu entwickeln, doch gemahnte er sich, zukünftig seine mit nach Hause gebrachten Akten sorgsam zu verschließen, ehe er zu Bett ging und intensiver seine Zunge zu hüten.


    "Doch wo finde ich einen ortskundigen Führer?"
    , fragte er dennoch ein wenig unschlüssig Luna in Ermangelung eines alternativen Konsultoren. Er würde ihre Informationen ja noch anderweitig verifizieren können.

    Nachdem der flavische Tribun akribisch jene Expedition präpariert hatte, war nun der Tag gekommen, jene theoretischen Erwägungen in die Praxis umzusetzen. Gemiensam mit dem Aquilifer und dem Legionsstab trat Manius Minor auf das Tribunal des Campus, noch ehe die Soldaten zum Appell gerufen wurden. So vernahm er nur von Ferne das Tönen der Tubicen, als die Centurionen, welche bereits am Vortag über den Weg instruiert worden waren, ihre Männer zusammenrufen ließen.


    Sodann dauerte es nur eine kurze Weile, ehe Centuria um Centuria durch die Porta Principalis sinistra strömte, angetan mit voller Marschausrüstung, um seinen Platz auf dem Feld zu suchen, von welchem aus sie ihren Marsch antreten würden. Zuvor gedachte der junge Flavius jedoch, seine Männer durch eine kurze Ansprache zu informieren und zu ermutigen, um seine rhetorische Expertise im Angesicht gemeiner Soldaten ein wenig zu erproben.

    Zitat

    Original von Luna
    Luna betrat das Tablinium. „Dominus, du wolltest mich sehen?“ sagte sie leise und zurückhaltend wie immer.
    Sie trat auf seine Gesten hin näher, blieb jedoch stehen, da ihr kein Sitzplatz angeboten wurde. (Warum auch, sie war ja nur Sklavin)
    Sein Anliegen jedoch überraschte sie. So dass sie ihn zunächst mit einem nachdenklichen Blick betrachtete. Wo sollte sie nur anfangen. Der Flavier war Römer und er kannte weder das Land noch die Leute. Luna legte, wie immer wenn sie über etwas nachdachte, den Kopf leicht schief.
    „Nun Dominus... wo soll ich anfangen? Weißt du was ein Thing ist?“ Sie sah den Römer an und beantwortete sich die Frage selbst. „Ich nehme mal an – nein. Es diente der politischen Beratung ebenso wie Gerichtsverhandlungen und auch kultischen Zwecken. Während des Things gilt ein Friede, der zu beginn des Things ausgerufen wird. Dieser darf nicht gebrochen werden. Alle freien Männer dürfen an dem Thing teilnehmen, Frauen, Kinder, Fremde oder Sklaven sind nicht zugelassen, einzige Ausnahme sind Seherinnen. Die Termine der Versammlungen sind genau festgelegt und an den Mondphasen orientiert. Du solltest also vorher Kontakt zu den Stämmen und ihren Oberhäuptern suchen, damit du zu einem Thing eingeladen wirst. Nur dann hast du das Recht an einem solchen teilzunehmen. Ein Thing dauert zwei bis drei Tage. Am ersten solltest du trinkfest sein, denn hier wird reichlich dem Met oder Bier zugesprochen. Hier werden dann auch allerlei Dinge beraten, die am nächsten Tag, wenn alle wieder nüchtern sind beschlossen werden. Man glaubt, dass der Met die Zungen lockert und man redseliger ist. Was auf dem Thing beschlossen wird ist binden für alle teilnehmenden Stämme. Alle halten sich daran, keiner würde ein Urteil des Things nicht beachten.“ Luna sah den Flavier in die Augen, bevor sie fortfuhr. „Du solltest auf dem Thing vermeiden von römischen Gesetzen zu reden und... du solltest deine Sprache etwas einfacher wählen. Die meisten der Stammesoberhäupter sprechen eure Sprache, nur sind sie nicht so gebildet wie du.“ Luna hoffte, dass der Flavier verstand, dass er sich jenseits des Limes nicht so umständlich ausdrücken sollte, wie er es hier zuweilen tat. „Du solltest klar formulieren, was du möchtest, und es den Anwesenden auch begründen können. Wenn es um Frieden geht, so kann ich dir versicher, das die Stämme, welche nahe der Grenze leben immer an Frieden mit den Römern interessiert sind. Direkt oder indirekt leben diese Stämme von den Römern. Dies war im übrigen auch einer der Gründe, warum Wulfgar und sein Stamm verurteilt wurde. Was du noch beachten solltest. Die Menschen dort führen mitunter ein entbehrungsreiches, arbeitsames Leben. Sie sind rau wie das Land. Lass dich davon nicht abschrecken. Sie sind vernünftigen Argumenten durchaus zugetan und wie schon gesagt an Frieden immer interessiert. Auch weil sie wissen, dass sie den Römern im Kampf unterlegen sein würden.“ Mit diesen Worten endete Luna und sah den Flavier an, ob er noch weitere Fragen hätte.


    Durchaus war dem jungen Flavius die Institution des Things ein Begriff, allerdings hatte er dahinter eher eine Form von Comitia vermutet, wie sie den Historikern zufolge vor den Zeiten Sullas auch in Roma in Gebrauch gewesen waren. Was Luna hingegen berichtete, wirkte überaus archaisch und auch ein wenig furchterregend, weshalb er immer ungläubiger dreinblickte, als er von Trinkgelagen, Mondphasen und ihren Ratschlägen hinsichtlich seiner Ausdrucksweise hörte. Letztlich reproduzierte sie implizit jedoch ebenso jene Stereotype, die Manius Minor bereits anderweitig vernommen hatte, nämlich dass jenes Volk jenseits des Limes vornehmlich tumbe Barbaren mit exotischen Sitten waren, selbst wenn sie augenscheinlich auch an der Rhetorik gefallen hatten.
    "Wie ist ein derartiger Thing strukturiert? Gibt es einen König der Chatten, welcher den Vorsitz führt?"
    Barbarische Gemeinwesen imaginierte der Tribun stets monarchisch, da ja selbst die größte Zivilisation des Erdkreises im Laufe seiner Geschichte sich hin zu einer Monarchie entwickelt hatte.
    "Und wo findet der Thing statt?"
    Eine Volksversammlung sämtlicher Freien jener Familien und Sippen bedurfte sicher einigen Raumes, was nahelegte, dass eine Art Comitium unter freiem Himmel existierte.

    Von dem Pferdeknecht des Duccius nahm der junge Flavius nur beiläufig Notiz, obschon er ihm ein versonnenes Lächeln schenkte, ehe er sich auf die Koppel begab. Das Pferd, das er heranführte, wirkte durchaus wohlgestaltet, obschon er selbstredend außerstande war, das Fell genauer zu inspizieren, als jener Trautwin näher trat und damit vor seinen Augen verschwamm. Fragend blickte er daher zu Patrokolos, der nun einmal aufs Neue das Auge seines Herrn sein musste, doch er zuckte lediglich unwissend mit den Schultern. Zweifelsohne entbehrte der Sklave ebenso sehr einer Kenntnis der hiesigen Materie wie er selbst.


    Die Offerte, sein Kaufobjekt jedoch praktisch zu erproben, schien ein gangbarer Weg zu sein, die Funktionalität des Tieres zu erproben, sodass er nickte.
    "Überaus gern."
    Zwar würde er damit womöglich offenbaren, welch mäßige Expertise er selbst auf dem Terrain der Reiterei aufwies, doch musste er ja nicht in gestrecktem Galopp über die Koppel eilen, sondern lediglich ein Gefühl entwickeln, ob das Tier ihm zusagte.

    "Und wie sollte ich genau vorgehen?"
    , fügte der Tribun ein wenig kleinlaut an, da ihm schlagartig bewusst wurde, dass der Statthalter sich nicht sonderlich präzise ausgedrückt hatte.
    "Geht es lediglich um die Konfirmation der neutralen Haltung der Chatten? Soll ich dem Bedauern Roms Ausdruck verleihen, dass wir ihre Seherin entwedeten? Soll ich einen jener Things aufsuchen oder lediglich einen herausragenden Fürsten?"

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    Original von Numerius Duccius Marsus
    Währenddessen führte Phelan die Unterhaltung fort und schlug dem Gastgeber einen Jagdausflug vor. Witjon zog überrascht die Augenbrauen hoch, fand die Idee aber letztlich gut. "Wonach uns gerade der Sinn steht", schmunzelte er als Antwort auf Minors Frage. "Aber zur Beruhigung unserer Familien pflegen wir meist Damwild zu Jagen. Im Winter muss allerdings gelegentlich sogar einmal ein irr gewordener Wolf zur Strecke gebracht werden." Nun konnte Witjon nicht länger widerstehen und nahm sich noch ein Fleischbällchen vom Teller. "Diese Fleischbällchen sind übrigens ganz hervorragend, Flavius!", lobte er entzückt.


    Wölfe zu jagen erschien dem jungen Flavius noch weitaus riskanter als die eines einzelnen Wildschweines, da doch seiner Kenntnis zufolge erstere dezidierte Raubtiere waren und dazu in Rudeln lebten. Indessen schien er nicht genötigt zu werden, jene Gefahren auf sich zu nehmen, weshalb er erwiderte:
    "Dann beginnen wir doch vorerst mit der Damwildjagd."
    Auch jene Beute würde ihre Tücken mit sich haben, da es dem Jüngling doch zweifelsohne einige Mühen abverlangen würde, mit ihm Schritt zu halten, respektive sich in eine Position zu bringen, um die Tiere zu erlegen. Doch wie auch immer, er würde diese Expedition auf sich zukommen lassen müssen.


    Vorerst erfreute er sich lieber an der Kurzweil des Abends und auf das Lob des Duccius griff auch er nach den Hackbällchen, welche in der Tat sich als überaus wohlschmeckend erwiesen.
    Er blickte hinüber zu Luna und Frugi, welche für weitere Dienstleistungen parat standen.
    "Richte in der Küche aus, dass es uns vorzüglich mundet!"
    Nochmalig griff er nach den Vorspeisen, um sodann auf die andere Bemerkung Marsus' zurückzukommen:
    "Ist der Ruhm der flavischen Weinkeller tatsächlich bis hierher gedrungen?"
    Womöglich war der Kommentar lediglich eine unwahre Höflichkeit gewesen, welche keine weitere Bedeutung besaß, dennoch erweckte er den Vorwitz des jungen Flavius.

    Nachdem Manius Minor mit jener durchaus ambitionierten Mission betraut worden war, den Thing der benachbarten Stämme jenseits des Limes zu visitieren, plagten ihn diverse Sorgen, zu welchen Neben der um seine Sekurität auch die um seine limitierte Kenntnis der örtlichen Gebräuche zählte. Da in seinem Haushalt jedoch eine Sklavin lebte, welche eben jenen Stämmen entstammte und dort augenscheinlich eine exponierte Position bekleidet hatte, ließ er sie eines Abends in sein Tablinium rufen.


    Als sie eintrat, gebot er mit einer Geste näher zu treten (ohne jedoch zu bedenken, dass auch eine Sklavin einen Sitzplatz für ein längeres Gespräch womöglich präferiert hätte).
    "Luna, ich benötige deine Expertise."
    , begrüßte er sie.
    "Ich wünsche zu erfahren, wie die Welt der Germanen funktioniert. Ich habe den Auftrag des Legatus Augusti pro Praetore erhalten, den Thing deines Stammes aufzusuchen."
    Er hielt einen Stylus in Händen, mit welchem er ein wenig nervös spielte. Nun legte er ihn beiseite und blickte die Sklavin fragend an.
    "Worauf werde ich achten müssen?"

    Während die Diener sich der Bedienung der neuen Gäste zuwandte und Manius Minor sich eine weitere Aprikose einverleibte, ergriff der Flamen Divi Augusti das Wort. Der Kommentar hinsichtlich weiterer Quellen ihres Präsentes evozierte bei dem Jüngling jedoch ein amüsiertes Lächeln, da jener Kommentar doch auf ironische Weise andeutete, bei dem Met handele es sich weniger um eine Festgabe als eine Art von Werbegeschenk, was den ökonomischen Fleiß jenes Rittergeschlechtes pointierte.


    Sodann wandte der Duccius sich jedoch seinen Fragen zu und präsentierte sich diesbezüglich als Spross jener germanischsten aller germanischen Gens als geeigneter Experte. Selbstredend besaßen die nördlichen Provinzen keineswegs ein Monopol auf Wildbret, da doch auch in der feinen Gesellschaft Roms Jagdausflüge von den Villen in der Peripherie der Urbs überaus gebräuchlich waren. Manius Minor hatte sich an derartigen, bisweilen durchaus sportiven Veranstaltungen indessen noch nie beteiligt, weshalb einiges Unbehagen ihn umfing, als Verus ein wenig nebulös und damit Salvierung verheißend, dann jedoch überaus direkt ihn zu einer Jagdpartie lud.
    Selbstredend vermochte er nicht, jene Offerte ohne einen Gesichtsverlust auszuschlagen, weshalb er sich ein artiges Lächeln abnötigte und erklärte:
    "Wie überaus freundlich. Gern, sobald es meine Obliegenheiten in der Legion gestatten."
    Er blickte kurz hinüber zum Praefectus Castrorum, in dessen Macht es wohl am ehesten lag, den Tribun von seinen Pflichten zu dispensieren.
    "Was pflegt ihr vornehmlich zu jagen? Den wilden germanischen Eber? Oder eher das flinke Damwild?"
    Die Jagd eines Ebers stellte, wie der junge Flavius wusste, durchaus ein riskantes Unterfangen dar, da jene Tiere über eine gewaltige Kraft und ein imprävisibles Temperament verfügten, sodass er hoffte, sich durch seine Nachfrage zumindest bezüglich jener Gefahr kalmieren zu können.

    Augenscheinlich entsprach es einem lokalen Brauch, zu Einladungen stets ein fluides Getränk als Präsent zu überreichen, wie der junge Flavius langsam zu argwöhnen begann, da nun ein drittes Gefäß mit alkoholischem Inhalt ihm dargeboten wurde, welches seine Luna ihm sogleich reichte. Sie war in der Tat nicht faul, wie er vor Ankunft der Gäste für einen Augenschlag geargwöhnt hatte!


    Dessenungeachtet wirkten die Duccii trotz ihrer wilden Frisuren (zumindest bei den Männern) durchaus kultiviert, zumal die Titulatur des Präsentes als Honigwein ihm durchaus zusagte, da dies doch hoffen ließ, dass Met dem römischen Mulsum verwandt und damit von jener Süße war, die Manius Minor bei seiner Nutrition zu sehr schätzte.
    "Besten Dank! Sehr gern würde ich es sogleich mit Euch verkosten, doch fürchte ich, dass dafür unsere Gesellschaft ein wenig zu zahlreich ist. Und wie schon der große Alexander sprach: 'Für einen zu viel, für alle zu wenig', nicht wahr?"
    Er lächelte ein wenig verlegen ob jenes nicht sonderlich korrekten Zitates aus den Alexandermythen, wo der große Feldherr einen Helm voll Wasser mit dergestalten Worten refutiert und in den Sand der Wüste vergossen hatte.


    Er wies auf die Speisen, die nun aufgetragen wurden: Aprikosen, Gurken mit Lamm, Isicia Ormentata und diverses Gemüse. Nichts von all dem erschien dem jungen Flavius sonderlich regional, obschon er dennoch einige Admiration für die Coqua empfand, die hiesig nicht auf einen gewaltigen Stab an Küchenpersonal zurückgreifen konnte, wie dies in der Villa Flavia Felix der Fall war.
    "Hinsichtlich der übrigen Speisen und Getränke sollte es indessen ein mehr als suffizientes Angebot geben."
    Schon schnellte seine Hand zu den Aprikosen, die sogleich seine sonderliche Appetenz hatten gewonnen, als er nochmalig zurückzog und nach seinem Pokal griff.
    "Beginnen wir mit einem kleinen Trankopfer zu Ehren des Bacchus und des... Wotan, nicht wahr?"
    Seinem Vorsatz gemäß hatte der junge Flavius sich bei seinen Scribae ein wenig über den Götterhimmel der Germanen informiert, welche ihm berichtet hatten, dass man zu dergestalten Gelegenheiten dem germanischen Göttervater Trankopfer darzubringen pflegte.
    So goss der Jüngling ein wenig seines Weines auf den Boden, wo seine Diener es letztlich wieder hinfortzuwischen genötigt sein würden, ehe er dann doch sich an den Speisen gütlich tat. Nachdem er die überraschend pikante Aprikose schließlich verkostet hatte, blickte er neuerlich in die Runde.
    "Nun, ich bin durchaus angenehm überrascht, welch kulinarische Vielfalt es selbst hier im hohen Norden zu kosten gibt."
    , begann er ein wenig allgemein.
    "Da ich bereits vielfältig gefragt wurde, ob ich bereits örtliche Köstlichkeiten versucht habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen, die Frage in leichter Modifikation zurückzuwerfen: Welche Spezialitäten darf ich nicht verpassen? Gibt es hier in Mogontiacum Speisen oder auch kulturelle Angebote, welche ich unbedingt wahrnehmen sollte?"

    Als nunmehr die übrigen Offiziere sich reihum zu Wort meldeten, reute ihn seine tollkühne Konfirmation bereits wieder, da er doch augenscheinlich von gänzlich unzutreffenden Prämissen ausgegangen war. Seine letzte Exkursion von amtswegen war mit einer Handvoll Milites der Cohortes Urbanae ausgekommen, weshalb er, gerade für eine diplomatische Mission, ebenfalls dafürgehalten hatte, dass der Weg zum Orte der Verhandlungen nicht eben sich gefahrvoll gestalten würde. Nachdem nun jedoch gleich vier Centuriae neben einer kavalleristischen Bedeckung im Raume standen, schluckte er doch und seine Augen füllten sich neuerlich mit Furcht. Gefährdete eine dergestalte Mission etwa sein Leben? Akzeptierten die germanischen Völker etwa keine Parlamentäre, war vielmehr mit einem Kriegszug gleich jenem des unglücklichen Varus zu rechnen, ja war er solch einer Herausforderung überhaupt gewachsen? Und wenn nicht: Würden die Unsterblichen ein derartiges Dahinscheiden als heroischen Tod zu Ehren seiner Familie akzeptieren, da er doch nicht einmal eine Reputation hatte errungen, in welcher irgendwer im Senat sich seiner erinnern würde?

    Niemals in seinem jugendlichen Leben hatte der junge Flavius die Fällung eines Baumes beobachtet, sodass es ihn durchaus erstaunte, welche Zeit dafür augenscheinlich erforderlich war. Womöglich war das Legionstribunat für einen jungen Aristokraten nicht zuletzt eine Schulung seiner Kenntnis der einfachen Plebs, von deren Leben er in der Hautevolé Romas nahezu kategorisch separiert blieb.


    Indessen hakte er nach jener Information den Gedanken der Baumfällarbeiten vorerst ab, als bereits die nächste Novität sich ihm darbot:
    "Inwiefern sollten die Mattiaker unserem Marsche Widerstand leisten?"
    Seinem Dafürhalten lag Aquae Mattiacorum diesseits des Limes, weshalb er vermutet hatte, dass jenes Land in ähnlicher Weise befriedet war wie Italia. Dass sich indessen jemand einer ganzen Legion, deren Krieger zweifelsohne der wehrfähigen Population eines größeren Stammesgebildes gleichkam, in den Weg stellen mochte, konnte er kaum glauben. Doch war er der unerfahrene Novize in diesen Kontexten, sodass er begierig auf weitere Explikationen lauschte.


    Zumindest schien sein gesamter Plan akzeptabel, selbst wenn er nicht ridikulöse Interventionen wie Rinderherden integrierte (auch der Tribun zeigte ein sublimes Lächeln, um das Amusement seines Vorgesetzten zu erwidern, obschon er nicht recht zu erkennen vermochte, wie ein derartiges Treffen ausgefallen war), sodass final er mit Satisfaktion nickte.
    "Ist jener Marsch stets fest terminiert? Oder wann sollte er hinsichtlich der Abläufe innerhalb der Legion angesetzt werden?"
    Wenn die gesamte Legion aufbrach, würden zweifelsohne manche alltägliche Dienste im Castellum und rundherum zum Erliegen kommen, sodass jene Kampagne zweifelsohne einer gewissen Koordination bedurfte.

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    Original von Decimus Duccius Verus
    Ein Sklave führte die drei Duccii, bestehend aus Numerius Duccius Marsus, Decimus Duccius Verus und seiner Tochter und Begleitung Duccia Silvana, direkt zum Gastgeber. Verus deutete dem Sklaven, dass er die Vorstellung selbst übernehmen würde, sodass dieser wieder von dannen zog.


    "Flavius, sei gegrüßt. Ich muss uns entschuldigen. Mein Vetter wurde in der Regia aufgehalten." der Gastgeber würde schon Verständnis dafür aufbringen können, dass die Duccii nicht vereinzelt hier erscheinen wollten. "Wir bedanken uns für die Einladung und gratulieren dir zu deiner Ernennung. Wenn ich vorstellen darf..." er drehte sich leicht nach links und deutete jeweils mit der Hand auf seine Nächsten, nachdem er sich selbst vorgestellt hatte "Ich bin Duccius Verus, mein Vetter Duccius Marsus mit seiner Frau Petronia Octavena und mich begleitet meine Tochter Duccia Silvana." Praenomen waren hier fehl am Platz und auch die Ämter musste er nicht nennen, hatte der Flavier doch Einladungen verschickt. Die Vorstellung war ein notwendiger Akt, hatte der Gastgeber die Einladungen doch nur anhand von Namen und nicht Gesichtern verschickt. "Ich sehe, wir kommen gerade recht zu Speis und Trank?"


    Als die weiteren Gäste das Triclinium betraten, wischte der junge Flavius den Gedanken, die auch für die zivilen Gäste bereitstehenden Klinen entfernen zu lassen, rasch beiseite. Eine der Personen mochte er sogleich zu identifizieren, was indessen genügte, um sich auch auf die anderen einen Reim zu machen, da doch seine Gästeliste insofern bescheiden genug sich hatte ausgenommen, dass nur wenige Gefährten für Duccius Marsus infrage kamen.


    Prompt erhob er sich also, präsentierte ein verbindliches Lächeln und reichte den Neuankömmlingen in der Reihe ihrer Präsentation die Hand.
    "Salvete, Duccius Verus... Procurator... Petronia... Duccia!"
    Augenscheinlich präferierten sämtliche Duccii ein betont germanisches Auftreten, wie die Bärte und das lange Haar, welches dem Jüngling bereits beim Statthalter ins Auge gefallen war, andeuteten.
    "Selbstredend seid ihr exkulpiert, doch kann ich euch wahrlich trösten, dass wir noch nicht begonnen haben."
    Er wies auf die frei stehenden Klinen gegenüber von seiner Position des Gastgebers, was zwar implizierte, dass der Praefectus Castrorum, welcher noch kein wahrhaftig ritterliches Amt hatte bekleidet, in der Klinenordnung vor dem renommierter positionierten Procurator rangieren würde, doch dafür ihm die Peinlichkeit ersparte, einen früher erschienenen Gast von seinem bereits zugewiesenen Platz zu verjagen.


    Nun nahm auch er selbst wieder seine Kline ein, um sodann der Dienerschaft zu bedeuten, mit der Vorspeise zu beginnen.
    "Es ist mir wahrlich eine Freude, so viele honorable Persönlichkeiten hier in Mogontiacum anzutreffen. Und selbstredend insonderheit, dass unsere Neuankömmlinge unserer Cena auch ein wenig femininen Glanz verleihen!"
    , eröffnete er nochmalig das Gespräch und lächelte zu den ihm gegenüber positionierten zivilen Amtsträgern hinüber, deren Begleiterinnen in Ermangelung jener altmodischen Speisesessel ebenfalls auf der Kline Platz nehmen mussten.

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    Original von Aulus Tiberius Verus
    Verus schwieg weiter, bis der Flavius das Schweigen mit einer seltsamen Frage brach. "Handhabung?" - wiederholte Verus skeptisch und schmunzelte dann frech. Ja, irgendwie war diese Frage auf eine gewisse Art erheiternd, dass sie den Trübsinn des Veteranen vertrieb. "Behandle sie einfach gut," sagte der Tiberius dann, da ihm erneut nicht direkt eine Antwort einfiel aber sicherheitshalber setzte er nach, da man so etwas unter Männern klären musste, wenn man Sklavinnen austauschte: "Ich wünsche mir, dass sie nicht anderen liebenden Händen zur Verfügung steht." Er drückte sich etwas verschwommen aus aber seine beiden andeutenden Augenbrauen, sollten dem Flavius zeigen, was er meinte. Luna sollte nicht auf eine Weise berührt werden, die ihr nicht gefiel und wohl folglich auch nicht Verus. Er wollte einfach sicher gehen, dass sie sich hier sicher fühlen konnte. Nun war ihm wieder klar, dass sie im Stand einer Sklavin war und somit auch gehandhabt wurde, was Verus umso deutlicher zeigte, dass diese Welt merkwürdig und manchmal seltsam wurde.


    Augenscheinlich war der junge Flavius wieder in jene Selbstverständlichkeit der Aristokraten verfallen, Sklaven weniger gleich einem Menschen als einem Stück Vieh zu traktieren, was ihm hingegen erst ins Bewusstsein drang, als der Tiberius ihn irritiert repetierte. Fortunablerweise präsentierte der Centurio sodann jedoch ein Lächeln, welches das Gefühl des Ertapptseins bei dem Jüngling, welcher bei seiner Rückkehr aus Aegyptus den Vorsatz gefasst hatte, sich zumindest jene epikureische Wertschätzung auch des geringsten Sklaven zu bewahren, verwischte und ihm ebenfalls ein, wenn auch ein wenig genantes Lächeln abrang.


    Sodann kehrte der Centurio jedoch nochmalig zu einem ernsten Sujet zurück, das zweifelsohne der Eifersucht eines Liebenden war geschuldet und damit die Hypothese des Flavius irrtumslos konfirmierte. Zwar hatte er nicht bewusst bedacht, ob jenes Mägdlein ihm eine adäquate Gespielin mochte sein, zumal er in Roma stets über darauf spezialisierte Dienerinnen hatte verfügt, doch schien es ihm kein allzu großes Opfer, diese Option zu exkludieren.
    "Dies sollte kein Problem sein. Ich denke, meine Coqua wird es ohnehin präferieren, wenn ihre Hände ihr in gänzlich profanen Angelegenheiten zur Verfügung stehen."
    Sie hatte immerhin bereits lamentiert, dass jenes umfängliche Haus impossiblerweise mit nur einem Gefährten reinlich zu halten war.

    Gleich den städtischen Gesandten erachtete Manius Minor sich als ein Teil des stummen Publikums, welches, persönlich nicht betroffen, die Kritik des Statthalters an dem überaus heroisch sich darbietenden Centurio und dessen Defension verfolgte. Dass der Offizier höchstselbst den Germanen die Stirne geboten hatte, um die Flucht seiner Männer zu ermöglichen, erschien dem Jüngling überaus admirabel, weshalb er den Rapport des Tiberius mit einem erstaunten Aufreißen der Augen kommentierte, zumal ihm nicht recht deutlich wurde, worin jenes Verdammungswürdige in seinem Handeln bestand, welches augenscheinlich in der Ausführung eines fehlgeleiteten Befehles bestanden hatte, dessen Inhalt jedoch nicht weiter thematisiert wurde.


    Selbstredend wagte der Tribun nicht, sich diesbezüglich näher zu erkundigen, um nicht den Fortlauf jenes im Grunde ihm gegenüber völlig kontingenten Geschehens zu disturbieren. Jene Einschätzung änderte sich indessen, als Duccius Vala gänzlich unerwartet ihn auf abrupte Weise integrierte.
    Der junge Flavius riss aufs Neue die Augen auf, als sämtliche Blicke sich ihm zuwandten, inkapabel, eine schlagfertige Replik zu offerieren. Selbstredend hatte er inzwischen Kenntnis davon erlangt, worum es sich beim Stamm der Chatten handelte, ebenso war der Thing ihm ein Begriff, doch generell war ihm die Natur der Germanen noch immer fremd, wenn nicht gar ein Rätsel, welches sich im Umfeld der legionischen Administration, wo römische Bürokratie durch zumeist italischstämmige Scribae geübt wurde, kaum zu erkunden eignete. Ihn nunmehr so schlagartig mit einer diplomatischen Mission zu betrauen, erschien ihm somit zwar seinem Rang als Spross eines patrizischen Geschlechtes angemessen, seinem Erfahrungsschatz in politischen Belangen hingegen vollkommen inadäquat.
    "Ich... nun..."
    , stammelte er schließlich, da keiner der Umstehenden sich anschickte, Widerworte gegen jene Kur zu formulieren. Womöglich wäre es klug gewesen, jene Offerte dankend abzulehnen und durch wortreiche Floskeln seine Bescheidenheit hervorzukehren, doch zögerte er. Hatte er nicht selbst vollmundig versichert, für jedweden Dienst zur Stelle zu sein? Oblag es nicht dem Legatus Augusti pro Praetore selbst zu ermessen, wer seiner Mitarbeiter geeignet war, eine derartige Mission zu erfüllen? War er nicht selbst von seinem Rhetorik-Lehrer Quinctius Rhetor für seine Beredsamkeit prämiert worden? Und verlangte es ihm nicht danach, an vorderster Front seinen Dienst zu tun, um den Götter Satisfaktion für sein bisherig nutzloses Leben zu erweisen?
    "Ich stehe selbstredend zur Verfügung."
    , rang er sich somit final eine Konfirmation jener Vorsätze ab, die er so leichthin im vergangenen Jahr gefasst hatte. Vor den Umstehenden auf jener Mauer, auf welcher Duccius Vala Kriegsrat zu halten pflegte, insonderheit jedoch vor sich selbst.

    Der junge Flavius legte die Stirne in Falten, unschlüssig, was er auf jene Rückfrage erwidern sollte, da er doch einerseits sein Wissen als nicht sonderlich profund erachtete, andererseits nicht als Ignorant sich offenbaren wollte, welcher in eine Provinz verreiste, von der er nicht den Hauch einer Kenntnis besaß (obschon diese Einschätzung ohnehin übertrieben wäre gewesen).
    "Nun, mir ist bekannt, dass jene Völker tribale Strukturen besitzen. Die Kelten leben diesseits des Rhenus, die Germanen jenseits."
    , setzte er an, sein rudimentäres Wissen widerzugeben, welches die Commentarii de bello gallico des Divus Caesar ihm vermittelt hatten.
    "Weiters ist mir bekannt, dass sie stolze Krieger sind, aufbrausend und ohne eine feste Regierung."
    Seine Worte entsprachen eher einer Verbalisierung seines Spintisierens, welches all jene Informationsfetzen aktivierte, die der Tribun in seiner umfangreichen Edukation hinsichtlich der Germanen erhascht hatte, sich sonderlich auf die Historien über das Scheitern des Divus Augustus im Saltus Teutoburgensis beziehend.


    Vorsichtig blickte er aufs Neue in die Runde, in welcher sich zweifelsohne zu den römischen Veteranen, aus denen sich nicht selten provinziale Eliten rekrutierten, selbst Germanen gesellten, die zu offendieren ihm höchst unklug erschien.

    Ein Miles der Wache überbrachte dem Tribun einen Brief, welchen der Cursus Publicus an der Porta Praetoria abgeliefert hatte. Der Cornicularius, welcher inzwischen selbstredend die visuelle Inkapabilität seines Vorgesetzten erkannt hatte, erklärte sogleich:
    "Tribunus! Ein Brief mit dem flavischen Siegel!"
    Manius Minor, welcher soeben sich einige administrative Dokumente von Patrokolos rezitieren ließ, um sie sich einzuprägen, blickte verwundert auf und sein Sklave hielt sogleich inne. Er hatte bisherig noch keine Briefe versandt, so sehr hatte ihn die Einarbeitung in sein neues Arbeitsfeld okkupiert, doch nun, da er einen Brief aus der Heimat erhalten hatte, wurde ihm bewusst, dass er viel zu lange sich nicht seiner Familia zugewandt hatte.


    "Patrokolos!"
    , wies er ohne viele Worte somit seinen Diener an, das Schriftstück entgegen zu nehmen und das Siegel zu erbrechen, und dabei spintisierend, wer seiner Anverwandten ihm wohl schreiben mochte. Zuerst kam ihm selbstredend sein Vater in den Sinn, der jedoch gleichermaßen wie Titus sich zumeist in der Ferne in Schweigen hüllte, sodann sein Vetter Scato, welcher jedoch seinerseits in einem Amte steckte und bereits in der Freizeit wenig Neigung zu verspüren schien, sich ohne Grund mit seinen Anverwandten zu belasten. Oder hatten gar Serenus oder Onkel Aristides das Wort an ihn gerichtet, da sie zweifelsohne davon erfahren haben mochten, dass er nun den Kriegsdienst angetreten hatte?
    "Er ist von deinem Vater."
    , identifizierte Patrokolos sogleich die Signatur und der junge Flavius nickte. Also doch sein Vater.
    "Lies vor!"
    , befahl der Jüngling sogleich, noch ehe er weitere Vermutungen über den Inhalt des Schreibens anzustellen vermochte.


    Tribunus Laticlavius Manius Flavius Gracchus Minor - persönlich -
    Castra Legionis II Germanicae
    Mogontiacum, Provincia Germania Superior



    Mein Sohn,


    wie geht es dir? Ich hoffe so sehr, du befindest dich wohl und die Kälte und Nässe der germanischen Provinz sind deiner Salubrität nicht abträglich, gleichwohl dass dein Amt als Tribunus entbietet, was du dir erhofftest.


    Ich selbst bin erwartungsgemäß gut angekommen in Baiae, doch statt der familiären Trautheit fand ich nur ein leeres Domizil vor. Einzig Agrippina ist noch anwesend - und du kannst dir wohl vorstellen, dass dieser Umstand mich nicht eben mit übermäßiger Euphorie erfüllt. Marcus Aristides war bereits seit einigen Tagen aufgebrochen, seinen Bruder auf Sardinia ob familiärer Angelegenheiten zu besuchen, Serenus Germahlin ist mit den Töchter bei ihrer Familie und Serenus selbst mit seinen Söhnen auf einer Reise durch die östlichen Provinzen. Ich weiß nicht, ob ich ihm zürnen soll, hat er doch Titus mit sich genommen - nicht ohne ein Wort, denn ein Brief war augenscheinlich unterwegs nach Rom, nichtsdestominder ohne mein Einverständnis. Gleichwohl muss ich anerkennen, dass auch Titus nicht mehr der kleine Junge ist, welcher er in meinem Kopf stets bleibt, und zweifelsohne auch Marcus dies Unterfangen als Chance sah, Titus' Horizont zu erweitern, dass nicht ein Tölpel aus der Provinz aus ihm wird.
    Welche Glut auch immer in mir ob dessen schwelen mag, ich muss mich ohnehin mit den Gegebenheiten abfinden, hat doch Serenus keine Reiseroute hinterlassen, dass stets erst zu spät - mit Ankunft seiner eigenen Nachrichten - ihr Aufenthaltsort bekannt und ein Schreiben in seine Richtung unmöglich sein wird.


    Die Absenz unserer Familie indes bewog mich schlichtweg in unser neues Haus einzuziehen. Es ist geräumiger als die Villa in Rom, der Garten zwar noch ein wenig unprätentiös, doch weitläufig wie ein kleiner Park, und die Aussicht auf das offene Meer hinaus grandios. Ich bin mir sicher, es wird auch dir gefallen, und obgleich ich hoffe alsbald wieder nach Rom zurück zu kehren, so könnte dieses Refugium gut das meiner letzten Tage sein.


    Mehr gibt es indes nicht zu berichten.


    Mögen die Götter dich schützen und vor aller Fährnis bewahren!



    Der Jüngling runzelte die Stirne. Baiae war verweist und dies mitten im Sommer? Er argwöhnte zwar, dass Manius Maior jener Umstand durchaus zupass kommen mochte, da er selbst in Roma sich mit Vorliebe vom Trubel der gesellschaftlichen Verpflichtungen retiriert und eher die Muse der Einsamkeit gesucht hatte, dennoch enttäuschte ihn jener Umstand ein wenig, da er doch mit dem Rückzug seines Vaters an den Golf von Neapolis gehofft hatte, die Relation zu seinen dortig lebenden Anverwandten wieder ein wenig zu stärken.
    "Seltsam."
    , murmelte er somit nach einer kurzen Stille, als er bedachte, dass noch vor wenigen Jahren eine dergestalte Reise, wie Serenus sie nun unternahm, ein Wiedersehen mit seinem Vetter in Alexandria hätte bedeuten mögen, obschon er in einem nächsten Moment wiederum zweifelte, ob sein Anblick in jener Vita otiosa ihm zum Nutzen gereicht hätte.
    "Wahrscheinlich wird es deiner Familie nun doch ein wenig langweilig in der Einsamkeit von Baiae."
    Manius Minor vermochte kaum einen belebteren Ferienort sich zu imaginieren als Baiae, weshalb er mental die Vermutung seines Dieners sogleich refutierte. Dennoch war er genötigt zu konzedieren, dass das ewige Landleben womöglich durchaus seine Längen aufwies, weshalb Reisen zweifelsohne eine willkommene Abwechslung darstellten.


    Mit einem Seufzen griff der Tribun nach seinem Siegelring, welchen er auch im Dienst stets am Finger führte.
    "Schreiben wir gleich zurück! Die Wachbefehle werden uns schon nicht davoneilen."

    Ein wenig ratlos blickte der Tribun auf die Interjektion des Iulius selbigen an, da ihm der Umstand, dass eine Legion bereits ihre Palisaden mit sich führte, entfallen war, obschon er nun, da sie erwähnt wurden, sich ihrer erinnerte.
    "Nun, ich würde jene Option zumindest offen halten, da doch vieles auch von der Zeit abhängt, zu welcher wir unsere Destination erreichen."
    , versuchte er endlich der Zwickmühle zu entfleuchen und zuckte mit den Schultern.
    "Als Weg zurück könnte man sodann entweder den direkten Weg wählen, oder jedoch einen kleinen Umweg über Aquae Mattiacorum nehmen."
    , replizierte er sodann die zweite Frage, wobei er kurz auf jenen Punkt der Karte deutete, welchen er irrtümlich für das Symbol der Kapitale der Civitas Taunensium hielt (in Wahrheit handelte es sich um Bingium), was dem flüchtig Dreinblickenden jedoch womöglich entging.
    "Wie man mir berichtete, verlaufen die Märsche der Legion stets nach einem similären Schema, sodass ich keine weiteren Spezialitäten präpariert habe. Solltest du dennoch Extravaganzen wünschen, stehe ich indessen selbstredend bereit, jene zu integrieren."

    Nachdem das Gros der Gäste die Casa erreicht und sich, nachdem es artig den Hausherren begrüßt und gelegentlich mit Geschenken überhäuft hatte, zu kleinen Zwiegesprächen im Atrium verteilt hatte, klatschte der Tribun in die Hände, um neuerlich die Appetenz der Anwesenden zu gewinnen:
    "Meine Herren-"
    Ein wenig irritiert erkannte er, dass in der Tat nur Herren auf seiner Gästeliste standen und keiner von ihnen eine Gefährtin mit sich gebracht hatte.
    "Ich schlage vor, wir suchen das Triclinium auf, um das Mahl zu beginnen."
    Rasch gab der Jüngling dem Gesinde nochmalig ein konfirmierendes Zeichen, um sodann sich an die Spitze der Gesellschaft zu setzen und das Triclinium zu betreten. Um einen behaglichen Winter zu gewähren, verfügte es über eine Hypokausten-Heizung, doch für den germanischen Sommer schien es nicht eben die adäquate Räumlichkeit zu repräsentieren, denn bereits jetzt schien die Luft in ihm eine höhere Temperatur zu besitzen als jene im Innenhof des Gebäudes. Schon grämte sich Manius Minor, nicht beschieden zu haben, das gesamte Festmahl an jenen Ort verlegt zu haben, doch tröstete er sich sogleich wieder, dass man in diesen Gestaden stets sich vor einem erschröcklichen Regenguss fürchten musste, sodass eine Freiluft-Planung unklug erscheinen musste.


    "Ich habe die Coqua angewiesen, regionale Köstlichkeiten zu servieren!"
    , erklärte er in die Direktion des Iulius, welcher ihn ja bereits nach seinen kulinarischen Explorationen gefragt hatte, ehe er selbigem den Platz zu seiner Rechten, dem Praefectus Alae hingegen zu seiner Linken und daran anschließend den Tribuni und städtischen Honoratioren ihren Platz zuwies.

    Sim-Off:

    Ein Vöglein hat mir gezwitschert, dass noch zumindest ein Decurio erscheinen wird ;)