Wie Manius Maior, so mochte auch Manius Minor kaum eine Similität der Archimima mit seiner Mutter zu entdecken, da er diese doch mit schwindendem Sehvermögen vornehmlich anhand ihrer Gestik, ja ihrer gänzlich individuellen Art der Bewegung identifiziert hatte, was indessen den kompliziertesten Aspekt der Schauspielkunst darstellen mochte, sodass es impossibel war, dass eine Actrice, mochte so noch so begnadet sein und zu den teuersten ihrer Profession zählen, dies ex post und ohne persönliche Kenntnis des durch sie zu repräsentierenden Individuums in konvenierlicher Weise darzubieten. Ohnehin vermochte der Knabe sie von seiner Position in der Pompa Funebris kaum zu beobachten, weshalb er sich rasch wieder den düsteren Gedanken seines Verlustes hingab, während er mechanisch einen Fuß vor den anderen setzte, bis sie endlich am flavischen Mausoleum angelangt waren, wo sie der Scheiterhaufen erwartete.
Nun galt es Abschied zu nehmen, sodass er sich seinem innerfamiliaren Rang gemäß hinter seinem Vater einreihte, was ihn in den Stand versetzte, dessen exkulpierende Äußerung zu vernehmen, die er selbstredend auf dessen Versagen in den Jahren des Krieges projizierte, was neuerlich seinen Schmerz intensivierte: In der Tat war er nach dem Tode Antonias zur Gänze auf sich allein gestellt, der Spross eines verdorbenen Stammes, einer Gestalt, welche phänotypisch durchaus jene Gravitas und Dignitas präsentierte, die einem Flavius zur Ehre gereichte, die aber in Wahrheit ein gemeiner Feigling war, der seiner eigenen Mahnungen, das Wohl der Familie und des Staates über das eigene zu stellen, bitterlich spottete.
Jene Gedanken bewegten ihn so, als er das blasse Antlitz seiner Mutter erfasste und ihr, gemahnt an Gravitas und Dignitas, welche sein Vater konträr zu seinen Prinzipien überaus formvollendet repräsentierte, in recht formeller Weise einen Kuss auf die Wange hauchte, wobei ihm der süßliche Duft des Todes in die Nase stieg, welchen selbst die Mengen an Parfums und Essenzen bei jenem mehr als drei Tage alten Leichnam nicht zu überdecken vermochten, der indessen zugleich dem jungen Flavius das letzte Mal, als er diesen geatmet hatte, in den Geist rief und ihn mit Schauern seiner widrigen Träume gedenken ließ. Mit einem Frösteln ließ er somit ab, inständig hoffend, dass seine Mutter nicht wahrhaftig zu einem jener Lemuren mutierte, die die Nächte und Tage der Lebenden quälten, weshalb er im Geiste gelobte, ihr stets pietätsvoll Opfer darzubringen und zu nähren, wie es sich auch für einen Sohn mit lebenden Eltern gebührte.
"Vale!"
, hauchte er endlich und wandte sich ab, um auch seinem Bruder die Option zu bieten, seine Mutter zu verabschieden.