Beiträge von Mamercus Artorius Rusticus

    Mamercus bekam die Befehle seines Ausbilders selbstverständlicherweise nicht mehr mit und auch nicht wie er angehoben und zum Valetudinarium getragen wurde.
    Wäre er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen, so hätte er sicherlich die Maximen seiner Handlungen überprüft, die ihn in diese missliche Lage gebracht hatten. Wann hatte er seinem neu aufkeimenden Ehrgeiz die Vernunft geopfert? Wann hatte er seine Ehre über seine Gesundheit gestellt? Natürlich wusste er, dass ein Toter sich darum nicht mehr zu scheren brauchte. Sein Leben allerdings aus Trotz oder was ihm immer ihn angetrieben hatte, wegzuwerfen gereichte weder ihm noch seine Ahnen zu eben jener Ehre die er stets zu erringen gedachte. Über diese geradezu philosophischen Fragen nachzudenken würde er allerdings während seiner Genesung vermutlich genug Zeit haben.


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    Kaum war er wieder diensttauglich geschrieben worden - und dieses Mal wartete er diesen Zeitpunkt getreulich ab - erschien Mamercus wieder zur Ausbildung. Lange genug hatte er nun pausiert und würde einigen Fleiß daran setzten müssen das Versäumte wieder aufzuholen, wenn das noch möglich war. Eilfertig meldete er sich bei seinem Centurio: "Salve, Centurio Lucretius, Probatus Artorius. Nuntio: Probatus Artorius meldet sich nach abgeschlossenem Aufenthalt im Valetudinarium wieder zur Ausbildung."

    Die zweite Ausbildungseinheit des Tages hatte gerade geendet, als zwei Probati mit einem Kameraden, den sie auf seinem Scutum liegend transportierten, im Valetudinarium eintrafen. Bei dem Ohnmächtigen handelte es sich um Mamercus Artorius Rusticus, der sich entgegen des Rates des Capsarius Marcus Acilius Faustinus schon kurz nachdem seine Nase durch einen Unfall auf dem Campus gebrochen worden war wieder zum Training dort eingefunden hatte. Die körperliche Belastung hatte den dienstuntauglichen Mann, den auch sein ausbildender Centurio zum Ruhen aufgefordert hatte, schlichtweg umgehauen. Bewusstlos war er zusammengesackt und nun sah erdas Lazarett weit früher wieder als er vorgehabt hatte.
    Er Kamerad, der das 'Kopfende' des Scutums hielt, brüllte, kaum dass sie den Raum betreten hatten und ohne sich umzusehen: "Sanitäter! Wir haben hier einen Unvernünftigen!"
    Er sprach es aus, als hätte er schon eine Krankheit diagnostiziert oder als sei es ein offensichtlicher, offener Knochenbruch. So war das eben mit den Kameraden in Mamercus' Ausbildungseinheit: Übertrieb er es, so war er unvernünftig, ließ er auch nur ein kleines bisschen nach sahen sie auf den Tribunensohn hinab, der es sich bequem machte.

    Noch immer mit aufrechter Haltung und klarem Blick in die braunen Augen seines Gegenübers musste sich der junge Artorier eingestehen, dass er wohl nicht alle Fragen des Patriziers ausreichend beantwortet hatte. Umgehend ergänzte er seine Antwort:
    "Zwar ist mein persönlicher Status nur der eines Bürgers, doch als Sohn meines Vaters bin ich Angehöriger des Ordo Equester. Zwar ist meine Familie in den heutigen Tagen recht klein, doch - bei aller Bescheidenheit - Angehörige meiner ruhmvollen Familie unter seinen Klienten zu wissen gereicht einem jeden Patron zur Ehre. Wie bei jeden Artorier gilt auch mein einmal gegebenes Wort viel und meine Loyalität ist unverbrüchlich. Was soll ich noch sagen? Wie kann ich dir beweisen, dass ich ganz meines Vaters, den du ja zu deinen Freunden zählst, Sohn bin?"


    Nun hatte er doch seine Herkunft intensiver ins Gespräch gebracht. Aber immerhin war das für einen Patron nicht unwichtig. Immerhin machte sich an dessen Klienten dessen eigenes Ansehen fest. Mamercus wusste, dass er auch einiges an Vorschusslorbeeren in Anspruch nahm, doch er war sich sicher, die Ansprüchen des Aureliers genügen zu können und ihm durch seine eigene Karriere Ehre zu machen.
    Irgendwie schien es ihm als würde mit ihm gespielt und eigentlich hätte ihm das unangenehm sein müssen, doch es gefiel ihm, dass er nicht einfach so angenommen werden sollte. Das sprach dafür, dass er sich in Zukunft in einer ausgesuchten Gruppe befinden würde, sollte er sich unter den Klienten des Titus Aurelius Ursus einreihen dürfen. Dessen an sich war er sich noch nicht so ganz sicher, auch wenn der Tonfall seines Gegenüber nichts gegenteiliges nahe legte. Allerdings fiel es ihm schwer dahingehende Einschätzungen zu treffen, solange sein Geist in seiner Nervosität gefangen war.

    Wo der Tribun zu finden war wusste natürlich auch der Sohn und er war demzufolge etwas erstaunt darüber, dass sein Vater ihm dies erklärte. Solcherlei hatte er ihm - wenn auch nicht selbst sondern durch andere - schon lange beigebracht. Nur zu gut erinnerte sich Mamercus noch an den ersten Brief, der an ihn selbst adressiert gewesen war. Sein Vater hatte ihm geschrieben, kaum dass er lesen konnte. Obleich der Brief schon auch die Liebe zur seinem Sohn und der übrigen Familie ausstrahlte, so hatte er doch auch einige Anweisungen und Anleitungen enthalten, die Mamercus zum Lernen der Zusammensetzung der Legion und übriges nützliches Wissen in diesem Zusammenhang aufforderte.
    "Eher informell in der Freizeit, oder!? Immerhin ist die Angelegenheit ja von privater und keineswegs dienstlicher Natur."
    Soweit es Mamercus wusste gab es für derlei kein übliches Protokoll, an das er sich hätte halten können. Dementsprechend würde er sich an allgemeinen Grundsätzen der Höflichkeit und dergleichen orientieren müssen. Dazu gehöre auch, dass man alles nur in dem Rahmen tat, der am angemessensten war.
    Dass es jedoch angemessen wäre, sich allein auf die Erwähnung seines Vaters Namen zu verlassen würde r nie glauben oder gar beschwören. Er würde auch seine eigenen Qualitäten herausstreichen müssen, was nicht unbedingt seine Stärke war und zudem musste er alles Nützliche in Erfahrung bringen.
    "Was glaubst du worauf er besonders Wert legt?"

    Natürlich konnte dieses Gespräch nicht ohne ein paar Gegenfragen auskommen und Mamercus gab bereitwillig Auskunft, darum bemüht, fest und sicher zu klingen, doch wenn er sich auch sicher war, eine Bereicherung für die Klientel des Aureliers darzustellen, so konnte er im Angesicht des für ihn äußerst wichtigen Themas seine Anspannung und innere Aufregung nicht gänzlich verbergen:
    "In der Tat habe ich mich zu zwanzig Jahren Dienst verpflichtet; Zwanzig Jahre in denen es mir eine Freude wäre, jede deiner Wahlen nicht nur mit meiner Stimme, sondern auch mit den Stimmen all jener Kameraden zu unterstützen, die ich zu überzeugen vermag. Des Weiteren gedenke ich in die Fußstapfen meines Vaters zu treten und nicht einfacher Legionär zu bleiben, wenn ich dies einmal erreicht habe. Sobald meine allein militärische Karriere an ihre Grenzen stößt beabsichtige ich ebenfalls ins politische Fach zu wechseln, denn Militär und Krieg werden meinen Fähigkeiten auch für jenes Schlachtfeld adäquaten Boden bereiten.
    Natürlich ist das noch Zukunftsmusik und mir bleibt nichts anderes zu tun, als an deine Menschenkenntnis zu appellieren und in mir den guten Römer zusehen, der ich zu sein glaube. Ich habe mich nicht mit Hast für den Militärdienst entschieden, sondern zuvor eine Ausbildung zum Zimmermann absolviert. Das sollte dir zeigen, dass ich nicht im Exercitus diene, weil mir nichts anderes einfiel oder ich Angst davor hatte, auf eigenen Füßen zu stehen."


    Selbst für den nicht mehr ganz so wortkargen, neuen Mamercus war dies eine Wortreiche 'Anpreisung' seiner Person und er war damit recht zufrieden, hatte er doch seinen Vater nur am Rande erwähnt und damit hoffentlich deutlich gemacht, dass er sich nicht allein auf dessen Empfehlung verließ.

    Bei allen Hindernissen und Hemmnissen wollte Mamercus nicht aufgeben. Er raffte sich noch einmal auf und trug eine verbissene Attacke vor. Sein Trainingspartner hatte sich allerdings die Worte des Centurios auch zu Herzen genommen und so entbrannte ein heftiger Schlagabtausch, der die letzten Kräfte förmlich aus Mamercus' geschwächtem Körper sog. Wenn das so weiter ging würde er bald einen Zweiten Schlag ins Gesicht erhalten und das würde vermutlich unangenehme Folgen, zumindest für sein Aussehen haben, wenn nicht Schlimmeres. Hatte sein Gegner sich zuvor zurückgehalten was Treffer in dieser Region anging, so legte er es nun regelrecht darauf an. Darin erkannte Mamercus seine Einzige Möglichkeit, wollte er noch einmal zu Atem kommen und seine Chancen verbessern, diese Ausbildungseinheit zu überstehen.
    Als wieder einmal eine ganze Serie wilder Hiebe, die so ganz unrömisch waren, auf seinen Schild einprasselten, das er gerade noch rechtzeitig erhoben hatte, täuschte er vor darunter auf die Knie zu gehen, doch gerade als der Andere seinen vermeintlichen Erfolg beschauen wollte und von ihm abließ, aber nicht schnell genug zurück trat, sondern vielmehr gegen den Schild trat schnellte Mamercus hoch, um ihn mit der letzten Kraft zurück zu stoßen und womöglich noch einen Treffer zu landen.
    Beides gelang ihm und als der Andere, nach römischerer Manier am Schild vorbei in den Oberkörper getroffen, protestieren wollte, weil Mamercus ihn getäuscht hatte, grinste dieser ihn nur an - wenn auch vermutlich etwas gequält - und meinte atemlos:
    "Du hast den Centurio gehört: Bei einem Feind musst du auch mit allem rechnen."
    Wütend hob der Probatus seinen Schutum und schritt grimmig auf den Artorier zu. Zu einem Schlagabtausch kam es allerdings nicht mehr. Urplötzlich wurde letzterem schwarz vor Augen und er sackte auf der Stelle zusammen, bis er ausgestreckt auf dem Rücken lag.
    Verblüfft blieb der Probatus stehen und rief dann: "Centurio?!"

    "Salve, Tribun Aurelius." Nach dieser vielleicht zu militärischen Anrede nahm Rusticus wie angeboten Platz und auch den verdünnten Wein lehnte er natürlich nicht ab. "Ja, er ist mein Vater." Es war fast ein bisschen ärgerlich, dass er diese Tatsache so früh auf den Tisch legen musste, aber bei der überschaubaren Anzahl von Tribunen war natürlich kaum zu erwarten gewesen, dass er dies nicht gefragt wurde. Aber so ließ sich wenigstens ein einfacher Übergang zu der Beantwortung des vorgenannten Frage finden: "Und es verhält sich so, dass er es war, der dich in dieser Angelegenheit empfahl." Nun holte er erst einmal Luft ehe er sein Anliegen darlegte:


    "Als ich mit meinem Vater über die Möglichkeit sprach, mir gemäß der römischen Tradition einen Patron zu suchen, da empfahl er dich, da du ein ehrlicher und wahrhaftiger Römer seist, der zudem in der Lage sein dürfte meine Karriere zu fördern, wenn dies einmal nötig wird."


    Noch immer verschwendete Mamercus selten seine Atemluft uns so beschränkte er sich auf das Wesentlichste und unterließ Schmeicheleien, die er selbst ohnehin nicht mochte. Er wurde allerdings nun doch etwas nervös, als er auf die Antwort des Patrizieres wartete. Ja er wartete, denn jeder Wimpernschlag schien ihm eine Ewigkeit zu dauern. Vermutlich würde er so einige Fragen beantworten müssen und genau darauf bereiteteer sich innerlich schon einmal vor.

    Dem Sklaven folgend betrat Mamercus das Tablinum mit einer leichten Verbeugung, gerade, als der Sklave ihn vorstellte. So weit es nicht unhöflich war musterte er den Mann mittleren Alters, den er vor sich hatte. Dies war also Titus Aurelius Ursus, der Mann den ihm sein Vater als Patron empfohlen hatte und der sein Förderer für seine Karriere sein sollte. Zumindest ab dem Zeitpunkt wo es mit eigener Leistung kaum noch voran ging. Da er eben Unhöflichkeiten vermeiden wollte um keinen schlechten ersten Eindruck zu machen brach er seine Beobachtungen ab, nachdem er festgestellt hatte, dass er es mit einem Mann aufrechter Haltung und aristokratischem Antlitz zu tun hatte. Die Beschreibung die sein Vater ihm gegeben hatte und die sich ausschließlich auf den Charakter beschränkt hatte, fand er im Aussehen, besonders im Gesicht, wieder. Seine Zuversicht, an den Richtigen geraten zu sein verstärkte sich und es lag nun wohl an ihm sich selbst angemessen anzupreisen. Allerdings würde der Hausherr nun wohl erst sich selbst vorstellen und nach seinem genauen Begehr fragen, ehe Mamercus zu Wort kommen sollte. So zumindest erwartete er dies.

    Zwar bekam Mamercus das Gespräch nicht mit, das Sklave und Herr miteinander führten, doch da dies hier die Legion war und nicht eine Cenagesellschaft, hatte er gar nicht damit gerechnet eingelassen zu werden, ehe der Herr befragt worden war. Immerhin war er deutlich als Soldat zu erkennen, wenn auch seine einzige Waffe der Pugio war, den er nicht vom cingulum entfernt hatte. Wäre er denn tatsächlich als Zivilist erschienen und nicht nur in einer privaten Angelegenheit, so hätte er gewiss erwartet zunächst Einlass zu finden und dann eine Reaktion auf sein Gesuch zu erhalten.
    Er war denn auch nicht missgestimmt als ihm schließlich richtig geöffnet wurde. Er nickte dem Sklaven zu ehe er ihm folgte.

    Umgehend öffnete sich die Türklappe, die einen Blick auf den Klopfenden ermöglichte. Der Sklave der sie geöffnet hatte war von sehr dunkler Hautfarbe und schien nicht eigentlich der Beschäftigung des Ianitors nachzugehen. Zumindest klang seine Stimme so als sei er sich nicht sicher, ob er überhaupt öffnen durfte. Zugleich war er aber auch überaus freundlich und Mamercus gedachte es ebenso zu halten, auch wenn er nur mit einem Sklaven sprach.
    "Indem du mich, Mamercus Artorius Rusticus deinem Herrn meldest. Ich komme in einer privaten Angelegenheit."

    Ein Partner war bald gefunden und trotz der Kopfschmerzen, die sich zum Glück erst einmal verringerten, bis sie von den Schmerzen in seiner Nase so weit in den Schatten gestellt wurden, dass sie nicht mehr der Rede wert waren, 'kämpfte' Mamercus mit Übungsgladius und dem schweren Scutum so tapfer er es vermochte. Allerdings weit defensiver als er das sonst getan hätte. Um keinen Preis der Welt wollte er seine gerade gerichtete Nase einem zu großen Risiko aussetzen. zu seinem Glück beschränkte sich sein Gegner weitestgehend auf Angriffe, die nicht auf seinen Kopf abzielten. Doch auch alle anderen konnten gefährlich werden,denn bei einer Abwehraktion mit seinem Schild näherte sich dieses bedrohlich seinem Gesicht,ehe er den Angriff des anderen aufhalten konnte. Mamercus schalt sich einen Narren, die Weisung des Mediziners ignoriert zu haben, zumal ihn auch wiederholt Treffer an seiner Rüstung ereilten. Er war einfach außer Form nach dem Zusammenstoß und sie erschwerte Luftzufuhr tat ihr Übriges.
    Allmählich senkte sich die Sonne und es musste schon auf die hora duodecima zugehen. Also konnte das Training nicht mehr lange dauern.

    Bald nach seinem Gespräch mit seinem Vater erschien Mamercus abends,nachdem er seinen Pflichten nachgekommen war am Haus des senatorischen Tribuns und klopfte an die Türe. In seiner Soldatentunika sah er fast zivil aus,wären nicht die genagelten Stiefel und das cingulum militare gewesen, das allerdings noch nicht individuell verziert war. Mamercus hatte noch keine Idee gehabt und zudem nahm ihn seine Grundausbildung schwer in Anspruch. In Gedanken ging er nochmals durch, was er sich zu sagen vorgenommen hatte. Es war nicht viel, doch aussagekräftig.


    *klopf*

    Frohen Mutes marschierte Mamercus durch das norditalische Land, das einst von Kelten besiedelt worden war, angeblich von jenen unter dem sagenhaften Brennus, der Rom bis auf das Kapitol erobert hatte. Voll Ingrimm achte Mamercus daran während er auf die vor ihnen schemenhaft zu erkennenden Ausläufer des Apennin blickte. Zügig marschierten sie dahin und Mamercus begann sich zu fragen, ob diese Aktion nur der Körperertüchtigung diente, oder ob neben der Gewöhnung der Männer daran nebeneinander im Feld zu stehen noch die eine oder andere kleine Überraschung auf sie wartete, wie es auf solchen Märschen öfters vorkam, wie ihm seine Stubenkameraden berichtet hatten. Allerdings kam er zum Schluss so oder so nichts tun zu können, als die Befehle, die ergingen zu befolgen, denn er war ja nur ein kleiner Probatus. Also bewahrte er sich seine gute Laune, auch wenn Quintus, der Stubenälteste, der neben ihm ging, erstaunlich nervös zu sein schien. Angeblich konnte er Ärger riechen, so sagten die Anderen, aber Mamercus ignorierte diese im Vorfeld vielfach ausgestreute Warnung. Er hatte außer den hier auf dem Marsch befindlichen keine andere Centurie oder gar die Reiterei sich vorbereiten sehen, was natürlich nichts heißen musste, denn er hatte ja keine Gelegenheit gehabt das Lager dahingehend zu beobachten, doch ihm war es Erklärung genug um sich vor der mürrischen Stimmung zu schützen, die Quintus gerade verbreitete.


    Als die langgedienten Soldaten eines der Lieder der ersten anstimmten fiel auch Mamercus mit seinem sonoren Bariton ein. Immerhin legte Quintus auf diesen Teil seiner Ausbildung großen Wert und Mamercus sang wenn schon nicht überragend, so doch recht gut, wenngleich er auch erst in der Legion dies häufiger betrieb. Zu seinem Vorteil litt seine Stimme kaum, auch nicht unter langem und lautem Singen, er war eben darin ganz der Sohn seines Vaters.


    "Dem Porcier ham wir's gegeben
    und das nach 'nem langen Marsch
    Unser Kommandeur, ja der hieß Marcer
    und der trat dem Verräter in den Arsch!"


    War zwar eine der deftigeren Strophen, doch das hielt kaum einen davon ab mitzusingen.

    Noch immer im Gleichschritt - was denn auch sonst - durchquerten die Soldaten das Tor und Mamercus genoss die Tatsache, dass sie auf freundlichem Gebiet unterwegs waren und er sich getrost nicht aufmerksam umzusehen brauchte, zumindest nicht um nach Feinden Ausschau zu halten. Dafür wäre auf einem Kriegszug ohnehin die Kavallerie zuständig.
    Statt dessen träumte er einst davon auch mit einer Truppe ihm unterstehender Männer ein Castrum zu verlassen.

    Schließlich kam der Befehl zum Marsch und gleichzeitig mit allen anderen Männern seiner Einheit fiel Mamercus aufs Wort in den Gleichschritt, den sie gewohnt waren. Mit festem Schritt marschierten sie hinter der dritten Centurie drein, einem Abenteuer, wenn auch einem geplanten, entgegen. Fast schon begann sich Mamercus zu fragen wie er so lange in seiner Lehre hatte glücklich sein können, wo doch hier noch viel mehr Präzision herrschte als bei jedem Gerüst und jeder Dachkonstruktion. Vor allem war es die Exaktheit mit der Befehle ausgeführt wurden. Das begeisterte ihn, der sich schon in seiner Lehrzeit über Schlampereien aufgeregt hatte. Allerdings kam es zu gewissem Teil auch auf den Kommandierenden oder vielmehr die Offiziere an, ein Rang den er auch anzustreben gedachte.

    Natürlich hatte sich Mamercus die mühe gemacht, in Erfahrung zu bringen, wer denn noch so neben seinem Vater im Stab der Legion saß. In so Fern kannte er natürlich den Namen des senatorischen Tribunes. Bei der Einschätzung von dessen Persönlichkeit musste er sich allerdings voll und ganz auf das Urteil seines Vaters verlassen. Das konnte er, zumindest wollte keine Erinnerung zu Tage treten, die einer Belehrung zum Besseren Nahrung geboten hätte.
    Ein Aurelier, mithin Patrizier, Senator, der sich auch nicht vor dem Militärdienst drückte. Das klang doch schon von Ferne her positiv. Zudem nannte ihn Reatinus einen wahren Römer. Er nickte, erstaunt wie schnell sein Vater in der Lage gewesen war ihm einen Patron vorzuschlagen. Eigentlich hatte er mehrere Vorschläge hören und abklopfen wollen, doch er verließ sich auf seinen Vater und vor allem dessen letztgenannten Worte hatten ihn überzeugt.
    "Ein wahrer Römer? Gut! Wie tritt man in so einem Fall mit ihm in Kontakt?"

    Mamercus legte seine Arbeit beiseite. Einen Tag kam er gewiss auch ohne komplette Schuhnägel zurecht. Wenn er statt dessen weiter daran arbeitete würde nie eine vernünftige Unterhaltung zustande kommen. Hatte bei seinem Eintreffen in Mantua seine eigentümliche Schweigsamkeit ein wirklich vertrautes Gespräch verhindert, so hatte sich Mamercus mittlerweile erheblich verändert. Er sprach noch immer nicht gerne obwohl er dazu sehr wohl schon seit frühester Kindheit in der Lage war. Allerdings stand es einem Zimmermann noch einigermaßen zu Gesicht redefaul zu sein, in der Legion wo neben der dienstlichen Kommunikation auch immer ein Wust von Scherzen, Sprüchen, Flüchen und alltäglichem Gewäsch - wie es Mamercus empfand - in der Luft herumschwirrte war es einfach unangebracht. Also hatte er sich notgedrungen angepasst, wenn seine Scherze auch noch immer etwas unbeholfen waren. Nun sollte nicht gerade sein Vater unter der alten Angewohnheit leiden, sondern auch in den Vorzug der jüngsten Entwicklung kommen.
    "Vita militis saxum sisyphi volvere est.* Aber sag? Was treibt dich her, Vater?"
    Irgendwie war ihm das Wort 'Vater' ungewohnt geworden. Zu lange hatten sie sich nicht gesehen und nun im Exercitus Romanus bot sich allzu selten Gelegenheit, zumal Mamercus auch auf die Empfindlichkeiten seiner Kameraden Rücksicht nehmen musste, wollte er nicht seinen Ruf schädigen. Da sein Vater aber nun schon einmal da war nutzte er die Gelegenheit ein Thema anzuschlagen, dass ihm seit jüngstem unter den Nägeln brannte: "Ich habe übrigens ein wenig gegrübelt." Er lächelte verlegen. Das war ja nun nichts, das bei ihm selten vor kam. "Zu einem vollständigen Römer gehört mithin ja auch, dass er sich einem Patron mit allen Rechten und Pflichten eines Klienten anschließt, der ihn darüber hinaus, was die eigene Familie vermag fördert. Du hast es zwar weit gebracht und ich bin stolz dein Sohn zu sein, aber da wir ja nicht die größte und einflussreichste Familie haben wäre ein solcher Schritt für mich angebracht, meinst du nicht auch?" Er gab seinem Vater Gelegenheit sich mit der Idee anzufreunden bevor er weiter sprach: "Da ich nun aber in Nuceria weit von der Politischen Bühne weg war, kannst du mir einen Mann empfehlen?" Das war natürlich nur einer der Gründe. Immerhin hatte Reatinus da ohnehin noch ein Wörtchen mitzureden.


    *Das Leben des Soldaten ist Sisyphosarbeit.

    Sim-Off:

    Wie üblich: Wer es besser kann möge mir eine bessere Übersetzung zukommen lassen.

    Mehr als einen dankbaren Blick leistete sich denn auch Mamercus nicht, als er an die Reihe kam und seinem Vater gegenüber stand, beziehungsweise als er sich gerade wieder entfernte. Er war götterfroh, dass er in seinem Contubernium hauptsächlich altgediente Haudegen hatte, deren Scherze erstens von eher väterlicher Natur waren und zum anderen vorwiegend im der eigenen Unterkunft zu hören waren. So hielten sie sich auch heute zurück und funkelten gar jeden böse an, der aus anderen Schlafgemeinschaften kam, um die familiäre Situation des jungen Artoriers wusste und diese Kenntnis nun zu einem Scherz nutzen wollte.
    Schneller als erwartet ging der Augenblick vorbei und abwesend hörte er wie sein Centurio Meldung machte und seine Befehle bellte. Mechanisch setzte er sich in Bewegung. So bald als möglich würde er sich um eine Nacht 'zivilen' Aufenthalt im Lager bemühen. Zumindest wenn seine Probatio etwas weiter fortgeschritten war.

    Zehn Runden waren so einiges, zumindest wenn man am Morgen noch im Lazarett gelegen hatte. Mit stoischer Ruhe trat Mamercus seine Aufwärmrunden an. Von der Kondition her war es kein Problem, immerhin gehörte das Laufen nun schon seit einiger Zeit zu seinem täglichen Repertoire. Allerdings begann in der sechsten Runde sein Kopf ihn mit Schmerzen zu bedenken, doch er ignorierte sie. In der siebten und achten konnte er sich mit der Veränderung des Laufstiles Linderung schaffen. In der neunten gelang das nur noch rudimentär und in der zehnten gesellte sich wegen der vielen Wechseln, denen er auch oft die Atmung hatte anpassen müssen wildes Stechen in der Seite hinzu. Doch Mamercus biss die Zähne zusammen. Eher würde er diese zermahlen als vor seinem Ausbilder eine Schwäche einzugestehen. Er wusste gar nicht mehr welche Schmerzen er zuerst nieder ringen sollte, denn sein Kopf dröhnte und grelle Blitze, die von Jupiter selbst geschickt schienen schossen ihm durch das Gesichtsfeld.
    Doch mit Hängen und Würgen überstand er gerade so eben die letzte Runde um zwar nicht atemlos aber sichtlich um Haltung bemüht dem Centurio zu melden: "Centurio Lucretius?! Probatus Artorius. Nuntio: Zehn Runden absolviert und bereit für weiteres Training."

    Mühsam unterdrückte Mamercus den Impuls sich die Ohren zuzuhalten und anschließend in selbigen zu bohren oder sonst etwas Sinnloses gegen das Dröhnen zu unternehmen, in dem die Worte des Lucretiers wiederhallten. Damit hatte nicht gerechnet. Etwas verdattert gab er dann Antwort. "Centurio, Ich fühle mich gut. Solange ich meinen Kopf schone sollte das gehen."
    Allerdings war er sich nach dieser Ansprache nicht mehr so ganz sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, hier zu erscheinen, doch nun da er hier stand würde er alles daran setzten auch an den Übungen teilzunehmen. Der Bruch war gerichtet und nur wegen etwas schlechtem Schlaf und weil er fast nur durch den Mund atmen konnte war doch kein Grund nun wieder abzuzotteln, das verbat ihm zudem sein Stolz. Seinen Willen unterstreichend setzte er hinzu: "Es ist ein glatter Bruch, ohne Komplikationen." Das klang zwar nicht so überzeugt wie er das wollte, aber mit den Pfropfen in der Nase war es schwer den Ton zu regulieren.


    edit: den Tot kann man ebenso wenig regulieren wie Tod...