Auch Petronilla hatte mit den anderen Frauen das Glas erhoben und stieß mit ihnen an. Es sollte mehr solcher Gelegenheiten geben, fand sie. Sie hatte sich beim Essen zurückgehalten, galt die Aufmerksamkeit der Vinicierin doch stets in erster Linie der Pflege ihres Äußeren. Und ihren Körper auch mit fortgeschrittenem Alter in dieser Form zu halten, erfoderte zunehmends Zugeständnisse. Das jedoch, was sie kostete, war von größter Qualität. Von ihrer Freundin hatte sie allerdings auch nicht viel Anderes erwartet.
Die Frage Longinas schien einen Nerv in den meisten der anwesenden Frauen zu treffen, entstand daraufhin doch eine ausgiebige Diskussion. "Nunja, Krankheit hin oder her, man sollte doch vom Kaiser erwarten können, dem Zentrum der Welt mehr Aufmerksamkeit zu schenken.", meinte Hirtuleia irgendwann. Sie hatte wenig Nachsicht mit dem Regenten. Letztlich natürlich auch, weil in der Stadt von Natur aus mehr los war und mehr getratscht wurde, wenn der Kaiser dort residierte.
"Aber wenn es ihm doch wirklich so schlecht geht?" meinte Fulva etwas unsicherer. Ihre Nachricht konnte man in dem frühen Versterben ihres eigenen Ehemannes suchen, der sie auf die ein oder andere Weise für kränkelnde Männer sensibel machte. Ganz anders als Longina: "Ach, so ein Unfug. Er ist immerhin der Kaiser. Wir brauchen einen starken und gesunden Kaiser. Er ist nun einmal eine tragende Säule in unserem Reich. Wenn er ins Wanken gerät, dann tut es unser Reich auch."
"Genau das meine ich.", stimmte Hirtuleia ihr zu.
Petronilla folgte der Diskussion sehr interessiert. Sie kannte den Kaiser nicht persönlich, hatte jedoch bereits viel auf den Straßen von ihm reden hören. "Nunja, ich kann schwerlich beurteilen wie krank der Kaiser ist oder wann er beabsichtigt nach Roma zurückzukehren. Ich weiß nur, dass lange Abwesenheiten das Volk unwohl stimmen. Das war bei Tiberius damals schon nicht anders, als er sich auf Capri verkrochen hat und, den Gerüchten zufolge, die unanständigsten Dinge dort zu tun...", merkte Petronilla dann an.
Sicherlich waren auch die Geschichten, die man sich heute über Tiberius erzählte, längst nicht alle wahr. Aber die Tatsache, dass es sie gab, sprachen Bände darüber, welche Konsequenzen solches Verhalten im Volk nach sich ziehen konnte.