Beiträge von Marcus Germanicus Pius

    “Das war auch total schwer, du warst wie unsichtbar!“ Das musste man dem Mädchen schon lassen. Hätte es nicht kichern müssen, hätte er es vielleicht niemals gefunden.


    Schon fing sie wieder an zu zählen. Es schien ihr genauso viel Spaß zu machen wie ihm, denn er hätte auch keine größere Pause geduldet. Schon lief er wieder auf der Suche nach einem Versteck davon. Dieses Mal sollte es nicht nur irgendein Versteck sein, es sollte DAS Versteck sein. Seine Füße führten ihn ins Atrium, wo er stoppen wollte. Doch es war rutschig, scheinbar frisch gewischt. Die glatten Sohlen seiner Schuhe gerieten ins Schliddern, die kurzen Arme fuchtelten und die Augen wurden groß. Als er sich an etwas festhalten wollte, bekam er nur einen für ihn etwa brusthohen Dreifuß zu fassen, der natürlich dem Schwung nichts entgegen zu setzen hatte und mitsamt dem Jungen umfiel. Es gab einen scheppernden Lärm, der das Klatschen der Kinderhaut auf dem glatten Boden übertönte.


    Nur wenige Sekunden verharrte der Bengel liegend. Es war ihm nix geschehen, also sprang er behände wieder auf. Sabina hatte zuletzt die Sechs gezählt und pausierte nun. “Nichts passiert!“ ließ er sie wissen. “Zähl weiter!“ Dann flitzte er in den begrünten Innenhof, ließ sich fallen und krabbelte unter einen ausladenden Busch, der auch im Winter grünte. Dort machte er sich jetzt so wirklich klein und es war ihm ganz egal, wie schmutzig er sich dabei machte.

    Er nickte beipflichtend. "Aber bis ich die guten, also die richtig, richtig guten Verstecke kenne, wird es bestimmt eine ganze Weile dauern. Trotzdem werde ich dich so schnell es geht finden", versprach er. "Ich bin ja schließlich kein Dummkopf!"


    "Jaja." Er kniff nicht nur die Augen zusammen, sondern legte einen Arm über die Augen und lehnte sich an die kühle Wand. So schmulte er kurz noch einmal nach ihr und fing dann an zu hählen. "Eins. Zweeiii. Dreeeeeei. Viiiiiiieeeeer." Nun rutschte der Arm etwas herunter, sodass ein Auge gerade so über hinüber schmulen konnte. Gerade konnte er Sabina ins Triclinium schlüpfen sehen, sodass er grinste und den Arm schnell wieder über das Auge schob. "Füüüünf. Sechs! Sieeeeben! Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaacht! Neeeeeeeeeuuuuuuuuun!" Je höher die Zahlen wurden, desto lauter rief er sie und zog die kurzen Wörter extra schön in die Länge. Bevor er Zehn sagen konnte, ließ er den Arm fallen und hielt sich beide Hände rechts und links neben den Mund. "ZEHN! ICH KOMMEEE!"


    Im gleichen Moment machte er auch schonen einen Satz und galoppierte in Richtung Truclinium. Auf dem Weg dorthin tat er so, als würde er hinter den Säulen gucken und linste im Vorbeirennen auch unter eine Sitzbank, wo natürlich nichts und niemand zu finden war. Um um die Ecke ins Triclinium zu biegen, hielt er sich am Türrahmen fest und wirbelte mit einem dollen Schwung in den Raum, ließ sich los und…. Rummste prompt gegen etwas. Er war an einen runden Bauch geprallt und sah in das noch rundere Gesicht eines älteren Sklaven.
    "Ups," sagte er mit einem schelmischen Glucksen. Das war lustig gewesen. Aber er verschwendete keine weitere Sekunde an den Sklaven, der ihn verwundert und kopfschüttelnd ansah und dann ärgerlich brubbelnd seines Weges ging.


    Konzentriert sah Marcus sich um. Dann schlich er um eine Säule, krabbelte unter dem Tisch durch, hüpfte auf eine Kline. "Mäuschen piep einmal" forderte er Sabina auf, als er sie noch nirgends ausgemacht hatte. Vielleicht fiel sie ja auf diesen Trick herein. Dann widmete er sich diversen Statuen auf breiten Füßen und den großen, bauchigen Vasen. Ob sie hinein geklettert war? Sich auf die Zehenspitzen stellend, versuchte er in eine hinein zu sehen, doch es fehlten noch ein paar Zentimeter. Beherzt kippte er das kostbare Gefäß also in seine Richtung, zog eine Augenbraue gaaaanz hoch, als würde damit sein Auge nach oben wandern und stemmte sich gegen das Gewicht der schweren, großen Vase, die immer weiter kippte und mit einem kratzenden Geräusch auf dem glatten Boden ins Rutschen geriet…. Genau da konnte Marcus hineinspähen und erkennen, dass Sabina sich nicht in ihr versteckt hielt. Also stellte er sie wieder auf und stemmte die Arme in die Seiten. Sie musste hier doch irgendwo sein! Oder war sie vielleicht weiter ins Atrium gelaufen?


    Er machte ein paar Schritte aufs Atrium zu und blieb dann genau neben der Stelle stehen, wo Sabina sich hinter dem Vorhang versteckt hielt. Moment! Hatte er da nicht ein unterdrücktes Lachen gehört? Da war es wieder! Von der linken Seite war es gekommen. HA! Sein Blick viel auf den Vorhang, der ganz ruhig neben ihm zu Boden hing. Er wendete sich ihm leise wie ein Mäuschen zu, breitete die Arme aus und griff dann beherzt mit einem triumphierenden "HAB DICH!" in den Vorhang.

    Gut, die Erklärung akzeptierte er. Genauso drückte sich Paullus aus, wenn er irgendetwas zu tun hatte, zu dem er Marcus nicht mitnehmen konnte. Meistens hatte er ihn dann irgendwo geparkt. In Ermangelung eines ständigen Sklaven war der Junge als mal hier, mal da gewesen – bei verantwortungsbewussten Leuten zwar, aber es war nie so ganz eine glückliche Lösung gewesen. "Hmhm..." brummte er wieder nur, als es hieß, dass man Sabina dann ja mitnehmen könnte. Ob das so eine gute Idee war? Er machte sich da so seine Gedanken, ob sie dann nicht vielleicht auch wieder weglaufen würde.


    Aber heute durfte er Paullus begleiten. Er strahlte und das natürlich besonders, als Calvena bestätigte, das er schon groß war. Sowas hörte so ein Zwerg doch immer gerne!


    Dann unterhielten die Erwachsenen sich wieder. Zeit für Marcus, sich dem Essen zu widmen. Jetzt tunkte er ein Stück Brot in die warme Milch und probierte das dann. Schmeckte gar nicht so schlecht. Als nächstes hätte er gerne probiert, wie es geschmeckt hätte, das Brot zuerst in Honig und dann in Milch zu tunken, aber der Honigtopf war ihm ja bereits wieder weggenommen worden. Also musste die Milch genügen.

    Marcus kicherte sich ins Fäustchen, als Sabina zuerst dort suchte, wo er nicht war und ihm dabei androhte, dass sie ihn ja sowieso fand. Dann biss er sich auf die Lippe, damit er sich nicht verriet und drückte im Reflex dabei auch die Augen zu, als wäre er somit unsichtbar.


    War er aber nicht. Sabina fand ihn kreischent und tippte ihm auf die Nase, sodass er tat, als hätte er sich erschrocken. “Ah!“ schrie er auf und kicherte dann aber fröhlich, während er aus seinem Versteck krabbelte. “Du bist ganz schön gut,“ lobte er das Mädchen dabei, weil sie ihn ja auch wirklich schnell gefunden hatte.


    “So, du bist dran mit verstecken.“ Der Junge konnte es gar nicht abwarten und wollte unbedingt seine Suchkünste unter Beweis stellen. “Fertig?“

    Wieder überlegte Marcus kurz, dann nickte er aber auch schon wieder.


    “Das finde ich gut.“ Mehr wusste er dazu nicht zu sagen, also lächelte er ein naives Lächeln. Er war immer noch so von den Eindrücken erschlagen, dass er wahrscheinlich nicht daran dachte, dass es dann hieß, dass er Paullus ganze fünf Tage lang nicht sehen würde.

    "Germanen verlieren aber immer." Das musste mal festgestellt werden. Aber nun gut, dieses Spiel fiel eh erst einmal flach, also brauchten sie sich darum nun auch nicht streiten. Darauf wäre es jetzt nämlich ganz sicher hinausgelaufen.


    “Dann spielen wir nur im Erdgeschoss. Einverstanden!“ Schließlich hatte er noch ein anderes Spiel am Laufen und das sah vor, dass er jede Tür öffnete. Das wollte er erst einmal gerne alleine tun, sonst war ja der ganze Spaß weg.


    “Gut,“ sagte der Junge und hob dann einen Finger. “Du hälst dir die Augen zu und zählst bis Zehn. Ab –„ Er drehte sich um, warf einen Blick links und rechts aus dem Zimmer und sah sie dann wieder an. “Jetzt!“


    Er wartete noch kurz, bis er sah, dass sie sich auch wirklich die Augen zuhielt, dann lief er los auf der Suche nach einem Versteck…

    Auf der Suche nach einem Versteck flitzte Marcus die Treppen zum Erdgeschoss herunter, wobei beinahe schon das erste Unglück passierte. Am Treppenabsatz angekommen hatte er so viel Schwung, dass er sch beinahe der Länge nach hingelegt hätte. So strauchelte er kurz, fing sich dann jedoch gleich wieder und sah sich hektisch um. Hier musste es doch irgendwo ein Versteck geben!


    Ein Ohr nach oben gerichtet, wo Sabina gerade rief, dass sie kommen würde, flitzte Marcus um die Treppe herum und zwängte in eine Niesche unter einer der niedrigsten Stufen. Gerade, als er Schritte auf der Treppe vernehmen konnte, rutschten die letzten Zentimeter seines Körpers in den kleinen Hohlram.

    Er hoffte, dass das schnell ging… Also das mit dem groß werden.


    Aber so ganz konnte er sich nicht auf seine Gedanken bezüglich seines Wachstums konzentrieren, denn der nächste Vorschlag, den Paullus unterbreitete, sah vor, dass er dazu nach Ostia zog. Der Senator Sedulus, äh, nur Sedulus hieß das gut und dann sahen beide Männer zu ihm. Marcus sah von einem zum anderen und dachte kurz ganz genau über alles nach.


    Wenn Aculeo ging, war er hier allein. Sein Bruder war häufig streng und hatte selten Zeit, aber wenn, dann hatten sie die besten Zeiten miteinander gehabt. Und hier würde er mit den fremden Menschen in einem riesen Haus wohnen. Mit einem Senator. Wie so einer wohl war, wenn man ihn wütend machte? Seine Hände waren groß. Eine Ohrfeige mit so einer wäre bestimmt schmerzvoll. Dazu das merkwürdige Mädchen.


    Alles in allem wusste er nicht so genau, ob es so eine gute Idee war ohne Paullus hier zu bleiben. Er war schließlich noch nie lange von ihm getrennt gewesen und wenn er ging, konnte er ja nicht mehr auf seinen Schultern reiten.


    Allerdings gab es hier bestimmt vieles zu entdecken! Das Essen war auch total lecker und die Menschen hier räumten alles hinter einem her. Und es sah alles sehr schön aus. Im Atrium hatte er sogar einen Brunnen gesehen! Da ließ es sich bestimmt gut drin planschen. Ob sie auch Pferde hatten? Und ob der Senator einen Gladius besaß?


    “Ja, ich mag es hier“! Die Aufregung überwog die Zweifel.

    Diesen Lyso wollte Marcus gerne kennenlernen. Es klang so, als wäre er ein toller Spielgefährte.


    “Na, weil ich gewinnen möchte, antwortete Marcus ihr wahrheitsgetreu und geradeheraus. So waren Kinder nun einmal. Sie hatten eine ganz genaue Vorstellung von dem, was sie wollten und wie sie es wollten. Dabei war Sabina nun bedauernswerterweise die Rolle des groben Germanen zugefallen. “Und die Germanen sind stark und zäh und tragen Tierfelle auf ihren Köpfen.“ Naja, so eine gute Idee schien das nicht gewesen zu sein.


    Der zweite Spielvorschlag, der von Sabina akzeptiert und sogar erweitert wurde, klang jedoch auch nach viel Spaß. Dennoch musste Marcus einen Einwand bringen. “Aber das ist gemein. Du kennst dich hier aus und somit auch die besten Versecke.“ Das war natülich ein riesen strategischer Nachteil. Doch nach kurzem Überlegen konnte selbst der ihn nicht hindern, zuzustimmen. Immerhin war Sabina nur ein Mädchen und er mit Sicherheit doppelt so schnell wie sie. “Aber egal, ich werde schon welche finden. Darf ich anfangen mit Davonlaufen?“

    Gegen die Enttäuschung galt es nun anzukämpfen. Sie wollte ihn wütend machen, aber er wehrte sich Calvenas wegen (wäre zur Paullus zugegen, wäre er aufmüpfig geworden) dagegen und nickte schlie0lich ergeben. “Ein anderes Mal.“ Da nahm er sie beim Wort.


    “Auf mich muss doch gar keiner mehr aufpassen,“ warf Marcus mit grimmiger Miene ein. “Ich bin doch schon groß.“ Dass die Erwachsenen immer so einen Aufstand machen mussten. Er hatte doch auch nur ganz wenig Unfug im Kopf… manchmal.


    “Wenn ich darf, würde ich gerne mitkommen, Paullus.“ Das klang noch nach der besten Variante. Er wollte nicht wie ein kleines Baby gehütet werden und wohlmöglich noch dazu gezwungen werden, etwas zu lernen. Bia hatte so eine autoritäre Ausstrahlung gehabt, dass der Junge genau das nämlich befürchtete.

    Marcus beobachtete sie, wie sie unter das Bett krabbelte und zuckte dabei etwas ratlos mit den Schultern. “Weil es Spaß macht! Und weil ich später, wenn ich groß bin, auch ein Soldat werde und dann in den Krieg reite. Dann werde ich ein berühmter Feldherr sein und der beste Kämpfer. Und Rom wird sicher sein.“


    War doch klar, oder? Nun kam Sabina wieder zu ihm und neben den beiden Soldaten hielt sie nun auch noch zwei hölzerne Pferde. “Magst du nicht Krieg spielen?“ fragte er, weil sie irgendwie den Eindruck erweckte, als wäre sie damit nicht so wirklich glücklich. Vielleicht musste er sie ein bisschen überreden. “Du bist ein germanischer Stammesführer, der gegen Rom revoltiert, ja? Und ich bin der römische Heerführer und wir kämpfen bis einer Tod umfällt oder sich unterwirft!“


    Das klang doch fabelhaft! Oder etwa nicht? Hm. “Was würdest du denn gerne spielen?“ Er überlegte kurz, was er gerade noch gerne machen würde. “Vielleicht Fangen?“

    Natürlich hatte Marcus schon viele Schnecken gesehen. Er wäre nur nie auf die Idee gekommen sie auszuhölen und anzumalen. Er war da eher der Vertreter, der Schneckenrennen veranstaltete. Damit konnte man sich gut die Zeit vertreiben, wenn der Bruder keine Zeit übrig hatte. Bei Gelegenheit würde er auch mal ein Schneckenrennen mit Sabina veranstalten. Vielleicht.


    Bia schien die Gunst der Stunde nicht ungenutzt verstreichen lassen zu wollen und verließ mit mahnenden Worten den Raum. Wenn sie wüsste….


    “Mhmmmm…“ machte Marcus nachdenklich und stand auf, um einen besseren Überblick zu haben. Da fiel sein Blick auf die hölzernen Soldaten. Sie standen bzw. lagen etwas ausgegrenzt in einer Ecke des Zimmers auf einer kleinen Truhe. Mit einem Satz war er dort und nahm sie in die Hand. “Wollen wir Krieg spielen?“ schlug er dann vor und kam mit den Soldaten zu Sabina zurück.

    “Au ja!“ zeigte Marcus sich begeistert. Schnecken suchen klang nach viel Spaß! Jetzt gab er den Käfer bereitwillig zurück an Sabina, warf das Schneckenhaus in seiner Hand hoch und fing es wieder auf. Dann lächelte er fröhlich und steckte es in sein Beutelchen. Es war ein guter Ersatz für den Käfer, befand er.


    “Wollen wir was spielen?“ fragte er dann und sah sich überlegend um. Vielleicht hatte sie ja auch ein Gladius hier irgendwo rumliegen.

    “Hmhm,“ brummte Marcus bestätigend. “Aber gesehen habe ich noch keinen, der größer war als dieser.


    Der Käfer wechselte den Besitzer. Marcus verschränkte etwas trraurig die Hände ineinander, aber als Sabina schließlich lächelte und sagte, dass sie Käfer lustig fand, musste auch er lächeln. [I]“Ich auch!“


    Er folgte ihr neugierig mit seinem Blick. Angemalte Schneckenhäuser?! Sowas hatte er ja noch nie gesehen. Als sie dann das Beutelchen ausschüttelte, verfolgten Marcus‘ Äuglein die vielen bunten Gegenstände, die umher purzelten. Nun war er es, der fasziniert war. Diese bunten Dinge waren ja beinahe noch spannender als so ein Käfer. Immerhin waren sie…. Bunt! “Wow! Die sind aber schön.“


    Er sah staunend zu ihr auf. “Ich darf mir etwas aussuchen?!“ fragte er und seine Stimme überschlug sich fast. Aber er ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern nahm sich ein großes, sehr buntes Schneckenhaus und betrachtete es. “Das möchte ich gerne haben. Wo hast du das denn her?“

    Mit einer Mischung aus Freude und Enttäuschung beobachtete Marcus, wie das Mädchen sich von kindlicher Faszination mitreißen und sich ebenfalls auf dem Boden nieder ließ. Er nickte. “Mein Bruder hat gesagt, er hat sogar schon größere als diesen gesehen,“ setzte er noch eins oben drauf.


    Marcus kleine Hand mit dem Käfer kam Sabina ein bisschen näher. “Ja. Er hat mich auf der Reise gut beschützt, ich war gar nicht krank. Und da ich jetzt hier bin, brauche ich ihn nicht mehr.“ Er lächelte schief, weil ihm der Gedanke, den Käfer herzugeben, doch mit Wehmut traf.
    “Einem Erwachsenen kann man ihn nicht geben. Sie finden ihn entweder ekelig oder sind zu unvorsichtig.“ Jetzt nahm er ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und legte ihn in Sabinas Hand.


    Da wuchs er aber gerade über sich hinaus.

    Marcus nickte. “Die meisten sagen Pius zu mir, aber du darfst Marcus sagen.“ Die Mahnung nahm er hin, sie ging jedoch zum einen Ohr rein und zum anderen raus... Immerhin hatte er ja zur Zeit auch eine Beschäftigung, ein Spiel, das er sich selbst ausgedacht hatte und das noch lange nicht zuende war.


    Bia betrachtete den toten Käfer angeekelt. So reagierten die meisten Menschen, vor allem die Frauen. Warum nur? Taten die Käfer ihnen etwas? Sein Blick wanderte vorsichtig zu Sabina. Sie war ein Mädchen und er glaubte, dass irgendwann einmal aus ihr eine Frau werden würde. Vielleicht mochte sie den Käfer ja deshalb auch nicht leiden.


    Das Mädchen schniefte und ihr Blick wanderte zum Käfer in seiner Hand. Ausnahmsweise zeigte Marcus Feingefühl und blieb geduldig. “Ich habe ihn in der Nähe von Misenum aufgelesen. Ich weiß leider nicht, was ihn getötet hat.“ Er machte eine Pause und strich mit dem Finger über den braunen Panzer. Innerlich focht er einen Kampf mit sich aus. “Wenn du magst, kannst du ihn haben.“
    Er hielt ihn ihr hin. “Aber du musst gut auf ihn aufpassen.“ Vielleicht wollte sie ihn ja nicht, dann wäre er froh.

    Bia, die Bia war, und nicht Sabinas Mutter, lächelte in an, als sie ihn bemerkte. Sie war freundlich, befand er. Das Mädchen aber schien sein Eintreten gar nicht zu bemerken und schluchzte weiter. Nein, spielen taten sie wirklich nicht. Sabina machte einen sehr traurigen Eindruck. Ob Bia mit ihr geschimpft hatte?


    Sein Blick flog zu der Frau. Langweilte er sich? Hmmmmmmja. Ein bisschen. Alle haben etwas zu tun und mein Bruder muss sich um die Stadt kümmern.“ Tatsächlich musste sich Aculeo sich um Dinge in der Stadt kümmern, nicht um diese selbst, aber das hatte der Junge halt anders verstanden.


    Er drückte die Lippen aufeinander, verzog den Mund, blähte eine Wange auf und sah sich dann in dem Zimmer um. Seine Augen erblickten viele tolle Spielsachen. Dass Sabina Zeit hatte traurig zu sein, wenn doch so viele Spielsachen um Aufmerksamkeit bettelten, konnte nicht normal sein. Es bedrückte den sonst so resoluten Knaben sogar.
    Also ging er ein paar Schritte näher und setzte sich vor ihr im Schneidersitz auf den Boden. Aus dem kleinen Beutelchen an seiner Hüfte nahm er einen kleinen Gegenstand und hielt ihn auf der offenen Handfläche. “Das ist ein ganz besonderer Käfer. Man trifft ihn nur im Maius an und auch nicht überall. Das ist der einzige, den ich je gesehen habe. Mein Bruder sagt, er ist ein Bote Maias und damit ein ganz besonderer Glücksbringer.“

    Marcus lauschte einen Moment der Unterhaltung der Erwachsenen und resümierte kurz, ob er irgendetwas Schlechtes über seinen Bruder erzählt hatte. Bis auf die Tatsache, dass Paullus manchmal Marcus' Kräften unterlag, hatte er ihn in kein schlechtes Licht gerückt.


    “Was möchtest du denn dort erledigen?“ fragte er neugierig und wie so oft kaum verständlich.


    Dann sah er zu Calvena, die ihn prüfend musterte und dann mitteilte, dass sie ihn nicht mitnehmen könne. Och menno.... dachte er. Da kam ihm DIE Idee.


    “Brauchst du denn niemanden, der auf dich Acht gibt? Paullus sagt, in Rom muss man vorsichtig sein. Es gibt viel Gesindel. Ich könnte auf dich aufpassen und würde auch bestimmt ganz lieb sein.“ Dann seufzte er. Wahrscheinlich konnte sie ihn wirklich nicht mitnehmen. "Aber ich kann auch auf Sabina aufpassen."

    Was machte ein kleiner Junge, wenn er Langeweile hatte und sich unbeobachtet fühlte? Genau. Er machte entweder Lärm, Dreck oder, wenn er ausnahmsweise von beidem mal absehen wollte und sich zudem in einer vollkommen neuen Umgebung befand, erfand er ein Spiel.


    Für die kommenden Stunden war schnell eines gefunden.


    In diesem Haus gab es nämlich unwahrscheinlich viele Türen. So viele Türen, dass es beinahe an Arbeit grenzte, jede zu öffnen und zu gucken, wohin das Dahinter führte. Nun war er es aber glücklicherweise so, dass Marcus mit einer gehörigen Portion Neugier ausgestattet war. So scheute er keinen Aufwand, als sich an die "Arbeit" machte.


    Ausgangspunkt war das Zentrum seiner Welt, sein eigenes kleines Rom, sein Königreich. Es war sein Cubiculum. Die erste Tür, die er genau gegenüber seiner Zimmertür fand, öffnete sich in eine dunkle Leere, nachdem er zuerst höflich angeklopft und sie nur langsam geöffnet hatte. Ein verwaistes Zimmer. Wie langweilig. Die zweite Tür war verschlossen gewesen. Spielverderber.
    Der Spaß, den das Spiel versprach, schmälerte sich nach diesen Misserfolgen natürlich dramatisch.


    An der dritten Tür klopfte er nicht an, sondern trat einfach ein. Nun traf ihn die Überraschung doch, als er dieses Cubiculum alles andere als leer vor fand. Auf einem Stuhl saß das kleine Mädchen, mit dem er einen so unglücklichen Start hingelegt hatte. Neben ihr saß Bia, die nicht ihre Mutter war, sondern Bia. ;)


    Er blieb in der geöffneten Tür stehen, verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und fragte: “Was mach ihr? Spielt ihr etwas?“

    Marcus hielt sich zurück. Da war zuerst einmal das schiefe Gesicht des Senators gewesen, das den Jungen verunsichert hatte, als auch seine Wortwahl. Hatte er doch gesagt angenommen wir nehmen Pius hier auf und nicht 'angenommen, wir nehmen euch beide hier auf'.


    Aber nun kamen sie zu einem Thema, das den Jungen wieder etwas "aufweckte". Er spitzte die Ohren. Cohortes Urbanae?


    Und nun kam das Gespräch wieder auf ihn zu sprechen. Das Lächeln des Senators, war es vielleicht auch nicht so gemeint, wurde fortum als Aufforderung aufgenommen.


    "Ich werde Soldat!"