Beiträge von Flavius Aurelius Sophus

    Sophus verscheuchte ein paar Fliegen, welche das säuerliche Aroma der Posca angelockt hatte und nahm einen Schluck des Getränks.


    "Ein Feldherr ist gerne bei der Schlacht seiner Armee zugegen. In meinem Falle sind es aber keine Kriegereien, sondern Geldgeschäfte, die bisweilen ja nicht minder riskant sind."


    Er nippte noch einmal an dem Becher, bevor er ihn zurück auf den Tisch stellte. Dass er im Rahmen seiner Geschäfte fast seinen kompletten Geldbesitz und damit einen beträchtlichen Teil des Familienvermögens einzusetzen gedachte, wollte er besser nicht erwähnen.


    "Ist einer von euch bereits in Dingen des Wirtschaftens unterrichtet worden?"

    Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta
    "Forschheit ist das eine, doch wünsche mir, mein Onkel, auch die Weisheit, die mir selbst immer sagt, wann ich Rom wirklich diene und wann ich mich in Verwirrung befinde."


    "Gute Freunde erkennen ein gutes Herz, bisweilen vermögen sie deinen Lebenswandel besser zu beurteilen als du selbst. Halte sie dir nahe und übe dich in Tapferkeit."


    Zitat

    "Du willst verreisen? Wohin soll es denn gehen?"


    "Nun, diesmal geht es weiter weg, schätze ich. Nach Tarsus möchte ich gelangen und auf der Stecke werde ich weitere Ziele besuchen. Griechenland, die Westküste Kleinasiens, Rhodos, vielleicht Zypern. Es gibt dort einiges zu tun."


    Das Gespräch hatte nun etwas von seinem reizenden Charakter verloren und Sophus war die Kehle etwas trocken geworden.


    "Bringe mir eine Posca.", sprach er zu der Sklavin, welche noch am Tische stand. Seinen Vertrauten Tacitus hatte er von solcherlei Aufgaben seit langer Zeit entbunden.

    Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta


    "Ich fühle mich sehr geehrt, dass Du mich und Ursus für geeignet hältst, dem Verfall zu wehren. Was aber muss dazu konkret geschehen? Brauchen wir mehr Soldaten? Andere Gesetze? Neue Kulte gar, wie manche sie fordern? Und - wäre dies nicht auch wieder eine Aufgabe für einen Mann wie Dich?"


    "Das Prinzipat, in dem wir leben, ist Medizin gegen die Verderbtheit unserer Zeit. Aber es ist eine bittere Medizin, deren Anwendung mit so gewaltigen Nebenwirkungen verbunden ist, dass mich nur die untragbaren Zustände in unserem Gemeinwesen zu ihrer Unterstützung rufen. Nun, worin liegt unser Beitrag zur Genesung des Staates? Soldaten, Cotta, sind in der Tat ein notweniges Werkzeug, das große Reich in Einheit seiner Teile bestehen zu lassen. Ich selbst war immer dieser Überzeugung, weshalb ich einen nicht unerheblichen Teil meines Lebens mit dem Studium der Kriegskunst verbracht habe: Große Siege berauschen das Volk, neue Eroberungen machen es gefügig. Doch jede noch so gewaltige Heeresmacht hat seine Grenzen. Den Feldzug des Laeca habe ich sorgältig studiert und ich sage euch: Es war nicht das Können unserer Legionen, nicht unserer Heerführer und schon gar nicht des Kaisers, welches uns den zweifelhaften Sieg brachte. Es war Glück, mehr nicht."


    Sophus schwieg einen Moment. Der Sieg bei Picentia war vermutlich einer der prägendsten Erlebnisse seiner Dienstzeit gewesen. Es war nicht einfach für ihn, auszusprechen, wie hilflos der große Militärapparat damals gewesen war. Anfangs hatte er sich gar gegen diesen Schluß gesträubt, mit den Jahren aber war er zu dieser bitteren Erkenntnis gekommen. Von Gesetzen und Kulten fing er besser nicht an, hätte er doch den Flusslauf des Tiber allzu gerne mit dem Blute der Christen und vieler anderer Männer vermischt gesehen.


    "Daher kann ich euch nur raten, so unbefriedigend meine Antwort auch sein mag: Tretet ein für die Sitten der Vorfahren, wo immer ihr könnt. Straft jene mit Verachtung, die sich in ihrer Verwirrung verloren haben, denen aber, welchen im tiefsten Herzensgrunde Sehnsucht nach dem rechten Gemeinwesen schlummert, nehmt euch an."


    Bei der letzten Frage des Cotta lächelte Sophus müde. Er bewunderte die Unbekümmertheit der Jugend.


    "Behalte dein forsches Wesen bei. Es wird dich weit bringen. Was mich betrifft, nun, vermutlich. Jedoch werde ich diese Stadt für eine ganze Weile verlassen. Vielleicht mag ich eines Tages noch die Kraft finden, auf das Schlachtfeld der Politik zu ziehen."

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Ursus hörte aufmerksam zu und mußte abermals erkennen, was für ein kluger Kopf Cotta war. Er hatte den Vetter bisher deutlich unterschätzt, das mußte er nun erkennen. Was natürlich für ihn nur ein Grund sein konnte, sich selbst mehr anzustrengen. Denn keinesfalls wollte er hinter ihm zurückbleiben!


    Wie souverän er das Gespräch lenkte und den Onkel damit aus der Reserve lockte! Genial, einfach genial. Man konnte es nicht anders sagen, Ursus war neidisch. Doch lange konnte er über diese Erkenntnis nicht nachgrübeln, denn die Worte des Onkels forderten abermals eine Erwiderung.


    "Du sagst, ein guter Politiker lenkt das Volk nach seinem Belieben. Doch was geschieht denn, wenn jeder Politiker für sich dieses Ziel verfolgt? Die Politik wird handlungsunfähig."


    "Der Bauer auf dem Felde züchtigt den störrischen Ochsen, weil er genau weiß, dass ein Vieh zu keiner planvollen Handlung fähig ist. Eben so verhält es sich mit dem Volk. Es ist ein Mittel zum Zweck, ein an sich - wenn richtig gelenkt - kraftvolles, aber im Grunde seiner Natur zutiefst dummes, faules, zauderndes Instrument. Geschickt ist der Politiker dann, wenn dem Vieh die Peitsche wie ein Zuckerbrot erscheint und es gar nicht bemerkt, wie es unter sein Joch getrieben wird, an den einzigen Platz, den ihm die Natur zu geordnetem Handeln geschaffen hat.
    Der rechte Politiker sieht Rom in den Herzen aller guten und aufrechten Männer. In den leidenschaftlichen Abgründen der schlechten und verdorbenen Männer sieht er aber die Gefahr. Und wäre letztere Art in tausendfacher Zahl unter dem Gemeinwesen, ein guter Politiker müsste sie bis auf's Blut bekämpfen - und wenn nur ein einziger aufrechter Römer am Ende übrig bliebe, wäre er das Opfer wert. Junge Menschen pflegen häufig Ansichten wie du. Manche aus Überzeugung, manche aus verweichlichter Erziehung heraus, manche, weil sie schwach im Charakter sind und nach Anerkennung lechzen. Die Schule des Lebens aber ist hart und wird sie schon auf den rechten Pfad zurückführen. So, wie sie einst mich an die Hand genommen hat, wird sie auch dir einmal die wahren Verhältnisse im Staate vor Augen führen."


    Zitat

    Doch die Führung des Volkes sollte dennoch nicht auf persönlichem Belieben eines jeden Politikers beruhen, sondern sollte auf das Wohlergehen des Volkes und die Sicherung des Reiches gerichtet sein.


    "Sicherung des Reiches? Was bedeutet dies? Sicherung seiner Grenzen? Ist es das, was Rom aus dem Nebel der Geschichte erhebt? Sind wir weniger Rom, wenn unser Reich nur auf diese eine Stadt, diesen Hügel, ja, dieses Haus beschränkt wäre? Sind wir mehr Rom, wenn uns noch diese oder jene Provinz durch glückliche Umstände und die Kunst unserer Generale in die Hände fällt? Sind wir demnach vom Kriegsglück abhängig? Dem launenhaften Mars? Was ist dieses Reich, Ursus, was?
    Wohlergehen des Volkes strebst du an. Worin liegt Wohlergehen? In noch mehr Korn, das du vielleicht einmal dem Pöbel in den Gassen Roms schenken wirst? In noch mehr Handelsschiffen? Wäre dir nicht ein hungerndes, aber hartes, mutiges, demütiges, eifriges, gottfürchtiges Rom lieber als ein reiches voll mit diesem 'Wohlergehen' angefülltes, aber verweichlichtes, sattes, eitles, ängstliches?
    Niemand kann die Augen vor Tatsachen verschließen: Er hat doch bereits begonnen, unser Niedergang. Je mehr er voranschreitet, desto dringender brauchen wir Menschen wie euch, Männer aufrechter Haltung, die nicht davor zurückschrecken, forsch das Volk mit harter Führung umso mehr an seinen eigentlichen Platz zurückzuweisen, je eher es eigennützige Träumereien entwirft."


    "Jede äußere Form des Staates muss sich nach der inneren Natur der Menschen richtigen, für die sie geschaffen wird. Wäre das Römervolk erfüllt vom Geiste der blühenden Republik, so wäre ich ihr glühendster Fürsprecher. Obschon unser Gemeinwesen an Schlechtigkeit und Ungeheuerlichkeiten diejenigen aller übrigen Menschenalter übertrifft, so erfüllt es mich mit bitterem Stolz euch zu sagen: Wahrhaft bin ich einer der wenigen Republikaner in diesem Staate und doch der eifrigste Verfechter des Prinzipats. Seht ihr es? Zwei und zwei macht vier. Jede Logik verbietet es, dagegen zu sprechen, selbst wenn ich noch so wünschte, zwei und zwei wären fünf. Lobenswert, aber töricht, wer es dennoch tut.
    Mein guter Ursus. Ein Politiker willst du werden. Ich hoffe doch, ein guter. Daher sage ich dir: Das Volk ist nicht Rom. Das Volk sind die Leidenschaften. Willst du dem Volke dienen, so wirst du ein schlechter Politiker sein, ein Werkzeug niederer Triebe. Ein guter Politiker aber lenkt das Volk nach seinem Belieben, ordnet die Wirren völkischer Beschränktheit, schließlich führt die Politik zur Blüte, welche Mäßigung der Leidenschaften genannt werden muss. Dies ist die oberste Tugend im Gemeinwesen, dies ist Rom und Rom muss Ziel der Politik sein."

    Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta


    "In meinen Augen heißt Politik also: die Tugend im Gemeinwesen zur Geltung kommen lassen. Dabei wird man es nicht nur mit Tugendhaften, sondern eben auch mit Korrupten, Gierigen und Gewalttätigen zu tun bekommen. Trotz und angesichts dessen sage ich ja. Du fragst mich, Onkel, ob ich in die Politik will: Ja."


    Nach wie vor war Sophus darauf bedacht, durch keine Regung zu verraten, wie er die vorgetragenen Gedanken wertete. Stattdessen fragte er ohne die kleinste Pause weiter: "Was aber ist die höchste Blüte jeder Politik, folglich die glänzendste Tugend im Gemeinwesen?"


    Zitat

    "Für mich ist Sittlichkeit der ehrenhafte Umgang miteinander und damit unter anderem auch die Verläßlichkeit auf das Wort. Wie könnte man überhaupt gemeinsam handeln ohne dies? Und was das Volk ist? Das ist Rom. Das Volk ist es, was Rom ausmacht. Dient man dem Volk, dient man Rom. Stärkt man das Volk, stärkt man Rom. Und glaube nicht, daß ich uns Patrizier nicht zum Volk zähle."


    An dieser Stelle wurde es für Sophus interessant. Er gab sich wenig Mühe zu verbergen, dass er hier grundsätzlich anderer Auffassung war.
    "Das Volk ist Rom? Ein Lump ohne Nutzen, ist er ebenso Rom wie ein redlicher Mann der Tugend? Und weiter, was macht Adel dem Pöbel gleich?"


    Zitat

    "Natürlich habe ich noch viel zu lernen auf dem Weg in die Politik. Doch ich bin bereit, zu lernen, was immer nötig ist." Er war dazu fest entschlossen und wollte diesen Weg jetzt, wo er endlich wieder in Rom war, mit Eifer verfolgen. Schritt für Schritt.


    "Dann lerne! Zwei und zwei macht vier. Rede dagegen!"

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus


    Die Frage, die der Onkel nun noch stellte, mutete fast wie eine Examensfrage an. Und war auch tatsächlich nicht so einfach zu beantworten. "Zumindest sollten Sittlichkeit und Politik zusammengehen. Unbedingt sogar", antwortete Ursus daher zunächst ein wenig vorsichtig. "In einigen Fällen tun sie dies aber ganz gewiß nicht. Wirklich verwerflich wird dies in meinem Augen, sobald es zu Lasten des Volkes geht. Denn die Politik hat schließlich alleinig die Aufgabe, dem Volk zu dienen." Ja, und wenn nebenbei die Taschen der Politiker gefüllt wurden, war das eigentlich auch schon in Ordnung. Solange sie dafür taten, was für das Volk von Nutzen war. Arbeit, verantwortungsvolle Arbeit, gehörte schließlich auch belohnt.


    Es verging kein Wimpernschlag, da hakte Sophus nach:
    "Wie definierst du Sittlichkeit, was ist das Volk und weshalb glaubst du, müsse ihm von der Politik gedient werden?"


    Anschließend beugte er sich vor und fixierte beide Aurelier streng.


    "Ihr redet über Politik. Ich stelle euch nun eine Frage, eine sehr einfache Frage, auf die ich kein vielleicht, kein irgendwann, kein ich weiß nicht hören, kein Zögern, kein Zaudern bemerken will. Ich stelle euch nun eine einfache Frage, auf die ich eine einfache Antwort haben möchte. Ja oder nein. Es kann und darf kein Ausweichen geben. Möchtest du in die Politik, Ursus? Möchtest du in die Politik, Cotta?"

    Als das Gespräch die Schwelle zu Militär und Politik übertrat, steigerte sich die Aufmerksamkeit des Sophus nochmals. Dabei interessierte ihn nicht so sehr, was genau zu den eigentlichen Themen gesagt wurde, sondern vielmehr die Herangehensweise der jungen Aurelier. Mit den Namen der genannten Octavier konnte er sogar vage etwas anfangen, vermutlich waren ihm beide Persönlichkeiten entweder in seinen militärischen oder politischen Ämtern einmal über den Weg gelaufen. Detrius hatte ihm unter den vielen Menschen, mit denen er in den letzten Jahren Umgang gehabt hatte, wohl noch den bleibendsten Eindruck hinterlassenn. So verwunderte ihn auch nicht, dass der Mann am Ende Senator geworden war. Nun jedoch war es an der Zeit, die Verwandten etwas aus der Reserve zu locken. Aus seinem Antlitz ließ Sophus jede Regung weichen, musterte in stoischer Pose erst Ursus, dann Cotta sehr genau und fragte: "Über Sittlichkeit und Politik wurde in unserer Runde gesprochen. Gehen diese Begriffe zusammen?"

    Zitat

    Original von Appius Aurelius Cotta
    "Es steht uns Jungspunden wohl nicht an, Onkel, Dir auf Deine wohl rhetorische Frage hin Erlaubnisse zu erteilen oder gar zu verweigern. Darf ich aus Deinem Erscheinen hier im hortus aber schließen, dass es Dir wieder besser geht? Das wäre eine wirklich freudige Nachricht."


    Ein Blick auf die Sklavin, die sich im Hintergrund der kleinen Sitzgruppe hielt, bestätigte mir, dass sie sich bereits anheischig machte, Sophus zu bedienen.


    "Man steht doch immer in bester Kraft, wenn man jungen Römern mit angemessenen Sitten begegnet, nicht wahr?", meinte dieser, bevor er nicht ganz unbeschwert atmend eine Sitzgelegenheit in Anspruch nahm, welche sein Sklave Tacitus bereits zurechtgerückt hatte.

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Ursus hatte zwar eigentlich nichts zu verbergen, doch die Tasache, daß Sophus sie beide so gedankenverloren anstarrte, auf seinen Sandalen herumwippte und nichts sagte, sondern nur ein wenig versonnen vor sich hinlächelte, machte Ursus doch ein wenig nervös. War Sophus vielleicht nicht mehr ganz richtig im Kopf? Warum setzte er sich nicht und beteiligte sich am Gespräch? Sein fragender Blick ging von Sophus zu Cotta. Hoffentlich verstand der Vetter die stumme Frage.


    Stumme Fragen verstand Sophus grundsätzlich nicht, wohl aber bemerkte er eine Redepause der Männer, die er auch gleich nutzen wollte, ohne ihren Redefluss zu unterbrechen. Immerhin war er ein höflicher Mensch. Manchmal jedenfalls.
    "Den Herren darf Gesellschaft geleistet werden?", fragte er denn auch. Eine Sache, die er äußerst selten tat.

    Sophus legte ein süffisantes Lächeln auf und wippte, während er das Gespräch verfolgte, in den Sandalen leicht auf und ab. Es war doch immer wieder erfrischend, Unterhaltungen früher Jugend zu lauschen. Genau musterte er die beiden Verwandten, besonders aber Cotta - rief dieser doch Erinnerungen an seinen Bruder Galerianus wach. Setzte er jenen im Geiste neben den jungen Familienspross, fand er kaum einen Unterschied in Aussehen und sogar in der Art zu reden. Die Eltern des Ursus hatte Sophus dagegen nicht so gut gekannt. Angestrengt versuchte er, sich an Maxentius zu erinnern.

    Nach den Gebeten im Tempel des Mercurius hatte der pater recht annehmlich geruht. Mit dem Sklaven Tacitus schlenderte er in stillen Gedanken sodann durch sein Anwesen. Sophus wusste nicht, ob er den Garten des Hauses noch einmal vor der Abreise sehen würde und beschloss, wohl ein letztes Mal den lieblichen Anblick des gepflegten Grüns zu genießen. Dann und wann wechselte er ein Wort mit seinem vertrautesten Sklaven, hier und da begutachtete er Blüten, die fast schon im Vergehen begriffen waren. Das bunte Treiben einiger junger Sperlinge erfreute ihn und er fragte sich, welche Natur er im fernen Asien antreffen würde.
    Als die Männer ein ganzes Stück gegangen waren, erblickte Aurelius zwei Gestalten, nur einen Steinwurf entfernt. Beim Sklaven erkundigte er sich über die Identität der Männer, dieser wusste auch gleich die rechte Antwort. Da kam Sophus natürlich nicht umhin an die Verwandten heranzutreten. Recht interessiert stand er daneben und verfolgte ihr Gespräch.

    Mit verhülltem Haupte trat er an die Feuerstelle am Hauptaltar heran, unter den Augen eines Opferhelfers entzündete er ein Bündel Weihrauch, das er kurz zuvor geradewegs vor den Pforten des Heiligtums gekauft hatte. Vom Gott erbat er, nachdem er ihn angerufen hatte, eine sichere Reise über die Landstraßen und gute Geschäfte in der Fremde. Nach und nach reichten ihm die Sklaven Opfergaben, die schließlich verbrannt wurden. Wiederum durchbohrte ein Dolch den Hals eines stattlichen Viehs. Das Fleisch des Tieres aber wurde in großen Teilen unter den Priestern geteilt, ein Stück war für ihn selbst bestimmt. Nachdem er geendet und den Aussagen kundiger Männer über die Gewogenheiten des Gottes Glauben geschenkt, sowie den Tempelraum verlassen hatte, bemerkte er, dass es darob dunkel geworden war. Ein kühler Nachtwind durchzog die ehrwürdigen Götterhallen, mit beschleunigtem Schritt ging Sophus fröstelnd unter dem Schutz seiner Leibwachen zur Villa Aurelia.

    Ein frommer Schauer überlief die Glieder des Aureliers, als er die Stufen zur heiligen Stätte des Mercurius erklomm, einen Tempel, den er ganz bewusst an den Beginn seiner Bittgebete gestellt hatte, schien ihm ein rechter Segen des Gottes auf langer und gefährlicher Reise nur hier erteilt zu werden. Welche Größe, welche tapfere Scheu, welches Maß an ernster Würde hätte diesem Bau gemangelt? Das anstehende Gebet war bedeutend und nicht minder bedeutend waren demzufolge die Opfergaben, welche der Römer gekauft hatte. Mehrere Sklaven folgten still mit den Gütern ihrem Herrn zu den Priestern und Opferhelfern des Heiligtums.

    Die Vorbereitungen gingen denn auch so zäh voran, dass er gut zwei Wochen benötigte, bis alles zu seiner Zufriedenheit ausgeführt worden war. Ein letzter Gang jedoch war noch in Roma zu tun - er sollte ihn in die heiligen Tempel der Stadt führen. So verließ er auch eines Tages mit einer gottfürchtigen Schwere im Herzen die Villa Aurelia.

    Nachdem er seinen Plan gründlich durchdacht hatte, legte er die Karten weg und gedachte einer Lehre, die er noch in seiner Armeezeit erfasst hatte: Noch der beste Feldzugsplan scheitert für gewöhnlich auf den ersten Metern. In diesem Sinne wandte er sich, die Abendstunden waren bereits angebrochen, anderen wichtigen Dingen zu. Klienten und Geschäftspartnern schrieb er über seine bevorstehende Abreise, für die Geschäfte und Verwaltung in Rom setzte er Männer ein, die sein Vertrauen besaßen. Einige von ihnen würden ihm denn auch regelmäßig Bericht aus Italia erstatten.
    Am nächsten Tage schließlich musste er sich mit ganz praktischen Fragen befassen. Zwar wusste er nicht, wie lange er der Heimat fern bleiben würde - ein Jahr, vielleicht auch mehr - doch einige Habseligkeiten mussten doch mitgeführt werden, um weiterhin einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten. Möbelstücke, Schreibzeug, Geld, Speisen, Kleidung, Objekte representativer Natur, Sklaven - all dies wollte ausgewählt sein.

    Naturgemäß würde Brundisum Ausgangspunkt seiner Fahrt über das mare internum werden, entsprechend bestimmte er eine Route über die Straßen des italischen Festlandes, prüfte, wo angemessene Gelegenheiten zur Unterkunft zur Verfügung standen. In Griechenland würde er zunächst bei Messene rasten, um, eng ans griechische Festland geschmiegt, den restlichen Weg in Richtung Osten zurückzulegen. Bei Pompeiopolis wollte er landen, um von dort in die Hauptstadt Tarsus zu gelangen, welche sich naturgemäß auch aufgrund der Nähe römischer Verwaltung besonders für geschäftliche Vorhaben eignete. Unzählige Orte, für die Sophus größtes geschäftliches, aber auch privates Interesse hegte, lagen nicht eben abseits des Weges - gerade Rhodus, aber auch Kreta und Zypern eigneten sich natürlich hervorragend für eine Zwischenrast. Diverse Ziele entlang der kleinasischen Küste behielt er zunächst einmal im Hinterkopf, da er glaubte, detaillierte Planungen bezüglich der Rückreise könnten besser getroffen werden, wenn einmal Tarsus erreicht war.

    Der fromme Akt markierte denn auch das Ende seiner zähen Krankheit und wenn noch ein Teil davon nachwirken wollte, fand er sich nunmehr in der Lage, dies pfleglich zu ignorieren. Am dritten Tage nach seiner Genesung aber fand er sein Reiseziel in Cilicia, einem Lande, das ihm sowohl hinsichtlich des Klimas, als auch seiner zahlreichen Besitzungen dort angemessener nicht scheinen könnte.
    Nach einem üppigen Mahl, dem er eine Weinverkostung nach griechischer Art angeschlossen hatte, ordnete er seine Sklaven an, ihm aus der Bibliothek einige Karten zu bringen, mit denen er einerseits einen Überblick über seinen Besitz, als auch die Reiseroute gewinnen konnte.

    Tiefere Nachtruhe, gesunde Speisepläne und nicht zuletzt die seltsamerweise neu aufgekeimte Reise- und Unternehmungslust brachten Aurelius rasch auf den Weg der Besserung. Briefe begann er wieder unter einer gewissen Anstrengung zu lesen, am Tage darauf aber schnitt er einem jungen Herdenspross am Hausaltar die Kehle durch und dankte schließlich in einem langen Gebete seinen Göttern.

    Zitat

    Moment mal: Redet ihr vom zweitältesten noch existierenden Staatswesen der Welt mit der ältesten noch gültigen Verfassung der Welt, die beruhend auf englischer Tradition nach dem Vorbild der Staatsphilosophie von Polybisus, der Verfassung des Achaiischen Bundes und der Irokesenkonföderation geschrieben wurde? Meint ihr dieses mit Menschen aus allen Teilen Europas und dem ganzen Rest der Welt bevölkerten Einwandererland, mit dessen kultureller und traditioneller Vielfalt, im Guten wie im Schlechten, nicht ein einziges europäisches Land mithalten kann?


    Diese gänzlich unangebrachte Anmerkung bedarf wohl keiner weiteren Kommentierung, da sie sich praktisch selbst jeder innerer Logik beraubt.
    Und den Rest möchte ich weder zitieren, noch darauf eingehen. Sonst kommt noch einer auf die Idee, dieses Geschreibsel verdiene auch nur im Ansatz ernsthafte Betrachtung.