Zitat
Original von Titus Aurelius Ursus
Ursus hörte aufmerksam zu und mußte abermals erkennen, was für ein kluger Kopf Cotta war. Er hatte den Vetter bisher deutlich unterschätzt, das mußte er nun erkennen. Was natürlich für ihn nur ein Grund sein konnte, sich selbst mehr anzustrengen. Denn keinesfalls wollte er hinter ihm zurückbleiben!
Wie souverän er das Gespräch lenkte und den Onkel damit aus der Reserve lockte! Genial, einfach genial. Man konnte es nicht anders sagen, Ursus war neidisch. Doch lange konnte er über diese Erkenntnis nicht nachgrübeln, denn die Worte des Onkels forderten abermals eine Erwiderung.
"Du sagst, ein guter Politiker lenkt das Volk nach seinem Belieben. Doch was geschieht denn, wenn jeder Politiker für sich dieses Ziel verfolgt? Die Politik wird handlungsunfähig."
"Der Bauer auf dem Felde züchtigt den störrischen Ochsen, weil er genau weiß, dass ein Vieh zu keiner planvollen Handlung fähig ist. Eben so verhält es sich mit dem Volk. Es ist ein Mittel zum Zweck, ein an sich - wenn richtig gelenkt - kraftvolles, aber im Grunde seiner Natur zutiefst dummes, faules, zauderndes Instrument. Geschickt ist der Politiker dann, wenn dem Vieh die Peitsche wie ein Zuckerbrot erscheint und es gar nicht bemerkt, wie es unter sein Joch getrieben wird, an den einzigen Platz, den ihm die Natur zu geordnetem Handeln geschaffen hat.
Der rechte Politiker sieht Rom in den Herzen aller guten und aufrechten Männer. In den leidenschaftlichen Abgründen der schlechten und verdorbenen Männer sieht er aber die Gefahr. Und wäre letztere Art in tausendfacher Zahl unter dem Gemeinwesen, ein guter Politiker müsste sie bis auf's Blut bekämpfen - und wenn nur ein einziger aufrechter Römer am Ende übrig bliebe, wäre er das Opfer wert. Junge Menschen pflegen häufig Ansichten wie du. Manche aus Überzeugung, manche aus verweichlichter Erziehung heraus, manche, weil sie schwach im Charakter sind und nach Anerkennung lechzen. Die Schule des Lebens aber ist hart und wird sie schon auf den rechten Pfad zurückführen. So, wie sie einst mich an die Hand genommen hat, wird sie auch dir einmal die wahren Verhältnisse im Staate vor Augen führen."
Zitat
Doch die Führung des Volkes sollte dennoch nicht auf persönlichem Belieben eines jeden Politikers beruhen, sondern sollte auf das Wohlergehen des Volkes und die Sicherung des Reiches gerichtet sein.
"Sicherung des Reiches? Was bedeutet dies? Sicherung seiner Grenzen? Ist es das, was Rom aus dem Nebel der Geschichte erhebt? Sind wir weniger Rom, wenn unser Reich nur auf diese eine Stadt, diesen Hügel, ja, dieses Haus beschränkt wäre? Sind wir mehr Rom, wenn uns noch diese oder jene Provinz durch glückliche Umstände und die Kunst unserer Generale in die Hände fällt? Sind wir demnach vom Kriegsglück abhängig? Dem launenhaften Mars? Was ist dieses Reich, Ursus, was?
Wohlergehen des Volkes strebst du an. Worin liegt Wohlergehen? In noch mehr Korn, das du vielleicht einmal dem Pöbel in den Gassen Roms schenken wirst? In noch mehr Handelsschiffen? Wäre dir nicht ein hungerndes, aber hartes, mutiges, demütiges, eifriges, gottfürchtiges Rom lieber als ein reiches voll mit diesem 'Wohlergehen' angefülltes, aber verweichlichtes, sattes, eitles, ängstliches?
Niemand kann die Augen vor Tatsachen verschließen: Er hat doch bereits begonnen, unser Niedergang. Je mehr er voranschreitet, desto dringender brauchen wir Menschen wie euch, Männer aufrechter Haltung, die nicht davor zurückschrecken, forsch das Volk mit harter Führung umso mehr an seinen eigentlichen Platz zurückzuweisen, je eher es eigennützige Träumereien entwirft."