Beiträge von Nero Aurelius Scipio

    Seines eigenen Verhaltens unbewusst, dachte er wohl kurz nach ihr genau das Selbe wie sie, nämlich ob er etwas Falsches gesagt oder getan hatte, was ihren plötzlichen Gemütswandel erklären würde. Vielleicht hatte sie es ja als Beleidigung betrachtet, dass er ihr Angebot abgelehnt hatte. Er bekam ein schlechtes Gewissen und entzog sich mit schuldbewusstem Gesichtsausdruck ihrem Blick, fast so als wäre sie die Mutter und er der Bub, der wieder etwas ausgefressen hatte.Er wollte es sich ja nicht mit Prisca verscherzen. Er war es ja, der in der schlechteren Position war und um Sympathie werben musste."Verzeih. Das ist alles nicht einfach für mich.", rechtfertigte er sich also kleinlaut und richtete sich in seinem Stuhl wieder auf. "Die Wahrheit ist hart, aber eben wahr.", meinte er nun bestimmter. Im Grunde hatte sie ja Recht. Er versoff sein Geld, war ständig betrunken und das war nicht gerade hilfreich im Angesicht seiner Lage. Vielleicht, wobei das schon sehr optimistisch war, würde er wirklich aufhören so viel zu trinken und es gemächlich angehen. Es musste ja nicht sein, dass er gewöhnlich bereits vor der Mittagsstunde im Jenseits vor sich hin dämmerte. Anders heute wo er das Gefühl hatte nie wirklich angetrunken gewesen zu sein, da er sich schon wieder halbwegs klar fühlte. "Ich werde versuchen mich zu bessern.", versprach er ihr und suchte wieder den Augenkontakt und nickte ihr kurz zu. Er meinte es wirklich einmal ehrlich, nicht wie bei vielen anderen Frauen in der Vergangenheit.


    Dann erzählte sie erst einmal von der Familie und erwähnte en passant dass seine Schwester nicht mehr unter den Lebenden weilte. Hätte er eine besondere Beziehung zu seiner Schwester gehabt, dann hätte ihn diese Nachricht wohl getroffen. Da er sie jedoch kaum gekannt hatte, nahm er die Kunde regungslos zur Kenntnis. Weniger gleichgültig hingegen nahm er zur Kenntnis, dass die letzten Jahre wohl eher den Verfall der Familie eingeleitet hatten und die Familie ziemlich zusammengeschrumpft war. Er verzog kurz den Mundwinkel und räusperte sich. "Bedauerlich, aber wenn dies der Wille der Götter ist, dann sei es eben so. Was Usus betrifft, so will ich ihn in meine Gebete einschließen. Es scheint fast so als könnte die Familie nicht noch mehr Verluste verkraften." Vielleicht war es wirklich gar nicht so schlecht, dass er gerade jetzt die Nähe zur Familie suchte. Er wusste, dass er wohl nicht viel zum Ruhm der Familie beitragen konnte, aber er konnte ja wenigstens ein Paar Kinder in die Welt setzen. Vielleicht hatte er das ja auch schon, so genau konnte man das ja nie wissen, wenn man so aktiv war wie er. Man wollte es dann auch nicht wissen.


    Und wieder sprang sie weiter und war schon bei den nächsten Schritten, was ihm eigentlich zu weit ging. Und dann sprudelte sie wieder los und er musste sich ein Grinsen verkneifen. Er fand das ja irgendwie niedlich. Vor allem wie sie immer versuchte sich zu mäßigen.
    "Er wird mir...?", neckte er sie kurz und musste doch grinsen. Er hatte schon verstanden worauf sie hinaus wollte.
    "Ich denke ich werde nicht vor morgen mit ihm sprechen. Ich glaube ich sollte erst einmal das Ganze setzen lassen." ... und komplett nüchtern werden. Er hatte das Gefühl, dass er so Lupus nicht unter die Augen treten sollte, wenn er dessen Hilfe wollte. Außerdem hätte er wohl nicht so denken können, wie es von ihm verlangt wurde.


    Er rieb sich kurz die Hände und wechselte dann das Thema. Tod, Probleme und dergleichen waren Themen, die nach Wein riefen, weil sie die Stimmung senkten. Er erinnerte sich beim Thema Schwester daran, dass er ein Mitbringsel für sie gehabt hatte. "Ich hatte meiner Schwester in Syria ein goldenes Collier erworben, das ich ihr eigentlich schenken wollte. Gebrauchen kann sie es nun wohl nicht mehr. Ich denke dir sollte es auch stehen, also soll es dir gehören. Ich werde es dir zukommen lassen, sofern du es haben willst.", erklärte er ihr kurz und lächelte ihr zu. Normalerweise wäre er nun charmant geworden und hätte versucht sie zu erobern, aber das wäre fehl am Platz gewesen. Er wollte das Ding einfach nur loswerden. Er hatte sich damals überwinden müssen den happigen Preis für das Ding zu bezahlen, und damals hatte er noch volle Taschen gehabt, aber sie hatte ihm gut für seine Schwester gefallen und sie hätte ihr sicher sehr gut gestanden, aber jetzt wo er Prisca sah war er sich fast sicher, dass sie ihr sogar noch besser stehen würde.


    Erst dann ging er dazu über zu entscheiden was jetzt geschehen würde. Jetzt wo er den ersten Schritt hinter sich hatte und er sich einfach nur erleichtert, aber auch ausgelaugt fühlte, hatte er keine Lust auf Frauen und wenn er Wein trinken würde, dann würde er wahrscheinlich wieder bis morgen früh durchzechen und das im Haus seiner Familie, was ihm unangenehm war.
    "Ich glaube etwas zu Essen wäre mir im Moment am Liebsten und dazu noch etwas W... " Er stockte. Nein, kein Alkohol. Er schüttelte den Kopf und musste grinsen. "Essigwasser." Er ergriff kurz ihre Hand, drückte sie und blickte sie an, auch wenn es ihm ein wenig unanständig vorkam. "Ob du mir Gesellschaft leisten möchtest ist deine Entscheidung. Ich möchte jedoch noch etwas hier bleiben. Es dauert denke ich noch etwas bis mein Gepäck ankommt.", erklärte er ihr. Er konnte durchaus verstehen, wenn sie ihn alleine lassen würde. Welche Frau von Stand würde sich mit einem armseligen Suffkopf abgeben, der sich zuvor damit gebrüstet hatte seine Probleme mit Alkohol und Frauen zu lösen. Das musste ja irgendwie widerlich wirken, also eröffnete er ihr die Möglichkeit für einen ehrenvollen Rückzug.

    Sim-Off:

    Bitte entschuldige die lange Wartezeit... Soll nicht zur Gewohnheit werden.


    Scheinbar hatte er mit seiner übereilten Entscheidung genau das Richtige getan, denn zumindest einer der beiden jungen Männer schien sofort hellauf begeistert. Der Andere nicht, aber der wirkte ja auch eben schon so verkrampft und ernst. Er musste eindeutig mehr trinken, damit er einmal ein wenig entspannter wurde. Für die Atmosphäre wäre es wohl das Beste.
    Er erfuhr jedenfalls, dass die beiden tatsächlich nicht aus Rom stammten, sondern aus Germanien. "Mogontiacum also... Soll ne schöne Stadt sein.", meinte er zu Armin-ius, der wohl noch viel zu lernen hatte, ehe man ihn gänzlich als romanisiert bezeichnen konnte. Aber auch der Andere fiel noch zu sehr auf. Kaum jemand hier in Rom würde wohl mit einem Diener am selben Tisch sitzen wie mit einem Freund. Aber er wollte einmal darüber hinwegsehen.


    "Nero Aurelius Scipio, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.", stellte er sich schließlich vor. Mittlerweile wurde auch der Wein gebracht, den er bestellt hatte, und er legte selbst Hand an und verteilte die Becher. Er war ja gespannt wie der Petronier nun reagieren würde.
    "Bist du eigentlich immer so ernst?", fragte er ihn noch in der Hoffnung ihn vielleicht ein wenig freundlicher zu stimmen. Das der in seinen Augen so schlecht gelaunt war, das mochte ihm gar nicht gefallen.

    Freilich war es für ihn kein Leichtes sein Versagen auf allen Gebieten einzugestehen. Er fühlte sich damit einfach nur unmännlich, schließlich konnte er nicht der Rollenerwartung als Mann entsprechen. Männlich war nun mal in Augen der Gesellschaft einzig und allein der Zugang zu Macht, Geld und der Erfolg, noch vor den von den Göttern gegebenen körperlichen und geistigen Gaben. Und dass er sich einer Frau öffnete, das war nicht mehr von Belang, schließlich hatte er die hegemoniale Männlichkeit zugunsten der Unterordnung ohnehin schon aufgegeben als er über die Schwelle des Hauses getreten war. Er zweifelte beinahe wirklich schon an seiner Männlichkeit, einzig das Frauen ihn nach wie vor begehrten gab ihm Trost, wenngleich dies im Moment wohl nur die Damen der niederen Schicht waren, die sich von seinem Namen täuschen ließen.
    Er schaute kurz mit verschwommenen Blick zu Prisca. Die hatte es doch wahrlich gut, so als Frau. Im Grunde wurde von ihr nur erwartet gut auszusehen und ab und zu die Beine breit zu machen, um die nächste Generation auf den Weg zu bringen. Im Gegensatz zum Mann als Versorger, von dem Erfolg verlangt wurde, war dies doch eine recht bescheidene Rollenerwartung. Wahrscheinlich entsprach sie ganz ihrer Rolle als Frau.


    Der Rolle als Patrizierin entsprach sie auf jeden Fall. Er kannte dieses ganze Pack zur Genüge. Stets freundlich und zuckersüß, aber hinter dem Rücken bereits der Dolch zum Stoße gezückt. So waren sie normalerweise, die Damen von Stande und das war der Grund warum er sich lieber eine Plebejerin anlachte. Die waren nicht ganz so hinterlistig, wenngleich der Frau ohnehin eine gewisse Hinterlist zu eigen war. Ob Prisca nun im Moment auch nur gute Miene zum Bösen Spiel machte, das mochte er nicht zu erkennen, dafür sorgte der Wein. Folgerichtig blickte er ein wenig skeptisch, als sie ihm in die Augen blickte und ein paar freundliche Worte verlor. Wahrscheinlich weidete sie sich daran, dass er ein solcher Versager war und sie ihm bei Weitem überlegen war. Wahrscheinlich würde sie sich später in ihrem Kämmerchen köstlich über ihn amüsieren. Wahrscheinlich würde sie sich bei all ihren Freundinnen das Maul über ihn zerreißen! So waren sie, diese Patrizier. Kein Wunder, dass er seit seiner Jugend den Umgang mit ihnen tunlichst vermieden hatte.


    Ja, er hatte durchaus Grund zum Zweifeln und sah keinen Grund darin das zu verbergen. Er hatte nun einmal keinerlei großartige Bindung mehr zu seiner Familie und sah keinerlei Grund weshalb er deshalb bedingungslosen Rückhalt finden sollte. Was hatte er nur getan, wahrscheinlich würde er für die Hilfe der Familie einen hohen Preis bezahlen. Ach wäre er doch nur anständiger gewesen und hätte sich um seine Geschäfte sorgfältiger gekümmert. Er verfluchte sich dafür. Abermals half ihm der Wein die Wahrheit in voller Klarheit zu erkennen. „Selbsterkenntnis ist vielleicht eine Tugend, möglicherweise auch nur dem Alter geschuldet. Die Weisheit kommt, so sagt man ja, mit dem fortschreitendem Alter.“, nuschelte er beinahe nebensächlich, um das Gespräch am Laufen zu halten. In seinem Kopf sponn sich derweil der Zweifel an der Ehrlichkeit Priscas und der Hinterlist der Frauen weiter. Der Gedankenfaden riss aber schließlich und er war wieder voll bei ihr und blickte sie ein wenig verblüfft an. Jetzt kritisierte sie ihn also schon offen für seinen Alkoholkonsum. Er trank also zu viel. Was bildete sie sich überhaupt ein! Das entsprach in keinster Weise der Wahrheit! Alles Lüge! So viel trank er ja nun wirklich nicht! Fast hätte er ihr dafür eine gescheuert, aber er erinnerte sich finster daran, dass er im Grunde eben zugegeben hatte zu viel zu trinken. Er hatte sich selbst verraten. Er kochte innerlich, wahrte aber Haltung, so wie man ihn erzogen hatte. Er konnte das nämlich auch. Er war gehörte nun einmal auch zu diesem Pack. „Worin soll ich sonst mein Heil suchen? Seit zwei Jahren sind der Wein und Frauen, die sich für Geld verkaufen, mein einziger Trost. Was also soll ich deiner Meinung nach tun?“ Er blickte sie ernst an und stellte seinen leeren Becher neben ihm ab.


    Seine Frage erübrigte sich, denn sie schlug bereits vor im Kreis der Familie eine Lösung zu finden. Wieder blickte er skeptisch. Freilich, er sah durchaus die Wahrheit, nämlich dass sie ihm wohl kaum alleine zu Hilfe sein konnte, andererseits sah er aber auch, dass er sich als der Versager der Familie zu erkennen geben musste und wohl das Gespött der Mitglieder seiner Familie sein würde. Er wägte kurz ab und ein kurzer Gedanke an seine Stiefmutter, die ihn ohnehin Zeit ihres Lebens immer bloß gestellt hatte, er also ohnehin immer der Versager in der Familie war, half ihm schließlich bei der Entscheidung. „Meinetwegen.“, antwortete er knapp und fuhr sich kurz mit den Händen durchs Gesicht. Das war alles so schwer. Kurz darauf zog er sich schließlich die Toga von den Schultern, um ein wenig Last von den Schultern zu bekommen.
    Er konnte noch nicht einmal durchatmen, da hielt sie ihm bereits ihren Becher unter die Nase und er vernahm den fruchtigen Geruch des Weinessigs. Wie lange mochte das wohl her sein, dass er so etwas getrunken hatte? Zwanzig Jahre? Ja, das konnte gut sein. Seit zwanzig Jahren lebte er von Wein und Wasser, vorrangig natürlich von Wein. „Ich werde es in Betracht ziehen.“, meinte er nur darauf und schob ihre Hand mit dem Becher wieder zu ihr zurück. Selbst wenn er überhaupt noch durstig gewesen wäre, dann hätte er dennoch ausgeschlagen aus ihrem Bescher zu trinken. Sie vergaß sich, denn er erachtete es als unhöflich so etwas zu tun.


    Kurzerhand wechselte er das Thema, um wegzukommen von all den belastenden Dingen. „Sprich, wie steht es eigentlich um die Familie? Wie geht es meiner Schwester?“, fragte er also halb interessiert, halb gleichgültig. Er hatte nie eine große Beziehung zur Familie gehabt und zu seiner Schwester schon gar nicht. Er kannte sie eigentlich auch kaum, die gute Flora. Nun ohne Getränk in Händen lehnte er sich zurück und war bereit.

    Nero genoss den kurzen Augenblick, den er noch mit der Sklavin alleine war, die im Grunde keine andere Wahl hatte als ihn zu ertragen. Zwar war im Moment nicht mehr als anfassen angesagt, es erinnerte ihn jedoch an frühere Tage. Damals in seiner Jugendzeit. Wie schön es doch einmal war, als er jede haben konnte, aber keine behielt. Wie wäre wohl sein Leben hätte er geheiratet? Er konnte es sich kaum ausmalen und erreichbar schien es für ihn auch nicht mehr. Er hatte schon fast den Glauben an sich verloren und jünger wurde er auch nicht mehr. Seine Stimmung sank beinahe in den Keller, während er darüber sinnierte. Darüber war selbst das anfängliche Interesse an der Sklavin vergessen. Er merkte noch nicht einmal, dass jemand gekommen war ihn zu empfangen.
    Just wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als eine Frau eintrat und ihn sogleich begrüßte. Er brauchte einen Augenblick, musterte sie ausführlich und musste erst einmal nachdenken. Wie hieß sie denn nur? Er kannte sie. Eine Frau genau nach seinem Geschmack, eine besondere Frau, die man nicht so leicht vergessen konnte. Dem kam hinzu, dass sie ihm den Hinweis gab, dass sie wohl eine Cousine oder dergleichen war. Wie hieß sie nur. Er dachte angestrengt nach. Er musste auf ihren Namen kommen, ehe sie fertig war mit sprechen. Pia? Nein, das war die Kleine aus Massilia gewesen, Procula, nein, das war es auch nicht. Noch einmal musterte er sie, ja, sie war mehr als nur ansehnlich. Hübsch. Prisca. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen.
    „Salve, werte Cousine.“, begrüßte er sie beinahe schon zu fröhlich. „Ich danke dir für den freundlichen Empfang.“ Er sprang darauf kurz auf und senkte kurz und knapp den Kopf. Sein Verstand war einfach zu vernebelt, als dass er Anspielungen von ihr erkannt hätte. Er erlebte ihre Begrüßung als Positiv. Noch war die Atmosphäre das auch noch, aber wie lange noch?
    Zeitgleich mit ihr ließ auch er sich wieder in seinen Korbsessel fallen und suchte kurz eine angenehme Sitzposition. Dabei fiel ihm nicht einmal auf, dass sein Blick förmlich an ihr klebte. Schönheit musste bewundert werden, hätte er früher wohl angemerkt, jetzt merkte er gar nichts mehr, nur noch den Alkohol, der langsam begann den Kopf einmal mehr zu betäuben. Der Zeitpunkt war in seinen Augen dafür gar nicht so schlecht gewählt, schließlich würde es jetzt unangenehm werden. Er wartete nur noch darauf, dass endlich die obligatorische Frage kam, was ihn denn hierher führte. Sie kam und traf ihn doch ein wenig stärker als er gedacht hatte. Ihre neugierigen Worte konfrontierten ihn unvermeidlich mit den Fehlern seines Lebens und dem was er in den letzten Jahren so getrieben hatte. Viel Angenehmes, aber überwogen von seinem Misserfolg.
    Er brauchte erst einmal einen großen Schluck Wein, bevor er im Stande war ihr zu antworten. Sein kurzes Schweigen, das dem voran ging, machte es für ihn auch nicht einfacher. Prisca würde schweigen, er musste diese unerträgliche Stille brechen.
    „Tja…“, meinte er nur und musste sich wieder sammeln. Es war schwer für ihn sein persönliches Versagen beichten zu müssen. Er schluckte. „Das war vielleicht einmal.“, ging er zunächst auf ihre Worte ein und klang dabei recht betroffen. Seine Geschäfte waren seine Autonomie und darauf war er immer stolz gewesen. Jetzt hatte er nur noch wenige Gründe stolz zu sein. „Meine Geschäfte waren einmal das Resultat jugendlicher Narretei gewesen, aber im Alter bin ich nicht vernünftiger geworden. Ich habe schlichtweg versagt und nun gibt es keinen Ort für Geschäfte mehr für mich.“ Seine Stimme wankte und wurde immer leiser. „Vor der Erkenntnis bin ich in den letzten Jahren davongelaufen. Vielleicht ist die späte Einsicht ja doch ein kleines, spätes Erfolgserlebnis.“ Er lachte kurz selbstironisch und blickte auf. Dann verzog er das Gesicht und versuchte ein kurzes Lächeln herauszupressen. „Jetzt bleibt mir nur noch das.“ Er prostete ihr zu und kippte sich den Inhalt des Bechers in den Rachen. „Das das auf Dauer nicht förderlich für das Ansehen der Familie ist, dessen bin ich mir bewusst. Deshalb bin ich hier.“ Jetzt war es raus, sofern sie verstand was er überhaupt wollte. Er wusste nicht ob er noch deutlicher werden musste. Es war ihm ohnehin peinlich ihr offenlegen zu müssen wie kaputt er mittlerweile war. Dann tat er nicht mehr als den Blick von ihr zu lassen und traurig in seinen leeren Becher zu blicken.

    Dass er ein wenig überreagiert hatte, das musste er sich schon eingestehen, denn der junge Mann, der sich angesprochen fühlte, wirkte sofort aggressiv. Ach ja, die Jugend. Hitzköpfig wie man sie gewohnt war. Er war ja selbst nicht anders gewesen. Und so ganz wehrlos wie das Jungchen dachte war er auch nicht. In dessen Alter hatte er sich noch regelmäßig im Faustkampf geübt und war gar nicht so schlecht gewesen. Zugegeben, er war stark außer Übung, aber er war sich fast sicher, dass man so etwas nicht verlernte. Aber er war ja eigentlich nicht auf eine Prügelei aus, denn das würde ihm den angenehmen Abend verderben.


    „Nein, habe ich nicht.“, gab er daher beschwichtigend zum Besten. „Es ist nur unüblich in Rom ein Getränk zu bestellen, das als Trunk der Barbaren gilt. Das lässt vermuten, dass ihr nicht von hier seid.“ Etwas mühsam erhob er sich schließlich und kam zu den beiden Männern herüber und setzte sich kurzerhand mit an ihren Tisch. „Setzt euch. Ich gebe euch einen aus. Seht es als Wiedergutmachung. Währenddessen könnte ihr mir ja erzählen woher ihr eigentlich kommt.“ Das war seine Art und Weise mit dieser Situation umzugehen. Bestellen würde er allerdings Würzwein.

    Solange es sein Geldbeutel noch her gab sprach ja nichts dagegen, dass Scipio seiner liebsten Tätigkeit dieser Tage nachging und sich stundenlang in einer Taverne aufhielt und trank. Wie konnte man auch sonst den Problemen des Alltag entfliehen?
    Er saß also schon eine Weile in der Taverne, alleine, denn seine Sklaven hatte er angewiesen vor der Tür zu warten. Es konnte sich ja nur um Stunden handeln, das waren sie schließlich auch schon von ihm gewöhnt.
    Er hatte bereits seinen Appetit gestillt und trank noch an seinem Verdauungsweinchen, einem recht leichten Trunk, und beobachtete die Menschen in der Taverna. Eigentlich war er auf der Suche nach der ein oder anderen Dame, die es wert gewesen wäre sie anzusprechen, aber bis auf eine bucklige Alte und eine spitzmausgesichtige "Person" gab es nichts anderes weibliches hier zu finden, weshalb er wohl nicht mehr all zu lange bleiben würde.
    Gerade als er wieder einmal an seinem Wein nippte kam ein neuer Schwung Gäste in die Schankstube, der gleich am Nebentisch platz nahm. Zu allem Überfluss bestellten sie auch noch Bier. Bier. Und das hier in Rom. In der Provinz hätte er es verstanden, aber nicht hier. "Das ist jetzt aber nicht euer Ernst, oder?", beschwerte er sich daher ein wenig.

    Von der porta kommend, schöne weibliche Rundungen im Visier, erreichte Scipio endlich einen Raum, der seinen Vorstellungen entsprach. Köstlichkeiten sowie Sitzgelegenheiten waren vorhanden, das Einzige was er wahrnahm und was im Moment auch wichtig für ihn war, und so ließ er sich ächzend in einen bequemen Sessel fallen. Und so musterte er, jetzt wo er sich ganz auf sein Erleben konzentrieren konnte, erst einmal seine weibliche Bedienerin und fand den Anblick doch recht ansehnlich, wenngleich auch nicht atemberaubend. Es gab durchaus hübschere Frauen, aber für ihn war eine Frau ohnehin nur so viel wert, wie gut sie ihn befriedigen konnte. Er konnte sich aber gut ein schnelles Zusammengehen mit ihr vorstellen. Maximal eine halbe Stunde, das musste reichen. Vielleicht ja später. Bestimmt sogar. Er hatte zwar heute schon, aber je öfter, desto besser.
    Und dann sprach sie. Fast hätte er gelacht, als sie ihn fragte welchen Wunsch sie ihn denn erfüllen könnte und hätte die Tunika hochgezogen. Stattdessen antwortete er nur: "Bring Wein und beehre mich mit deiner Gesellschaft." Erst einmal trinken dachte er sich nur. Obwohl... Nein. Das Opium lief ihm ja nicht davon. Das konnte er auch später noch anfordern.
    Schon jetzt dachte er nicht mehr daran, warum er eigentlich hier war, geschweige denn, dass er verlangt hatte von jemandem empfangen zu werden und diese_r Mensch wohl alsbald im tablinum aufschlagen würde.

    Die ganze Angelegenheit war Scipio wie eine Ewigkeit vorgekommen, dauerte sie doch nur wenige Minuten. Seine Kehle war trocken, es dürstete ihm nach dem kühlen Saft der Reben und er hatte das Gefühl aufzufallen, wenn er noch länger hier vor der Tür stehen musste. Er durfte nicht auffallen. Niemals. So schlimm der Zustand auch war. Niemand durfte davon erfahren.
    Endlich wich der Schatten und gab den Blick ins Innere des Hauses frei. Der erste Schritt war geschafft, weitere Schritte würden sogleich folgen. Kritische Schritte, denn er hatte das Gefühl, dass der Afrikaner ihn genau beobachtete. Wusste er? Würde er noch misstrauischer werden? Er durfte nicht auffallen und konzentrierte sich daher darauf besonders zielstrebig, aufrecht und gerade zu laufen und genau das wurde ihm zum Verhängnis. Direkt neben dem Afrikaner machte er einen kurzen Ausfallschritt und rempelte ihn erst einmal leicht an, ehe er von einem seiner Sklaven am Arm gepackt wurde und wieder in einen sicheren Stand gezogen wurde. "Dieser Boden ist aber auch glatt!", schimpfte der Sklave gut einstudiert und begleitete Scipio erst einmal noch ein Stück an der Seite, jederzeit bereit wieder einzugreifen. Er kannte ja seinen Herrn.


    Scipio kam das Ganze so unwahr vor, genau wie die Schönheit, die jetzt auf ihn zu kam und sich wohl weiter um ihn kümmern sollte. Leider wohl nicht so, wie er sich das Ganze vorstellte. Er ließ also seine Sklaven stehen und folgte ihr im engen Abstand ins Tablinum. Natürlich nicht ohne ihr ein paar mal grinsend in den Hintern zu kneifen.

    Der Sklave, der eben geklopft hatte, blickte sich unruhig um. Er war nervös. Hoffentlich würde sich sein Herr einigermaßen anständig benehmen. Er hatte keine Kenntnis in wie weit sein dominus klar bei Verstand war, zumal er soeben einen weiteren Schluck aus dem Weinschlauch nahm und sich den Mund abwischte. Er war fast dankbar darum, dass der Weinschlauch wieder unter den Gewändern seines Standesgenossen verschwunden war, ehe sich die porta schließlich öffnete und ein bulliger Afrikaner zum Vorschein kam.


    "Mein dominus, Nero Aurelius Scipio, bittet...", begann der Sklave, ehe er lautstark von seinem Herrn verbessert wurde.
    "Er verlangt!", warf Scipio mutig ein. Noch blieb es beim aufflammenden Mut, beseelt vom Alkohol. Bitten würde er noch früh genug, aber keinen Sklaven.
    "...verlangt um Eintritt und darum empfangen zu werden.", beendete der Sklave schließlich und blickte den Afrikaner mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck an. Dienst war schließlich Dienst und für seinen Herrn war der Wein.

    Rom hatte ihn also wieder. Eigentlich war dieser Fakt bereits einige Tage alt, so lange weilte er nämlich schon wieder in der Stadt, allerdings ließ es sein Zustand erst jetzt zu, dass er den Gasthof verlies, in dem er sich eingemietet hatte. Die dortige Fülle an Weinen, die man den Gästen anbot, hatte ihn schier überfordert, so dass er nach mehreren Tagen des exzessiven Weinkonsums – er vergaß leider des Öfteren was er schon alles probiert hatte – erst einmal zwei Tage benötigte bis er wieder halbwegs gerade laufen und sprechen konnte. Erst einen Tag später, als er sich wirklich sicher war, dass er nicht auffallen würde, besser gesagt sich der Dämon in ihm, der stetig nach noch mehr Wein verlangte, beruhigt hatte, hatte er sich schließlich mit zwei Sklaven im Schlepptau auf den Weg zum Stammsitz seiner Familie gemacht.
    Es war noch gar nicht so lange her, dass er das letzte Mal den Weg dorthin angetreten war. Das war vor dem Bürgerkrieg gewesen und vor den vielen Entscheidungen, die er getroffen hatte und die ihn nun in eine schwierige Situation gebracht hatten. Es war also kein einfacher Gang für ihn, es war eher ein Bittgang, um wieder in den Schoß der Familie zurückkehren zu dürfen. Es war im Grunde seine letzte Chance, wenn er seiner Familie und sich selbst keine Schande machen wollte. Er, der Lebemann, der bisher auf eigene Faust gelebt hatte, unabhängig, sein eigener Herr, er musste nun den Bittsteller spielen und um Hilfe bitten. Hilfe, um wieder auf die Beine zu kommen. Fast hätte er sich noch etwas Mut auf dem Weg zur Villa angetrunken, aber seine Vernunft, die langsam mit zunehmendem Alter zurückkehrte, war stärker. Danach war schließlich auch noch genug Zeit der Lust zu frönen.
    Es war ein etwas längerer Weg gewesen, den er jedoch zu Fuß gegangen war und der ihm geholfen hatte wieder klarer zu werden, nachdem er sich auf halber Strecke dann doch entschieden hatte einen Wegtrunk aus dem Weinschlauch zu nehmen, den einer seiner Sklaven immer mit sich zu tragen hatte. Trotz alledem merkte man ihm von seiner leichten Trunksucht, die ihn seit kurzer Zeit begleitete, nichts an. Er sah nach wie vor gut aus, vielleicht besser denn ja. Die Kleidung saß perfekt, die Frisur eh, das bestätigte ihm auch noch einmal einer seiner eingeschüchterten Sklaven, ehe er mit einem Wink dem anderen die Anweisung gab an der Porta zu klopfen.

    Wie erwartet fuhr die Alte aus dem Schlaf, schließlich wurde sie ja auch nicht sonderlich sanft von ihm geweckt, warum auch? Er verachtete sie und grinste, als sie zu schimpfen begann, ohne zu wissen wer denn neben ihrem Bett stand. Genau so kannte er sie, schimpfend, doch heute Nacht wirkte das Ganze einfach lächerlich, was wohl daran lag, dass heute alle Macht bei ihm vereint war. Sie war ihm schutzlos ausgeliefert. Die Sklaven waren tot und sie war wehrlos, alt und schwach.
    Dann erkannte sie ihn endlich im spärlichen Licht, dass der Mond spendete und er begann finster zu Lachen. Oh wie befriedigte ihn doch dieser Augenblick. All die Jahre hatte er es sich ausgemalt wie es wohl war es ihr heim zu zahlen, einfach etwas zu tun, das sie nicht verhindern konnte. Nun stand er hier und fühlte sich mächtig. Es erregte ihn und war so ganz anders als mit den Lupae. Bei denen hatte er nur die Macht über ihren Körper, nun hatte er die Macht über Leben und Tod, etwas das sich besser anfühlte als jeder Rausch den er sich je angetrunken hatte.
    „Ja, ich. Wer sonst? Hast du mich vermisst?“, meinte er spöttisch und zeigte ihr sein breites Grinsen, was sie allerdings nicht sehen konnte, aber erahnen. „Ach, mit Geld lassen sich genügend Männer anheuern, die einem jede Tür öffnen, aber das ist nicht weiter wichtig.“, erklärte er ihr gehässig und schwenkte sein Gladius leicht hin und her. Es zuckte ihm schon in den Fingern. Nur zu gerne hätten sie den blanken Stahl in ihren Leib gebohrt, aber das wäre ein zu schnelles Vergnügen gewesen. Er wollte etwas Spaß mit ihr haben und würde es hinauszögern. Sie sollte leiden und er würde sich an ihrem Leiden ergötzen!
    Wieder lachte er, dieses Mal noch finsterer. Sie war so erbärmlich wenn sie glaubte sie könnte ihn einfach so hinausscheuchen so wie sie es früher gewesen. Damals war er noch Kind gewesen, schwach. Aber nun war er ein Mann, stark und mächtig. Dass sie es überhaupt in Betracht zog einem Mann überlegen zu sein zeigte doch wie naiv sie war. „Ich denke nicht, dass du dich in einer Situation befindest, in der du irgendetwas befehlen kannst.“ Wenig später presste er auch schon die Spitze seines Gladius an ihre verschrumpelte Haut. Nun würde sie wohl nicht mehr die große Klappe haben.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sie nach ihrem Stock tastete, der schon einmal sein Schienenbein getroffen hatte, was überaus schmerzhaft war. Doch dieses Mal nicht. Er war schneller und kam ihr zuvor. Triumphierend hielt er den Stock mit der freien Hand in die Höhe und lachte erneut. „Suchst du den hier?“ Locker warf er den Stock weiter ins Rauminnere.
    „Und? Wie fühlt es sich an wehrlos zu sein? Ja, das bist du! Von meiner Gnade abhängig! Aber ich will mal nicht so sein… Gut, ein Spaßverderber möchte ich auch nicht sein und dir die ganze Überraschung verderben, vielleicht kannst du es dir ja auch denken. Du wirst heute Nacht sterben, genau wie jede andere Seele die dieses Haus bewohnt.“, erklärte er ihr kühl und gab ihr bereits einen Einblick was kommen würde. Wieso sollte er sie lange zappeln lassen, wenn es doch befriedigender war, wenn sie sich unterwarf, vor ihm kroch und um Gnade winselte.
    „Bevor du protestierst oder, was ich zwar nicht glaube, um dein Leben flehst, so sei gesagt, dass ich keine Gnade zeigen werde, genau wie du einst mit mir. Ich verachte dich und heute Nacht werde ich mich dafür rächen, dafür dass du mein Leben zerstört hast, aber das weißt du ja und beziehst dein Vergnügen daraus. Oder hast es getan.“ Wieder lachte er und presste ihr das Schwert noch ein wenig fester an den Hals. „So, nun darfst du reden! Fleh um dein Leben, Miststück, genau wie es deine Tocher getan hat! ‚Buhuhu! Du bist doch mein Bruder, buhuhu.‘ “ Zugegeben, das war gelogen, aber lügen konnte er und das ziemlich gut. Sie sollte leiden und er wusste auch wie, nämlich wenn siie verlor was ihr lieb und teuer war.

    Der Tod des Kaisers hatte im Wesentlichen eines bewirkt: das Chaos. Und die so genannte Ausgangssperre hatte das Problem in keinster Weise eingeschränkt, sondern die Krise nur noch mehr verschärft. Menschen flohen und die Kriminalität breitete sich scheinbar ungestört aus, denn die Soldaten der Stadtkohorten hatten genug damit zu tun die öffentlichen Plätze und wichtigen Gebäude der Stadt zu sichern. So konnte manch Dieb und Mörder sein Werk ungestört und straffrei verrichten. Das Ganze brachte Scipio auf eine grandiose Idee, aus der er unter Alkoholeinfluss einen ordentlichen Plan schmiedete. Vielleicht war jetzt die perfekte Zeit gekommen um Rache zu nehmen.
    Bereits am nächsten Morgen schlich er sich aus der Herberge, in der er nun schon eine ganze Weile Quartier bezogen hatte und begab sich in die Subura. In diesem stinkenden, dreckigen und abstoßenden Stadtteil, dem Wohnort der Armen und Gauner, würde er genau die richtigen Leute finden, um seinen Plan auszuführen. Er begab sich also so tief in die Subura, wie sich wohl noch kein Patrizier hereingetraut hatte und nach einigem Suchen und Nachfragen (Geld erleichterte die ganze Suche enorm), fand er schließlich eine schäbige Taverne in der es furchtbar stank und in der es nur so von zwielichtigen Gestalten wimmelte, die trotz der Ausgangssperre ihr weniges Geld verflüssigten. Ja, bei diesem Gaunerpack war er richtig. Ungeachtet ihrer Blicke ging er zum Tresen und bestellte erst einmal einen Wein. Natürlich war das mehr ein gestreckter Fusel, furchtbar im Geschmack, aber er trank ihn und kam ins Gespräch mit einem dieser Männer. Manius Cadius Nepos hieß er wohl und stank zum Himmel. Ob es nun der faulige Gestank aus seinem beinahe zahnlosen Mund war oder der beißende Geruch von altem Schweiß, war dahingestellt. Er erläuterte ihm seinen Plan und machte ihm auch den Gewinn schmackhaft, der auf sie wartete wenn sein Plan aufging. Gegen eine gewisse Summe, die Scipio ihm dann als Zuwendung übergab, willigte er schließlich ein. Das erste Mal in seinem Leben hatte Scipio so Männer rekrutiert. Ein gutes Dutzend Halsabschneider und Tagediebe, aber sie waren wie geschaffen für seine Zwecke. Nur am Geld interessiert und zu allem bereit.


    Einen Tag später traf Scipio schließlich das erste Mal auf seine „Privatarmee“. Natürlich vor der Stadt, denn innerhalb wären sie schon längst gestellt worden. Es war ohnehin ein Wunder, dass sie es aus der Stadt geschafft hatten, aber wieder öffnete ein praller Geldbeutel die Türen und verschloss Augen, Ohren und Mund. Jeder war käuflich, man musste nur den richtigen Preis zahlen.
    Er hatte Vorbereitungen getroffen und bereits außerhalb der Stadt Pferde und Proviant bereitstellen lassen, denn der Weg war weit. Tarentum war das Ziel.
    Es dauerte mehrere Tage, dann endlich kam die Stadt in Sichtweite. Bis hierhin war es ein schwerer Weg gewesen, denn er hatte darauf bestanden, dass sie unentdeckt blieben und so hatten sie die gut ausgebauten Straßen gemieden und lediglich Feldwege genutzt. So waren zwar einige Tage vergeudet worden, aber darauf kam es nicht an. Sie hatten Zeit. Auch jetzt noch, denn sie mussten warten bis es dunkel wurde. Die Zeit würden sie auch nutzen und Kräfte sammeln für ihr Vorhaben.
    Nach einigen Stunden fing es allmählich zu dämmern und so machten sie sich wieder auf den Weg. Das Ziel war nicht die Stadt selbst sondern ein Landgut in der Nähe. Er kannte es nur zu gut, denn es gehörte seiner Stiefmutter, der Frau, der er ewige Feindschaft geschworen hatte und an der er sich heute Nacht rächen würde. Als es schließlich Nacht war erreichten sie ihr endgültiges Ziel.
    Bereits weit vom eigentlichen Haus entfernt stiegen er und seine Männer von den Pferden ab und zogen den blanken Stahl, den sie bisher sorgsam verborgen hatten. Scipio selbst hatte einem alten Legionär dessen Gladius abgekauft. Es war nichts Besonderes, ziemlich schartig, aber es würde noch einmal seinen Dienst tun.
    Geduckt näherten sich die Männer der Eingangstür, die natürlich fest verschlossen war. Aber Scipio kannte noch einen anderen Eingang. Da gab es eine Seitentür. Und durch diese drangen sie auch ein. Direkt in die Unterkünfte der schlafenden Sklaven. Dort begannen sie ihr blutiges Werk und stachen einen nach dem anderen im Schlaf ab. Sie sollten ihnen nur keinen Ärger machen…
    Während die Männer sich durchmordeten schritt Scipio zielgerichtet in Richtung des Schlafzimmers seiner Stiefmutter. Das schartige Schwert blitzte im Dämmerlicht der Öllampen, die etwas Licht ins Dunkel brachten. Langsam öffnete er die Tür und schloss sie ganz sachte wieder hinter sich. Seine Stiefmutter schlief tief und fest in ihrem Bett. Er konnte den alten Drachen im Mondlicht sehen, das schwach durch das Fenster schimmerte. „Wach auf, Alte!“, befahl er lautstark und trat mit voller Wucht gegen das Bettgestell.

    "Er war auf jeden Fall unachtsam.", schloss er und fühlte sich darin bestätigt, dass alles die Schuld des Blonden war. Ob Vorsatz oder nicht war dahingestellt.
    Es dauerte nicht Lange und das neue Getränk fand den Weg zu ihm. Natürlich griff er sofort zu und trank den Frust weg. Zumindest war es seine Absicht.
    "Dafür habe noch nicht genügend getrunken.", antwortete er mürrisch, nachdem er seinen Becher auf einen Zug geleert hatte. Seine Stimmung war immer noch auf dem Tiefpunkt. Dieser Blonde hatte ihm den Tag verdorben. Knallend stellte er den Becher schließlich wieder ab und wischte sich den Mund am Arm ab. "So. Jetzt können wir gehen."

    Schweigend sah er endlich mit an wie der Kerl sich mit seinem Wachhund (oder was das auch immer war) wieder vom Acker machte und seine Züge entspannten sich wieder. Im Grunde war das wie bei einem Hund an dem man einen anderen Hund vorbeiführt. Der Hund hält auch erst wieder die Schnauze, wenn der Konkurrent ums Revier wieder ausser Sicht ist.
    Beinahe schon zufrieden nahm er zur Kenntnis, dass Sontje wieder neben ihm Platz genommen hatte."Ich zieh ne saure Miene? Na hör mal, wenn er aufpassen würde wo er hintritt, dann wäre gar nichts passiert." Ja, ein Trampel war das. Wollte nur beachtet werden und ungestört flirten. Ha, aber nicht mit ihr. Sie konnte er nicht abschleppen, denn er hatte sie bereits am Haken und er würde sie sicher so schnell nicht wieder von der Leine lassen.
    Natürlich wollte Sontje nun gehen, wahrscheinlich um noch einmal den Blonden zu sehen, aber nicht mit ihm. Er bestellte sich lieber noch etwas zu trinken. Später konnte man ja auch noch gehen. "Nein. Erstmal brauch ich noch was zum Trinken. Auf den Schreck... Damit sich das wieder setzt."

    Immer mehr fühlte er sich wie ein abgestelltes Möbelstück, das irgendwie fehl am Platz war. Dabei war er das nicht einmal sondern dieser blonde Mistkerl, der sich offensichtlich an sein Liebchen heranmachen wollte. Oh wie er ihn hasste. Am Liebsten hätte er ihm einfach seinen Becher an den Kopf geknallt, sein Weib gepackt und aus der Taverne gezerrt, aber das hätte gewiss zu viel Aufsehen erregt und er hätte sich seine Finger an diesem Mistkerl schmutzig gemacht.
    Leider konnte er nichts weiter tun als abwarten, zu hoffen, dass sie sich nicht in den wesentlich jüngeren Mann verguckte und in aller Stille seinen Wein zu trinken. Und wie er ihn trank. Er biss vor Wut auf den Rand des verfluchten Bechers. Unruhig rutschte er hin und her und auch Sontjes Versuch ihn zu beruhigen ging spurlos an ihm vorrüber.
    Wieder nahm er den Becher in die Hand und umfasste ihn hart.

    Es war ihm ein leidiges Thema und er hatte eigentlich auch gar keine Lust darüber zu Reden, denn die Alte war es nicht wert, dass er sich ihretwegen aufregte. "Nein.", meinte er daher leicht gereizt. Zu seinem Leidwesen beschwor Sontje auch noch eine Versöhnung, aber das kam ihm nicht in die Tüte, zumal die Alte auch nicht seine Mutter war. "Sie ist nicht meine Mutter, sondern meine Stiefmutter.", berichtigte er sie daher.
    Endlich entschuldigte sich der Tölpel auch bei ihm und er winkte ab. "Schon in Ordnung. Ist ja nichts passiert.", spielte er die Sache herunter, der Abend war schließlich ruiniert, und winkte ab, wohl in der Hoffnung den Blonden dadurch schnell loszuwerden. Aber das Gegenteil war der Fall und dieser Schwächling begann größtes Leid zu simulieren und Sontje fiel auch noch darauf herein. Ehe er sich versah saß er etwas abseits und total fehl am Platz am Rande des Geschehens, seinen Becher Wein in der Hand, die Arme verschränkt und mit einem genervten Blick und musste ansehen, wie seine Freundin sich um diesen blöden Kerl kümmerte.

    Ein bisschen schwer war sie ja schon von Begriff, schließlich hatte er es doch schon mindestesn einmal erzählt gehabt, dass er eine Schwester hatte, die wiederum eine Zwillingsschwester gehabt hatte. "Hatte. Jetzt ists nur noch eine.", korrigierte er sie. Im Grunde war ihm seine Schwester nachwievor egal.
    "Nur so viel: Ich war ihr immer ein Dorn im Auge und sie mir.", beschönigte er dann noch sein gestörtes Verhältnis zu seiner Stiefmutter, die ihm im Grunde von Anfang an nicht hatte leiden können. Warum war ihm nicht ganz klar.
    Zu mehr kam er nicht, denn der Blonde machte ihm mit seiner Ungeschicklichkeit alles zunichte. Nachdem der sich nämlich nach seinem Sturz wieder aufgerappelt hatte, hatte er nur noch Augen für Sontje und entschuldigte sich offensichtlich nur bei ihr, was ihn etwas störte. Er war der Mann und eigentlich hatte er sich bei ihm zu entschuldigen, nicht beim Weib neben ihm. Überhaupt fühlte er sich etwas fehl am Platz und nippte beleidigt an seinem Wein, während dieser Kerl sich an seine Freundin ranmachte.

    "Naja, ich habe einen Bruder, der ist tot, und zwei Schwestern, Zwillinge, von denen eine auch tot ist. Und die die noch lebt brauchst du nicht zu beneiden. Sie ist wie ihre Mutter. Gott wie ich sie hasse.", erklärte er ihr und versuchte ihr etwas den Neid zu nehmen. Im Grunde war der Neid ohnehin unangebracht, denn wenn er an seine Schwester dachte, dann dachte er unweigerlich an seine Stiefmutter und wie die ihre Tochter im Griff hatte. Wie er diese alte Schrulle hasste. Die aufsteigende Wut musste er erst einmal mit einem riesigen Schluck Wein herunterspülen.
    Nebenbei schmierte sie an ihm herum, was er alles andere als unangenehm empfand und so merkte er nicht, dass sie dem Typen vom Nachbartsich Blicke zuwarf. Hätte er es bemerkt, dann hätte er ihr schon gezeigt wo der Hase lang ging und eine Frau sich gefälligst zu fügen hatte und nicht andere Kerle ins Visier zu nehmen hatte. So aber genoss er einfach nur ihre Nähe und seinen Wein.
    Wahrscheinlich hatte der Typ vom Nachbartisch dann doch genug von ihm und Sontje und machte sich gemeinsam mit seinem Begleiter zum Aufbruch bereit. Ihm war es ganz Recht, denn so war der Blick wieder frei auf die Schönheit einen Tisch weiter, der man so schön in den Ausschnitt sehen konnte.
    Mit seinem Becher am Mund sah er den Beiden zu, wie sie die Taverne verlassen wollten und auch wie der Kleinere von Beiden rasch in ihre Richtung stürzte. Eine Respektbekundung war dies offenbar nicht. "Na Na! Nicht so stürmisch!", tadelte ihn Nero daraufhin einfach nur. Und nahm noch ein Schlückchen Wein hinterher.