Im Triclinium wartete bereits Rufina auf ihre Tochter, unruhig umherlaufend. Sie war ein wenig aufgeregt und besorgt, aber das dürfte Lentidia auf gar keinen Fall merken! Also musste ihre Mutter sich bemühen dominant zu sein und sich keine Unsicherheit anmerken lassen.
Als Rufina Schritte hörte blieb sie stehen und wandte sich der Richtung zu, der die Schritte kamen.
"Lentidia, lass dich umarmen!" rief Rufina mit plötzlich aufgesetztem Lächeln, breitete die Arme aus und ging ihrer Tochter ein paar Schritte entgegen. Die immer noch genervte Lentidia setzte natürlich auch ihr freundlichstes Lächeln auf und schloss ihre Mutter in die Arme, über ihre Schulter sah sie das frische Obst auf dem Tisch zwischen den Klinen. "Oh, wie schön! Was wollte Rufina bloß? Bald würden sie doch zusammen mit Lentidias Geschwistern schon zu Abend essen, gab es also etwas wichtigeres? "Bitte nimm doch Platz mein Kind, koste von dem Obst."
Das ließ sich das Mädchen natürlich nicht zwei mal sagen und legte sich auf eine Kline, ließ sich ein paar Früchte anreichen und genoß es. Denn, so wie es schien, gab es etwas zu besprechen und das gefiel ihr. Es gefiel ihr immer, wenn sie im Mittelpunkt stand. Aufgeregt schaute sie ihre Mutter mit großen Augen an.
Rufina hatte vor lauter Aufregung, die sie aber noch unter der Haut verstecken konnte, rührte sie selbst das Obst nicht an, sondern begann sofort "Wie wunderschön du bist Lentidia, es erfreut mein Herz mit Freude, dass du zu so einer jungen Dame herangewachsen bist. Wenn dein Vater dich so sehen könnte.." die letzten Jahre Lentidias Entwicklung hatte Marcus nämlich nicht mehr erlebt, da die Parzen seinen Lebensfaden nach seinem Schlaganfall bis zur letzten Sehne immer hatten dünner werden lassen, bis er letztendlich gerissen war. Lentidia fühlte sich natürlich sehr geschmeichelt, obwohl ihre Äußere Erscheinung nichts neues für sie war. Sie wusste wie sie aussah und vor allem das sie wunderschön aussah. Die Männer in Mantua konnten ihre Augen nicht von ihr abwenden, wenn sie dort aus Langeweile auf der Jagd nach den neuesten, modischen Sachen war.
Und wie sie es sich gedacht hatte: sie stand im Mittelpunkt. Sich immer noch an den Früchten bedienend, genoss sie die Schmeicheleien und hörte ihre Mutter weiter zu.
"Du kennst doch deinen etwas entfernteren Cousin Aurelius Ursus in Mantua, nicht wahr?" fing sie gemächlich an, ihre Sache auf den Tisch zu bringen. Ohne eine Antwort oder ein Nicken abzuwarten fuhr sie fort "Er hat als Senator und Legat einer Legion viele politische, vermögende und gönnerische Kontakte.." fing sie an zu erklären. ".. es wäre ein leichtes für ihn, dich in die römische Gesellschaft und schon bald darauf auch in die Gesellschaft Roms selbst einzuführen." Lentidias Augen wurden groß vor Neugier und ihre Lächeln wurde breiter. "Das klingt ja aufregend! entgegnete sie entzückt. "Du bist langsam alt genug, mein Kind. Du solltest zu deinem Cousin gehen, schließlich brauchst du auch bald einen Ehemann an deiner Seite, welchen besseren Ort und welchen besseren Zeitpunkt gäbe es?" fragte Rufina geschickt ihre Tochter.
Lentidia rutschte mit ihren Beinen hin und her und stützte sich mit ihrem Arm etwas höher "Einen Ehemann?" nicht, dass sie den Gedanken befremdlich fand, sie hatte schon damit gerechnet, dass sie schon im heiratsfähigen Alter war und nicht ewig auf diesem Landgut bleiben würde, aber bis jetzt war die Möglichkeit noch nie so nah gewesen. Ein Mann an ihrer Seite, ein stattlicher, gutaussehender Mann mit weitem politischen Ruf und natürlich einem großen Vermögen! Eine Villa in Rom! Lentidias Augen glänzten. Über Gefühle, die man gegenüber einem Mann entwickeln konnte oder eben nicht, dachte sie in diesem Moment überhaupt nicht nach. Zu sehr ließ die Chance auf mehr Luxus ihre Augen funkeln.
Rufina merkte, dass sie ihre Tochter geschickt auf den Weg gebracht hatte, also brauchte sie nicht mehr abzuwarten, um ihr ihre Vorhaben offen zu legen.
"Mein Kind, du wirst nach Mantua gehen.. und das schon morgen früh!" ein Stein fiel ihr vom Herzen, jetzt hatte sie alles gesagt und es würde sie doch erheblich wundern, wenn ihre Tochter sich weigerte. "Oh Mutter!" rief Lentidia aufgeregt, stand von ihrer Kline auf und ergriff Rufinas Hände "Morgen schon! Aber ich habe doch noch gar nichts gepackt? Was nehme ich denn alles mit?" sprudelte es aus ihr raus. "Mache dir keine Sorgen mein Kind. Mantua ist doch nicht weit entfernt, nehme erstmal das mit was du brauchst, ich werde dir deine Sachen nach und nach mit einem Wagen schicken lassen." fest griff sie die Hände ihrer Tochter. Eine Träne unterdrückte sie. Morgen würde sie also fort gehen und auch wenn es nicht weit entfernt war wusse sie doch, dass sie nicht ewig in Mantua bleiben würde, sondern spätestens von Ursus nach Rom geschickt werden würde, wenn sich die zivilen Ausschreitungen und der Aufruhr gelegt hätte. "Komm." drückte sie die Hände ihrer Tochter gleichzeitig, .. ich helfe dir beim packen. Du solltest deine schönsten Kleider mit dir nehmen, wenn du von Ursus in die Gesellschaft eingeführt wirst." Man konnte gar nicht sagen, was mehr strahlte, Lentidias Augen oder ihr erfreutes Lächeln.
Endlich kam sie unter die Leute, sie würde Frauen in ihrem Alter kennen lernen, immer den neuesten Tratsch und Klatsch hören, Männer würden sich an ihr satt sehen, sie würde bewundert werden, im Mittelpunkt stehen! Und das alles an der Seite ihres Cousins Ursus, jedenfalls solange wie sie in Mantua blieb.
Erfreut verließen beide das Triclinium.
Rufina war ein Stein vom Herzen gefallen und
Lentidia war mit ihren Gedanken schon bei noch mehr Wohltstand und Ansehen.