Beiträge von Gaius Artorius Regulus

    Wie zu erwarten konnte der angetrunkene Regulus die Kontrolle nicht lange behalten. Schnell befreite sich der unbekannte Legionär wieder aus seiner Lage, während der Artorier dabei etwas zur Seite kippte und sich nur mühsam fangen konnte. In der Tat, er hatte wohl keine Chance, zum Kampf war er wahrlich nicht in der Verfassung und auch den eben für einen Moment erlangten Vorteil konnte er sich nur durch die Unachtsamkeit seines Gegenüber verschaffen. Dennoch galt es hier keine Schwäche zu zeigen, solange die Sklavinnen nicht bei der Aurelia waren. Immerhin nannte der Mann seinen Namen, wer hätte das schon getan, wenn er womöglich bei seinen Vorgesetzten angeschwärzt werden würde? Das natürlich unter der Voraussetzung, dass der Mann die Wahrheit sprach. Regulus jedenfalls brachte sich in eine möglichst aufrechte Position und bemühte sich nicht allzu Betrunken auszusehen. "Und, ob ich eine Chance hätte", sprach er mit gespielter Selbstsicherheit "Ich bin Gaius Artorius Regulus, Legionarius der II. Legion" Der Artorier musste über den Vorschlag nachdenken, denn er war äußerst misstrauisch gegenüber jemandem, der ihn gerade noch hinterhältig angegriffen hätte. "Welches Interesse hättest du denn schon mir zu helfen? Mich erst niederschlagen und mir dann die Hand reichen zu wollen, das kann es ja wohl nicht sein! Ganz abgesehen davon: Glaubst du wirklich wir können hier einfach so mit dem Wagen von Lager zu Lager fahren? Ich glaube nicht, dass das unsere Vorgesetzten toll finden, sicher gibt das nur Ärger." Der Artorier wusste selbst nicht genau welche Art von Ärger, aber irgendeinen Ärger gab es immer. Es schien ihm einfach ziemlich absurd einfach so einen Wagen zu entwenden, um damit Sklavinnen abzutransportieren. Aber da sprach wohl auch seine typisch pessimistische Art aus ihm. Wahrscheinlich hätte er am Ende ohnehin keine Wahl, als das Wagnis einzugehen. Was blieb ihm schon anderes übrig?

    Unbeobachtet lag der Artorier immer noch ruhig da, langsam konnte er seine Gedanken wieder einigermaßen sammeln. Was redeten die da? Verdammt, dachte er sich nur, wie viel musste er noch durchleiden. Hatte ihn dieser Legionär wirklich niedergestreckt? Unabhängig von seinem Auftrag konnte er das nicht auf sich sitzen lassen und verstärkt wurde seine Angst dadurch, dass diese Aurelia sicher sehr mächtig und einflussreich war. Wenn er also ihre Sklavinnen zugrunde gehen lassen würde, hätte er sicher nie wieder etwas zu lachen in der Legion. Allein dies brachte Regulus dazu zu handeln. Er musste das hier irgendwie noch hinbekommen und gerade jetzt hatte er vielleicht noch eine Chance. Der ihm fremde Legionär war erst mit dem Kiste durchwühlen und dann mit der Unterhaltung beschäftigt. Wenn der Artorier noch etwas ausrichten wollte, musste es jetzt sein. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, biss die Zähne zusammen und sprang auf, dem Legionär entgegen und stieß ihn mit aller Kraft in den Rücken, so dass er zu Boden ging. Regulus setzte noch einmal mit einem kräftigen Tritt nach und platzierte danach seinen Fuß auf dem Körper Feindes, der eigentlich sein Kamerad sein müsste. "Duuu... mach jetzt keine falsche Bewegung! Ich kenne jetzt dein Gesicht, ja, ganz recht! Wenn du es wagst dich nochmal zu erheben, werd ich von dem Vorfall berichten. Für den tätlichen Übergriff auf einen Kameraden fliegst du glatt unehrenhaft aus der Legion!" Das sagte der Artorier mal einfach so. Bedauerlicherweise war er immer noch ziemlich wacklig, nicht nur aufgrund des Schlages, sondern besonders aufgrund des Alkohols, den er inzwischen intus hatte. Er wandte sich an die Sklavinnen: "Eure Herrin erwartet euch, ich soll euch zu ihr bringen. Kommt besser mit mir, bevor euch noch was passiert." Regulus deute auf den Ausgang des Wagens. Er konnte nur hoffen, dass die Sklavinnen genug Vernunft hatten, auf ihn zu hören und auch dass dieser Kerl unter seinem Fuß genug Vernunft hatte die Füße still zu halten. Was für ein furchtbarer Tag, dieser ganze Stress und alles nach einer so nervenaufreibenden Schlacht. Am liebsten hätte sich Regulus wohl irgendwo in die Ecke gesetzt und geheult, so stark geheult wie Madarus, doch er konnte das jetzt nicht, auch wenn die Melancholie in ihm unter Weineinfluss stark anwachsen konnte und man die Betrübnis trotz der starken Worte unterschwellig mithörte. Er musste nur noch ein wenig durchhalten, hoffen, dass bald alles vorbei ist...

    Das gesamte Heer war angetreten (zumindest, was davon übrig war). Immer noch sahen die Gesichter, in die man blickte, recht geschunden aus. Ganz besonders das vom Centurio. Ob den wohl je wieder eine Frau richtig ansehen würde? Aber immerhin schien die Schwellung schon etwas nachgelassen zu haben. Regulus genoss die Rede des Flaminiers, wie er überhaupt alle einfachen Tätigkeiten, wie diejenige, einem alten Feldherrn zuzuhören. Schließlich war es alles andere als anstrengend und der Artorier wusste das ganze Drumherum außerhalb einer Schlacht nun richtig zu schätzen. Im Frieden zusammenzustehen war einfach so entspannt, dass man im Grunde für jeden Augenblick dafür dankbar sein musste.


    Regulus rechnete eigentlich mit nichts, er war ein Jüngling, jemand der gerade vor dem Abmarsch aus Mogontiacum zum Legionär gemacht wurde, viel früher als viele andere und dafür wurde er auch von Seiten der Veteranen gern belächelt. Seine größte Auszeichnung war eigentlich das Überleben, denn das hätten ihm viele sicher nicht zugetraut - er sich selbst im Übrigen auch nicht. Von daher war er schon sehr stolz auf die Phalera, die eigentlich jeder zu bekommen schien. Es war ein nettes Andenken an die Schlacht, die nun gewonnen war und die sicherlich eine der wichtigsten Stationen im Leben des jungen Artoriers darstellte. Eines Andenkens hätte es jedoch zweifellos nicht gebraucht, werden ihn das viele Blut und die Schreie sicherlich noch in vielen Träumen verfolgen.


    Nun wurden die höheren Auszeichnungen verliehen und die Tribune machten sich daran die entsprechenden Männer aufzurufen. Einer davon blieb irgendwann vor ihrer Centurie stehen und fing an Namen zu nennen. Der Artorier konnte es nicht glauben. Hatte er gerade tatsächlich "Gaius Artorius Regulus" gesagt? Eine Armillae? Er sollte ein Armillae bekommen? Nach dem ersten Schockmoment, verwandelte sich der Mund von Regulus in ein stolzes Lächeln. Tatsächlich, er träumte nicht. Und dann rief er auch tatsächlich noch Madarus auf, der es offensichtlich noch viel weniger glauben konnte, als er selbst. Regulus musste ihn herauszerren, damit er seinen eigenen großen Augenblick nicht noch verpassen würde. Mit geschwellter Brust nahm Artorius seine Auszeichnung entgegen, er blickte auf seinen Centurio, Corvinus, dem er dies durch seine Ausbildung wohl ein wenig mit zu verdanken hatte. Mehr denn je fühlte er sich mit dieser Legion verbunden und es war für ihn wohl ein ganz besonderer Moment, denn zum ersten Mal, seit er sich entschied Soldat zu werden, ging es ihm durch Mark und Bein, dass er wohl doch zu etwas zu gebrauchen war.

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    Servius Obsidius Antias und Tilla Romania



    Ein Dröhnen ging dem Artorier durch den Kopf, als er völlig überraschend von hinten überwältigt wurde. Völlig benommen, was er ja durch den Alkohol irgendwie ohnehin schon war, fiel er zu Boden und rührte sich im ersten Augenblick kaum. Bewusstlos war er allerdings noch nicht. Den Schock musste er erst einmal überwinden und es wieder schaffen sich aufzuraffen. Für einen Moment verzweifelte der Artorier innerlich. Doch, was war das überhaupt für ein Kerl, der einen Kameraden niederschlug? War der Kampf Römer gegen Römer nicht schon vorbei? Bis dahin konnte er nur sehen, dass eine dieser Sklavinnen, die er holen wollte, bereits nach dem Dolch gegriffen hatte. Doch ob sich eine Sklavin gegen einen gierigen Legionär wehren konnte?

    Und stetig grüßt der Wein. Runde über Runde musste der Artorier überstehen, während die Gruppe manchmal irgendwo herumstehend, manchmal irgendeinen Blödsinn veranstaltend, einfach den Tag genoss. Keine Frage, die Laune konnte nicht besser sein Zum ersten Mal wurde der ganze Frust und die Schrecken der Schlacht einfach weggetrunken und Regulus stand mitten drin und konnte sich des Trinkens nicht erwehren. Inzwischen hatte er schon ernsthafte Probleme, denn so richtig gerade lief er keineswegs mehr und alles spielte sich sehr langsam vor seinem Auge ab. Den anderen Soldaten ging es aber keineswegs besser. Sie übten sich in kollektives Hinfallen, in obszönen Liedern und immer wieder beteuerter Kameradschaft. Immer wenn der Artorier versuchte sich irgendwie zu lösen oder zu bezeugen gedachte, dass er genug hatte und gehen musste, wurde er sofort wieder eingesammelt und ihm beteuert wie schön es doch hier sei und dass wir doch ewig weiterfeiern müssten. Nein, hier konnte er nicht unauffällig verschwinden. In seinem angetrunkenen Zustand überlegte sich Regulus auch, es doch lieber ganz aufzugeben. Wird schon nicht so schlimm sein, wenn er die beiden Sklavinnen nicht herbeischaffte, immerhin waren es ja auch nur Sklaven und stattdessen war er hier mit den Jungs unterwegs, eine Erinnerung, die ihm wohl keine Belohnung dieser Welt schenken konnte. Also stimmte er fröhlich in die Lieder ein und tanzte sogar auf eine lächerliche Art und Weise, wie das eben so üblich war. Das muss ein wirklich lustiger Anblick gewesen sein.


    Doch seine Tanzfähigkeiten konnten leider überhaupt nicht mit einem der Legionäre mithalten, der Caudinus genannt wurde. Eigentlich ein recht stiller Zeitgenosse, wurde er unter Alkoholeinfluss zur reinsten Stimmungskanone. Da bewegter er sich, hüpfte hoch und machte dabei stimmlich einen gewissen Optio nach, der im Lager aufgrund seines hin und wieder auftretenden starken Stotterns bekannt war. Alle lachten übermäßig, aber leider nur bis zu dem Zeitpunkt, als Caudinus irgendein besonderes Kunststück vollziehen wollte. Er sprang in die Luft, drehte sich dabei sehr unglücklich und schlug mit seinem trägen Körper auf dem Boden auf. Unglücklicherweise so, dass er mit seinem Kopf auf einen kleinen herumliegenden Pfahl aufschlug. Bei der Plünderung des Lagers musste der von irgendwo entfernt worden sein. Jedenfalls blieb er einfach ohnmächtig liegen. Der Rest der Truppe lachte immer noch über diese missglückte Einlage, bevor sich irgendjemand mal aufmachte nach ihm zu sehen. "Oh neeee, der hat ne Platzwunde und liegt es schlafend da" "Waaas? Lass mich mal ran, der brauch nur was zu trinken." Da wurde dem Bewusstlosen auch schon Wein über den Kopf gekippt. Die Legionäre lachten und sinierten, ob sie den guten Caudinus irgendwo zu jemanden nackt ins Zelt legen sollten. Dann stritt sich die Fraktion, die sich einen Scherz machen wollte mit der Fraktion, die dem armen Ohnmächtigen helfen wollte und sich in der Trunkenheit besonders solidarisch verpflichtet fühlten. Ein kleines Gezanke entbrannte und Regulus, der irgendwie schon fast abgeschaltet hatte, realisierte zum Glück doch noch, dass dies wohl seine Chance war. Jetzt konnte er doch noch unbemerkt zum Wagen kommen, denn fürs erste waren die Leute mit anderen Sachen beschäftigt. Da lief er dann auch schon los, schwankte teilweise von links nach rechts und hoffte heil zum Wagen zurückzukommen. Jetzt hatten ihn doch wieder Befürchtungen ereilt. Was, wenn die Sklavinnen von irgendjemanden gefunden und missbraucht wurden? Es waren zwar nur Sklavinnen, aber der Patrizierin würde das sicher nicht unbedingt gefallen. Das konnte doch noch mächtig Ärger geben. Hoffentlich war er nicht zu spät. Er lief etwas schneller und rutschte etwas aus und konnte nur mit größter Mühe das Gleichgewicht halten. Dort war der Wagen, er kam völlig zerstreut dort an und streckte seinen Kopf hinein und schaute, ob die Frauen noch da waren. Seine Alkoholfahne konnte man derweil sicher bis nach Rom riechen. "Heeey, ich hol euch jetzt hier raus. Ich bring euch zu dieser Aurelia", kam es aus ihm heraus, während seine Augen noch ungenau nach den Weibsbildern suchten.

    In der Tat hatte der Artorier noch seine Trinkfestigkeit zu beweisen, was zweifellos eine gute Ablenkung von der eigentlich Situation war, sich aber negativ auf den geistigen Zustand von Regulus auswirken konnte. Jetzt musste er aber erstmal einen großen Schluck nehmen, während die bereits betrunkenen Legionäre Sprechchöre anstießen, die überaus lustig waren. Es dauert aber nicht lange, da musste er schon wieder an den Wagen herantreten. Offenbar hatte Burdo jetzt einen Plan gefasst. Er steckte seinen Kopf in den Wagen und bekam nun gesagt, er solle sich sobald es geht um die beiden anderen kümmern, während er offenbar die Patrizierin wegschaffte. Den Kopf wieder aus dem Wagen gezogen musste er gleich wieder den nächsten Schluck Wein nehmen und kurz darauf spazierte Burdo mit der Aurelia heraus, die er fest packte. Die Ausrede war gut gewählt und die anderen schienen tatsächlich zu glauben, dass er nur einen ruhigeren Platz suchen würde, um sich an der schicken Dame zu vergehen. Soweit alles nach Plan, doch vor welch unlösbare Aufgabe war Regulus nun wieder gestellt? Wie sollte er denn die beiden anderen Weiber aus dem Wagen schaffen, während er hier noch mit seinen Leuten trinken musste. Immer wieder kam jemand an, der mit ihm saufen wollte und er hatte sie ja auch selbst dazu angestiftet. Nun hatte er den Salat. Mit Madarus Arm auf der Schulter musste er sich erst einmal vom Wagen entfernen und ein bisschen feiern. Hoffentlich würde er seinen Geisteszustand noch einigermaßen in Ordnung halten, zumindest bis die anderen so voll waren, dass sie sich gar nicht mehr dafür interessierten, wenn der Artorier noch einmal zurück ging, doch bis dahin musste er noch weiter mit einstimmen. "Dann lasst uns trinken, dem Wein keine Gnade", rief er, um nicht aus seiner Rolle zu fallen. "Auf den großen Burdo, der heute einen noch größeren Fang gemacht hat! Aber was sag ich da, Größe spielt ja bekanntlich keine Rolle, hoffentlich weiß das dieses Mädel auch, HAHA." Und wieder setzte er an und wartete bis sich ein passender Moment bieten würde, um sich irgendwie loszureißen. Wenn das mal gut ging...

    Die Freude über das Schicksal des Praefekten schien seitens dieser Frau nicht wirklich gespielt zu sein, auch wenn Regulus wohl nicht gerade die Person war, die so etwas einfach durchschauen konnte. Mit der Realisierung, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Aurelia handelte, konnte der Artorier erleichtert aufatmen. Zum Glücken hatten sie dieser Patrizierin noch kein Haar gekrümmt, sonst wäre es ihnen sicher schlecht ergangen. Als sie dann auch noch eine Belohnung andeutete, schien dies wirklich der Hauptgewinn zu sein. Diese Patrizier hatten doch Geld wie Heu, ganz besonders der Legat musste einiges haben. Da konnte eine entsprechende Belohnung doch nur üppig ausfallen. Dementsprechend wurde der Artorier nun allerdings auch nervös in dem Bewusstsein, dass er draußen schon die feiernde Meute hörte. Das konnte ihnen womöglich noch einen Strich durch die Rechnung machen. So schaute Regulus auch etwas verdutzt drein, als plötzlich auch noch ein Schlauch in den Wagen gereicht wurde. Den Anweisungen folgend, trat er aus dem Wagen heraus und sah dann seinen alten Gefährten Madarus, der offensichtlich schon einiges Intus hatte, zusammen mit einigen andere Legionären. "Kameraden, lasst uns trinken.", sprach Regulus etwas feierlich und künstlich, während er kurz nach dem Weinschlauch in den Händen von Madarus griff. Anschließend fasste er den Marier auf den Rücken und bemühte sich ein wenig mit ihm vom Wagen wegzugehen. "Wie du gesehen hast, ist Opiternius Burdo noch da drin. Er hat noch ein wenig zu tun, wenn du verstehst, was ich meine." Und ein überdeutliches Augenzwinkern folgte, während der Artorier Madarus anblickte. "Du kennst sie ja, die Veteranen, die haben nun einmal Vorrang. Lassen wir dem alten Burdo doch ein paar stille Minuten." Den letzten Satz sprach er etwas lauter, damit die umstehenden Legionäre begriffen, dass sie auch damit angesprochen waren, obwohl sie natürlich auch in der Lage waren, alles andere bisher gesagte zu vernehmen. "Wollen wir wetten, dass ich euch heute noch alle unter den Tisch trinke?" Damit bemühte er sich nun vollends das Thema ruhen zu lassen, auf dass die Legionäre mit ihm hoffentlich woanders hingingen, damit Burdo die Patrizierin irgendwie wegschaffen konnte. Ob das aber so einfach klappen würde, stand in den Sternen. Regulus war nicht gerade der Überzeugendste und wer genau hinhörte, konnte merken, dass er aus irgendeinem Grund etwas anders sprach als sonst. Fragte sich nur, ob die bereits angetrunkenen Soldaten das noch so genau mitbekommen würden.

    Eigentlich hatte sich Regulus diese Aufgabe etwas lockerer vorgestellt. Sich ein bisschen um die Gefangene kümmern, die Namen aufnehmen, was war schon dabei? Aber das ganze Gelaber konnte er kaum noch ertragen und was sich diese Praetorianer einbildeten war einfach anmaßend aus einer Position des Verlierer heraus. Wenn sie meinten, hier groß herum protzen zu müssen, hätte man sie auch gleich abstechen müssen. Entsprechend ungehalten war Regulus auch über diese vorpreschenden Miles, der ihn doch tatsächlich zur Seite schubste und den Centurio erreichte, nur um ihm ein paar ungehobelte Worte ins Gesicht zu knallen. Irgendwas von wegen Iunier und Ehre. Richtig, dafür lohnte es sich zu sterben. Regulus war in diesem Moment etwas perplex, weil er seinen Centurio ja eigentlich vor so etwas schützen müsste, doch dieser gab gleich selbst postwendend die Antwort, indem er ihn ordentlich vermöbelte. Eigentlich hatte der Artorier diesen Praeti schon tot gesehen, wenn man den Helvetier auf dem Schlachtfeld in seinem Blutrausch sah, hätte man durchaus annehmen können, dass er hier keine Gnade zeigte, unabhängig davon, ob es dafür vielleicht später Ärger gegeben hätte. Doch dem Miles wurde nur ein kleines Andenken im Gesicht dagelassen.


    Inzwischen hatte Corvinus auch endgültig die Geduld verloren und Befahl den gefangenen Centurio besser gleich in Ketten zu legen. Ein kurzer Blick zu Madarus und dann griff er sich den Mann, er packte ihn natürlich extra grob an, hier kannte er wirklich kaum noch Zurückhaltung, wie sie ihm sonst eigentlich zu Eigen war. "Mach ruhig einen Aufstand, ich hab nichts dagegen dir dein hässliches Gesicht etwas zu richten.", flüsterte er dem Gefangenen dann sogar zu. Soll er doch in seinen Ketten schmoren und sich am besten so viel es ging dagegen wehren. Madarus und Regulus hätten ihm sicherlich gern noch den ein oder anderen "Besinnungs-Schlag" versetzt...

    Aurelia? Wenn es stimmt, was sie sagte, dann mussten Burdo und Regulus hier wahrlich aufpassen. Wenn ihr was passierte und die beiden Legionäre dafür verantwortlich gemacht werden konnten, würden wohl der Tribun und der Legat der I. sie beide direkt in die Unterwelt jagen. Fast hätte der Artorier Burdo darauf hingewiesen, als er seine lockere Sprechweise gegenüber den Weibern auflegte, was Regulus nicht allzu klug fand, sollte sich als wahr herausstellen, was diese Frau sagte. "Dieser geschniegelte Praetorianerpraefekt?", fragte er nur rein rhetorisch und lachte dabei. Im Lager ist die Geschichte in der Tat schon herumgegangen und nicht wenige schmunzelten über den ungeschickten Praefekten, der sich bei Beginn der Schlacht gleich außer Gefecht setzen ließ. "Der ist leider nicht tot... noch nicht. Aber seine Gefangennahme war überaus amüsant. Da reitet dieser Wicht - die Schlacht hatte noch gar nicht richtig begonnen - auf seinem Gaul, schreit seinen Männern noch irgendwelches sinnloses Zeug entgegen, spielt sich noch einmal ganz groß auf, bevor sein Pferd dann plötzlich von einem unserer Scorpiones niedergeschossen wurde. Bei den Göttern, muss das lustig ausgesehen haben. Wenn ich nur sein Gesicht in diesem Augenblick hätte sehen können. Danach wurde er sofort geschnappt und schmorrt jetzt irgendwo vor sich hin." Ja, das war schon eine schöne Geschichte, die sich da verbreitet hat. Wenn die Götter mal nicht selbst das Geschoss in das Pferd gelenkt haben. "Jedenfalls hat er uns damit einen großen Gefallen getan. Die Praetorianer müssen danach wirklich verzweifelt gewesen sein, dass ihr schöner Praefekt so einfach gefangengenommen wurde. Das mag den Kampf nicht unwesentlich beeinflusst haben und vielleicht geht dieser Trottel sogar in die Geschichte ein, als derjenige, der durch seine Tölpelhaftigkeit die entscheidende Schlacht verlor." Das sollte dieser Frau wahrlich gefallen, wenn sie tatsächlich von den Praetorianern hier festgesetzt wurde. In der Zwischenzeit hatte sich Burdo hoffentlich Gedanken über das weitere Vorgehen gemacht.

    Frauen? Sie hatten Frauen gefunden? Naja, immerhin, dachte sich Regulus, sich noch gar nicht darüber bewusst, dass es sich um das Gepäck von einer hohen Persönlichkeit halten könnte, was sie hier vorfanden, bis es Burdo erwähnte. Doch dann blaffte dieses Frauenzimmer auch schon los und hielt uns - niedlicherweise - einen Dolch entgegen. Wahrlich nichts, was ein paar Legionäre, die in letzter Zeit nur Blut und Innereien gesehen hatten, schockieren konnte. Während Burdo die Rolle der bösen Stadtwache spielte, blieb wohl die Rolle der guten Stadtwache bei Regulus. Ein altes Spielchen, um jemanden zur Einsicht zu bringen. "Ja, also ich würde ja tun was er sagt. Der Mann hier ist unberechenbar. Selbst im eigenen Lager fürchten wir uns vor ihm. Also, seid doch lieb und leistet keinen sinnlosen Widerstand. Ihr habt so schöne Gesichter, die wollt ihr doch nicht verunstalten lassen?" Wenn nicht die Drohung des Burdo, dann doch die etwas sanftere Herangehensweise von Regulus. Irgendwas davon brachte sie hoffentlich zum Einlenken, auf das sie sich unnötige Keilereien ersparen konnten.

    Da dackelte der Artorier wieder einmal hinterher, ungewiss, was man wohl diesmal mit ihm vorhatte. Das Leben war manchmal einfach zu aufregend für jemanden, der sich meist eigentlich eher nach Ruhe sehnte, aber da hätte er wohl besser nicht in die Legion gehen sollen. Er stapfte immer leicht versetzt und etwas hinter dem Evocatus her, aber immer Bewusstsein, dass er eigentlich noch schneller hätte laufen können. Der alte Legionär war eben doch nicht mehr der allerflinkeste, dachte er sich nur. Etwas verwirrt war er allerdings als sie in das Lager kamen und erst einmal ein Zelt nach dem andern links liegen ließen. Die Unerfahrenheit und Jugend des Artoriers wollte ihn eigentlich gleich das erstbeste Zelt plündern lassen und er verstand das ganze Gesuche irgendwie nicht. Immer wenn sie an einem interessant aussehenden Zelt vorbeikamen oder an einem, welches noch nicht geplündert aussah, sagte er "Ähm, wie wärs denn mit dem da" oder "Warum nehmen wir nicht das hier?" Doch der Evocatus ließ sich nicht bedrängen, lief eisern weiter und es ging schon wieder stark an die Nerven des Regulus. "Am Ende ist das doch wieder alles umsonst. Warum mute ich mir sowas immer nur wieder zu?", waren seine Gedanken. Aber dann machte Burdo doch tatsächlich eine Entdeckung. "Wie? Was sollen wir uns holen?" Und er erblickte im nächsten Moment ebenfalls den Wagen. Da soll Beute sein?


    Regulus blieb hinter Burdo und deckte ihm den Rücken, während er den Wagen bestieg. Auf dessen rhetorische Frage, sprach der Artorier nur neugierig: "Ist da Beute? Ist da etwa wirklich was brauchbares drin?"

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    Aulus Iunius Seneca....Aulus Iunius Avianus...Marcus Marius Madarus... Lucius Helvetius Corvinus


    Als Madarus zurückgerufen wurde und er wieder nah bei ihm stand, flüsterte ihm zu, während der Centurio den Gefangenen weiter in beschlag nahm: "Gut gemacht, das Schwein hatte es verdient." Das finstere Lächeln wollte nicht aus des Artoriers Gesicht weichen. Er starrte die Praetorianer abwechselnd an, einfach als kleine Provokation und aus einem Gefühl der Überlegenheit heraus. Ja, sie waren stärker als diese sogenannte Elite-Truppe, darauf konnte man sich schon einmal was einbilden. Der Centurio stieß dann auch in die gleiche Kerbe. Man musste ihnen einfach noch einmal unter die Nase reiben, dass sie Verlierer waren. Als er dam dem Scriba befahl Bucculentus als Namen einzutragen, steigerte das die gute Laune des Regulus nur noch mehr. "Bucculentus", dachte er sich nur "wie passend." Fast hätte er laut aufgelacht, doch das wäre womöglich etwas zu viel des Guten gewesen und so verkniff er es sich.

    Etwas überraschte stand Regulus da, als sich ihm plötzlich Burdo näherte. Dieser alte Sack hatte die Schlacht doch tatsächlich fast schadlos überstanden. Wie machten diese Evocatii das nur? In dem Alter würde er auch gern noch so "überlebensfähig" sein. "Ähm, Salve", sprach Regulus und blickte verdudzt. "Was hast du denn vor? Ich weiß gar nicht, ob ich schon fit genug bin, um irgendwo hinzugehen." Was redete der Artorier denn da nur? Schließlich sollte es Beute geben. Da konnte er sich doch endlich ein wenig für das entschädigen, was er hier durchgemacht hatte. Aber das musste ihm ein alter erfahrner Hase wohl erst einmal einhämmern. Der Artorier ging jedenfalls einfach mit. Man würde ja sehen, was passiert.

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    Original von Marcus Marius Madarus & Lucius Helvetius Corvinus


    Die Zeit war vergangen und inzwischen fand auch Regulus einige Momente der Ruhe und war in sich gekehrt, alles noch verarbeitend, was er vor kurzem erlebte. Doch bevor er zu sehr in seinen Gedanken versank, war es vielleicht ein Glück, dass er wieder gefordert wurde und somit nicht allzu sehr in den Sumpf eintauchen konnte. Der Centurio, der darüber hinaus nicht sehr gut aussah und sämtliche Zeichen eines geschundenen Kriegerkörpers an sich trug, forderte ihn und einige weitere Legionäre auf, ihn zu begleiten. Regulus griff nach seiner Ausrüstung und folgte seinem Vorgesetzten, noch völlig unwissend, wo es denn hingehen würde. Schnell stellte sich aber heraus, dass sie sich wohl um die Überwachung einiger Gefangener kümmern musste. Es waren doch tatsächlich Praetorianer. Diese stolzen Soldaten, die allein durch ihren Ruf beim Artorier sonst immer Ehrfurcht erregten, standen nun als einfache Gefangene vor ihnen, besiegt und von ihrem Wohlwollen abhängig. Ihre Aura war erloschen, der Respekt verflogen.


    Es überraschte auch nicht, dass einer der Praetorianer gegenüber dem Centurio etwas pampig antwortete. Sie waren gebrochen, geschlagen und mussten nun das tun, was ihnen Leute sagten, die nicht ihre Vorgesetzten waren. Als dieser dann postwendend die Quittung von Madarus durch ein Pilum bekam, hatte der Artorier nur ein Schmunzeln für den getroffenen Hund übrig. Zweifellos, die Schlacht hatte ihn bereits verroht und ihm machte es nichts aus, wie mit den Gefangenen umgegangen wurde. Dieser Praetorianer hatte es einfach nicht anders verdient und alle sollten Leiden, die ihnen diese schwere Schlacht aufgebürdet hatten.

    Blut, Schweiß und Tränen - davon gab es reichlich auf dem Schlachtfeld. Als alles vorbei war, gab es nicht mehr den Feind, um den man sich sorgen machen musste. Jetzt lag stattdessen der gesamte Fokus auf den Verwundeten und ja, letztlich auf den Toten, die hier überall verstreut und gestapelt herumlagen. Wenn man über das Feld wanderte musste man schon sehr aufpassen, dass man nicht auf irgendeinen Arm oder ein Bein trat, welche mitunter auch ohne den Rest des Körpers herumzuliegen pflegten. Dort wo mehrere Tote ineinander lagen konnte Regulus eine regelrechte Blutpfütze entdecken und der Anblick ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken wandern. Während des Kampfes hatte er sich kaum auf solche Details konzentrieren können, doch nun lag alles in seiner Offenheit vor ihm. Das Ergebnis eines Kampfes - eines sinnlosen Kampfes?


    Der Artorier hatte seine Centurie inzwischen wiedergefunden, nun galt er wohl nicht mehr als vermisst. Er meldete sich nur äußerst wortkarg. Für überflüssige Reden hatte er keine Zeit. Stattdessen sah er sich um und wollte wissen, wer von seinen Kameraden denn noch übriggeblieben war. Sein Herz war erleichtert als er Philogenes wiedersah, der es ganz offensichtlich auch geschafft hatte. Philogenes wies ihn gleich auf sein blutverschmiertes Gesicht und dass er ihn kaum erkannt hätte. In der Tat hatte der Artorier noch keine Zeit gefunden, sich zu waschen, daran dachte er auch erst einmal nicht, denn Philogenes hätte der Artorier nur ungern zum Verbrennungsplatz geschleppt und das war das einzige, was ihm durch den Kopf ging, ebenso wie Madarus, der zum Glück auch überlebt hatte. Dennoch war es ein trauriger Akt. Die meisten, die er mit einsammelte, kannte er zum Glück nicht, doch sie waren allesamt Kameraden, jeder einzelne Verlust wog schwer, wobei Regulus mit ihnen im Grunde gar nicht so viel Mitleid hatte, wie mit denjenigen, die derzeit im Lazarett lagen und sich zum Teil noch die Seele aus dem Leib schrien. Sie mussten Qualen durchstehen, welche die Toten längst hinter sich hatten.


    Regulus hatte das Gefühl, dass die Aufräumarbeiten besonders langsam vonstattengingen. Offenbar fiel es vielen schwer diese Arbeiten zu verrichten, nicht nur aufgrund des inneren Schmerzes, sondern wohl auch, weil viele nach der Schlacht immer noch sehr erschöpft waren und sich ein paar Tage Ruhe wünschten. Ob sie die auch bekommen würden, war jedoch fraglich. Die Schlacht war gewonnen. Der Krieg auch?

    Mit Madarus musste der Artorier noch fern ab seiner Centurie kämpfen. Irgendwie musste er das hinter sich bringen und nach all dem langen Schlachtgetümmel, spürte er förmlich wie seine Arme immer schwächer wurden und er nur noch mühsam hier und dort einen Treffer landen konnte. Der Artorier hatte darüber hinaus wohl zu wenig getrunken, Kopfschmerzen setzten irgendwann ein durch die Dehydrierung, das viele Wasser, was er in der Anstrengung ausschwitzte. Der Druck schien noch ein letztes Mal stark zu werden, bevor so etwas wie ein Wendepunkt einsetzte und plötzlich überall Rufe erschallten. Nein, nicht die üblichen Schlachtlaute, nein, es klang tatsächlich nach Sieg. Man glaubt es kaum, aber der Feind begann zurückzufallen, begann die Ordnung zu verlieren, begann zu fliehen.


    Dem Artorier war es als könne er Mars persönlich sehen, wie er mit Schild und Speer bewaffnet den Feind Jagd und in die Flucht schlägt. Da zieht auch schon Bellona auf ihrem Wagen an Mars vorbei, die Zügel haltend mit ihren blutigen Händen, walzt sie den Gegner in Schlachtenwut nieder und schreit den Schrei des Krieges, flankiert von den Dioskuren, die auf ihren Pferden sitzend, einen Feind nach nach dem anderen niederkämpfen und sich feiern als die Sieger des Tages, die Sieger Castor und Pollux. Minerva lockt den Feind in eine Falle, Quirinus spießt gleich drei Gegner mit nur einem Lanzenstich und ganz am Ende, der Blutrausch noch kaum verflogen erscheint Victoria und verkündet alles, was an diesem Tage zählt, alles, was wichtig ist. Nur ein einziges Wort: Sieg!


    Zumindest war dies, was sich im benebelten Kopf des Artoriers so in etwa abspielte. Mit Erleichterung sah er dem Feind beim zurückweichen zu, konnte selbst aber kaum noch großartige Schritte tun. Zu groß war seine Erschöpfung, doch die Erleichterung ebenso groß, dass er diesen Trip überlebt hatte. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, doch für den Moment fühlte sich Regulus für einen Augenblick wieder sicher und endlich hatten sie wieder Luft, um zu ihrer Centurie zurückzukehren, von der sie sich ungünstig entfernt hatten.

    Sönke war wieder da. "Den Göttern sei Dank", brachte er nur hervor und klopfte ihm auf die Schulter. Bei all denen, die heute schon draufgegangen waren, war es doch schon fast beruhigend, dass wenigstens noch ein paar von denjenigen übrig waren, die Regulus etwas besser kannte. Doch wo Philogenes wohl war? Er konnte ihn im ersten Augenblick nicht entdecken. Stattdessen riss ihn der Schrei des Centurios wieder in die Realität. Dass ihm gerade ein Dolch aus dem Arsch gezogen wurde, würde im Falle des Überlebens sicher noch für eine muntere Legionärsgeschichte in Friedenszeiten sorgen. Jetzt im Moment hatte der Artorier allerdings keine Ahnung, weshalb der Mann tatsächlich so schrie und konnte auch keine Zeit für längere Beobachtungen aufwenden.


    Sönke bemühte sich noch eine Frage zu stellen, die Regulus aufgrund der nicht Vollendung nicht mehr in der Lage war zu beantworten. Er konnte sich natürlich denken, dass er wissen wollte, wie es gerade stand, doch zum Denken war gerade tatsächlich nicht allzu viel Zeit. Konnte der Artorier überhaupt ahnen, wie es gerade stand? Hier an ihrem Abschnitt? Vielleicht, aber sein Eindruck war nicht der beste, wie er als eingefleischter Pessimist ohnehin immer glaubte, dass alles eher furchtbar als gut war. Wie es insgesamt stand? Nicht die geringste Ahnung. An einer anderen Stelle der Schlacht hätte der Feind gerade am Durchbrechen sein können, doch das konnte Regulus nicht überblicken. Madarus richtete sich nun immerhin auf, auch wenn er nicht den sichersten Eindruck auf den Beinen machte und begann Regulus an seiner Rüstung zu packen. Sönke musste keine große Kraft anwenden, denn der Artorier kam dem Griff Sönkes entgegen, noch völlig nichtsahnend, was gleich passieren würde. "Wie? Was? Zu wem?", blieb er mit seinen Fragen allein, während Sönke ihn einfach nur wie ein Bekloppter ansah. Wahnsinn war offenbar ansteckend und der Helvetier hatte mehr als genug davon versprüht. Mit großen Augen wollte er Sönke fast ebenso packen und ihn zurückhalten, doch da bewegte er sich schon los und Regulus folgte ihm einfach blind, ursprünglich um ihn aufzuhalten, doch vergebens musste er Madarus nun bis in die vordersten Linien folgen. Regulus war irgendwie gelähmt, nicht körperlich, denn er bewegte sich sehr wohl, aber geistig dafür wohl umso mehr.


    Waghalsig stürzte sich Sönke auf den ersten Feind, dabei wild irgendwas vor sich hinbrüllend. Dass es sich dabei um einen Namen handelte, konnte der Artorier nicht rekonstruieren und bei dem Schlachtenlärm fiel es ihm ohnehin schwer alles voneinander zu unterscheiden. Statt nun zu kämpfen starrte er auf den Optio neben sich und Regulus konnte mit der ganzen Situation überhaupt nichts mehr anfangen. Sein Blick war sofort auf den nächsten Feind gerichtet, der in ihre Richtung kam. Regulus stieß Sönke ein wenig beiseite, der dadurch hoffentlich sofort wieder seinen Blick vom Optio abwenden würde. Nun landete das obere Ende eines Schildes irgendwie im Gesicht des Artoriers, welches sonst wohl Madarus abbekommen hätte. REgulus Lippe war nun aufgeplatzt und er schmeckte sein Blut. Mühsam versuchte er sich zur Wehr zu setzen, setzte hin und wieder auch einen Stich mit dem Gladius, bevor er schwerlich herausbrachte: "Wir gehören hier nicht hin!" Kaum war eine Atempause zu holen, da musste er wieder mit seinem Scutum hantieren. "Wir müssen zu unserer verdammten Centurie!" Aber jetzte steckten sie schon mitten drin im Schlamassel und nur wenn der Druck wieder etwas geringer würde, könnten sie sich womöglich wieder von dort vorne lösen.

    Warum gerade Regulus in dieser Centurie gelandet ist, hätte er sich fragen können, warum gerade sein Centurio zu den Wahnsinnigsten gehörte, hätte er sich fragen können, doch wozu Fragen stellen, auf die es keine Antwort gab, noch dazu mitten in einer Schlacht? Wahrscheinlich war dies auch nur seiner eingeschränkten Wahrnehmung geschuldet, denn eigentlich müsste auch für ihn feststehen: Für die Aufgabe eines Centurios musste man schon etwas durchgeknallt sein. Der Druck seine Männer so anzutreiben, dass sie nicht zurücktrieben, war enorm, kein Wunder, dass der Helvetier so gut wie alles tat, um selbst die Flagge zu sein, hinter der sich seine Männer bedenkenlos sammeln konnten und dabei auch noch sein Leben fast ohne Kompromiss aufs Spiel setzte. Wahrscheinlich würde der Centurio den jungen Regulus dadurch auf den direkten Weg in die Unterwelt führen und das einzige, was der Artorier machen konnte, war ihm blind zu folgen.


    Noch ehe sie sich versahen, befanden sich die Soldaten mitten im Kampfgetümmel an der Einbruchstelle, wo der Feind nachhaltig drückte. Gerade hatte Regulus erst seinen ersten Feindkontakt aufgenommen und überlebt, nun musste er dasselbe Glück noch viele weitere Mal haben. Gleich zu Beginn verlor er seinen Centurio aus den Augen, als er mit seinem Schild den ersten Schlag abwehren musste. Es schmetterte und donnerte unter den vielen Geräuschen des Scutums um ihn herum. Der Schweiß tropfe Regulus von der Stirn und er versuchte irgendwie die Kontrolle zu behalten. Er nahm sich zusammen und während seine Kameraden um ihn herum einen Gegner nach dem anderen zur Strecke brachten, blieb Regulus in einer seltsamen Passivität, die er kaum überwinden konnte. Wollte er jetzt eigentlich sterben oder doch leben? Hatte er nicht ohnehin schon längst abgeschlossen, warum klammerte er sich so an sein Scutum, wenn ihm doch bereits mit allem abgeschlossen hatte und zwischenzeitlich sogar eine gewisse Todessehnsucht entwickelt hatte. Nein, der Frischling wollte leben und die Feigheit vor dem Feind stand der Feigheit vor dem Tode in nichts nach. Auf einmal wollte er schreien, ausbrechen und nichts mehr fühlen. Und er tat es er schrie wie verrückt, als er den nächsten Hieb eines Feindes mit dem Schild abwehrte, kam aus der Deckung und brachte sein Gladius ins Ziel. Ganz und gar nicht, wie es das an den Übungspfählen immer praktiziert wurde, streifte sein Kurzschwert den Hals des gegnerischen Legionärs, der daraufhin aus der Halsschlagader blutend zu Boden ging. Regulus atmete schnell, immer schneller. Er konnte kaum darüber nachdenken, dass dies der erste Mensch war, den er je getötet hatte.


    Für eine Feierlichkeit blieb keine Zeit, während er versuchte so dicht wie möglich mit den eigenen Kameraden zusammenzubleiben, konnte er gerade noch sehen wie Sönke durch einen Treffen auf den Helm einfach zur Seite kippte und mitten zwischen den Toten und dem Geröll der Verschanzung liegenblieb. Das Herz stockte dem Artorier, doch er konnte für den Moment nicht zur Hilfe eilen und hatte das Gefühl komplett den Überblick verloren zu haben. Der Centurio befand sich derweil in einem wilden Kampf mit dem Feldzeichenträger und stieß plötzlich einen Schrei aus, der sich mit den vielen weiteren Schreien und dem klirren von Schilden und Schwertern einfügte. Er war offenbar getroffen, schaffte es jedoch den Kampf für sich zu entscheiden. Daraufhin warf er dem Gegner dessen Helm entgegen und brüllte auch noch mit letzter Kraft, bevor er endgültig dahinsank. Regulus erschreckte, wie man das wohl tat, wenn ein deutlich erkennbarer Centurio zu Boden ging. Doch schnell war für diesen Hilfe zur Stelle, von frisch eingetroffenen Legionären, die wohl ebenfalls die Front hier stabilisieren wollte. All dies verbesserte die Lage wohl merklich, zumal der Feind durch den Verlust des Feldzeichen sicher alles andere als erfreut war (Oder vielleicht gar besonders angespornt, um es wieder zu erlangen?). Wie dem auch sei. Regulus konnte dem Centurio nicht helfen, stattdessen musste er sich mühsam verteidigen und versuchen wieder etwas Luft zu gewinnen. Sobald sich diese auftat und der Artorier gedeckt war, versuchte er dem Beispiel des Mannes zu folgen, der den Helvetier wegschleppte und schritt zu Sönke vor, der immer noch bewusstlos niederzuliegen schien. Zumindest hoffte er, dass er nur bewusstlos war und nicht so tot, wie die Leichen, die den Boden hier sonst schmückten. Er wusste erst nicht wie er ihn wegschaffen wollte. Er beschloss sein Scutum nach hinten vor die Füße anderer Soldaten zu werfen, um ihn mit beiden Armen dort wegschaffen zu können, denn ein typischer Legionäre mit seiner schweren Rüstung wäre auch schleifend nur sehr mühsam mit einer einzigen Hand hinwegzubewegen gewesen. Also packte er ihn mit beiden Armen und schaffte ihn weg hinter die Linien, wo auch der Centurio lag. Er gab ihn ein paar leichte Klapse auf die Wange und rief etwas planlos "Hey, wach auf! Mach mir bloß keine Angst." Wenn es einen freien Casparius geben würde, so würde dieser wohl zuerst den Ranghöheren behandeln, zumal der Helvetier die deutlich stärkeren Wunden davongetragen hatte. Bis man den wieder zusammengeflickt hatte oder ob das überhaupt möglich war, würde sich wohl noch zeigen.


    Ihnen kam entgegen, dass die IV. Centurie nun ohnehin ausgetauscht wurde und eine frische an ihre Stelle trat, war auch bitter nötig schien. Regulus konnte nun durchschnaufen und sich ein neues Scutum besorgen. Er rieb sich seine Stirn, die blutverschmiert war, blickte auf seine Finger, die nur noch aus Dreck bestanden und sah nach vorne, wo es hoffentlich keinen Durchbruch geben würde...

    Auch die eigene Centurie hatte inzwischen den ein oder anderen Verlust zu beklagen, gute Kameraden mit denen man am Tag zuvor noch gemeinsam gegessen hatte, lagen nun im Dreck und bluteten vor sich hin. Regulus hatte es deshalb nicht schwer für sein zuvor abgegebenes Schild Ersatz zu finden. Nun war er wieder vollständig ausgerüstet und hielt sich nun so verbissen ans einem Scutum fest, wie er nur konnte. Bisher hatten sie gute Arbeit geleistet, auch wenn ihr eigenes Feldzeichen zu wanken begann, so konnte die Lage doch noch stabilisiert werden. Ob dies aber immer noch der Fall sein würde, wenn erst die ganzen Frischlinge in die vorderste Linie mussten, weil sich die Erfahrenen langsam müde gekämpft hatten?


    Regulus schoss das Adrenalin durchs Blut als er das erneute Pfeifen des Centurios hörte und er nun vor sich niemand anderen, außer die Schergen Salinators hatte. Noch kaum realisiert, wo er sich befand, tauchte vor ihm ein feindlicher Legionär auf, dessen Hieb mit dem Gladius er mühsam mit dem Scutum abwehrte, ohne auch nur selbst mit seiner eigenen Waffe zu reagieren. Alles ging furchtbar schnell und Regulus dachte im Grunde schon jetzt, dass es mit ihm aus wäre. Als er seine Deckung nun vernachlässigte, wusste man nicht, ob er damit nun selbst mit seinem Galdius antworten wollte oder ob er nur auf den finalen Stich seines Gegners wartete. Doch diese Frage sollte sich nicht mehr stellen, denn der Nebenmann des Artoriers hatte gerade etwas Freiraum gewonnen und stach dem Feind von der Seite nieder. Das Blut spritzte in das Gesicht von Regulus und sein Atem stockte, während er seine Deckung wiederherstellte. Die Blutgefäße des Regulus verengten sich, seine Haut sollte schon bald eine kränkliche Blässe entwickeln, durch den Tunnelblick konnte er kaum wahrnehmen was links und was rechts von ihm geschah und seine Ohren nahmen nur noch dumpfe Geräusche war.


    Der Artorier hatte nun wohl wahnsinnig Glück, dass der Feind an ihrer Stellung nachließ, da an der Nebencenturie scheinbar ein Durchbruch gelang und die Gegner nun ihren Angriff dorthin konzentrierten. Corvinus zögerte nicht lange und beschloss zur Hilfe zu eilen und nahm sich wohl die erstbesten Legionäre, die er fand. Unter normalen Umständen hätte er womöglich nicht auf die Rückendeckung von ein paar Frischlingen vertraut. Die Worte des Centurios klangen für ihn sehr leise, doch für ihn hatte das irgendwie die Ausmaße eines Himmelfahrtskommandos zur Nebencenturie vorzustoßen, wo gerade der größte Druck herrschte. Der Helvetier stürzte sich mit einem erneuten Schlachtruf ins Getümmel, er schien geradezu fanatisch und unerbittlich zu kämpfen. Noch ehe sie sich versahen, befanden sie sich wieder mitten im Getümmel. Hier an dieser Durchbruchstelle könnte ein wichtiger Teil der Schlacht geschlagen werden. Kaum in der Lage einen Schlachtruf von sich zu geben, sprach der Artorier nur leise und fast in Trance vor sich hin: "Mars, steh uns bei."

    Den Wunsch des Madarus zu leben, kommentierte der Artorier kaum noch. Für einen kurzen Augenblick wandte er seinen Blick von der Front ab und starrte in das Gesicht des Marius und machte dabei ein völlig ausdrucksloses Gesicht. Nein, der Ausdruck den Tod nicht wichtig zu nehmen, so dass er so locker darüber sprechen konnte, war mit dem Gerede der Veteranen nicht vergleichbar. Diese faselten davon sowieso zu sterben, weil sie so unheimlich abgebrüht waren und es in irgendeiner Weise auch eine lässige Einstellung war, die man mit den Jahren so an den Tag legte. Dagegen erwuchsen die Worte des Artoriers mehr aus einer schwellenden Depression, die sich über Wochen des schwersten Marschierens, des sinnlosen Kriegstreibens und der nun angebrochenen unmittelbaren Todesgefahr, gebildet hatte. Nein, wenn der Veteran vom Tode sprach, so konnte man sich immer noch sicher sein, dass dieser immer noch alles dafür tun würde, damit dies nicht geschah, doch was war mit dem Artorier? Musste man nicht schon fast Angst haben, dass er sich nicht gleich ohne Kampf ins feindliche Schwert stürzte, ohne sein eigenes überhaupt erhoben zu haben? Nur kurz hatte er sich Madarus zugewandt, anschließend hatte er wieder den üblichen Tunnelblick nach vorn.


    Und wieder wurde eine Reihe ausgetauscht und Regulus rückte weiter nach vorne, die vorderste Front nun immer näher vor Augen. Nur noch eine Frage der Zeit, bis er selbst an der Reihe wäre. Beim Feind hatten schon Centurio und Optio dran glauben müssen, man hätte sich ja fast Mut machen können, wenn dies nicht immer noch der Anfang gewesen wäre. Vorne war schon alles mit Blut getränkt und wer genau hinsah, konnte sogar den Centurio damit spucken sehen. Es schien als hätten sie an diesem Ort das Tor zur Unterwelt weit geöffnet und es wäre im Grunde nur noch ein Schritt bis dorthin.