Als Pacatus aus dem Schatten des Umgangsdachs hervortrat, hatte sich der Tempelbezirk trotz des engen Tores schon gut mit Menschen gefüllt. Der Pontifex trat auf ihn zu, um ihm die Patera und das Culter zu reichen. In diesem Augenblick fegte ein kurzer Windstoß über den Hof und riss ihm den Stoff der Toga vom Kopf. Wollte sich Apollo über den armen Pacatus lustig machen oder kam das von seiner Muse Thalia, die nur darauf aus war, die Zuschauer zu unterhalten?
Pacatus blickte kurz nach oben, dann zog er sich eilig die Toga wieder über den Kopf und nahm die Patera und das Culter entgegen. Dann trat er mit dem Pontifex vor die Opfertiere. Eine Weile betrachtete er die Tiere und weihte sie anschließend dem Gott Apollo, in dem er den Wein aus der Patera über ihre Stirnen goss. Mit dem Culter strich er daraufhin über ihren Rücken, worauf die Opferdiener ihnen die Wolldecken und den Schmuck abnahmen und sie an den Altar ketteten.
Mit ausgestreckten Armen trat Pacatus nun nach vorne und drehte die Handflächen nach oben. Bitte, Apollo, jetzt ein kleines Weilchen Windstille, nur für das Gebet, sagte er ganz leise. Dann laut:
"Oh Apollo, Schirmherr der Herden und Städtegründer,
Grannus, Herr der Quellen und der Heilung,
Mogunus, Lichtbringer und Schild unseres Municipiums!
Du hast Mogontiacum stets in fruchtbringender Umarmung gehalten, wehrtest Krankheit und Tod von uns ab und segnetest unsere Quellen. Deine göttliche Gegenwart gibt den Gesunden Kraft und stärkt die Kranken. Nie lässt Du Leid über deine Herde kommen und nie wird uns Übel zugefügt, denn Du hast dein wachsames Auge auf Deine Kinder gerichtet und Dein Pestpfeil zielt auf jeden Feind. Dein Wohlwollen ist der Sonnenschein über unseren Dächern und Dein Atem bringt unseren Wiesen und Äckern Fruchtbarkeit.
Nun hast Du zur Mehrung Deines Ruhmes unsere Civitas zu einem Municipium gemacht, aufdass unsere Rechte gestärkt und unser Wohl gemehrt werde!
Dafür halten wir Dich in Ehren und geben Dir gerechte Gaben!
Blicke nun mit Huld herab auf die Begründung dieses Municipiums, das an Deinen Quellen gedeihen soll! Behüte als Lar Vicanus und Genius Loci dieses Municipiums wie bisher und schenke Deinen Dienern und ihren Oberhäuptern Weisheit und Gerechtigkeit nach dem Vorbild seines Gründers, des Imperator Caesar Appius Cornelius Palma Augustus!
Zum Dank werden wir Dir alljährlich an diesem Tage gute und gerechte Opfer darbringen bis in alle Ewigkeit!"
Kein Windstoß, die Toga war immer noch auf seinem Hinterkopf. Danke, Apollon für Deine Güte, sagte Pacatus ganz leise und erschrak fast über den lauten Ruf des Opferdieners.
"Agone?"
"Age!" antwortete Pacatus.