Beiträge von Aulus Tiberius Verus

    Verus fand einen Eimer mit Meerwasser, etwas abseits von Linos und Charislaus. Er wusch sich mechanisch seine Hände im salzigen Wasser, welches in seinen kleinen Wunden brannte aber er ignorierte den Schmerz, wie so oft. Immer wieder tauchte er die Hände hinein, während ihn seine eigenen Gedanken heimsuchten und er erneut das kränkelnde Geräusch eines brechenden Halswirbels hörte. Das Geräusch verband sich mit dem Geräusch des Wasser und dem Meeresrauschen zu einem wahnsinnigen Ton, der ihn folterte aber er ließ es sich nicht anmerken. Die Kälte kroch über seinen Körper, ließ das Gesicht erhärten und die Augen verloren wieder an Menschlichkeit, indem sie kalt starrten. Das Wasser im Eimer färbte sich rot, zwar sanft aber beständig, so dass am Ende fast ein sanfter Purpurton im einstrahlenden Sonnenlicht entstand. Es waren die Farben des Kaisers. Purpur war eine bedeutsame Farbe und Verus erkannte sie im Wasser des Eimers. Die Farbe verfolgte ihn und wurde Teil seines Fluches. Verus hob die Hände aus dem Eimer und blickte diese an. Das Wasser begann schnell zu trocknen und das Salz zog auf seiner Haut und erzeugte einen für ihn interessanten Schmerz. Er hob den Eimer an und kippte ihn schwungvoll ins Meer zurück. Das Blut verlor sich im Hafenbecken. Verus stellte den Eimer zurück und blickte mit seinen diabolischen Augen zu Linos und Charislaus. Er würde nie wieder zu jener Normalität zurückkehren, aus der die beiden Sklaven stammten. Selbst ein frommer Wunsch konnte ihn nicht befreien, so dass die Ketten schwer an seinem Verstand zogen und jede Hoffnung verschwinden ließen. Er diente, führte aus und würde nach Rom zurückkehren, die Mission abschließen und dann mit seiner Familie verschwinden, in die Ferne, um den Anschein eines normalen Lebens zu führen und seine Familie vor dem Fluch zu erretten, den er ihn in die Welt gebracht hatte.

    Bei Charislaus fanden die Prätorianer Proviant im Beutel (etwas Brot und harter Käse) und einen Schreiben seines Herren, auf einer Wachstafel, welches seine Reiseerlaubnis darstellte. Sein Besitzer war somit wohl Manius Purgitius Lurco, laut Unterschrift ein Cornicularius der Cohortes Urbane. Iulius trat zu Verus und flüsterte ihm diese Information ins Ohr, dieser nickte und antwortete: "Gut, dann dürfen die beiden sich jetzt auf dem Schiff frei bewegen, sofern der Kapitän zustimmt, aber zwei Mann sollen sie ständig im Auge haben. Ich traue ihnen nicht." Er traute ihnen nicht mehr, da sie alles gesehen hatten und von der Mission wussten. Sie wussten zwar nicht, warum dieser Mann sterben musste aber sie wussten, dass er tot war. Dies reichte für Misstrauen aus, denn Verus misstraute Menschen, die zu viel wussten und hatte lieber ein Auge auf sie. Auch waren die beiden scheinbar seltsam naiv und wirkten unbändig selbstgerecht auf den alten Trecenarius, so dass eine gesunde Skeptis angebracht schien. Doch bevor Verus sich weitere Gedanken machen konnte, hörten seine guten Ohren ein Geschrei. Es war Linos. Er konnte einfach nicht seinen Mund halten; eigen Eigenschaft, die ihn in den Augen von Verus und seinen Mittätern gefährlich machte. Menschen mussten einfach lernen, wann sie zu schweigen hatten und Schweigen war ja nun nicht schwer. Verus schwieg über seine Taten und Handlungen für den Kaiser auch andächtig, so dass er jede Reue und Schuld mit sich selbst ausmachte. Er schüttelte nur den Kopf und würde nicht darauf antworten. Es war ihm egal, was Linos fühlte, hoffte oder glaubte, solange diese Dinge nicht mit seinen Interessen kollidierten und oft waren diese Interessen vom Imperium vorgegeben. Diese gnadenlose Selbstgerechtigkeit war einigen gemein, die Verus zu gut kannte: Christianer. Sie sahen einen Messias gekommen, glaubten an nur einen Gott und lehnten das Imperium und den Kaiserkult ab, griffen Römer an und glaubten selbstgerecht die Gerechten und Guten zu sein. Sie konnten alles so wenden und drehen, dass es in ihr Weltbild passte und glaubten sich immer überlegen, da sie ja einen göttlichen Auftrag besaßen. Eine Ironie lag darin, dass sich Verus ähnlich verhielt, nur lag seine Arroganz an einem anderen Ort: Er glaubte die Welt verstanden zu haben. Seine kalte (Un)Vernunft vernebelte jedes Mitgefühl und Hingabe. Er gab sich nicht hin, sondern opferte sich auf und war bereit bedeutungslos zu vergehen, wenn es der Mission Bedeutung verschaffte. Verus schätzte sein Leben und das Leben anderer - außerhalb seiner Familie - gering, so gering, dass ihm nur das Imperium blieb.


    Linos verstand nicht, dass das notwendige Böse kein Herz besaß. Es fühlte nicht menschlich und Notwendigkeiten brauchten kein Mitgefühl. Verus imitierte Mitgefühl nur, tat geduldig aber hatte keinerlei Absicht, wirklich gütig zu anderen zu sein, denn Güte bestand in seiner Welt nur darin, dem Imperium zu dienen und das Imperium zu erhalten. Eine Welt außerhalb des Imperiums war schlicht nicht erstrebenswert, auch wenn er mehrere Sprachen sprach, in anderen Kulturen leben konnte, so war er stets Henker, Meisterspion und Schatten des Kaisers. Linos konnte das nicht sehen, denn das ursächliche Verbrechen war die bloße Entscheidung gewesen, sein Gewissen zu abzutöten und jeder Legionär im Krieg, jeder Speculator im Dienst, und jeder Prätorianer mit einer blutigen Klinge, verlor dieses Gewissen an die kalte und militärische Handlung; eine sich wiederholende Abfolge von Sachzwängen und Notwendigkeiten. Der Krieg wütete nicht nur in der Welt, sondern auch in den Herzen und hinterließ nur Asche sowie Ruinen. Noch immer schmeckte Verus diesen Schwefel und Asche wehte zum Schiff hinüber, fast so, als ob Verus sie beschworen hatte und er selbst ein Aschedämon war, der munter im Leid der Menschen glimmte und empor stieg. Iulius trat zurück zu Charislaus, gab ihm die zerfetzte Tunika und deutete zu Linos, der auch freigelassen wurde. "Bewegt euch frei aber meidet den Magister. Es ist zu eurem Besten," meinte der Prätorianer Iulius und hob auch die zerfetzte Tuniks des Linos aus, um diese ebenfalls an ihn weiter zu reichen.


    "Zwei Männer bewachen die Fracht für die nächsten sechs Stunden, die Fracht ist unter Deck zu vertauen, danach alle sechs Stunden Wachwechsel, und der Rest hat frei, bis neue Befehle," blaffte Verus über das Deck und die Soldaten hörten aufmerksam zu. Zwei Prätorianer brachten die Kiste unter Deck, mit der Absicht sie zu bewachen und zwei weitere Prätorianer sicherten Verus Rücken ab. Die anderen verteilten sich auf dem Deck, um sich einen Sitzplatz zu suchen. Doch zwei Prätorianer blieben auch in der Nähe von Linos und Charislaus, bewusst unauffällig tuend, kramten sie einen Würfeltasche hervor und bauten ein römisches Würfelspiel auf. Es war merkwürdig, dass sie einfach das taten, was sie taten, obwohl gerade eine Stadt gebrannt hatte, ein Mann ermordet worden war und sie zwei Sklaven drangsaliert hatten; es war ihnen wohl egal und sie gingen einfach ihrem Tagwerk nach, da keine neuen Befehle gegeben worden waren. Verus nickte Plato zu. "Ich verstehe. Stört es euch, wenn ich hier die Ruhe genieße und euch einfach bei der Arbeit beobachte?" - antwortete er dem Schiffmeister. 16 bis 20 Tage, eine beachtliche Zeit, aber machbar. Hoffentlich waren genug Vorräte anb Bord. "Meine Männer sind gut ausgebildet und kennen lange Reisen," versicherte Verus und machte damit klar, dass sie keine Probleme machen würden. Sie konnten Befehle befolgen und hatten ihre Körper im Griff. Danach schwieg auch Verus. Er genoss das Meeresrauschen, den leisen bis lauten Wind und das Momentum, der Bewegung, welches auf das Schiff schlug. Er gönnte sich einen Moment der gedanklichen Ruhe, um seine Pläne zu sortieren und weitere Dinge zu planen. Ein Trecenarius hatte immer einen Plan in einem Plan, der wiederum einen neuen Plan gebar. Iulius deutete auf das Gold und den Proviantbeutel. Das Schreiben von Purgitius Lurco, dem Urbaner, hatte er eingezogen, da es noch nützlich sein konnte und es den Sklaven am Weiterreisen hinderte. Ohne dieses Schreiben konnte er sich nicht weit bewegen und Iulius, dem Prätorianer, erschien es nützlich, einen Sklaven an einer bürokratischen Leine zu halten. Mit einer Hand sammelte Iulius das Gold auf und stopfte es in den Proviantbeutel, den er daraufhin Charislaus vor die Füße warf. "Nimm den Beutel auf. Er gehört dir und bei den Göttern, ich empfehle dir, diesen Beutel mitzunehmen. Diese Gelegenheit kommt nicht mehr," erklärte der Prätorianer mit einem bösen Unterton. "Und Linos, unterstütze diesen Charislaus. Ich glaube, seinen Prellungen schwellen an. Er sollte seine Beine kühlen," sagte Iulius nüchtern und deutete mit seinem Knüppel auf die Stellen, an die sie Charislaus geschlagen hatten. Danach wandte sich Iulius ab und trat zu den beiden Würfelspielern, um sich dazu zu setzen. Verus betrachtete in dieser Zeit seine Hände, die von Blut und Asche verschmiert waren. Seine Kleidung stank nach Schweiß, war ebenfalls mit Blutstropfen bespritzt, aber nicht so deutlich, wie seine Hände aber die Verfärbung, durch Schwefel und Asche, zeichnete sich hingegen deutlich ab. "Ich gehe mich waschen," kommentierte er kalt und trat dann von Plato fort, um einen Eimer mit Wasser zu finden.

    [...]

    "Ich habe noch nie jemanden angegriffen und diese Mörder schon mal gar nicht. Ich werde auch nicht anfangen Leute zu ermorden. Und ich werde für Euch nicht anfangen zu lügen!", murrte Charislaus und versuchte all das zu verstehen was gerade vor sich ging. Sein Kopf schwirrte wie ein Bienenstock.

    Verus zeigte sich müde-amüsiert über diese Aussage, denn in seinem Weltbild gab es keine Unschuldigen. Jeder Mensch hatte etwas getan, was einen anderen Menschen verletzt hatte; sei es nur durch Worte, Lügen oder Vernachlässigung. Diese Aussage des Sklaven war für Verus deshalb amüsant, weil er sie oft gehört hatte und am Ende waren diese Menschen, die von sich selbst ein so hohes Bild hatten, die ersten, die anderen selbstgerecht Gewalt antaten, ob durch Worte oder Taten. Der Weg in einen persönlichen Albtraum war immer durch Ambition vorgezeichnet. Charislaus wollte der Gute sein, wollte sich etwas bewahren, was er moralisch und damit subjektiv bewertete und genau diese Eigenschaft ließ Verus schmunzeln. "Auch du hast bereits jemanden angegriffen. Immer diese selbstgerechten Lügen," meinte Verus deshalb und trat an Charislaus heran, der noch immer durchsucht wurde. Man riss ihm die Tunika herunter und begann seinen Umhängebeutel auszukippen. "Was mögen wir wohl finden?" Verus beugte sich über Charislaus. "Jeder Mensch, wirklich jeder Mensch, hat etwas verbrochen und nur die Ordnung des Imperiums hält unsere Gesellschaft zusammen, Charislaus," sagte er und deutete dann auf Iulius. "Iulius, fertige Charislaus ab. Ich möchte alle Grundinformationen, wie Herkunft, Eigentümer, Alter und Gesundheitszustand," befahl Verus, während er sich wieder von Charislaus entfernte, um zu Linos zu gehen.


    [...]

    Gerade hatte ich Hoffnung geschöpft und schon wieder wand sich das Blatt. Nicht nur das, ich staunte nicht schlecht, kam da das wahre Gesicht der Prätorianer zum Vorschein? Sie [

    Fieberhaft überlegte ich, was würde Claudius Menecrates jetzt sagen? Nein das ging nicht, seine Worte konnte ich nicht finden. Ich musste es auf meine Art versuchen, auch wenn keiner an Bord mich hören wollte und es bestimmt meine Schaden war. „Aulus Tiberius Verus, warum stehst du dir selber im Weg? Vor nichts und niemanden hast du Angst. Mir scheint du fürchtest dich vor dir selber. Du fürchtest dich davor, dir selber von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Bei all deinem Tun, deiner List und Tücke, fürchtest du dich vor einem, deinem Freund. Dem Freund der alles für dich tun würde, dich anhören, verstehen und dir verzeihen wird. Denn so etwas macht ein Freund und das weißt du. Das fürchtest du. Du läufst vor deinem Inneren weg. Du bist in Wirklichkeit feige. Mit deinem bisherigen Leben überdeckst und verbirgst du diese Feigheit. Zeig deinen wahren Mut und stelle dich endlich dir selber.“ So das war es jetzt gewesen. Wie jeder bestimmt erwartete, senkte ich aber nicht meinen Blick, nein ich suchte Verus Augen um ihn fest anzusehen. Ich wollte sehen was meine Worte bewirkten, selbst was ich für die wahrscheinlich hielt, es das Letzte war, was von mir kam.


    "Mutige Worte," erklärte Verus, als er sich über Linos stellte. "Mich direkt so anzusprechen und an etwas zu appelieren, was in dieser Frage nicht relevant ist. Du verstehst diese Welt nicht und verstehst auch nicht meine Rolle darin. Du machtest erneut einen Fehler. Der Name wird grundsätzlich nicht genannt. Keiner meiner Begleiter trägt seinen wahren Namen und niemals werden ihre Namen in der Öffentlichkeit genannt. Wir haben keine Namen für dich und du besitzt die Frechheit, zu behaupten, dass ich diese Person bin," zürnte Verus und seine Augen fanden das eisige und böse Feuer wieder, welches für sich schon eine Waffe war. Die beiden Soldaten zerfetzten auch Linos Tunika und begannen daraufhin, seinen Beutel zu durchsuchen. Sie fanden einen Brief von Claudius Menecrates, der nach einem kurzen Augenschein, direkt an Verus ausgehändigt wurde. "Sieh' an...," murmelte der Magister und gab den Brief an die Soldaten zurück, die diesen in den Beutel zurücklegten. Danach ging Verus wieder zu Plato, der ihn ebenfalls ansprach. Verus entschied sich diesen emotionalen und verbalen Angriff durch Linos vorerst zu ignorieren, da er keine Zeit für eigene Befindlichkeiten hatte. In erster Linie gab es nun eine Mission und die Mission hatte immer Vorrang.

    [...]

    Die aufkommende Diskussion der Männer schien Plato nicht von Belang und die Aussage des Hafenmeisters über dessen letzte Reise als Magister verstand er nicht, weil er nicht wusste, was ein Magister war und ob das auf den Hafenmeister zutraf oder nicht. Wurde es für Plato zu kompliziert, schaltete er auf Durchzug und konstruierte sich seine eigene Wirklichkeit.

    "Gut, nenne ich dich eben ab jetzt Magister und nicht mehr Hafenmeister. Ist mir egal." Damit schien alles geklärt, bis Plato erneut der Geldbeutel dargeboten wurde. "Das ist gut gemeint, aber ich brauche dein Geld nicht, Magister. Mein Auftraggeber zahlt gut, ich habe das Schiff als Bleibe und auch sonst fehlt es mir an nichts." Zuweilen fehlte ihm Ruhe. Plato schätzte die Stille auf See. Viel Gebrabbel strengte ihn an. Wahrscheinlich durfte er auch kein Geld von einer Fracht annehmen.

    Bei der Frage nach dem Einsperren der Sklaven musste Plato wieder nachdenken. Er kratzte sich am Hinterkopf. Ginge es nach ihm, hätte er nichts dagegen, aber er kam zu dem Schluss, dass dies sein Auftraggeber für inakzeptabel halten würde.

    "Die Sklaven wissen, dass sie nirgends rumstehen sollen und auch nichts rumliegen lassen dürfen, einschließlich sich selbst. Ich glaube nicht, dass sie Ärger machen, aber wenn du sie einsperren solltest, brauche ich ein gutes Argument zur Erklärung gegenüber meinem Auftraggeber. Der Schwarzschopf wurde zum Reiseleiter bestimmt, daher kommt ihm gewisse Bedeutung zu. Außerdem sind sein Dominus und mein Auftraggeber ein und dieselbe Person. Widerspenstiges Verhalten allerdings toleriere ich an Bord nicht."

    [...]

    Verus nickte Plato zu. "Vielen Dank!" Immerhin einer, der seine Arbeit ohne Murren und Hintergedanken erledigte. Plato machte einfach seine Arbeit und verband sie nicht mit höheren Zielen und Erwartungen, eine Eigenschaft, die Verus zu schätzen wusste. Männer, die einfach das taten, wofür sie bestimmt worden waren und sich folgsam zeigten, ohne zuviel über ihre eigene Rolle in der Welt nachzudenken. Nachdenken sollte man stets dafür bestimmten Funktionsträgern überlassen, denn diese hatten Erfahrung damit, zumindest glaubte Verus das und setzte eiskalt diese Maxime um, dass jeder an seinem Platz zu dienen hatte, wie er es auch selbst tat. "Du hast das System begriffen, Plato. Sehr gut," meinte Verus sichtlich erfreut darüber, dass eine Person, einfach folgte. Verus nahm den Beutel mit Gold zurück und warf diesen vor Charislaus, so dass die Goldmünzen, wie kleine Steinchen auf ihn hereinbrachen. "Das kannst du später aufheben," sagte Verus und machte eine gönnerhafte Geste. "Dann gehört das Gold den beiden Sklaven für ihre Unannehmlichkeiten. Ich habe keinen Bedarf dafür," erklärte Verus und seine Männer lachten belustigt auf. Auch sie hatten kein Bedarf dafür. Ein paar Münzen rollten sogar bereits über das Deck und verschwanden im Wasser. Verus wusste sehr wohl darum, dass deren Eigentümer, allen voran der ihm noch unbekannte Eigentümer von Charislaus, ein Zugriffsrecht auf den Besitz des Sklaven hatte und das Gold garnicht Charislaus wirklich gehören konnte, ohne eine offizielle Erlaubnis des Dominus. Es war ein weiterer Trick, um im Zweifel die beiden Sklaven zu kontrollieren oder verhaften zu können, sobald er wieder in Rom war. "Nach der Durchsuchung werden sie wieder freigelassen. Mach dir um eine Begründung und Erklärung keine Gedanken. Sie werden, wenn wir mit ihnen fertig sind, nicht mehr an Ärger denken. Wir regeln das, Plato," meinte Verus und nickte Plato erneut zu. "Wie lange dauert die Reise?" - wandte sich Verus weiteren Planungen zu, während die Männer Linos hochrissen, da dieser bereits abgefertigt war und drängten ihn an das Schiffsende, um ihn besser unter Kontrolle zu haben, während Charislaus noch bearbeitet wurde. Iulius, stand mit einem Holzknüppel vor ihm, und tastete mit diesem den Körper ab, bevor er Charislaus anschrie: "Eigentümer, voller Name, deine Herkunft und dein Alter! Sofort!"

    Verus wollte einschreiten, tat es aber nicht, warum auch? Wieder einmal fielen die Ereignisse zu seinen Gunsten aus. Er konnte nicht verlieren, denn egal, was er tat, sagte oder durchlebte, es gab kein Entkommen, denn in dieser Sache war er nahezu perfekt geworden: Ziele zu erreichen; denn Verus ordnete dem Zweck jedes Mittel unter und im Zweifel würde er sein Leben für die Mission geben, da auch dieses Opfer notwendig sein konnte. Im Gegensatz zu vielen anderen seines Standes, hing der Prätorianer nicht sehr an seinem eigenen Leben und war bereit dieses aufzugeben, wie er auch bereit war, das Leben anderer aufzugeben.


    Dies tat er nicht gerne, auch nicht sonderlich überschwenglich und naiv aber die grundsätzliche Bereitschaft des eigenen Todes war seit Germanien fest in seinem Leben verhaftet; einst hatte nur Luna und seine Familie darüber hinwegtäuschen können. "Halt," rief Verus. Es war nicht an ihm, diese Reise anzutreten. Nicht jetzt. Seine Männer sollten gehen, die Kiste zum kaiserlichen Palast geleiten und damit den wichtigsten Schatz dem mächtigen Kaiser übereignen: Informationen und Karten. Auch diese Mission hatte er unter Leid und großen Opfern abgeschlossen, und doch war er nicht bereit, sich wieder auf den Thron eines Tyrannen zu setzen, der in Rom auf ihn wartete. Er war der Tyrann an der Seite des Kaisers, um dessen Macht erst möglich zu machen. Die Wahrheit war, dass Verus müde war, so schrecklich verdammt war, dass er eigentlich nicht nach Rom zurückkehren wollte. Es war nur ein Spiel um Macht und Kontrolle gewesen, was gewonnen war. Charislaus Worte waren voller Angst und Furcht, und doch trafen sie auch in ihrer Verfehlung einen wahren Kern: Verus war ein Mörder, zwar unter Auftrag des Kaisers aber er mordete und seine Handlanger taten es ebenfalls, denn sie waren Soldaten und führten seine Befehle aus. Linos wählte bessere Worte, die Verus gefielen und doch wollte Verus nicht gehen. "Es ist getan. Iulius, du hast das Kommando." Verus nickte dem Soldaten zu, der Charislaus am Nacken packte, um diesen unsanft in Richtung Boden zu drücken. "Ich bleibe hier," sagte er und war sich wohl bewusst, dass er seine Familie im Stich ließ aber er wollte nicht als Trecenarius zurückkehren, nicht als der Mann, der er jetzt war, der durch Narben und Taten gezeichnet war. Seine Zeit war abgelaufen. Vielleicht war es einfach an der Zeit.


    "Plato, bitte bringe meine Männer und die Kiste nach Ostia. Sie verdienen eine Rückkehr," sagte er und Iulius und die anderen Prätorianer blickten gespannt und schockiert auf ihren Meister. "Du willst uns verlassen?" - fragte Iulius ängstlich und eine Träne wich über seine Wange. Verus blickte mit Emotionen in seinen einstmalig toten Augen zu seinen Soldaten. Dort fand sich Reue und Traurigkeit, die erst jetzt zum Vorschein kam. "Du kannst doch in Ostia gehen... deine Familie... denke daran," meinte Iulius und Ignatius trat herbei. "Magister, es ist egal, was du jetzt fühlen magst, wir stehen immer bei dir und wir sind dir bereits bis hier gefolgt und würden dir selbst in den Orcus folgen. Du hast uns alle gerettet, du hast vielleicht sogar das Imperium gerettet und all die Taten waren doch nicht umsonst," erklärte der Soldat und deutete in Richtung Horizont. "Wir alle verdienen ein neues Leben und gerade du besonders, Magister." Verus schmunzelte bitter, denn er war gerührt. "Ich habe uns nicht vor Verrat schützen können," meinte Verus. "Das kann niemand, Magister. Du hast den Verräter bestraft und er wird seine Familie erst im Jenseits wiedersehen," meinte ein anderer Soldat, der Linos gepackt hatte. "Komm' mit uns zurück. Dein Krieg ist vorbei, und unser Kampf endet mit ihm," meinte Iulius mit einem traurigen Lächeln, welches nicht ganz frei sein wollte. "Meine letzte Reise als Magister," sagte Verus sich selbst versichernd, dass er nie wieder als Trecenarius reisen wollte. Alle anwesenden Soldaten nickten und Verus wollte Plato, dem Kapitän, dennoch den Beutel mit Gold geben. "Für eine sichere Reise und eine gute Verpflegung," erklärte Verus und blickte dann zu Charislaus und Linos.


    "Versprecht ihr keinen Ärger mehr zu machen und euch von meinen Männern fernzuhalten?" Eine ernstgemeinte Frage. Er wollte keine Racheakte und unnötige Gewalt an Bord. "Plato, können wir die Sklaven irgendwo im Notfall einsperren, wenn sie weiterhin aufmüpfig sind?" Dann deutete er jeweils abwechselnd auf Charislaus und Linos. "Nach weiteren Gegenständen und Waffen durchsuchen," befahl der Meister der Schatten und war nun doch bereit, diese Reise anzutreten. Seine Prätorianer waren froh und taten, wie ihnen gehießen; Charislaus wurde mit prankenhaften Bewegungen abgetastet und auch Linos trafen jene Hände, die ihre Kleidung hochrissen und nach versteckten Gegenständen suchten. "Plato, es tut mir leid, dass du das mit ansehen musst aber diese beiden Sklaven sind mit allen Wassern gewaschen und mitunter heimtückisch. Sie verstehen einfach die Welt nicht und ziehen falsche Schlüsse und diese falschen Schlüsse können zu widerspenstigem und gewalttätigem Verhalten führen, denn sie sind bereits Täter, da sie meine Männer und mich angriffen," erklärte Verus ausführlich seine Ansicht und seine Rechtfertigung für die Behandlung und Abfertigung der beiden. "Und Charislaus lügt beständig," log Verus mit einem gespielt langen Nicken, denn nun war er wieder in seiner Funktion als Trecenarius gebunden.

    Linos entpuppte sich doch als weinerlich und unfähig ein klares Wort gegen Verus und seine Gefolgsleute zu richten. Lieber schrie er eine Negation heraus, die sich wohl auf vieles bezog aber ihre Wirkung gegen Verus verfehlte. Verus zuckte mit den Schultern, da der Tyrann, der er nun einmal war, keine Sinne für die Qualen des Linos hatte. Auch die seelischen Qualen des Charislaus gingen an Verus und seinen Leuten vorüber, wie ein kühler Wind. Verus selbst hatte größere Qualen durchlebt, mehr überlebt und hatte durch seine emotionale Verwahrlosung keinerlei Respekt mehr für eine andere Pein als die eigene übrig. Plato, der wohl unwissend und wissentlich unwissend war, schien überfordert. "Aufklärung wirst du nicht erhalten," erklärte Verus. "Ich kann dir nur so viel sagen, dass diese Kiste für viele Menschen von hoher Bedeutung ist und unbedingt nach Ostia muss. Es ist mir egal, was mit mir ist und ob du mich oder meine Männer mitnimmst aber diese Kiste muss zum Hafenmeister in Ostia," adaptierte Verus die Lage und der Transport der Kiste schien ihm wohl wichtiger als seine eigene Rettung oder die Rettung seiner Männer, denn diese Kiste war die Mission geworden. Ihr Inhalt konnte über viele Dinge entscheiden und war für den Kaiser von großer Wichtigkeit, denn ihr Inhalt hatte bereits Leben gekostet. Diese dürften nicht umsonst gefallen sein, so dass dieser Inhalt unbedingt abtransportiert werden musste und da dieser Plato recht begriffstutzig war, war relativ sicher, dass er die Fracht einfach transportieren würde, ohne weitere Fragen zu stellen oder sie zu öffnen. Die Kiste trug eine merkwürdige und kryptische Beschriftung, die fast schon okkulte Züge hatte und war mit einem des Zeichen des Pluto versehen; ein sinkender Mond, welcher von einem Nebel umschlossen war. "Der Hafenmeister wird darum wissen, wenn du ihm die Kiste zeigst und er wird damit weiter verfahren," war sich Verus sicher, denn der Hafenmeister von Ostia war auch ein ehemaliger Speculator und stand auf der Gehaltsliste der Prätorianer. Er würde die Zeichen lesen können und die Kiste zu den Speculatores bringen. Verus und seine Männer würden schon einen anderen Weg finden. Viele waren ohnehin bereit ihre verdiente Ruhezeit zu genießen und Verus selbst war nicht zwingend bereit erneut in den Dienst des Kaisers zu treten, doch diese Sache musste abgeschlossen werden. Einzig und allein seine Kinder mochten eine Rückreise erzwingen, so dass Verus mitunter alleine und incognito nach Rom reisen würde. "Selbstverständlich können wir dich auch bezahlen," meinte Verus und hob seine Hand, in die von einem Handlanger ein Beutel mit Goldmünzen gelegt wurde. "20* Aurei für deine Dienste und dein Vertrauen," sagte er und wollte Plato den Lederbeutel reichen. "Zähle ruhig nach." Für Verus war Gold und Geld auch nur ein Werkzeug, dass man schlicht verwandte, um Macht und Kontrolle auszuüben. Wenn er wollte, hätte er längst unermesslich reich sein können aber hatte sich bewusst dagegen entschieden, da persönlicher Reichtum neue Gefahren brachte.


    Sim-Off:

    *2000 Sesterzen

    [...] Neben Charislaus traten nun auch zwei Männer und legten ihre prankenhaften Hände auf seine Schultern, jederzeit bereit, seinen Handlungen ein Ende zu bereiten. Es war eine gewohnte Vorgehensweise für Specualtores potenzielle Unruheherde und Störfaktoren unter Kontrolle zu bringen, auch ohne unmittelbaren Befehl in einer derartigen Situation, wie sie sich in diesem Augenblick darstellte.

    Doch bevor Charislaus seinen Sprung ansetzen konnte, würde ihn ein Knüppel in den Oberschenkel treffen und eine Hand zu Boden reißen. Damit hatten sie gerechnet, denn oft taten Menschen in - aus ihrer Sicht - verzweifelten Situationen Unüberlegtes. Die beiden Männer drängten sich zwischen Charislaus und Plato. Einer der beiden Männer hielt ruhig den schweren Holzknüppel in seiner Hand. "Netter Versuch," versuchte der Prätorianer Charislaus zu demotivieren und einer weiteren Handlung zu hindern. Verus selbst wischte eine Geste mit seiner Hand und die beiden Männer gaben eine Sichtlinie auf den armen Charislaus frei. "Ganz ruhig, Charislaus. Wir haben genug Zeit," sagte der Unhold für viele. "Wir reden jetzt hier ganz ordentlich, danach kannst du gerne etwas sagen aber wir halten die Reihenfolge ein. Ich komme sonst durcheinander," meinte Verus mit einem bitterbösen Lächeln, denn er wollte hier seine Regeln durchsetzen und Ordnung bringen. "Du weißt doch, alles hat seine Ordnung und Sklaven sprechen immer nach dem Herren?" Verus stieg in das Spiel ein und versuchte Charislaus auch zu demotivieren und an weiteren Entscheidungen zu hindern. Emotionen waren mächtige Gegenspieler, wenn man sie richtig und rechtzeitig erweckte, denn so konnten sie jede Entscheidung unmöglich machen. Verus spielte mit Menschen, wie mit jenen Holzfiguren, die auf seinem Kartentisch in Rom standen, um verschiedene Ziele und Operationen anzuzeigen. Der Horror lag vor Charislaus, da ihm nun der Knüppel direkt vor sein Gesicht gehalten wurde. "Wo waren wir?" Verus wandte sich zurück, sich darauf verlassend, dass die Männer einen einfachen Sklaven bearbeiten konnten. Er wäre nicht der Erste und auch nicht der Letzte in einer Reihe von niedergeknüppelten Menschen.

    In Rom hatten sie seinen Namen verflucht, ihn einen Tyrannen genannt, einen Desposten der Macht, und doch hier war sein Name ohne jene Bedeutung. Sein Name, oft ohne Gesicht in den niederen Straßen von Rom gesprochen, hatte hier keine Macht und würde mit Sicherheit keine Entscheidungen erleichtern, denn die Parther waren hinter ihm her, um ihn erneut zu brechen und Informationen über die Aktivitäten des Kaisers zu erlangen, nicht einmal Verus konnte auf Monate hinweg der Folter standhalten, denn die Zeit arbeitete stets gegen das Opfer der Folter. Ausweisen? Er sollte sich ausweisen? Natürlich trug er solche Dokumente nicht bei sich, zumal in seiner Zeit und in dieser Region, Ausweisdokumente absolut unüblich waren; eher verbreitet waren Tonscherben mit Insignien oder Erkennungsmerkmale, wie rituelle Waffen oder Gegenstände. Die Römer pflegten Listen, Tafeln und Briefe und diese Praxis war nicht so geläufig, wie der Kapitän vielleicht annahm. Verus hob eine Braue, deutete auf Linos: "Zu mir mit ihm!" Die Soldaten (in ziviler Aufmachung, nahezu abgerissen in Erscheinung) trugen den Sklaven herbei, nachdem dieser sich bemerkbar gemacht hatte. Der Dämon des Kaisers hatte gute Ohren, eine Eigenschaft, die ihm oft geholfen hatte und für seine Berufung recht nützlich war. "Du hast etwas zu sagen?" Verus presste seine Lippen verbittert aufeinander. "Meine Identität ist unwichtig," antwortete Verus. "Ich kann dir jedoch eine Tonscherbe anbieten," meinte er und lächelte teuflisch. "Doch diese kannst du erst in Ostia erhalten." Noch direkter konnte Verus nicht werden, denn ansonsten hätte er seinen Namen sagen müssen und im Feindesland sprach man nicht zu laut den Namen eines Gesuchten.

    Immer diese gebundenen Entscheidungen. Scheinbar war auch dieser Mann vor ihm nicht frei in seiner Wahl. Verus war nun neugierig, was diese Fracht war. Immerhin blockierte diese jene Abfahrt. Hatte dieser nervige Linos, dieser Sklave, nicht etwas erwähnt, dass dieses Schiff geschickt worden war, um ihn, Tiberius Verus höchstselbst, zu retten oder zu finden? Eine Rettung konnte es für Verus nicht geben, denn so etwas strebte er garnicht mehr an, denn allein der Dienst erhielt seine volle Aufmerksamkeit. "Was ist diese Fracht?" - eine ernstgemeinte Frage, so dass Verus diese mit einer Handgeste unterstrich, indem er auf den Kapitän zeigte. "Wenn es sich um eine bestimmte Person handelt, ist diese mit aller Wahrscheinlichkeit an Bord," sagte er und deutete auf sich selbst, ein gewisses Risiko eingehend, seine Person und Position zu verraten. Doch in diesem Augenblick schien ihm dieses Risiko lohnenswert, um diesen Sachverhalt zu seinen Gunsten zu nutzen. "Ich denke, dass sich die Fracht sehr wohl mit anderen versteht," scherzte er bitter und zynisch, um im Anschluss zu Linos zu blicken. "Ich habe keine echten Widerworte gehört," meinte er böse und lächelte salzig in die Richtung des Kapitäns. Die Todes gebietenden Augen fielen unmittelbar auf den Schiffsmeister, forderten etwas Unbekanntes ein und drängten zu einer Antwort, die alles weitere an diesem Tag entscheiden würde. Neben Charislaus traten nun auch zwei Männer und legten ihre prankenhaften Hände auf seine Schultern, jederzeit bereit, seinen Handlungen ein Ende zu bereiten. Es war eine gewohnte Vorgehensweise für Specualtores potenzielle Unruheherde und Störfaktoren unter Kontrolle zu bringen, auch ohne unmittelbaren Befehl in einer derartigen Situation, wie sie sich in diesem Augenblick darstellte.

    Die guten und braven Römer hatten viele Menschen dazu erzogen, doch Dokumente und Listen vorzuhalten, so dass Verus nur genügsam lächeln konnte. Genau diese Dokumente erlaubten jene umfassende Kontrolle, die sein eigener Apparat und Organisation so sehr brauchte, wie Luft zum atmen. Ohne Kontrolle waren sie bedeutungslos und Bedeutungslosigkeit bedeutete, dass sie sich alle ihren Taten stellen mussten; Dinge, die sie mitunter unter anderen Umständen niemals getan hätten. Der Umstand formte doch oft die Entscheidungen und Entscheidungsfreiheit war eine Illusion der Stolzen. "Einverstanden," sagte Verus ohne jeden freundlichen oder bösartigen Ton in seiner Stimme. Es war der Ton eines gelangweilten Amtsdieners, der einfach seine Aufgaben ausführte. Der Schiffsmeister gab genügend glaubthafte Informations preis, so dass sich die Geschichte der beiden Sklaven als wahr beweisen konnte, doch eine absolute Sicherheit war es nicht. Verus kannte aus seiner eigenen Erfahrung genügend ausgereifte Fallen und heimtückische Attentate, die auch viel Schall und Rauch aufboten, um ihr Ziel zu erreichen. Das Dokument in seinen Händen wirkte echt, auch wenn Verus an diesem Ort keine vollständige Prüfung durchführen konnte. Er musste es zu diesem Zweck mit anderen Dokumenten vergleichen und diese stand ihm hier nicht zur Verfügung, insofern reichte er das Dokument an den Kapitän zurück. "Danke," sagte Verus aus bloßen Reflex heraus und blickte dann mit einem kurz Kopfschwenk über das Deck. Scheinbar mochte dieser Magister die beiden Sklaven nicht, was die ganze Sache erleichterte. "Sie sind im Hafen negativ aufgefallen und wir möchten Dir und ihrem Herren Ungemach ersparen, so dass wir sie einfach wieder an Bord bringen und sie somit ihre Heimreise antreten können," erklärte Verus und nickte dem Schiffsmeister zu. Dieses Schiff war wirklich eine Gelegenheit ihre Mission zu erfüllen. Verus trat einen Schritt zurück und hob seinen Arm, was ein Zeichen für die Soldaten war, Linos und den anderen auch herauf zu bringen. Sie sollten alle an Bord. Doch dieser Fremde fehlte urplötzlich. Wahrscheinlich hatte er sich aus dem Staub gemacht. Verus kniff beide Augen zusammen. Wie Verus diesen Freischärler einschätzte, wäre er mit Sicherheit nicht ganz verschwunden und würde auf eine günstige Situation warten. Diese Halunken taten so etwas, um sich stets einen Vorteil zu sichern oder Beute zu machen. Linos wurde an Bord gebracht und von zwei kräften Handpaaren auf den Boden gedrückt, damit er das Schiff nicht mehr verlassen konnte. Sieben weitere Männer traten an die Hafenkante, in ihrer Mitte befand sich eine große Holzkiste, die mit einem Schloss versehen war. Sein Mann hatte tätsächlich die Truppe zusammengerufen und diese warteten nun vor der Rampe, um das Schiff ebenfalls zu betreten. "Ich muss dich ein Stück auf deiner Reise begleiten. Meine Männer ebenfalls. Diese Fracht ist für die Stadtverwaltung von Themiskyra von höchster Bedeutung und da sich kein anderes geeignetes Schiff im Hafen befindet, werden wir diese Fracht ein Stück auf deinem Schiff transportieren müssen. Dafür entfällt die Hafen- und Zollgebühr," meinte Verus und zimmerte sich hektisch eine Lüge zurecht, damit seine Männer nicht wirklich behindert wurden. Erneut machte Verus eine Geste und die Sieben weiteren Männer traten über die Rampe hinauf, wobei zwei von ihnen jene schwere Holzkiste trugen. Verus beäugte die Kiste scharf, denn in ihr lag ein gewisser Wert für ihn. Die Männer nahmen inzwischen das Deck ein, verdrängten sogar Charislaus ein Stück. Einer der Männer lächelte Charislaus frech an. "Wir sollten gleich ablegen," sagte Verus und trat wieder an den Kapitän heran.

    Wie passend. Entweder die Herren hatten sich abgesprochen oder dieses Schiff war tatsächlich eine passende Gelegenheit. Dennoch blieb der Zweifel. "Hast du entsprechende Dokumente bei dir, um dies zu belegen?" Urkundsbeweise waren immer besser als bloße Aussagen, so denn man diese noch leichter überprüfen konnte. "Ich bin der Hafenmeister und wir müssen dein Schiff inspizieren," log er und nahm damit unbewusst den Impuls des Kapitäns auf, der bereits von einer städtischen Amtsperson ausging. In der nahen Ferne stiegen schwarze Schwaden und dicker Qualm auf, da sich das Feuer ausgebreitet hatte aber bereits unter den Löschmaßnahmen litt. Themiskyra konnte gerettet werden, so dass diese Hafenseite sicherlich verschont blieb. Verus hob die linke Faust und machte eine greifende Geste. Seine Männer trat auf die Rampe und schoben Linos, sofern dieser nicht erheblich Widerstand leistete, einfach mit sich über die Rampe, da sie ihn inzwischen mit vier Personen umrungen hatten. "Deine Sklaven oder Matrosen sind uns in die Hände gefallen. Sie wirkten etwas hilflos," ergänzte er seine Lüge.

    Gewalt war so einfach und banal, dass sie als Instrument taugte aber niemals von Wert für Verus war. Was Charislaus glaubte, war falsch, denn Verus war gewalttätig, grausam aber nicht willkürlich und wahllos. Jede seiner Handlungen hatte einen Zweck und Sinn, geboren aus einer verletzten und einsamen Seele, die einer Welt Ordnung geben wollte, die keine besaß und so handelte Verus mit allen Mächten, die er besaß. Das Böse des Verus lag nicht in der Erscheinung, nicht im bösen Eifer, sondern es verbarg sich in der guten Absicht, einer Sache zu dienen, die größer als man selbst, dabei gab es dieses etwas nicht. Es hatte es nie gegeben nd doch war der Glaube wohlgefällig, denn der Zweck heiligte immer die Mittel. Mit jeder Tat brauchte er Rechtfertigung. Mit jedem Weg und dem Schritt darauf, brauchte er Bestätigung, dass etwas blieb und besser war, als das, was bisher gewesen ist. Die gute Absicht, die Welt zu erhalten und zu ordnen, war das wirklich Widerwärtige, was Verus gegen jede Veränderung, gegen jeden Wandel und jeden freien Wunsch stellte. Doch in allem lag immer klare Absicht, keine Willkür, denn das notwendige Böse hatte kein Herz, sondern nur falsche Vernunft. Charfislaus konnte nicht begreifen, wollte vielleicht nicht begreifen, was das Imperium zusammenhielt, was die Welt um ihn herum derzeit formte, denn es bedeutete, dass jeder Wunsch nach Selbstbestimmung, nach eigenen Gedanken und Wünschen, Kräften vollkommen gleichgültig war und jedes Schicksal auch nur Illusion war, denn mitunter gab es keine Götter und höheren Mächte, so dass diese Welt nur eine Abfolge von sich wiederholenden Ereignissen war, die immer wieder Menschen ketteten und zu etwas zwangen, immer und immer wieder. Verus war gefangen durch unsichtbare Ketten, die ihn zwangen und immer wieder mit sich rissen, damit die Abfolge von Wirkungen erhalten blieb. Die Welt hatte einst gebrannt, doch jetzt blieb nur noch Asche und Asche konnte nur noch in Erinnerung glimmen und bald darauf verglimmen, bis alles Licht verschwunden war. Verus war ein Vorbote jener Asche, geschaffen aus verlorenen Träumen und verdorbener Absicht. Charislaus konnte freier sein, als es Verus jemals war und doch entschied er sich zur Furcht und Missverständnis, öffnete damit jenen dunklen Mächten ein Portal, welche auch ihn Besitz nehmen konnten, wenn er sich nur dafür entschied und es zuließ. Angst und Gewalterfahrungen veränderten jeden Menschen und jene tiefsitzende Furcht konnte alles beherrschen, so dass man selbst Grausamkeit wählte. Asche zu Asche. Verus prustete nur. Er musste Charislaus nicht antworten, nichts mehr sagen, denn es war bereits alles gesagt. Die Abfolge erfolgte und die Welt formte sich erneut in bekannten Mustern; nichts veränderte sich für Verus und seine Opfer. Linos rief den Namen, der Schiffsmeister tauchte auf und alles passte sich zusammen, wie ein Muster. Verus blickte sich für einen Moment um, für einen einzigen Moment, konnte er begreifen, welches Muster sich abzeichnete, und wieder schmeckte er Schwefel und Salz. Kälte kroch hinaus in die Leere, welche er fühlte. Und wieder war er hier, tat seine Arbeit, es die gewünschte Veränderung, so ersehnt und erbeten, trat nicht ein. Sein Verstand beobachtete, bewertete kühl und frustriert, was sich abbildete und sein Herz verschmähte jede Beteiligung, denn auch dieser Moment war verloren in der Zeit der unendlichen Wiederholungen, denn Menschen taten das, was Menschen eben taten.


    "Ich möchte vieles aber nicht dieses Schiff," antwortete Verus mit bittersalziger Stimme, die kaum aus seiner Kehle kam. "Kannst du mir sagen, wem dieses Schiff gehört?" Es war so einfach und doch musste er sich absichern, diese Frage stellen und den Meister dieses Schiffes ausfragen, denn nur durch vergleichbare Informationen konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden und Dinge entlarvt werden, um sie der eigenen Macht untertan zu machen, denn die wahren Zusammenhänge zu kennen, machte es möglich, diese zu verändern und diese Kontrolle gebar stets Macht und Ordnung: die Abfolge der Ereignisse zu erahnen oder sogar zu verstehen war von hoher Bedeutung. Verus trat neben Charislaus und gab sich weniger aggressiv, fast freundlich aber die kalten Augen blieben.

    "Das ist es also?" Eine Frage banal und dennoch interessiert gestellt. Verus blickte zum Schiff, welches am Kai lag und durch zwei Täue gesichert war. "Du hast uns gut gedient, Charislaus," stellte Verus fest. Ihm war (vorerst) egal, was Linos glaubte und ihm war vollkommen gleichgültig, was sich Linos oder Charislaus erdachten; wichtig war stets nur eine vollständige Kontrolle über ihre Handlungen. Das unheilige Phantom lächelte Linos, welcher noch immer geknebelt war, diabolisch, fast wahnsinnig fordernd, an. Seine Soldaten packten Linos und drängten ihn zu Verus heran, der ihm den Knebel löste. "Jeder Mensch hat seinen Nutzen, Linos. Jeder Mensch dient und erst im Tode endet der Dienst wirklich," erklärte Verus und wandte sich dann Charislaus zu. "Du wirst mit mir an Bord gehen und wir sprechen mit dem Schiffsmeister und Kapitän," sagte Verus und blickte dann zu Marcus, wohl ein falscher Name, seinem Chefhandlanger und sprach: "Informiere den Rest und sammle die Männer am Treffpunkt Ignis." Ein klarer Befehl, den Marcus mit einem Nicken beantwortete, bevor er sich entfernte. "Wir beginnen gerade erst. Wir haben noch eine Mission...," murmelte Verus mit halblauten Worten. "... und ihr seid nun ein Teil davon, Linos und Charislaus." Verus packte Charislaus am Hals und versuchte ihn auf die Rampe zu schubsen, damit er endlich auf das Schiff ging. "Wenn Charislaus eine falsche Bewegung macht, schlitzt Linos die Kehle auf." Verus trat unmittelbar hinter Charislaus und deutete an ihm vorbei unmittelbar zum Schiff. "Geh' und zeige mir den Schiffsmeister und Kapitän!" Er machte keinen Hehl daraus, dass er es durchaus ernst meinte.

    Manchmal fragte er sich, warum die Menschen immer wieder die gleichen Fragen stellten und immer wieder die gleiche Antwort erhielten. Erhofften sie sich in der Wiederholung etwas oder war es schlicht Ignoranz gegenüber ihrer eigenen Realität? Die Selbstgerechtigkeit mit der viele Menschen agierten, war nicht mehr überraschend für Verus. Glaubte dieser Mensch wirklich, dass er daran nicht gedacht hatte? Glaubte er wirklich etwas besser zu wissen, als die Menschen, die Tag aus und Tag ein, genau jenes taten, was sie gerade getan hatten? Selbst im Angesicht eines drohenden Untergangs war das Rechthaben, das unsägliche Besserwissen, wichtiger als ein Moment des Innehaltens und des Schweigens, des stillen Ertragens, einer unausweichlichen Situation. Dieser Linos war beeindruckend naiv aber gleichzeitig aus diesem Punkt heraus, unglaublich selbstgerecht und beurteilte eine Handlung fern jeder Vernunft; denn jeder andere hätte sich in diesem Augenblick fügsam und folgsam gezeigt, um nicht weiteres Ungemach oder Schmerzen zu erhalten. Verus rollte mit den Augen, da ihm dieser Sklave wirklich zuwider wurde. Er musste ihm keine Erklärungen abgeben. Seine Selbstgerechtigkeit konnte für sich stehen, wie auch Verus Gleichgültigkeit gegenüber Grausamkeit für sich stand. Beide Männer waren durch Erfahrungen und Lebenswege weit voneinander getrennt und ihre Lebenswirklichkeiten waren so gegensätzlich, dass jede Grenze zwischen ihnen ein Segen war. "Fesseln," forderte Verus ein. Er wollte kein weiteres Wort hören, bis die Sache mit dem Schiff geklärt war. Diese selbstgerechte Moral ließ Verus innerlich würgen. "Wenn du gegen Gewalt bist, ist es noch besser, dann wehrst du dich wenigstens nicht, wenn wir dein vorlautes Maul stopfen," sagte der eine Soldat mit einem hämischen Grinsen, während er die Fessel verbrachte und Charislaus von Linos zu trennen gedachte.


    "Ich muss garnichts rechtfertigen. Nicht hier und nicht zu dieser Zeit. Du hast einfach nicht verstanden, wie die Dinge fallen," erklärte Verus nun doch. Sie verstanden das Spiel der Angst einfach nicht. Zu keinem Zeitpunkt hatte Verus die klare Absicht gehabt, sie ohne Grund oder aus Jähzorn zu töten. Sie waren ja immerhin in seinem Gewahrsam, damit schutzlos und vorerst keine Bedrohung für diese Angelegenheit, die er hier noch zu erledigen hatte. Nur verstanden sie nicht, dass ihre Rolle eine völlig andere war. Verus brauchte Sicherheiten und Informationen, die sie mitunter geben konnten. Als Zeugen taugten die beiden ohnehin nicht, da beide leicht durch ungezielte Fragen zu verunsichern waren und man Sklaven ohne Folter in dieser Region sowieso nichts glaubte, sofern keine Beweise für ihre Aussagen sprachen. Ihre Position war also gänzlich ausgeliefert aber das konnte sie nicht sehen, denn ohne Wunsch hatte sie Claudius Menecrates in eine reale Hölle geschickt, die nun auch Gestalt in rauchigen Schwaden und brennendem Feuer annahm. Das Feuer breitete sich aus und erfasste bereits ein Getreidelager, unweit der kleinen Traube um Tiberius Verus. Dieser Sklave, wohl Charislaus genannt, hatte wohl Veirrungen. Sein Name war bis jetzt nicht genannt worden. Verus konnte sich nicht daran erinnern und wertete dessen Ausruf als spontane und panische Verirrung im Angesicht eines Gegners. Viele Menschen versuchten durch falsche Behauptung von sich abzulenken oder Verwirrung zu erzeugen, um sich selbst zu schützen; manchmal auch um etwas Handlungsmacht zu illusionieren.


    "Charislaus," wiederholte Verus und machte sich gedanklich eine Notiz. Scheinbar mochte dieser Linos diesen Charislaus sehr, was man durchaus für sich nutzen konnte. Freunde gegeneinander auszuspielen, war eine leichte Übung für einen Speculator, wie Verus einer war. Noch ein paar weitere Fragen, die man gegen sie richtete und ein paar Drohungen, und schon arbeiteten sie gegeneinander für seine Sache. Man musste sie nur trennen und unabhängig behandeln, um sie dann später wieder unter geheimer Beobachtung zusammen zu führen. Viele waren so im Kerker der Prätorianer zusammengebrochen und hatten das Vertrauen von Freunden verraten, nur um der drückenden Angst und dem Horror des Trecenarius zu entkommen. Das Geheimnis lag ja nicht allein in der Anwendung der Gewalt, sondern in der Furcht vor ihrer Anwendung, dem unbekannten Schrecken, der noch kommen kann und mit jeder kalten Frage und dem nicht ausgesprochenen Horror dahinter, wurde die Furcht immer größer und mit ihr das Gift und der Drang zum Verrat am Freund. Verus wusste, dass Charislaus oder Linos zusammenbrechen würden; insbesondere der vorlaute und selbstgerechte Stolz des Linos waren Tore für Verrat, denn seine Moral war das Gewicht an seinem Hals. "Charislaus," sagte Verus mit dunkler Stimme, als er den Dolch zurückzog. "Magst du uns zum Schiff führen? Ich denke, dass es hier bald ungemütlich heiß wird." Verus deutete hinter sich zum brennenden Getreidelager, was bereits Funken und Glut schlug. "Wenn ihr beide unsere Weisungen und Wünsche ohne weiteres Murren ausführt, garantiere ich für euer Leben," meinte Verus zumindest halbwahr. Garantieren konnte er nie etwas aber er würde sie nicht ohne Grund töten. Doch die Lüge war Gewohnheit für einen Trecenarius, so dass er es einfach so sagte und nicht einmal merkte, dass er eigentlich log.

    Immer diese Forderungen. Warum fiel es so vielen Menschen so schwer, einfach ihr Schicksal zu akzeptieren? Ungemach entstand doch erst durch Verweigerung und Ablehnung. Verus wusste, dass sein Theater grausam und brutal wirkte, mit Sicherheit war er auch nicht sonderlich höflich gewesen aber seine Weisungen waren schlicht gewesen. Er verlangte nicht viel, außer Folgsamkeit, damit diese Sache schnell über die Bühne gebracht werden konnte. Doch erneut zeigte sich, dass viele Menschen einfach nicht verstanden, was in einer Situation angebracht war. Verus seufzte müde. Dieser Linos war besonders anstrengend, da er sich nicht wortlos fügte oder sich schlicht unterwarf. "Spreche ich etwa nicht Latein?" Zwei weitere Schatten traten aus der Menge und bauten sich hinter Linos und seinem Kameraden auf. "Magister," grüßten sie und blickten höhnisch auf Linos herab, der noch immer mutig aber gleichsam kümmerlich seine Forderung hervorgebracht hatte. "Wie ich sehe, verlief nicht alles nach Plan," sagte einer der beiden anderen, der dazu getreten war. "Themiskyra brennt," scherzte er wahr und gab damit indirekt zu verstehen, dass sie mitunter dafür verantwortlich waren. "Sehr gut, damit sind wir vorerst sicher. Kannst du mir einen Gefallen tun?" Der Mann blickte zackig zu Verus. "Magister?" Verus deutete auf Linos. "Fessele diesen da und verpasse ihm einen Knebel. Wenn er sich wehrt, breche ihm einen Arm, dass dürfte ihn besser führbar machen." Der Mann nickte und beugte sich zu Linos herab. Aus seinem Gürtel zog der Mann ein gedrehtes Lederband und ein Stück Stoff. Scheinbar war er vorbereitet oder hatte diese Ausrüstung aus Gewohnheit dabei. Wenn Linos nur wüsste, an wen er geraten war. Es waren Speculatores, die geheimnisvolle und tödliche Schattenelite, die Verus höchstselbst anführte und ausgebildet hatte. Jeder in der Einheit hatte seine Aufgaben und war auch entsprechend gerüstet. Zu Linos Pech war Verus Einheit fast vollständig und die neue Mission entspann sich gerade erst. "Dein Name," fragte Verus, als er sich zum Sklaven neben Linos herabbeugte und ihm den Dolch an die Kehle hielt. Etwas Blut vom einstmals Getöteten verwischte am Kinn des Sklaven. "Ich brauche deinen Namen," meinte Verus, der inzwischen doch ein größeres Interesse an der Geschichte der beiden entwickelt hatte, da beide so seltsam und unpassend waren, dass es einfach seine paranoide Neugierde geweckt hatte. Es gab etwas zu erfahren und zu bewerten.

    Das notwendige Übel besaß kein Herz, obwohl sein Herz noch immer kräftig schlug. Die Worte des Sklaven trafen aber verwundeten ihn nicht. Er hatte diese Worte zu oft, in verschiedenen Formen, in verschiedenen Vorwürfen, schon zu oft gehört. Er hatte so viele Menschen im Namen des Imperiums ermordet, so dass dieser Vorwurf sicherlich seine Bedeutung hatte aber für ihn selbst keinerlei Gewicht mehr besaß. Der Mensch gewöhnte sich an viele Dinge und auch daran, verhasst zu werden und verdammt zu sein. Doch in diesem Augenblick fand sich eine gewisse Ironie darin, dass gerade ein Sklave, in der Ferne, aufbegehrte und Worte mutig wählte, die auch in Rom ein Todesurteil hätten sein können. Verus betrachtete den niedergeschlagenen Sklaven, wie er sich am Boden befand und von seinem Kameraden gehalten wurde. Der Gauner aus Rom, der sich andienen wollte, mischte sich ein und Verus warf diesem Subjekt einen frostigen Blick zu. Er würde sich nicht davonstehlen. Verus würde mit Sicherheit keine Person, die nicht sein Vertrauen genoss, mit Gefangenen allein lassen. "Diese Entscheidung überlass mir," forderte Verus grimmig ein, wobei ein paar Speicheltropfen wütend aus seinem Mund flogen.


    "Treue ohne Gehorsamkeit und Kontrolle ist wertlos," meinte Verus und zuckte erneut mit den Schultern. "Ihr beide versteht es nicht, oder? Ihr wollt es nicht verstehen?" Verus trat den beiden Sklaven mit seinem Fuß etwas Staub ins Gesicht, so dass sie sich in einer Wolke aus Staubpartikeln befanden. Es war mühselig mit Menschen zu sprechen, die die dunkle Seite der Welt nicht gesehen hatten. Es war unnötig etwas zu erklären, was Ignoranz den anderen verwehrte. "Wir werden uns das Schiff gemeinsam ansehen." Verus trat mit seinem Fuß in Richtung der beiden Sklaven, um beide auseinander zu treiben, während der eine Sklave versuchte dem anderen aufzuhelfen. Es war ein kräftiger Tritt, wie er ihn oft gegen Aufrührer und Aufständische in Rom selbst eingesetzt hatte, wenn sie wieder einmal Barrikaden errichteten oder im Handgemenge mit den Soldaten gestürzt waren. Verus war gut darin, denn er hatte schon viele Menschen niedergetreten. "Du! Pack diesen da," sagte er und deutete auf den Sklaven, dessen Namen ihm noch nicht bekannt war, aber der sich im späteren Verlauf womöglich als Charislaus herausstellen würde. Sein Handlanger und Gefolgsmann trat herbei, um den Sklaven zu packen und hoch zu reißen. Es wäre ein geübter Handgriff, denn auch dieser Soldat hatte häufig Menschen gepackt und abtransportiert. Die Speculatores verschleppten nahezu regelmäßig Leute, insbesondere aus der Subura, um sie zu befragen und ihren politischen Interessen zu dienen. "Und du," wandte er sich an den Gauner aus Rom. "Folge uns einfach," war der klare Befehl, während Verus sich ein wenig sortierte. Er musste die Informationen bewerten, einen Plan entwickeln und sich auf mögliche Entwicklungen vorbereiten. Noch immer konnte es eine Falle sein, und mit aller Sicherheit, würde dieses Schiff einige Dinge verändern. Ein Schiff verbesserte ihren Handlungsspielraum enorm, wenn sie es in Besitz bringen konnten und sofern es kein Rettungsschiff aus Rom war. "Linos," sagte Verus verächtlich und der Name wurde im Mund des Meuchlers fast zu einer Todesgewissheit. Der Teufel kannte nun den Namen einer Person. "Dann wollen wir mal," sagte er und deutete in Richtung Straße, die von der Hafenkante fortführte. Inzwischen stieg auch schwarzer Rauch in der Ferne auf. Die Stadt brannte und der Geschmack von Schwefel und Asche wurde immer deutlicher. Verus hatte Themiskyra entfachen lassen, um seine Spuren zu verwischen. Aus den Nebenstraßen strömten Menschen herbei, um vor dem Feuer zu flüchten oder Wasser aus dem Hafenbecken zu nehmen. Chaos entfaltete sich, während der prätorianische Soldat versuchte Charislaus fest zu packen. Verus stand drohend neben Linos und hielt den Dolch in seine Richtung, jederzeit bereit, auf eine Armlänge, zu zustechen. Keine Regung stand in Verus Gesicht. Er war voller kalter Todesverachtung und es war ihm vollkommen egal, was Linos fühlte. Denn in diesem Augenblick war er nur Instrument und Nützlichkeit für den dunklen Unhold des Imperiums.

    Der Frost kehrte zurück. Verus fühlte sich unterbrochen und behindert. "Du hast hier nichts zu wünschen oder zu wollen. Es ist mir reichlich egal, was du getan oder nicht getan hast, Sklave," antwortete der Meuchelmeister kalt und machte keinen Hehl daraus, dass dieser Sklave auch nur ein Instrument oder Objekt im Spiel war, welches Verus bereits seit mehreren Lebensjahren spielen musste. Seine versteckte und geheime Traurigkeit konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein unheiliger Dämon war, der immer das tat, was gerade notwendig war, ohne Rücksicht auf eine Moral oder ihm ferne Ethik. Für ihn zählte allein der Nutzen und die Wirkung einer Handlung im Großen, wie im Kleinen. Seine Trauer und der Schmerz darüber würde der ferne Preis sein, den er zahlte und immer wieder zahlte, um einen weiteren Tag in dieser Welt zu verbringen. "Jeder Mensch kann eine Gefahr sein," behauptete er und lag damit aus seiner Perspektive nicht einmal falsch, denn in seinem Leben hatte er viele Feinde niederringen müssen und hatte längst sein Requiem auf den Menschen geschrieben, der er einmal hätte sein können. "Ich beurteile hier und die Zeit mit der Abfolge der weiteren Ereignisse wird zeigen, was euer Urteil sein wird." Richter und Henker in einem, dass war ein Trecenarius, und auch hier war er immer noch diese Person, auch wenn sein Titel hier keine Macht besaß, so besaß es seine Methodik. "Mach' ihm die Situation klar!" Verus deutete mit dem Dolch auf den ängstlichen Sklaven und sein Kamerad holte aus, um diesem einen Schlag mit der Handaußenseite zu verpassen, so fern er traf, würde der Sklave einen unsanften Schmerz an seiner Wange spüren und ein recht lautes Klingeln in seinem Ohr.

    Viele Worte. Es waren immer zu viele Worte. Verus grummelte leise, während er sich Gedanken machte. Dieser Zufall missfiel ihm erheblich. Dinge, die zu passend zusammenfielen, waren immer mit Gefahren oder Hintergründen verbunden, die er nicht vollens kontrollieren konnte. Dabei war Kontrolle alles, was seine Speculatores brauchten. Sie mussten immer Herr der Lage sein, dürften sich nicht treiben lassen und mussten stets wachsam sein. Seine Sinne schärften sich. Es bestand eine erhebliche Gefahr, denn die Worte des Sklaven bedeuteten vieles und die urängstliche Panik, die Kontrolle zu verlieren, drohte seinen kühlen Verstand zu erfassen. Es war unmöglich, was dieser Sklave berichtete und es war ebenfalls unmöglich, dass das Schicksal solche Karten spielte. Verus witterte eine Falle, eine große Heimtücke, die sich offenbaren würde, sobald er zu genügsam diese Rettung erkaufen würde. Der Lebenswandel und die Leidensgeschichte des Sklaven interessierte Verus recht wenig, denn diese Geschichten ähnelten sich von Mensch zu Mensch, nur einzelne Faktoren des ursächlichen Leids waren austauschbar. Wesentliche Persönlichkeiten waren schnell ausgemacht, wenn man Menschen auf bestimmte Attribute reduzierte und wenn man diese Attribute kontrollierte, kontrollierte man auch die Geschichten dieser Menschen. Doch diese Attribute mussten sauber ausgemacht und überwacht werden. Darin war Verus ein wahrer Meister aber in diesem Sklaven lag kein Mehrwert für den Meister der Schatten, so denn er nur das hörte, was er hören musste. Verus hatte wirklich überhaupt kein Interesse an dessen Befindlichkeiten und seinem Leben im Allgemeinen, denn der kalte Verstand war genügsam in seinen Interaktionen und Verus hatte genug vertraute Menschen verloren, um überhaupt noch eine ernste Bindung zu einem Menschen wirklich unterhalten zu wollen. Nur wenige Menschen bedeuteten ihm etwas und für diese galt ein besonderes Gesetz, dass diesen Sklaven aber nicht band. Es mochte sein Glück sein oder sein Unglück, doch Verus hatte kein wirkliches Interesse an ihm. Wenn es stimmte, dass dieser Sklave mit seinem Freund geschickt worden war, um ihn zu finden, war es ein glücklicher Zufall aber solche Zufälle gab es für Verus einfach nicht. Als Sklave seinen Namen ausgesprochen hatte, wurde Verus zornig, denn niemand sprach seinen Namen in der Öffentlichkeit ohne Reaktion aus. Mit seiner Faust holte Verus aus und versuchte die Brust des Sklaven zu treffen, so dass, sofern er traf, dem Sklaven die Luft wegbleiben würde. Namen waren im bestimmten Kontext eine Gefahr. Niemand sollte erfahren, dass er diesen Verräter hingerichtet hatte. Niemand sollte wissen, dass er hier war. Wenn er arbeitete, legte er seinen Namen ab und war plötzlich Jedermann, die Vielperson, dessen Gesicht vergessen oder verdammt wurde. Seine Schulter schmerzte noch immer und ein wenig Blut lief über seine Lippe, weil er sich wütend ins eigene Fleisch gebissen hatte, um sich nicht verbal zu verraten. Er musste den Wunsch unterdrücken, diese Geschichte zu glauben. Es konnte nicht so einfach enden, nicht jetzt und nicht nach all den Erfahrungen hier und in Parthien. "Du kannst uns zu diesem Schiff bringen und ich mache mir selbst ein Bild. Dein Partner wird unser Pfand sein. Wenn du uns belügst, stirbt er grausam unter Schlägen, bis sein Schädel bricht," erklärte Verus, sich nun bewusst, dass er dieser Sache nachgehen wollte. Immerhin war es eine gute Geschichte und diese kam ihm gerade gelegen, auch wenn er sie nicht glauben konnte.

    „Das mit dem Blutbad glaube ich dir ungesehen. Befriedigt dich das so, dass du damit auch noch prahlst?“ Diese Worte waren schon raus ehe ich sie zu Ende gedacht hatte. Ich musste aber was tun, er konnte
    [...]

    „Du kannst es dir bestimmt denken, ich bin ein Sklave, dem Herr großes Vertrauen schenkt, bestimmt lässt er nach mir suchen wenn wir nicht zurückkommen, mein freund und ich. Nicht weil er denkt ich wäre geflohen, nein er weiß dann mir ist etwas geschehen. Ja, nun wie soll ich dir das beweisen? Vielleicht indem ich dir erzähle, dass er uns extra, für die Suche sein Schiff zur Verfügung stellte. Es liegt noch im Hafen, wir können sofort los segeln. Oder reicht dir die Auskunft, er ist Senator und nach dem Kaiser, die höchste Persönlichkeit in Rom. Wie nennt er sich noch mal? SU? Chari wie heißt es?... Achja richtig PU oder ehm...richtig Praefectus Urbi. Entschuldige bitte mit dem Militär habe ich es nicht so und die Aufregung. Du verstehst? Ich nenne ihn ja auch immer nur Dominus.“
    Natürlich hatte ich in eben dieser Aufregung das Wichtigste vergessen, den Namen meines Herrn zu nennen. Oder war da mein Unterbewusstsein am Werk und wollte uns dadurch eine Frist geben? Ihm da, dem Messermann, Bedenkzeit geben?


    Verus konnte jedes Licht ersticken, fühlte sich in seinen eigenen Schatten am wohlsten und in seinen Händen wurde jedwede Hoffnung nur eine kalte Absicht. Was der Mann nicht sehen, gar fühlen konnte, war jene unsichtbare Furcht, die Verus weiter trieb und immer weiter trug, denn er hatte, ohne es zu wollen, diese Macht lieb gewonnen, die in seiner Organisation lag. Selbst wenn er gottlgleiche Schwingen gehabt hätte, die ihn in jeden Himmel getragen hätten, hätten sein Schmerz und sein Stolz, diese Schwingen zu Asche verbrannt und er wäre tief in auf die Erde zurückgefallen. Er wusste dies, so begnügte er sich damit, der Gegenpol gegen jede Freude und unbegrenzte Freiheit zu sein, denn diese Welt war sein ihm eigenes Gefängnis. Er fand keine Befriedung im Tod anderer, denn er tötete nicht aus Macht oder Gefühl, sondern weil er es musste, umso grausamer waren seine Handlungen, weil es ihm oft gleichgültig geworden war und doch waren die Stimmen und Gesichter immer bei ihm, holten ihn ein und riefen ihn zu sich, damit er seinen Platz unter den Abgelebten einnahm. Verus war der Schrecken, der nur eine Maske aus Fleisch und das Lächeln des Todes trug, um sich vor den Lebenden zu verstecken. Aus dem Dunkeln der Nacht stieg er empor, um selbst im Lichte des Tages, Dunkelheit zu bringen. Der Mann, der seinen Mut gefunden hatte, der dort vor ihm stand, verstand nicht, was es hieß, verdammt zu sein. Mit einem Zungenstrich fuhr sich Verus über seine scharfen Eckzähne, um etwas zu spüren, während er nachdachte. Wieder sprach er viele Worte und forderte, immer nur forderte er ein, doch im Angesicht der Brutalität stand wenigen wirklich etwas zu. Verus verstand sehr wohl, dass dieser Mann von Idealen und einem großen Selbstbild bewegt war, umso weniger mochte er ihn. Idealisten waren schwierig, nicht unbrauchbar aber oft schwierig zu führen, denn sie geboten ihrem eigenen Moralismus Vorschub vor allen rationalen Entscheidungen.


    "Der einzige, der hier mit etwas prahlt, bist du," sagte Verus, als er die Einrede des Mannes angehört hatte. Als ob ihn ein Mann, der fern von hier war, schützen konnte. Und oft war es auch nur Schutzrede, bloße Behauptung eines Geistes, der hoffte, dass Status und Namen Schutz versprachen, doch das taten sie ohne echtes Gewicht nicht. Oft blieb es schlicht bloße Behauptung. Er hatte diese Worte von vielen gehört, bevor sie ihr Leben beendeten. Sie klammerten sich an einen Status, an einen Gott, Namen oder auch nur an Geld, was sie versprechen konnten und doch waren sie am Ende alle tot. Noch immer war kein Christengott herabgestiegen, um ihn zu bestrafen. Noch immer war kein Kaiser herabgekommen, um ihn zu bestrafen und auch kein Mörder hatte seine Organisation dermaßen infiltriert, dass er ernstlich in Gefahr war, denn zu oft tötete er zuerst. "Suchen kann jeder aber finden nicht," scherzte Verus bitter. Viele suchten nach etwas aber wirklich finden würden sie es niemals. "Die Welt ist groß," sagte Verus und zog beide Schultern hoch. Es kümmerte ihn einfach nicht, denn dieses Vertrauen in Personen hatte schon lange nicht mehr. Wenn Personen nicht durch Instrumente und Methodik gebunden waren, waren sie immer eine Gefahr, denn sie konnten sich immer gegen die aktuelle Position entscheiden. Gehorsamkeit enstand nicht allein durch Loyalität, sondern durch wahre Abhängigkeit. Unabhängige Personen waren immer eine Gefahr. Glücklicherweise war ein Sklave immer eine höchst abhängige Person, egal, unter welchem Herren sie diente. "Aha," machte Verus. "Der Praefectus Urbi. Ein schöner römischer Begriff. Ein schöner Amtstitel. Du hast es gut gelernt, Sklave," erklärte Verus und spuckte vor Linos in den Sand, da dieser fürchterliche Geschmack wieder anwesend war. Er schmeckte Schwefel und Salz. "Lass' uns ein Spiel spielen," erhob Verus seine Stimme. "Nenne mir den Namen des Praefectus und seine besonderen Eigenheiten und ich lasse dich leben, wenn ich dir glaube und du darfst uns dann mit zu diesem Schiff nehmen, weil ich gerne sehen würde, warum du wirklich hier bist." Das war eine gute Möglichkeit. Immerhin kannte Verus viele Personen der Oberschicht aus den Actae der Speculatores, die für dieses Amt in Frage kamen und auch ihre besonderen Eigenschaften. Wahrscheinlich war es ohnehin immer noch sein Concordiabruder Claudius Menecrates. Aber er rechnete nicht damit, dass dieser lumpige Sklave vor ihm, wirklich diese Bedeutung besaß und nur sein eigenes Leben retten wollte, welches nun nicht mehr wirklich in Gefahr war aber das konnte der Sklave ja nicht wissen. Verus war gut darin, seine wahre Absichten zu verschleiern und gab gerne den unheilgen Geist.

    Verwirrt schaute Vulpis den Mann an. Eintopf, was faselte der jetzt hier von Eintopf? Als der jedoch weiter sprach dämmerte es ihn. Er meinte Alb. Albus hatte damals für ihn gearbeitet, zu ärgerlich jetzt wusste der Kerl, dass er, Vulpis, der Arbeitgeber von Alb gewesen war. Da half alles nichts, er musste jetzt eine wenig Farbe bekennen.

    „Nun wie du schon bemerktest war ich einst sehr Hilfsbereit. Mein Betrieb bot Hilfe für manche Lebenslage. Jeder meiner Leute hatte eine besondere Fähigkeit, auf die er spezialisiert war. Ich vermute du hast mit Alb Geschäfte gemacht. Leider wurde mein Geschäft sammt unserer Unterkunft, nun sagen wir ,auch aufgelöst. aufgelöst und mene leute waren plötzlich in alle Winde verstreut. Ich selber kam nicht mehr richtig auf die beine. Trat sogar kurzfristig in die CU ein, aus der ich mich aber gleich nach der Vereidigung verkrümelte. Die Fatzkes gingen mir mit ihrem Kommandoton so was von auf die Nerven, das war nicht zum aushalten. Zugunterletzt sagte man mir, geh nach Cappadocia eine aufstrebende Region, wovon, wie du dir denken kannst, ich nichts bemerkte. Aber wenn ihr noch einen Mann gebrauchen könnt, ich wäre dabei.“


    "Männer können wir immer gebrauchen," meinte Verus, nicht wirklich mit fester Absicht diesen Abschaum dauerhaft zu beschäftigen aber für den Moment war er durchaus brauchbar, auc um zu erfahren, was er wirklich hier machte und wenn er sich sicher glaubte, würde er sicherlich ein paar Hinweise verlieren. Verus plante bereits langfristig und konnte eine austauschbare Figur auf dem Feld gut gebrauchen, um seine eigenen Männer zu schützen, die ihm persönlich deutlich mehr wert waren, als ein Söldner und Halbsabschneider aus der römischen Gosse. Doch auch die Gosse brachte gelegentlich brauchbare Instrumente hervor. "Das dein Geschäft so bedauerlich lief, tut mir leid. Dein Geschäft lässt sich sicherlich erneut gründen, wenn sich die Lage ein wenig verändert hat. Vergiss' die Cohortes, die sind ohnehin Schrott und bei mir brauche ich immer Leute, die bereit sind, in jeder Lebenslage besondere Hilfe zu leisten," log er halbwahr und versuchte damit eine gleiche Ebene zu heucheln, damit dieser sich in falscher Sicherheit wiegen konnte. Er würde seinen Nutzen schon haben und sei es nur darum, mehr über die Geschehnisse in Rom zu erfahren. "Könntest du vorerst den Freund von diesem vorlauten Sklaven packen und ein paar Schritte entfernen, ich möchte die Situation etwas entzerren," forderte Verus von seinem neuen Handlanger ein.

    [...]

    In aller Ruhe stand er auf, bahnte sich einen Weg zwischen den Kisten und trat auf die Gruppe zu. "Kann ich vielleicht irgendwie oder irgendwem behilflich sein?"

    Verus vergaß nie ein Gesicht. Dies war eine seiner besonderen Fähigkeiten, die ihm stets in seiner Tätigkeit halfen. Er kannte diesen Mann, denn er hatte ihm einst, zu einer anderen Zeit, verdeckt in einer Taberna einen Auftrag gegeben. Dieser Mann hatte für seine Speculatores gearbeitet. Was machte dieser Mann hier? Zufälle in dieser Größenordnung gab es nicht. Die alte Angst kehrte zurück. Seine Arbeit rächete sich irgendwann; und irgendwann würde ihn die selbe Grausamkeit treffen, die er anderen antat. Insgeheim wünschte er sich dies manchmal, denn es würde die Angst und diesen immer andauernden Albtraum beenden. Verrat, überall lauerte Verrat, denn wenn dieser Mann hier war, war viel mehr in Bewegung, als Verus jetzt überblicken konnte. Die Situation musste neu bewertet werden. Schnell huschten seine Augen umher, zuckten gar in ihren Höhlen, während Gedanken sich ebenso schnell formten. Sein Waffenbruder erhob sich von seiner Arbeit, blickte der treibenden Leiche hinterher und trat dann neben Verus, einen Dolch in seiner Hand haltend. Auch er war bereit, zu töten und sich zu verteidigen, wenn nicht sogar zuerst anzugreifen. Die Finger des Verus krümmten sich an der Waffe, während diese kalte Berechnung und Todesverachtung aus seinem Gesicht sprachen. Er hatte die Situation bewertet. "Hier gibt es keinen Eintopf," sagte er zum Mann, der einst für die Speculatores, unsaubere Aufträge erledigt hatte. "Viel mehr interessiert es mich, was ein Mann, dieser besonderen Hilfsbereitschaft, an diesem Ort sucht..." Verus spuckte dann etwas Speichel auf den Boden, da er einen unschönen Geschmack im Mund verspürte. Mit einem Handzeichen deutete er seinem Gefolgsmann an, seine Klinge auf den bekannten Unbekannten zu richten. Der Speculator trat mit einem schnellen Schritt heran und hielt die Waffe drohend bereit. Wenn es sein musste, würde Verus diesen Unsicherheitsfaktor beseitigen müssen. Auch wenn es sicherlich interessant war, die Beweg- und Hintergründe zu erfahren, doch im Zweifel galt immer die Prämisse der Sicherheit.


    [...]

    Langsam bekam er wieder ein Gefühl in der Zunge und sie fühlte sich nicht mehr wie ein dicker Lappen in seinem Mund an.


    "Wi..ir haben ni..ichts gesehen. Gar... nichts. Nichts. Wir hab..en auch nichts. Gar... nichts. Keine...e Werte...", versicherte Chari und fragte sich, ob er oder Linos zusammenbrechen würden, sobald er losließ. Vermutlich sie beide.

    "Sehr gut. Du hast gut gelernt," sagte Verus und grinste hämisch, fast bösartig in die Richtung von Charislaus und deutete dann mit der Klinge in seine Richtung. "Zu Töten ist recht einfach," ergänzte er und suchte dann einen besseren Stand, die Fluchtwege im Hintergrund sondierend. Es war an der Zeit, einfach zu gehen, wenn sich die Gelegenheit bot.


    [...]

    „Hör zu mein Freund“, wie albern von mir, den Kerl als Freund zu bezeichnen. „Als erstes steckst du, nein,
    am besten wirfst du, das Messer weg. Dann sagst du uns wie deine Name lautet und wie wir dir helfen können. Bestimmt, auch wenn ich überhaupt nicht danach aussehe, aber dir ist wohl auch bekannt, man soll nicht immer nach dem Aussehen gehen, kann ich etwas für dich tun. Du musst es nur sagen. Ich muss dir aber auch nicht sagen, dass was du eben gemacht hast, nicht richtig ist. Was war denn der Grund? Bestimmt ist das nicht das womit du dir dein Brot verdienst. Und der da“,
    damit zeigte ich mit einer Kopfbewegung auf dem Mann von hinter den Kisten, „der will bestimmt auch nur helfen. Oder?“ Kurz ruckte mein Kopf zu dem Kistenmann, bevor ich dem Messermann weiter im Auge behielt. „So ein Blutbad willst du gar nicht anrichten.“
    Dann kam mir eine ganz verrückte Idee. „Sag mal“, begann ich trotz Charis Hand und meinem wahnsinnigem
    Herzklopfen, „mir scheint du kennst dich hier gut aus. Wir, mein Freund und ich, wir suchen nämlich jemanden. Dummerweise habe ich ihn noch nie gesehen und würde ihn also auch nicht erkennen wenn er
    vor uns stände. Das gute daran ist, der für den wir ihn suchen, kann dir auch vielleicht weiterhelfen, denn sein Einfluss in Rom ist recht groß.“

    Fast hätte ich mir, vor Erleichterung, meine vorwitzige Haarsträhne von der Stirn gepustet. Rechtzeitig hielt ich mich zurück, der Kerl sollte nicht an meinen Mut zweifeln, auch wenn ich ihn nur mit meinem Geplapper
    vortäuschte.

    Nicht noch einer. Es gab hier nichts zu bereden, was wirklich von Interesse war. Die einzige Person, die relevant werden konnte, war der bekannte Unbekannte, der einst in Rom für Geld seiner Einheit gedient hatte. Ein brutaler Söldner, der sich jeden dreckigen Auftrag verdient hatte, den Verus sich ausdenken musste. Es war Verus in diesem Augenblick vollkommen egal, was dieser bedeutungslose Typ sagte und vor sich hin erzählte. Es waren nur Worte und Worte waren nur in der richtigen Anwendung, gegen die richtige Person und zur richtigen Zeit gefährlich aber in dieser Zeit waren sie einfach nur Worte, die eine sichtbar unterlegene Person von sich brachte, um sich die Deutungshoheit zurück zu holen. Dabei war Verus, ein Mann, der stets handelte und das tat, was notwendig war, die moralische Deutungshoheit vollkommen gleichgültig. Moral war kein Begriff, der für einen Speculator relevant war und ein brutaler Soldat der Prätorianer trennte nicht zwischen Gut und Böse, Richtig oder Falsch, sondern nur zwischen Ausführung und Nichtausführung, Gehorsam und Ungehorsam sowie Bedrohung oder Nicht-Bedrohung. Moralische Fragen waren für kaltberechnende Aufgaben und Funktionen einfach bedeutungslos, weil sie hinderlich regressiv waren. Ohne es zu wissen, hatte dieser Mann die falsche Ansprache gewählt. Verus zuckte kaum merklich mit den Schultern. Keine Regung zeigte sich in seinem Gesicht. Es ließ ihn kalt. Vollkommen kalt, was dieser Mann wollte und forderte. Er legte den Kopf, wie eine lauernde Bestie, zur Seite. "Es wäre nicht das erste Blutbad," sagte er mit ernster aber betont leiser Stimme, bevor sich ein wahnsinnig-zynisches Lächeln auf seinen Lippen zeigte. Es war eine Masche, ein Theater, um Verunsicherung zu verbreiten. Doch dabei steckte auch Wahrheit darin: Verus hatte viele Menschen in seinem Leben getötet, doch vergessen hatte er sie nie. Diese Sache musste schnell beendet werden. Sie hatten keine Zeit. Doch bevor sich Verus entscheiden konnte, die Risikofaktoren zu beseitigen, erwähnte der Mann ein bedeutungsschweres Wort: Rom. Er sprach von Rom und einer Person, die Einfluss in Rom besaß. Es war gut möglich, dass es eine Lüge war. Lügen waren Gewohnheit für Verus. "Eine interessante Aussage," meinte Verus und schmunzelte bitter. "Du hast drei Atemzüge mir etwas zu sagen, dass deine Aussage als möglicherweise wahrhaftig beweist, ansonsten wirst du hier sterben, mit deinem Kumpel und diesem hilfsbereiten Kerl." Verus meinte das ernst und machte keinen Hehl daraus, dass er erneut töten würde und seine kaltfrostigen Augen unterstrichen dies.

    Ein Mann rannte durch die Menge, stieß ein paar Kisten bei seiner Flucht um, während er panisch hinter sich blickte. Diesem Mann stand die Todesangst ins Gesicht geschrieben, während ihm mit ruhigem Schritt zwei andere Männer folgten. Einer dieser Männer war Verus, der einen blutigen Dolch in seiner Hand trug. Verus hatte diese böse Gleichgültigkeit in seinem Blick, während er Schritt um Schritt weiter ging. Der Mann stürzte über die Kiste, so dass der Mann, der sich dahinter verbarg ebenfalls die Flucht ergriff. Verus machte sich nicht einmal die Mühe den blutigen Dolch zu verbergen. Es war ihm gleich, was mit ihm selbst geschehen würde. Da Verus den Dolch ruhig in seiner Hand hielt, sich andächtig und nicht aggressiv bewegte, fiel der Menge die Waffe nicht auf, und somit zogen sie alle ihrer Wege aber diejenigen die jenes Instrument sahen, traten schlicht ins Dunkel oder verschwanden. Es wäre nicht der erste Mord in dieser verlorenen Stadt, in diesem letzten Hafen der Verlorenen. Themiskyra war kein Ort für Helden und Legenden, sondern schlicht eine sterbende Stadt in der Ferne, die einen letzten Ausverkauf betrieb. Der Mann, der neben Verus lief, teilte den kalten Blick und folgte ebenso fokussiert dem Flüchtenden. Der Flüchtende raffte sich auf und packte Linos an der Schulter. "Helft mir...," forderte er mit brechender Stimme und ängstlichen Tränen in den Augen. "Er kommt... Er kommt, um mich zu holen... Er kommt... Er kommt...," versuchte er klare Sätze zu finden aber die Panik und der Horror verwehrte ihm jede Klarheit. Er musste flüchten, weiter flüchten, denn er selbst hatte etwas Schreckliches getan. Verus näherte sich, schob mit einer kühlen Bewegung Passanten zur Seite, immer weiter sein Ziel verfolgend. "Vorbei," sagte Verus, als er herantrat und dem Mann jenen Dolch in einer starken Bewegung ins Genick stieß. Mit einer Drehung durchbrach er jene Wirbel und mit einem lauten Knacken, welches widernatürlich und todesfürchtig hereinbrach, war der Mann sofort tot und sank in die Arme des zweiten Mannes, der den Toten auffing und mit einer Bewegung ins Hafenbecken warf. Verus ließ die Klinge los und nickte seinem Partner zu. "Finis finitum est," murmelte Verus. Die Angst stand dem Toten noch im Gesicht und sein Mund war weit aufgerissen, als ob sein Flehen immer noch herausbrechen wollte. Doch bereits im Hafenbecken trieb seine Leiche an Stück ab und reihte sich in eine Menge Trümmergut als alten Kisten und Treibholz ein. "Die Ewigkeit ist nicht so lang," sagte er und wandte sich dann an Linos und Charislaus. "Ihr habt nichts gesehen, ansonsten endet ihr genauso, wie er," drohte er mit kalter Stimme und deutete abwechselnd auf beide. Wenn alles verloren war, was hatte dann noch Sinn? Verus suchte nicht danach und sein Hunger nach Rache war bedient, so dass dieser Tag genug Tod und Blut aus seiner Hand gesehen hatte. Doch Verus fand niemals Frieden, niemals einen Ort, an dem er wirklich Mensch war, sondern er war nur jener unheiliger Dämon, der auf Befehl Ziele verfolgte, immer nur verfolgte und richtete, doch dabei richtete er sich nur sich selbst hin. Er wollte nun gehen und diesen Ort wieder einmal verlassen. Irgendjemand würde nun die Wachen rufen aber üblicherweise waren diese Leute in einer solchen Stadt sehr langsam, unterbezahlt und regelrecht unwillens. Verus und sein Partner hatten zwar nicht genug aber ausreichend Zeit, um den Hafen zu verlassen. Niemand würde wirklich nach ihnen suchen, denn dafür wurde gesorgt. Seine Leute hatten einen Brand unweit entfacht, der Menschen band. Wiederum andere Leute hatten einen Amtlichen bestochen, damit dieser besonders träge agierte, und Wachen aus diesem Bezirk abzog. Alles war geplant, damit dieser nun mehr tote Mann in jene Falle lief. Eine Falle, die Verus schon vor Wochen vorbereitet hatte, um nach dem Versprechen der Prätorianer Verrat stets grausam und gezielt zu bestrafen. Man hatte ihn nur in den Hafen treiben müssen, einen Ort, den Flüchtende aufsuchten, um schnell zu entkommen und somit war es erwartbar und nahezu naheliegend.