Pah! Dass ich nicht lachte. Hier, um eine Aussage zu machen. Eine Aussage hätte ich auch in meinem Anwesen bei Misenum machen können. Diese Erklärung glaubte ich dem Foltermeister keine zwei Wimpernschläge lang. Für irgendeine harmlose Aussage war ich nicht hier. So behandelte man keine Zeugin. Erst recht keine Zeugin von Stand. Selbst die Prätorianer würden jede Wette große Probleme mit ihrem obersten Dienstherrn bekommen, wenn das die Art war, wie die Schwarzröcke standardmäßig mit einer Ritterin, und einem Mitglied des senatorischen Ordo, umsprangen. Denn so behandelte man nur Verbrecher. (Hieß also: Irgendetwas wurde mir vorgeworfen. Musste mir vorgeworfen werden. Denn selbst dieser.. gewisse Präfekt hatte sich bestimmt wenigstens irgendeinen Vorwand gesucht. Bevor er mich aus meinem eigenen Haus entführen ließ.)
Über Severa behauptete der Typ dann, dass es ihr gut ging. Aber auch das glaubte ich ihm nicht. Seine "Entschuldigungen" waren Lügen. Seine Erklärung, warum ich hier war, war eine Lüge. (Oder wenigstens nicht die volle Wahrheit.) Und bei der seltsamen Betonung. Da konnte auch der Rest hier nur eine Lüge sein. Nur der Nachsatz zu meiner Familie machte mir irgendwie Mut. Auf eine ganz seltsame Art. Denn kein Wort über meinen Mann auf seiner abartigen "Vergnügungsreise". Und kein Silbe über meinen ausgerissenen Sohn. Obwohl man mir mit solchen Andeutungen viel mehr zusetzen könnte. Als nur so allgemein und beliebig mit dem Wort Familie. (Ich vermutete also.. oder hoffte stark, dass dieser Foltermeister weit, weit weniger wusste, als er mich glauben machen wollte. Gut möglich, dass Severa auch einfach gerade selbst irgendwo auf dem Land eine Freundin oder einen Verwandten besuchte.)
Mein Instinkt sagte mir deshalb: Bloß nicht eingehen auf diese Psycho-Spielchen des Foltermeisters. Der wollte mich nur Einschüchtern. Kirre machen. Damit ich irgendwas sagte, was mich am Ende wirklich noch zur Verbrecherin machte. Also kommentierte ich seine Antworten nicht weiter. Fixierte ihn nur weiter mit feindseligem Blick. Und hüllte mich wieder in Schweigen. Bis er dann anfing und seine erste Frage stellte. "Ich.." biss mir auf die Zunge. Denn natürlich ahnte ich, wer diese Soldaten hier geschickt hatte. Einer der beiden Prätorianerpräfekten. Der Sohn meines Patrons. Aber wollte ich das wirklich einfach so zugeben? "..habe keine Ahnung." Nicht von Verhörtaktiken. "Tut mir Leid." Tats mir nicht im geringsten. Und das konnte der Foltermeister auch ohne Probleme aus meinen Augen lesen. Die fixierten ihn nämlich immer noch. Feindselig. Misstrauisch. Und trotz meines Aussehens gerade, auch ein kleines bisschen von oben herab. "Vielleicht bist du so gut, und klärst mich auf. Wer euch geschickt hat. Und warum ich.. als Römerin, als Ritterin, als Senatorengattin.. ohne Vorwarnung von euch überfallen wurde.. mitten in Italia.. in meinem eigenen Anwesen.. von dort wie Vieh mit einem Sack überm Kopf.. und gefesselt.. und ohne die Möglichkeit, mich als Mutter von meiner kleinen Tochter zu verabschieden.. von euch entführt wurde.. als wäre ich nicht zur Erziehung meiner Kinder.. im kaiserlich genehmigten Erziehungsurlaub.. mit den Kleinen auf mein Landgut gefahren.. sondern hätte gerade den schlimmsten Hochverrat begangen.", giftete ich ruhig aber böse (und mit immer wieder kleinen Denkpausen, weil ich nichts Unüberlegtes sagen wollte) zu diesem Folterer.
Dann gabs eine größere Pause in meinen Worten. Ich verzog leicht meinen Mund. Weil ich mich ärgerte. Ärgerte, dass ich jetzt doch so viel gesagt hatte. Obwohl ich doch eigentlich möglichst wenig reden wollte. Und auf diese Psycho-Spielchen eingehen. "Was wird mir vorgeworfen?" Klartext. Hatten die Prätorianer mal wieder nicht aufgepasst? War ihnen mal wieder ein Kaiser weggestorben? Der Aquilier vergiftet wie der letzte Ulpier? Oder aus heiterem Himmel plötzlich tot gewesen wie der Cornelius? - Und ich wurde jetzt verdächtigt, von Misenum aus das alles arrangiert zu haben? Es war einmal.. eine einzelne Römerin, die eine ganze Kaiserfamilie stürzte. Es war einmal.. eine Märchenstunde für Erwachsene.