Beiträge von Sergia Fausta

    Pah! Dass ich nicht lachte. Hier, um eine Aussage zu machen. Eine Aussage hätte ich auch in meinem Anwesen bei Misenum machen können. Diese Erklärung glaubte ich dem Foltermeister keine zwei Wimpernschläge lang. Für irgendeine harmlose Aussage war ich nicht hier. So behandelte man keine Zeugin. Erst recht keine Zeugin von Stand. Selbst die Prätorianer würden jede Wette große Probleme mit ihrem obersten Dienstherrn bekommen, wenn das die Art war, wie die Schwarzröcke standardmäßig mit einer Ritterin, und einem Mitglied des senatorischen Ordo, umsprangen. Denn so behandelte man nur Verbrecher. (Hieß also: Irgendetwas wurde mir vorgeworfen. Musste mir vorgeworfen werden. Denn selbst dieser.. gewisse Präfekt hatte sich bestimmt wenigstens irgendeinen Vorwand gesucht. Bevor er mich aus meinem eigenen Haus entführen ließ.)


    Über Severa behauptete der Typ dann, dass es ihr gut ging. Aber auch das glaubte ich ihm nicht. Seine "Entschuldigungen" waren Lügen. Seine Erklärung, warum ich hier war, war eine Lüge. (Oder wenigstens nicht die volle Wahrheit.) Und bei der seltsamen Betonung. Da konnte auch der Rest hier nur eine Lüge sein. Nur der Nachsatz zu meiner Familie machte mir irgendwie Mut. Auf eine ganz seltsame Art. Denn kein Wort über meinen Mann auf seiner abartigen "Vergnügungsreise". Und kein Silbe über meinen ausgerissenen Sohn. Obwohl man mir mit solchen Andeutungen viel mehr zusetzen könnte. Als nur so allgemein und beliebig mit dem Wort Familie. (Ich vermutete also.. oder hoffte stark, dass dieser Foltermeister weit, weit weniger wusste, als er mich glauben machen wollte. Gut möglich, dass Severa auch einfach gerade selbst irgendwo auf dem Land eine Freundin oder einen Verwandten besuchte.)


    Mein Instinkt sagte mir deshalb: Bloß nicht eingehen auf diese Psycho-Spielchen des Foltermeisters. Der wollte mich nur Einschüchtern. Kirre machen. Damit ich irgendwas sagte, was mich am Ende wirklich noch zur Verbrecherin machte. Also kommentierte ich seine Antworten nicht weiter. Fixierte ihn nur weiter mit feindseligem Blick. Und hüllte mich wieder in Schweigen. Bis er dann anfing und seine erste Frage stellte. "Ich.." biss mir auf die Zunge. Denn natürlich ahnte ich, wer diese Soldaten hier geschickt hatte. Einer der beiden Prätorianerpräfekten. Der Sohn meines Patrons. Aber wollte ich das wirklich einfach so zugeben? "..habe keine Ahnung." Nicht von Verhörtaktiken. "Tut mir Leid." Tats mir nicht im geringsten. Und das konnte der Foltermeister auch ohne Probleme aus meinen Augen lesen. Die fixierten ihn nämlich immer noch. Feindselig. Misstrauisch. Und trotz meines Aussehens gerade, auch ein kleines bisschen von oben herab. "Vielleicht bist du so gut, und klärst mich auf. Wer euch geschickt hat. Und warum ich.. als Römerin, als Ritterin, als Senatorengattin.. ohne Vorwarnung von euch überfallen wurde.. mitten in Italia.. in meinem eigenen Anwesen.. von dort wie Vieh mit einem Sack überm Kopf.. und gefesselt.. und ohne die Möglichkeit, mich als Mutter von meiner kleinen Tochter zu verabschieden.. von euch entführt wurde.. als wäre ich nicht zur Erziehung meiner Kinder.. im kaiserlich genehmigten Erziehungsurlaub.. mit den Kleinen auf mein Landgut gefahren.. sondern hätte gerade den schlimmsten Hochverrat begangen.", giftete ich ruhig aber böse (und mit immer wieder kleinen Denkpausen, weil ich nichts Unüberlegtes sagen wollte) zu diesem Folterer.


    Dann gabs eine größere Pause in meinen Worten. Ich verzog leicht meinen Mund. Weil ich mich ärgerte. Ärgerte, dass ich jetzt doch so viel gesagt hatte. Obwohl ich doch eigentlich möglichst wenig reden wollte. Und auf diese Psycho-Spielchen eingehen. "Was wird mir vorgeworfen?" Klartext. Hatten die Prätorianer mal wieder nicht aufgepasst? War ihnen mal wieder ein Kaiser weggestorben? Der Aquilier vergiftet wie der letzte Ulpier? Oder aus heiterem Himmel plötzlich tot gewesen wie der Cornelius? - Und ich wurde jetzt verdächtigt, von Misenum aus das alles arrangiert zu haben? Es war einmal.. eine einzelne Römerin, die eine ganze Kaiserfamilie stürzte. Es war einmal.. eine Märchenstunde für Erwachsene.

    Man warf mich auf meine Knie. Ich bemühte mich darum, mein eisernes Schweigen aufrecht zu erhalten. Nur ein leichtes Stöhnen beim Aufprall meiner Knie konnte ich nicht verhindern. Dann riss mir einer der Soldaten den Sack vom Kopf. Endlich! Es dauerte einen kleinen Moment, bis ich mich orientiert hatte. Und überrascht stellte ich fest: Ich war hier wirklich in Rom. In der Casa Sergia. Mein Blick fiel auf das viele Blut am Boden. Angeekelt von diesem widerlichem Bild (und da kam ja wohl auch dieser furchtbare Gestank her) wandte ich meinen Kopf ab. "Hoffentlich ist das nicht Severas Blut", schoss es mir dabei durch den Kopf. Denn immerhin war das hier ja auch Severas Haus. (Als ich damals aus Alexandria hierher nach Rom gekommen war. Als ich für kurze Zeit selbst hier im Haus gewohnt hatte. Und auch seit ich nach meiner Hochzeit vor mehreren Jahren zu meinem Mann in die Domus Iulia gezogen war, hatte sich dieser Fakt nie geändert. In diesem Haus hatte meine liebe Base Severa das Sagen.)


    Plötzlich hörte ich aus einem Nebenzimmer, wie jemand geschlagen wurde. Severa! Mein Puls schoss in die Höhe. Bis ich eine "Männin" um Gnade winseln hörte. Denn ich kannte Severa. Und das war ganz sicher nicht ihre Stimme. Wahrscheinlich nur irgendeiner ihrer Sklaven. Und dessen Schicksal tangierte mich, gelinde gesagt, überhaupt nicht. Denn seit wann bitte interessierte ich mich für Sklaven? Noch dazu welche, die mir nicht mal gehörten? (Denn in Severas Haus standen natürlich auch nur Severas Möbel. Lagerten Severas Sachen. Schufteten Severas Sklaven. Ich war damals noch Postpräfektin gewesen, als ich hier ausgezogen war. Noch nicht Procuratrix Annonae. Geschweige denn Procuratrix a memoria. So lange war das schon her. Mehr als genug Zeit, um mit meinem kompletten Sack und Pack von dieser eher bürgerlichen Casa in die senatorische Domus der Iulier umzuziehen.)


    Dann kam ein weiterer Lakai auf mich zu. Zumindest dachte ich das. Denn er war nicht der.. gewisse Prätorianerpräfekt. Und mit dem rechnete ich ja felsenfest. Mit blutigen Händen kam er näher. Warf mir sein dreckiges, blutverschmiertes Handtuch vor die Knie. Aus zusammengekniffenen Augen sah ich ihn feindselig an. Das würde selbst dieser Decimer nicht wagen, eine Ritterin, eine Senatorengattin, eine Klientin seines Vaters so foltern zu lassen! Das wagte er nicht! Der (ich vermutete) Foltermeister "entschuldigte" sich bei mir. Ich schwieg weiter. Schaute den Typ nur weiter feindselig an. Und hoffte, dass ich damit recht behalten würde, dass hier niemand irgendwie Hand anlegte und mich foltern wollte. (Oder Schlimmeres. Denn ich wusste ja immer noch nicht, was man mit Severa gemacht hatte.)


    Er gab den Befehl, mich aufzurichten. Und die beiden Soldaten, die mich vorher auf die Knie geworfen hatten, holten mich zurück auf die Beine. Anschließend der Befehl, meine Fessel zu lösen. Die beiden Soldaten gehorchten erneut. Mir wurde klar, dass dieser Foltermeister hier vielleicht ein bisschen mehr zu sagen hatte. Nicht nur so ein einfacher Handlanger war wie der Rest. Trotzdem reagierte ich auch auf seine zweite "Entschuldigung" nicht. Denn seine ganze Ausstrahlung sagte mir, dass er es eh nicht ernst damit meinte. (Und eigentlich sagte er ja auch nicht, dass er sich entschuldigte. Nur, dass er sich noch entschuldigen musste. Irgendwann.) Also schwieg ich weiter. Sah dem Foltermeister nur weiter stumm in seine leeren Augen. Bis ich es irgendwann einfach nicht mehr aushielt: "Warum bin ich hier?!", sprudelten gleich zwei Fragen in einer aus mir heraus. Denn ich wollte wissen: Warum hatte man mich hierher.. nach Rom.. verschleppt? Und warum hatte man mich hierher.. in das Haus meiner Base Severa.. gebracht? "Und wo ist Severa? Was habt ihr mit ihr gemacht?!"

    >> Man hatte mir einen Sack über den Kopf gezogen. Hatte mich gefesselt. Wollte mich brechen. Offensichtlich. Aber den Gefallen, den wollte ich diesem Präfekt nicht tun. Diese Genugtuung gönnte ich ihm nicht. Nicht im Geringsten. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass ich mich enorm unwohl fühlte. Das Atmen fiel schwer. Ich sah nichts. Und ich konnte immer nur erahnen, woher die vielen Geräusche kamen und was sie bedeuteten. In einem Wort: Es war der reinste Horror! Auch wenn ich versuchte, stark zu bleiben. Mir nichts anmerken zu lassen. Ich hüllte mich die komplette Reise lang in Schweigen.


    Nur meine Gedanken konnte ich auch während der (unbequemen, unangenehmen und alles andere als standesgemäßen) Fahrt nicht abschalten. Sergius Catilina ging mir durch den Kopf. Ein genialer Politiker meiner Gens, der es bis zur Prätur gebracht hatte. (Also weiter als zum Beispiel jeder Iulier aus dem Stamm meines Mannes. Nur um das mal ins Verhältnis zu setzen.) Ein edler Mann, der auch das Konsulat absolut verdient hatte. Aber am Ende wurde er gestürzt. Regelrecht vernichtet von dieser falschen Schlange Tullius. Sogar die Patrizierwürde hatte dieser doppelzüngige "Republikaner" (in was für einer Scheinwelt musste sein Geist nur gelebt haben; in einer Zeit von Marius und Cornelius Sulla, von Pompeius und Iulius Caesar, von Antonius und Augustus) meine Gentilen gekostet.
    Ich fühlte mich verbunden wie nie mit meinem von vielen verkannten Ahnen. Aber wenn dieser.. dieser Präfekt meinte, dass sich hier die Geschichte wiederholen würde, dann unterschätzte er mich. Gewaltig. Denn ich war immer noch Sergia Fausta. Von den Sergii Furores. Sein Blut floss in mir. Das Blut von Sergius Furor. Der seinen Namen sicher nicht umsonst hatte. Furor. Der Aufruhr. Der Kampfwut. Der Zorn. Gepaart mit dem edlen Blut des Sergestus, das war eine explosive Mischung, der man besser nicht in die Quere kam!


    Sim-Off:

    Ich bin mal so frei und führe mich selbst bis ins Atrium. ;)


    Eine gefühlte Ewigkeit verging. Bis irgendwann der Wagen hielt und ich.. ausgestiegen wurde. Immer noch hatte ich einen Sack über dem Kopf. Und immer noch schwieg ich eisern. Zwei Männer brachten mich ins Innere eines Hauses. Ich hörte, wie sich eine Tür vor mir öffnete. Und wie sie sich hinter mir wieder schloss. In meinem Sack rümpfte ich die Nase. Denn selbst bis hierher roch ich den Gestank. (Dagegen kamen mir selbst diese groben Prätorianersoldaten vor wie in Rosenwasser gebadete Prinzen.) "Öchö.. Öchö.. Öchö.." Von diesem elenden Mief musste ich husten. Meine rechte Hand wollte vor meinen Mund schnellen. Aber ich hatte ja nicht nur den Sack überm Kopf. Auch meine Hände waren immer noch hinter meinem Rücken aneinander gebunden....

    Ja, klasse. Super! Die Aufzählung meiner ganzen Verbindungen interessierte diesen Hohlkopf nichtmal! Was also bedeutete: Der Typ war selbst auch nur ein Lakai. "Ich fass es noch.." Am helligten Tag aus dem eigenen Haus entführt. Mitten in Italia. Von einem Haufen mundlahmer Sklaven, die alle keinen Kopf zum selber denken hatten. Nein. Denn der steckte ja auch tief und fest im Allerwertesten ihres/ihrer Vorgesetzten! Dass diese ganze Posse dann auch noch "im Auftrag des Kaisers" stattfinden sollte.. Unglaublich. Ich war für einen winzigen Moment sprachlos.


    In der Zwischenzeit zog mein Kopf (der schon immer sehr eigenständig dachte) erste Schlüsse: "Im Auftrag des Kaisers" war Code für "das waren Prätorianer". Und das legte nah: Hier hinter steckte nicht der alte Aquilius. (Der hätte mich nicht in den Erziehungsurlaub geschickt, sondern meine Anstellung gleich terminiert, wenn er mich loswerden wollte. Und er hätte mir nicht einen Haufen Lakaien ins Haus geschickt, sondern meinem Stand entsprechend wenigstens einen ritterlichen Tribun kommen lassen. Hoffte ich. Kurz gesagt: So wie ich den Kaiser kennengelernt hatte, trug das hier nicht seine Handschrift.) Keine große Kunst, einen Schritt weiter zu denken: Wenn das hier Schwarzröcke waren und die nicht vom Kaiser kamen, dann kamen sie sicherlich von einem der Präfekten. Einem ganz.. speziellen Präfekten wahrscheinlich. Dem speziellen Präfekten. Der um ein Haar meine komplette Hochzeit ruiniert hätte. Weil er damals nicht haben konnte, was ich hatte. (Wie verzweifelt musste man sein, dass man auch noch so viele Jahre danach so grollte, dass man sich so hier rächen wollte?)


    Packte mich da gerade jemand an der Schulter? "Fass mich nicht an!", giftete ich reflexartig und fand meine Sprache wieder. Dazu fuchtelte ich kurz mit meinem linken Arm. Dann fixierte ich diese bärtige Schweinsnase. "Ich bin eine Ritterin, Senatorengattin und kaiserliche Prokuratorin." Erziehungsurlaub hin oder her. "Und ich verlange, dass ich auch entsprechend behandelt werde! Dazu gehört, dass ich als allererstes den verantwortlichen Tribun" Denn mit dem Präfekt wollte ich nichts zu tun haben! "sprechen kann und erfahre, was der Grund sein soll für diesen Arrest." Noch hatte ich ja die Hoffnung, dass wenigstens draußen vor dem Haus noch irgendwo ein Mann von Format wartete, der mir diesen ganzen Zirkus hier erklären konnte. Sollte das aber nicht der Fall sein, dann würde ich mich erstmal widerwillig beugen. Solange mich keine dieser Kreaturen versuchte anzufassen. (Und wie Vieh in einem Sack wollte ich ja schon gleich gar nicht enden.)

    Sim-Off:

    Alles gut. ;)


    Der Ägypter hatte nich viel entgegenzusetzen. Nicht gegen diese austrainierten Soldaten. "En.. entschuldigung?" Nicht mehr als ein perplexes Stammeln, als er zur Seite geschoben wurde. "Entschuldigung, ihr könnt hier nicht.. Entschuldigung, ihr könnt hier nicht einfach so.. Das geht nicht." Aber die ersten Männer waren schon an ihm vorbei und durch die Tür. "Das ist das Anwesen der Ritterin und Senatorengattin Fausta, aus dem uralten und edlen Geschlecht der Sergier!" Mehr als diesen halbherzigen, verbalen Protest wagte der Ianitor aber nicht. Denn die Eindringlinge waren eindeutig in der Überzahl. Und sie waren bewaffnet. Und sie hatten augenscheinlich mehr Kampferfahrung als er. Jeder einzelne.


    Unterdessen bekam ich jetzt auch diesen Radau mit. Jemand rief meinen Namen. Ich hatte ja schon vorher schlechte Laune. (Mein Sohn war weg. Und ich wollte gerade zu den Nachbarn, ihnen deswegen eine Ansage zu machen.) Jetzt begann ich innerlich zu kochen. Mit einem Ruck stand ich auf von meinen Platz vor dem Spiegel. Gerade so konnte ich mir dabei noch einen Fluch verkneifen. Meine Tochter saß ja auch hier. "Du bleibst hier.", sagte ich zu ihr streng. Dann sah ich zu den beiden Sklavinnen. "Und ihr passt auf sie auf! Ich will nicht, dass mir hier noch mehr Kinder abhanden kommen." Dann atmete ich einmal kurz durch. Wer auch immer hier gerade so in mein Haus platzte. Der konnte gleich was erleben! In meinem feuerroten Kleid und mit Feuer in den Augen verließ ich das Zimmer. In meinem Rücken sah Faustinchen mir nach.


    Meine Frisur war fast fertig. Nur rechts baumelte noch eine lockige Strähne wild und ungebändigt vor meinem Ohr herum. Energische Schritte nährten sich dem Atrium. Dazu ein Hüftschwung, der sich gewaschen hatte. Der Zorn stand mir ins Gesicht geschrieben. Noch bevor ich ganz da war (und sah, wer da überhaupt gekommen war), hallten meine Tiraden dem ungebetenen Besuch entgegen: "Wer bei allen Göttern der Unterwelt" und ich war nicht so götterfürchtig, dass ich mich häufiger auf die berief "besitzt die ungehörige Dreistigkeit, hier auf dieses Gut zu kommen, meinen Grund und Boden, ohne Ankündigung, ohne Termin dieses Anwesen zu betreten, ohne auch nur den kleinsten Funken von Anstand und Respekt meinen Namen hier so rüpelhaft durch das ganze Haus zu brüllen, als wären wir hier mitten auf dem Marktplatz von Alexandria, und dabei anscheinend vollkommen zu vergessen, wer ich bin!" Ich hatte das Atrium erreicht und sah die vielen bewaffneten Männer. Und irgendwo im Hintergrund diesen nichtsnutzigen Ianitor aus meiner alten Heimat, der es scheinbar nicht mal fertig kriegte, auf eine einfache Tür aufzupassen. Trottel! "Denn ich bin Sergia Fausta von den Sergii Furores, Ritterin aus eigenem Recht und Enkelin des Ritters Sergius Stephanus, Nichte des Senators und großen Feldherrn Kaeso Annaeus Modestus, Klientin des Konsulars und amtierenden Curator Rei Publicae Marcus Decimus Livianus sowie Ehefrau des bekannten Senators Marcus Iulius Dives.." Für den Rest musste ich kurz Luft holen. "..nicht zu vergessen bin ich eine wichtige Prokuratorin des Kaisers!" Im Erziehungsurlaub. Aber ich liebte Titel zu sehr, um nur wegen diesem kleinen Detail da jetzt drauf zu verzichten.


    Wütend schnaufte ich durch. Meine Lautstärke passte sich bei der Gelegenheit an die geschrumpfte Entfernung zu den ungebetenen Gästen an. "Wer wagt es also, mit seinen bewaffneten Lakaien den Frieden in diesem Haus zu brechen und dieses Anwesen mit dem Anblick dieser.. Visagen zu besudeln?!!" Ich warf einem dieser Eindringlinge einen giftigen Seitenblick zu. Dann fixierte ich wieder die hässliche Fratze mit diesem noch viel hässlicheren Bart darin. (Wie man nur sowas tragen konnte, verstand ich bis heute nicht. Nicht beim Kaiser. Nicht bei irgendwem.) Der Typ machte den Eindruck, der Kopf dieses heimtückischen Überfalls zu sein.

    Es war der Morgen nach dem Ausreißen meines Sohnes. Am Vorabend hatten die Sklaven noch bis tief in die Nacht das komplette Anwesen auf links gezogen. Aber der Bengel blieb verschwunden. Weit konnte er nicht gekommen sein. Er hatte sich garantiert nur bis zu den Nachbarn geflüchtet. Und die, die bekamen es heute mit mir zu tun! (Zu so unrömischer Zeit am Abend wollte ich nicht mehr drüben anklopfen und den Jungen abholen lassen. Und damit zugeben, dass er gegen mich, seine eigene Mutter, so auf die Barrikaden ging.)


    Aber heutige Morgen, da war er fällig. Ich hatte gerade ein feuerrotes Outfit angelegt. Denn ich wollte bei den Nachbarn einen Auftritt hinlegen der sich gehörig gewaschen hatte! (Und dafür wollte ich möglichst gut aussehen.) Jetzt saß ich vor dem Spiegel in meinem Zimmer und ließ mir noch eine fesche Frisur dazu formen. Den Auftritt sollten die Nachbarn nicht vergessen! Und dann sollten sie es nochmal wagen, mir nochmal so gegen den Strich zu fahren! Faustinchen hatte sich inzwischen wieder beruhigt. Sie saß rechts neben mir und guckte mich im Spiegel an, während eine zweite Sklavin auch ihre Haare frisierte. Auch Faustina glaubte scheinbar, dass ihr Bruder nur bei den Nachbarn war. Ich würde ihn gleich holen gehen. Dann würde er bestraft werden. Und dann spielten sie nachmittags wieder zusammen... "Die Ruhe vor dem Sturm.", sagte ich mir selbst und lächelte in mich hinein. Denn ich hatte ja keinen Schimmer, was mich gleich selbst erwartete.


    Draußen sah das schon ganz anders aus: Der Sklave, der jeden Morgen den Weg zum Haus fegte, war der erste, der die Soldaten aufmarschieren sah. Weit aufgerissene Augen. Ein schockstarrer Blick. Und zwei Hände, die sich verkrampft an den Besenstiel klammerten. Er hatte keine Ahnung, wie er darauf reagieren sollte. Also reagierte er gar nicht. Ging nur langsam an den Straßenrand und ließ die Soldaten einfach passieren.
    Dann sahen die zwei Rosenbuschpflegerinnen das aufziehende Unheil. Sie duckten sich hinten den Rosenbüschen weg, sodass nur noch knapp ihre Köpfe zu sehen waren. Und die tuschelten wie wild miteinander. Klar, sie spekulierten darüber, was das alles nur zu bedeuten haben könnte. (Vielleicht hatte ich ja jetzt einen ganzen Trupp Soldaten angeheuert, um meinen entflohenen Sohn wieder einzufangen.)
    Erst als die bewaffneten Männer die Eingangspforte erreichten, war sicher jedem klar, dass die Leute keine Einladung von mir bekommen hatten. Der ägyptische Ianitor machte auf."Den Göttern zu.. zum Gruße." Mit einem Nicken des Kopfes begrüßte er die Leute. Ein bisschen furchteinflößend sahen die Männer zwar aus. Aber ein Überfall? Hier? Mitten in Italia? Und außerdem: Angst hatte er auch vor seiner Herrin. "Wie kann ich.. euch zur Hilfe sein?", tat er also so, als wenn nichts war. Ein bisschen eingeschüchtert klang seine Stimme trotzdem.

    Es war Markttag in Misenum gewesen und ich hatte einige Sklaven einkaufen geschickt. Und kaum dass diese Taugenichtse wieder zurück waren, umkreisten meine Kinder die Küche wie die Motten das Licht. Ich konnte sie schon hundert Fuß gegen den Wind hören. Wie sie nach Naschereien fragten. Und natürlich nach den neusten Neuigkeiten aus Rom. Denn auch die Nachrichten kamen ja oft über die Händler. Innerlich verdrehte ich genervt die Augen, als mein Sohn die Marktgänger über die Ludi Palatini verhörte. Denn nicht etwa dass er sich für das Wichtige, das Drumherum, interessierte. Nein. Natürlich nicht. Er wollte nur wissen, wie die Wagenrennen ausgegangen waren. Wer gewonnen hatte. Wie die Veneta (die Factio seines Vaters) abgeschnitten hatte. Als wenn es nichts Wichtigeres gab als ein paar sinnlos immer im Kreis fahrende Wagenrennfahrer! Wie sein Vater. Und das meinte ich nicht als Kompliment.


    Dann hatte ich die Küche erreicht und trat ein. Faustina versteckte den angebissenen Apfel hinter ihrem Rücken. Ich bemerkte es trotzdem. Ein tadelnder Blick folgte. "Ob die Factio deines Vaters nun auf dem ersten, zweiten oder letzten Platz gelandet ist, ist doch unwichtig. Du solltest lieber mal nach dem Gesamtbild der Spiele fragen. Hast du das schon gemacht?!", belehrte ich Marc. Der rebellierte aber wieder. (Oder immernoch. Schon seit unserem Gespräch am Strand lief das so.) "Du..!" Mein rechter Zeigefinger schnellte drohend in die Höhe. Dann sprang eine Sklavin dem Kleinen zur Seite und erzählte, dass zum Beispiel die Rädelsführerin des Sklavenaufstands bei den Spielen öffentlich hingerichtet wurde. "Siehst du, sowas ist wichtig!" Nicht irgendwelche Rennfahrer, die nur sinnlos im Kreis fahren konnten. Wütend schmiss der Junge sein Obst zur Seite weg in irgendeine Ecke. Brüllte, dass das Rennen sehr wohl wichtig wäre, weil es seinem Vater auch immer wichtig war. Und dann stürmte er aus der Küche. "Marcus Iulius Dives!", rief ich ihm noch hinterher. Die Blöße, meinem eigenen Kind nachzulaufen, wollte ich mir dann aber lieber nicht geben. Stattdessen sah ich zu der Unfreien und beschloss: "Der Junge isst heute auf seinem Zimmer. Allein." So schnell war der junge Rebell von der gemeinsamen Cena ausgeladen. "Und du, mein Engel, lass dir das eine Lehre sein. Seiner Mutter begegnet man immer mit Anstand, Würde und Respekt." Das war nach den neun Monaten, die ich meine Kinder ständig mit mir herumgetragen hatte, und nach der anstrengenden Geburt wohl auch das Mindeste!


    Zu späterer Stunde im Triclinium. Faustinchen erzählte mir bei der Vorspeise gerade von ihrem Tag. Da platzte ein Sklave (dem Geruch nach ein Küchenjunge) herein. "Bitte was..?" Ich glaubte, ich hörte nicht richtig. Aber der Unfreie wiederholte genau das, was ich schon beim ersten Mal verstanden hatte. "Was soll das heißen, er ist nicht in seinem Zimmer?! Erleichtert er sich gerade auf der Latrine?" Ein sehr schönes Thema zu Tisch. Entsprechend genervt funkelte ich den Sklaven an. Der schüttelte nur stumm den Kopf. "Wo ist er dann?!" Ich stand schon mal auf. Denn gleich setzte es so viele Ohrfeigen, bis der Junge wieder in seinem Zimmer war. Wie ich ihm auferlegt hatte. "Weggelaufen.", wiederholte ich. "So ein Blödsinn! Der Junge läuft doch nicht weg! So völlig allein. Wo soll er denn da hin?!" Allesamt Schwachköpfe, diese Sklaven! "Der ist bestimmt nur wieder unten am Meer, wie neulich. Oder ist zu seinem Nachbars-Freund gelaufen." Die würden mich noch kennenlernen, wenn sie den Ungehorsam meines Kindes förderten!


    Faustina fing an zu weinen. "Lass das Grundstück absuchen. Vom Haupttor bis runter ans Wasser. Und wenn ihr den Bengel gefunden habt, dann bringt ihr ihn auf direktem Weg zu mir." So weit kam es noch, dass ich mich von meinem eigenen Sohn so düpieren ließ. Der Sklave trat ab. "Keine Sorge, der taucht schneller wieder auf, als ihm lieb ist. Und dann kriegt er seine angemessene Bestrafung für dieses Verhalten.", versprach ich meiner Tochter. "So ein Hitzkopf. Von mir hat er das nicht." Ich stutzte. Aber von Marcus? Der war auch nicht gerade temperamentvoll. Nicht so. Das klang eher nach.. hispanischem Feuer? "Naja. Vielleicht hat er es schon so ein bisschen von mir.", redete ich mir ein. "Essen wir weiter, Faustina." Ich sah sie an. "Und wisch dir die Tränen aus den Augen. Große Mädchen weinen nicht."

    Ich guckte in seinem Zimmer. Sah in der Küche nach. Schickte drei Sklaven in die Spur, um meinen werten Herrn Sohn aufzuspüren. Aber diese Nichtsnutze fanden ihn natürlich nicht. Ich ging also kurz nach draußen, um den Ärger von einer Brise frischer Landluft wegwehen zu lassen. Da sah ich den kleinen Marc am Wasser spielen. "Und da beschwer sich nochmal wer über mein schlechtes Bild von diesen unfähigen Unfreien." Würde ich meine Sklaven für ihre dürftigen Dienste nicht täglich durchfüttern, die wären schon längst verhungert. Elendig.


    Es dauerte seine gute Zeit, bis ich in meinem Dress die steilen Treppen bis ans Ufer hinuntergestiegen war. Derweil kämpfte mein Sohn mit den Wellen und warf immer wieder irgendwelche Steine ins Wasser. "Marcus Iulius Dives." Die Drohgebärde seines vollen Namens wurde durch meinen strengen Tonfall verstärkt. "Was hast du dir dabei wieder gedacht? Hm?!" Absicht, dass ich erstmal unkonkret blieb. Mal sehen, was er jetzt alles gestand.. Und er gestand Einiges: Kekse hatte er aus der Küche geklaut und genascht. Heimlich. (Dachte er. Aber das wusste ich schon. Nicht grundlos hatte ich ihn vorhin in der Küche gesucht.) Außerdem war er bei den Nachbarn gewesen, um mit seinem neuen "Kumpel" zu spielen. Obwohl ich ihm das ausdrücklich verboten hatte. (Dieser Alpha-Caius war ein schlechter Einfluss. Seine Eltern verhätschelten ihren Jungen total. Der würde garantiert später mal genauso werden wie dieser eine.. gewisse.. Decimer. Oder wie mein Mann. Nur weniger erfolgreich, weil die Familie nicht so einen schönen Namen hatte.)


    "Und weiter?!" Ich fixierte ihn mit bösem Blick. Er wusste nicht. "Ach!? Du weißt nicht?" Ich stemmte die Arme an die Hüften. "Dann erzähl mir doch mal, welche Märchen du deiner Schwester schon wieder serviert hast." Er zuckte mit den Schultern. Aber sein Blick sagte mir, dass er nicht unschuldig war. "Kannst du dich nicht erinnern? Oder weißt du nur nicht, um welche deiner Geschichten es geht?" Märchenerzähler hatten ja nie nur ein einziges Märchen auf Lager. Er rührte sich nicht. Und ich wollte endlich ein paar Antworten. "Gut. Ich helf dir auf die Sprünge: Der Sklavenaufstand und unsere Reise hierher?" Wieder erntete ich nur betretenes Schweigen. Mir platzte der Kragen und es setzte eine Ohrfeige, damit er aus seinem Schönheitsschlaf erwachte. "Du hast deiner Schwester erzählt, wir hätten etwas mit dem Sklavenaufstand in Rom zu tun gehabt und wären geflohen, als der Aufstand niedergeschlagen wurde!" Der Junge fing an zu schluchzen. Ich holte drohend aus. "Hör auf zu heulen, sonst setzt es gleich nochwas." Das sollte sich mein Sohn gar nicht erst angewöhnen, so weibisch bei jedem Bisschen loszuheulen. Am Ende wurde er noch genauso verdreht wie sein Vater. "Ich will jetzt wissen, warum du Faustina sowas erzählst und wie du überhaupt auf diese hanebüchene Geschichte gekommen bist!"


    Es dauerte noch einen Moment, bis sich Marc wieder etwas beruhigt hatte. Dann packte er aus: Erst gab es diesen Sklavenaufstand, der sogar das Haus der Tiberier unweit der Domus Iulia zerstörte. Sein Vater hätte ihm versprochen, dass ihnen nichts passieren würde und dass er ihn beschützte. Doch dann reiste sein Vater nach Ostia ab und war nicht mehr da. Und kurz darauf hatte ich uns alle hierher gebracht.. weil sein Vater nicht mehr bei uns war, um uns zu beschützen. (Eine süße Theorie, die mich innerlich schmunzeln ließ.) Aber der kleine Marc wollte seiner Schwester nicht sagen, dass wir aus Angst flohen. Oder dass ihr Vater nicht da war, um uns zu beschützen. Also hätte er sich diese Geschichte ausgedacht. "Hmhm." Ich nickte langsam. "Also hast du dir eine Geschichte ausgedacht, in der wir nicht die armen Opfer sind, die nur re-agieren können; sondern wo wir die Täter sind, die aktiv und selbstbestimmt agieren." Der Kleine nickte, obwohl ich mir fast sicher war, dass er so weit nicht gedacht hatte.


    Ich suchte mir einen großen Felsbrocken und nahm Platz. "Komm und setz dich zu mir." Er hörte und setzte sich vor mir in den Sand. "Ich weiß, dass du deinen Vater vermisst. Trotzdem will ich nicht, dass du dir deswegen irgendwelche Lügen ausdenkst. Und schon gar nicht erzählst du die dann deiner kleinen Schwester. Am Ende glaubt Fautina diese Märchen noch und hält sie für bare Münze." Ich redete ruhig, aber immernoch streng. "Du weißt, ein guter Römer lügt seine Eltern nicht an. Das gilt aber auch für seine Schwester. Die lügt er auch nicht an." Zumindest in so einem Fall nicht. "Darum wirst du dich als allererstes bei Faustina entschuldigen, wenn wir gleich wieder nach oben ins Haus gehen, und wirst deine Lüge aus der Welt schaffen. Hast du das verstanden?" Er nickte. "Gut. Du wirst ihr sagen, dass wir nichts zu tun hatten mit diesem Sklavenaufstand. Wir sind also nicht die Täter. Die aufständischen Sklaven und ihre Besitzer, die sind die Täter!" Ich wartete, bis er wieder nickte. "Aber, da hast du recht, wir sind auch keine Opfer. Denn nur schwache Menschen werden zu Opfern. Und sind wir schwache Menschen, Marc?" Er schüttelte intuitiv den Kopf. "Genau. Und darum sind wir hier weder Täter noch Opfer. Wir sind Römer. Eine römische Familie, die zusammen das eigene Landgut besucht." Das war zwar auch wieder etwas verharmlost, aber mehr mussten die Kinder nicht wissen.


    Mein Blick ging raus aufs Meer. Das Aufstands-Thema war jetzt hoffentlich abgehakt. Zeit für noch ein bisschen Erziehung: "Ich vermisse deinen Vater übrigens auch. Aber die Wahrheit ist, dass wir keine schwachen Menschen sind. Du nicht. Deine Schwester nicht. Und ich auch nicht. Wir stammen alle von Sergestus ab, einem der Begleiter von Aeneas. Wir sind edle Römer. Wir fliehen nicht." Ich schüttelte den Kopf und sah zurück zu meinem Sohn. "Aber dein Vater ist kein Nachfahre von Sergestus. Seine Familiengeschichte ist mal gerade um die 150 Jahre alt. Er ist ein Senator und der Enkel von einem Konsular. Aber seine Familie ist trotzdem nicht so edel wie unsere. Und darum ist er nach dem Aufstand auch nach Ostia gefahren. Weil er Angst bekommen hat." Ich freute mich innerlich über die Enttäuschung in den Augen meines Jungen. "Keine Sorge, an dem Aufstand schuld ist auch er nicht. Aber.." In dem Moment sprang der kleine Marc auf und schrie mich an, dass sein Vater auch nicht schwach wäre. Er wäre bei den Stadtkohorten gewesen. Genauso wie sein "Großvater Constantius" und sein "Onkel Centho". Darum sei auch sein Vater stark, brüllte er lautstark. Dann rannte er auf die steilen Treppen zu. "In diesem Ton redest du gefälligst nicht mit deiner Mutter! Marcus Iulius Dives!" Er rannte weiter. "Du entschuldigst dich jetzt bei deiner Schwester! Und dann hast du die nächsten zwei Wochen Stubenarrest!", rief ich ihm hinterher. Denn natürlich wollte mir der Kleine nicht glauben, dass sein Vater ein Schwächling war. Welcher Sohn wollte das schon von seinem Vater denken? Viel wichtiger war: Ich hatte die Idee erstmal bei ihm gesät. Noch ein paar Wochen und Monate hier auf dem Land, und das Pflänzchen würde sicher gedeihen..

    Es war früher Nachmittag, als ich bei meiner Tochter im Zimmer saß und eine Sklavin dabei beaufsichtigte, wie die der kleinen Fausta die Haare kämmte. Da fragt mich mein kleiner Engel aus heiterem Himmel, warum wir überhaupt hier waren.. und warum ich gerade bei ihr saß.. und ob ich Angst hätte, dass unsere Sklaven genau so einen Aufstand veranstalteten wie die in Rom. Ich schmunzelte und schüttelte den Kopf. "Ach was. Wir sind doch nicht vor ein paar übergeschnappten Sklaven geflohen, meine Kleine.", belehrte ich sie. "Ich bin eine Sergia, eine Nachfahrin des Sergestus, eine edle Römerin. Und du und dein Bruder, ihr seid meine Kinder. Auch ihr seid also Nachfahren von Sergestus, edle Römer." Das sollte meine Kleine von Beginn an lernen. "Und edle Römer laufen nicht weg. Edle Römer sorgen für Recht und Ordnung.. und erinnern jeden, der das mal "vergisst", daran, wo sein Platz in unserer Gesellschaft ist." Auch wenn mir diese Haltung über die Jahre schon viele Konflikte und anstrengende Auseinandersetzungen eingebracht hatte.


    Faustinchen überlegte.. und hakte nach. Sie fragte mich, ob es nicht passieren konnte, dass auch einer unserer Sklaven mal vergaß, wo er stand. Manche Sklaven waren ja schon etwas älter und vergaßen deshalb häufiger mal etwas. Ich lächelte amüsiert. "Meine Kleine, darum ist es wichtig, dass du deine Sklaven immer daran erinnerst, wo du stehst und wo sie stehen. Damit sie das nie vergessen.", erklärte ich ihr. "Du darfst dir kein Beispiel nehmen an diesen liberalen Familien, wo man den Sklaven zu viele Freiräume gibt. Denn durch so viele Freiräume werden Sklaven irgendwann übermütig und kommen auf die dümmsten Ideen." Ich warf der Haare kämmenden Sklavin einen kurzen Seitenblick zu. "Und am Ende sind sie dann tot. Sterben am Kreuz. Oder in der Arena." Und dann musste man für teuer Geld neue Sklaven kaufen. "Nimm dir da lieber ein Beispiel an mir. Denn bei mir weiß immer jeder Sklave ganz genau, wo er steht." Nämlich ganz unten.


    Ich lächelte siegessicher.. und traute plötzlich meinen Ohren nicht. Denn wenn wir nicht vor den aufständischen Sklaven geflohen waren, so die neue Theorie meiner jungen Tochter, vielleicht steckten wir ja dann mit denen unter einer Decke und waren aufs Land gezogen, weil der Aufstand niedergeschlagen wurde. "Iulia Fausta. Wer erzählt dir denn sowas?!" Dass ich etwas mit dem Sklavenaufstand zu tun haben könnte. Unglaublich. Faustinchen schob es auf ihren Bruder. "Dann werde ich mich nachher mal ernsthaft mit dem jungen Mann unterhalten müssen.", antwortete ich und war "not amused" darüber, was meine Kinder sich hinter meinem Rücken anscheinend über mich erzählten. "Und du, wertes Fräulein, vergisst diesen Unsinn aber mal ganz schnell wieder. Ich würde mich niemals auf so infame Weise mit irgendwelchen.. Sklaven einlassen!" Was für eine grausige Vorstellung. Es kostete mich schon genug Überwindung, mich mit dem einen oder anderen dunklen Gesellen der Nimbati zu treffen. Aber selbst die waren allesamt Freie. Ausnahmslos. Schon seit der Gründung des Vereins durch den ersten Rex Nimbati.


    Sichtbar immer noch etwas schockiert von diesem irrwitzigen Gedanken stand ich auf und verabschiedete mich von meiner Tochter. Ich musste ihren Bruder finden. "Dass du dir das also gut merkst. Eine edle Römerin kennt ihren Platz in der Gesellschaft. Sie ist nicht mit Sklaven befreundet und verschwört sich auch nicht mit ihnen." Ich bemühte meinen drohenden Zeigefinger, damit sich Faustinchen das besser einprägte. Kurz darauf hatte ich das Zimmer fast verlassen, als ich mich doch nochmal umdrehte. Ich rang mir ein hölzernes Lächeln ab. "Die Besitzer aller beteiligten Aufständischen." Ich schwieg und erntete einen verwirrten Blick meiner Tochter. "Es scheint dich ja zu beschäftigen, wer Schuld hat an diesem barbarischen Aufstand. Und das ist die Antwort: Jeder Sklavenhalter, von dem Sklaven an diesem Aufstand beteiligt waren, ist mindestens Mitverantwortlich für die Schäden, die durch sein Eigentum" Ein Sklave war ja genau das: Eigentum eines anderen. "verursacht wurden." Punkt. "Wenn du also wissen willst, ob ich an diesem Aufstand Anteil hatte, dann frag dich das: Erziehe ich meine Sklaven dazu, mir zu dienen.. oder mit mir befreundet zu sein? Gehorchen mir meine dienenden Sklaven.. oder haben sie als meine "Freunde" ihren eigenen Willen? Hat sich auch nur ein einziger meiner Sklaven aus dem Stab gemacht, um an dem Aufstand teilzunehmen.. und wurde dafür mit dem Tod "belohnt".. währenddessen oder danach?"


    Ich war kein Unschuldslamm. Aber eine Verbindung zwischen mir und diesem Aufstand? Einem Sklaven-Aufstand? Das war einfach absurd! Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Raum, ließ meine kleine Faustina mit ihren bestimmt vielen Gedanken jetzt erstmal allein. Wo war ihr Bruder..?!

    Ausgebrannt; von der Bildfläche verschwunden; vom Kaiser in den Erziehungsurlaub geschickt. Kein eigenes Büro mehr auf dem Palatin; kein üppiges Amtseinkommen; keine endlos finanzielle Unabhängigkeit mehr. Ich hatte den Nabel der Welt verlassen; hatte das pulsierende Leben der Metropole hinter mir gelassen; saß allein und verlassen irgendwo auf dem Land und wartete auf mein Ende. Das Ende der Sergia Fausta. - Das dachten bestimmt einige von mir.


    Aber von wegen! "Manche Leute sind einfach so einfältig!", freute ich mich.. und dachte natürlich vor allem an alle die vielen Feinde, die ich mir über die Jahre zusammengesammelt hatte. "Ich wette, keiner von denen hat einen Schimmer, was ich hier wirklich mache." Ich lehnte mich zurück. "Mehr Luft, Blondi!" Kurz fixierte ich den blonden Sklaven mit dem Fächer in der Hand. Was für ein fauler Hund, dieser Germane! ..oder Brite ..oder Gallier ..oder was auch immer das für einer war. (Seit wann bitte interessierte mich das traurige und trostlose Leben irgendwelcher Sklaven?!) Aber wo war ich? Genau. Meine Feinde. "Dieser Hokuspokus-Augur freut sich bestimmt diebisch, dass ich endlich aus dem Haus bin. Ohne dass er sich dafür offen mit mir anlegen musste." Der war genau so ein Weichling wie mein Mann. "Dann kann er wieder ganz ungeniert seinen freundschaftlichen Orgien mit den Germanicern nachgehen. Oder den Quintiliern. Oder noch schlimmer, den Ducciern. Ha! Das wär dann endgültig das Ende dieser Iulier." Ich lächelte genüsslich. "Seiner Iulier." Ja. "Denn meine Iulier werden ihn ja mal überleben: Meine kleine Fausta und ihr Bruder." Ich begann zu lachen. Aus tiefstem Herzen. Genüsslich. Schadenfroh.


    "Wenn mein lieber, guter Marcus von seiner kleinen Vergnügungsreise" Als wenn mir das entgangen wäre. "zurückkommt.. er wird sein blaues Wunder erleben." Ich versuchte wieder ernst zu werden. "Denn er erwartet unsere Kinder ja in der Domus Iulia.. während ich seinem Hokuspokus-Auguren-Vetter erzählt habe, dass Marcus die Kinder mit sich auf die Reise genommen hat." Und wo waren die Kleinen wirklich? Bei mir. Hier. Unter meinem Dach. Wo ich sie erziehen konnte. Ganz wie ich wollte. Und obwohl in unserem Ehevertrag eigentlich etwas anderes stand. Aber mein Marcus würde mir schon keinen Ärger machen. Denn er wollte ja bestimmt nicht, dass man sich die Frage stellte, wo er denn die ganze Zeit herumscharwenzelte, dass er nicht mitbekam, wie ich mich mit unseren Kindern mal eben auf mein hübsches Landgut abgesetzt hatte....

    Ich nickte müde. "Natürlich, Imperator." Ich hatte das einmal mit dem Procurator a cognitionibus geklärt. Ich konnte das gerne auch nochmal mit ihm klären, wenn das den Kaiser beruhigte. Ich bezweifelte zwar sehr stark, dass bei einem zweiten Gespräch jetzt etwas anderes raus kam, weil an den Fakten hatte sich ja nichts geändert, aber gut. Niemand hatte behauptet, dass die Bürokratie am Palatin effizienter arbeitete als im Rest des Reichs. Und niemand hatte behauptet, dass man es einfach hatte, als Frau in dieser Männerwelt sich durchzusetzen. Aber das war mit etwas Pech bestimmt auch noch in 2000 Jahren so, dass eine Frau mit ihren Argumenten so viel Sinn machen konnte, wie sie wollte. Am Ende setzte sich trotzdem ein Mann durch. Heute einer mit einem grauenhaften Griechenbart (weil das ja so gebildet wirkte), morgen einer mit einem anderen Modeunfall auf dem Kopf.. dafür aber wenigstens ohne Bart.

    Mit ihren Betrieben produzierende Städte, die durch ihr Eingreifen die Märkte manipulierten und ihnen keine Chance gaben, sich über Angebot und Nachfrage selbst zu regulieren, waren seit längerem ein rotes Tuch für mich und mir ein Dorn im Auge. Bevor das Fehlverhalten einiger Städte also auch für andere Städte zum Vorbild wurde, musste jemand mal seinen Hintern hochkriegen und etwas tun! Und weil der Procurator a cognitionibus nicht den Anschein erweckte, als wenn er überhaupt das Problem erkannte und den Handlungsbedarf begriff (er machte eher den Eindruck, als fand er das gut.. oder als wäre es ihm maximal egal), war klar: Der war bestimmt nicht derjenige, der seinen Hintern da mal bewegte.


    Ich beschloss also, dass ich etwas tun musste! Und ich beschloss, dass ich bestimmt keine Stadt finanziell unterstütze, die mehr als nur einmal sich ohne jede Absprache mit Rom manipulierend in die Privatwirtschaft gedrängt und eingemischt hatte. Stattdessen wollte ich lieber ehrenhafte Städte, die sich nicht so verhielten, belohnen. Darum hatte ich erst diesen kleinen Claudianus dazu gedrängt, vor einer Neugründung sich erstmal umzuhören und lieber ein vorhandenes Business zu kaufen, als von Grund auf alles neu . Und deswegen kaufte ich jetzt auch das Geschenk für einen Helvetius, bei dem ich mich noch bedanken musste, lieber selbst hier ein, als dass der Helvetius mit einem Bargeschenk nur irgendwo in der Privatwirtschaft einkaufte....




    SERGIA FAUSTA



    Ad
    Administrationem Mantuensis

    Curia Mantuae
    Mantua - Italia



    Sergia Procuratrix a memoria Administrationi Mantuensis s.d.


    Ich will dem Verwandten eines geschätzten Verwandten, Klienten meines Mannes und tüchtigen Kollegen in der kaiserlichen Kanzlei ein Geschenk machen. Er besitzt einen kleinen Barbierladen mit Potenzial zum Expandieren in Rom, die "Tonsura Via Classica".


    Deshalb will ich ihm die Geschäftsräume der Barbiere "Tonsor" und "Der goldene Schnitt" schenken und biete der Stadt Mantua dafür den von mir auf 200 Sesterzen geschätzten Marktwert der beiden Betriebe.


    Ich bitte um eine Antwort nach Rom in die Domus Iulia. Vale!


    /images/signet/Siegel_Sergia.png


    Sergia Fausta
    ANTE DIEM X KAL DEC DCCCLXVI A.U.C.
    Domus Iulia | Rom | Italia

    Ein zufriedenes Lächeln umspielte meine Lippen, als ich auf meiner Notiztafel mit zwei Strichen ein Häkchen hinter das flavische Ampitheater machte. Das war also schon mal erledigt. Zu den Kosten wusste ich hingegen nicht viel zu sagen. War das viel? War das wenig? Woher sollte ich das wissen? Ich hatte schließlich noch nie selbst irgendwelche Spiele ausgerichtet und bezahlt. Und auch bei denen hier würde ich die Rechnung natürlich schnurstracks an die Finanzabteilung weiterleiten. "Danke dir." Ich hatte das Pamphlet nur kurz überflogen. Dann nickte ich und legte es zur Seite. "Ich werde es meinem Kollegen in der Finanzabteilung vorlegen und sehen, dass er diese Summe auch genehmigt." Würde schon nicht so schwierig werden wie die Geschichte mit dem Kaiser und dem Ius Liberorum, nicht wahr? Ich hoffte es.


    Viel interessanter für mich war im Augenblick deshalb die Aufstellung der besten Gladiatoren, die mir der Procurator Familiarum Gladiatoriarum mitgebracht hatte. Da warf ich einen längeren und genaueren Blick drauf. "Und von dieser Liste könnte ich jeden wählen? Egal von welchem Ludus? Oder gibt es da irgendwelche Einschränkungen?" Ich sah von der Liste auf und fixierte den Prokurator. "Für den Höhepunkt der Kämpfe würde ich gerne einen Murmillo gegen einen Hoplomachus antreten lassen." Die Paarung zwischen Secutor und Retiarius war zwar beliebter im Volk (sagte man), aber ich fand, dass ein römischer Kaiser einen richtigen Kampf zum Höhepunkt verdient hatte.. und nicht nur das Duell zwischen einem Gladiator und einem tänzelnden Fischer mit Netz. "Gibt es da irgendwelche drei, vier Namen, die du mir vielleicht besonders empfehlen kannst?", lautete meine letzte Frage für den Moment. "Vielleicht aus den Ludi Gallicus und Magnus?" Denn ein Kampf zwischen Gladiatoren verschiedener Schulen war natürlich immer emotionaler und spannender für die Zuschauer, war ich der Meinung.

    Ich war gerade in einer Besprechung mit einem meiner Untergebenen, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Ich hatte ihm gesagt, dass er etwas für mich recherchieren sollte. Und er konnte mir nach einer Woche immer noch keine Ergebnisse vorlegen. Noch nicht mal einen Ansatz hatte er für mich, keinen Hinweis, nichts, gar nichts.


    Als die Tür zu meinem Büro sich vorsichtig öffnete, kam dem Prokurator ein junger Mann entgegen, dem man an der Nasenspitze ansehen konnte, dass er gerade von seiner Chefin zusammengefaltet worden war. "Und untersteh dich, mir in drei Tagen wieder mit leeren Händen, dafür nur endlosen Entschuldigungen und Ausflüchten anzukommen!", setzte ich noch warnend nach. Denn wie schwer konnte es sein, ein paar kleine Informationen zu beschaffen? Saß ich hier in einem kleinen Verwaltungskabuff am Rande der Zivilisation, wo täglich mal einfach irgendwer aus der afrikanischen Wüste oder dem germanischen Urwald ohne Vergangenheit über die Grenze stolperte?? Oder befand ich mich hier im Zentrum eines Weltreiches, im Zentrum einer Weltstadt, im Zentrum eines gigantischen Verwaltungsapparates, wo man nur mal ein bisschen Einsatz zeigen musste, um herauszufinden, ob man diesem Gelehrten gefahrlos die Erziehung und Ausbildung meiner Kinder anvertrauen konnte oder nicht?!
    (Würde ich nicht diese Gestalten von meinem Privatleben fernhalten wollen, ich hätte schon längst einen Nimbatus auf diese Aufgabe angesetzt. Die lieferten wenigstens zuverlässig Ergebnisse!)


    Ein anderer Mitarbeiter meines Büros machte mich auf den ritterlichen Gast aufmerksam. Und prompt setzte ich mein oberflächliches Standardlächeln auf und begrüßte ihn. "Prokurator! Sei gegrüßt. Komm herein und setz dich." Ich stand hinter meinem Schreibtisch und winkte ihn heran. Dann setzte ich mich und wartete, dass auch er sich auf einen der beiden Plätze auf der anderen Seite des Schreibtischs setzte. "Wie schön, dass du den Weg zu mir gefunden hast." So brauchte ich nämlich nicht zu ihm gehen. "Du bist hier, um mit mir über die geplanten Gladiatorenspiele des Kaisers zu sprechen?" Eine reine Höflichkeitsfrage. Denn alles andere als ein Ja wäre eine Überraschung.

    Ich. War. Fassungslos. - Und zwar im ersten Augenblick: Komplett.


    Sim-Off:

    Fakt 1a: Die Lex Iulia et Papia IST im IR geltendes Recht.
    Fakt 1b: Daraus folgt, dass auch das Ius Liberorum im IR längst da IST und nicht erst neu wieder gültig gemacht werden müsste.
    Fakt 2a: Die Lex Iulia et Papia ist in der Theoria teils etwas schwammig formuliert, genau. (Wenn selbst die Historiker manches nicht wissen, dann kann die Theoria da ja nicht einfach irgendwas erfinden.)
    Fakt 2b: Trotzdem hat sie sim-on KEINEN eigenen Kommentar. WARUM also soll da jetzt das Ius Liberorum anders behandelt werden? Das ist absolut inkonsequent und ergibt keinen Sinn.
    Fakt 2c: KEIN EINZIGES der im IR geltenden überlieferten Rechte hat einen eigenen sim-on-Gesetzestext, eigenen sim-on-Kommentar oder sonstwas. Nur beim Ius Liberorum ist das jetzt plötzlich absolut notwendig??
    Fakt 3: Die Lex Voconia ist der EINZIGE Verweis meinerseits auf eine im IR nicht geltende Lex. Den Vorwurf eines "ständigen Verweisens" auf historische Gesetze weise ich da zurück. ;)


    Fazit: Ich sehe rein SIM-ON keinen Anlass für einen Kommentar oder irgendeine Präzisierung des historischen Rechts. (Oder gibt es einen Anlass dafür, davon auszugehen, dass das historische Ius liberorum auch einen historischen Kommentar gebraucht hat? - Wage ich ein bisschen zu bezweifeln.) Deshalb weigere ich mich auch konsequent, da SIM-ON etwas zu tun. SIM-OFF hingegen teile ich deine/eure Sicht, dass man vielleicht schon ein bisschen präzisieren könnte. Aber weil das NUR meine SIM-OFF-Sicht ist, die ich NICHT mit meiner SIM-ON-Sicht vermischen will, mache ich auch nur maximal SIM-OFF etwas dazu. Alles andere halte ich für eine Vermischung von sim-on und sim-off. Sorry, aber das muss ich hier ganz deutlich so sagen.


    Nur ganz langsam drang die blinde (denn ich sagte etwas anderes; der A cognitionibus sagte etwas anderes, alle [die hier wichtig waren] sagten etwas anderes) Starrhälsigkeit des Kaisers in mein Bewusstsein durch. Mir fiel dazu nicht mehr viel ein. Eigentlich gar nichts mehr. Bis auf eines: "Es tut mir Leid, mein Kaiser. Aber abgesehen davon, dass ich nur vehement von dieser Idee abraten kann" Und ich erwähnte auch nochmal: "einer Idee, die selbst der werte Procurator a cognitionibus nicht gegen meine ihm verständlichen Vorbehalte zu verteidigen wusste" Anders gesagt: Der Kaiser stand mit seiner Idee in der Kanzlei doch irgendwie ziemlich allein da. "halte ich mich nicht für kompetent genug, einen juristischen Kommentar zu verfassen. Denn bei allem Respekt, mein Kaiser, ich bin keine Juristin oder Rechtsgelehrte." Und vor allem unterstütze ich es ganz sicher nicht, dass die Kanzlei hier völlig unnötig irgendwelche Rechtskommentare in die Welt setzte, die niemand brauchte. (Oder hatte ich eine Antwort auf meine Fragen mit der zensorischen Macht bekommen? Nein. Nein, hatte ich nicht. Und das war wahrscheinlich so, weil es [rein sim-on !] keinen Grund gab, einen Kommentar zum Ius Liberorum zu verfassen. Simple as that.)


    Auf den letzten Satz des Kaisers ging ich dann schon gar nicht mehr ein. Erstens war es keine Frage, die er da stellte. Das heißt, dass auch niemand von mir erwarten konnte, dass ich dazu jetzt nochmal (!) etwas sagte. Und zweitens: Selbst wenn es eine Frage wäre, dann war die Antwort darauf ja gerade nach meinen frühesten Ausführungen zur Sache (die sicherlich noch irgendwo als Protokoll existierten) absolut trivial. Denn: Hätte ich die Verleihung eines längst existierenden Rechts dem Kaiser vorgeschlagen, wenn das jeder nach bestimmten Bedingungen ganz automatisch bekam? Sicher nicht. Hieß: Es machte vielleicht Sinn, wenn ein Kaiser alle Regelfälle der Kanzlei in Eigenregie überließ und sich nur um die außerordentlichen Fälle persönlich kümmerte. Aber: Automatisch funktionierte hier bestimmt nichts. (Sonst hätte ich mein eigenes Ius Trium Liberorum ja auch schon seit etlichen Monaten.)

    Sim-Off:

    Wer das Ius Liberorum verändern will, MUSS die Lex Iulia et Papia verändern. Das ist so MIT einem sim-on-Kommentar. Das ist so OHNE einen sim-on-Kommentar. Das ist IMMER so. Warum? Weil das Ius Liberorum TEIL der Lex Iulia et Papia ist.
    Das eine ist ein historisches Gesetz. Das andere ist ein historisches Recht, das sich direkt aus dem Gesetz ableitet. Warum sollte man also so tun, als wäre nur die Lex historisch und das Ius so behandeln, als wäre das was anderes? Das ist unlogisch.


    Das "Argument" des Kaisers war eins zum Augenrollen. Trotzdem riss ich mich zusammen und rollte nicht. "Aber mein Kaiser. Wenn du von heute an 10 Jahre lang keine Ritter mehr ernennst, 10 Jahre lang keine Senatoren mehr berufst und auch deinen Rechtsschulen verbietest, die zensorische Amtsgewalt zu diskutieren.", malte ich ihm ein Szenario an seine Bürowände. "Kannst du dann in 12 Jahren trotzdem noch einfach wieder mit den Ernennungen anfangen, indem du dich einfach auf die alte zensorische Macht berufst? Die zensorische Macht, die in der Zwischenzeit nicht außer Kraft gesetzt war.." Ich sah ihn forschend an. "Oder musst du erst irgendein neues Gesetz erlassen oder irgendeinen neuen Kommentar verfassen, mit dem die zensorische Macht eine zweite, eine doppelte Grundlage bekommt?" Ich fand, die Antwort darauf war eindeutig. Und ich hoffte, der Kaiser sah das nach etwas überlegen auch so.


    Trotzdem konnte ich mir nicht helfen und musste nach einer kurzen Pause nochmal nachsetzen: "Du hast eine hübsche Villa. Sie trägt nach ihren Erbauern den Namen Iulia et Papia. Und diese Villa hat viele, viele Zimmer. Eins von denen hat einen eigenen Namen und heißt Cubiculum Liberorum." Das war die äußere Ausgangssituation. "Jetzt bist du so beschäftigt, dass du 10 Jahre lang nicht dieses Zimmer betrittst. Und irgendwann sagen sich auch die Sklaven: "Wir gehen da nicht mehr rein und putzen da nicht mehr, weil unser Herr den Raum ja eh nicht mehr nutzt." Es geht also niemand mehr in dieses Zimmer." Das war die innere Ausgangssituation. "Nach dieser langen Zeit komme jetzt aber ich. Und als deine treu ergebene Prokuratorin bitte ich dich darum, mir und ein paar anderen das Cubiculum Liberorum deiner Villa zu zeigen. Warum? Weil du so viele Villen und Paläste hast, dass du die Schönheit dieses Zimmers vielleicht nicht gleich erkennst. Aber ich als deine Prokuratorin, ich habe schon so viel Wunderbares darüber gehört, dass ich es auch gerne mal selbst sehen würde." Das war das Gespräch, das wir seit langem hier führten. "Ich frage mich, weshalb willst du jetzt ein komplett neues Zimmer, 1:1 identisch zum Cubiculum Liberorum, außerhalb der Villa Iulia et Papia bauen? Warum lässt du nicht einfach das Cubiculum Liberorum, das schon längst fix und fertig da ist, einfach etwas entstauben, um es Besuchern wie mir, deiner treuen Prokuratorin, im Original zu zeigen?" Ich fluchte ja nicht oft bei irgendwelchen Göttern. Aber: Was, bei Iuno verdammt, war das große Problem? Die Villa (Lex) war da und eigentlich für jeden zugänglich (in Kraft). Weder war die Villa kaputt, noch das Cubiculum (Ius). Alles war heil. Nur hier und da ein bisschen eingestaubt vielleicht. Also was war das Problem? Ich konnte es beim allerbesten Willen einfach nicht verstehen, warum sich der Kaiser mit ausgebreiteten Armen vor diese Zimmertür stellte, um sich dort jetzt mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, dass jemand auch nur einen einzigen Schritt in diesen Raum tat....

    Ein Bote aus der kaiserlichen Kanzlei brachte diesen Brief mit dem offiziellen Siegel der Administratio Imperatoris.

    Ad Consulem
    Caium Sextilium Saxa

    Das Haus des Consuls
    Rom - Italia



    Wer das Siegel brach, konnte das Schreiben lesen.

    SERGIA Procuratrix a memoria SEXTILIO Consulem s.d.


    Der Imperator Caesar Aquilius Severus Augustus hat mich beauftragt, dir zu schreiben. Denn im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung durch meine Abteilung fiel auf, dass mehrere vom Senat eingesetzte Statthalter schon ungewöhnlich lange auf ihren aktuellen Posten sitzen. Der Kaiser ist darüber nicht glücklich, weil es nicht nur seine sondern auch die Autorität des Senats in diesen Provinzen schwächt, wenn nicht von Zeit zu Zeit ein Wechsel an der Spitze der Senatsprovinzen stattfindet.


    Deshalb rät der Kaiser sehr eindringlich dazu, eine Diskussion im Senat anzustoßen über die Neuvergabe der folgenden Statthalterschaften:


    - Achaia (mit dem Prokonsul Gaius Granius Silvanus)
    - Africa Proconsularis (mit dem Prokonsul Marcus Ostorius Scapula)
    - Gallia Narbonensis (mit dem Prokonsul Titus Curtius Philo)
    - und Baetica (mit dem Prokonsul Titus Sextius Magius Lateranus)


    Granius, Ostorius und Curtius üben ihr Amt schon seit Iulianus, Sextius seins immerhin schon seit Valerianus aus.



    Der Kaiser lässt außerdem durchblicken, dass er aus dem gegebenen Anlass natürlich auch seinerseits das Kommando über die in Africa Proconsularis stationierte Legio XXXII Adiutrix neu vergeben wird. Sein persönlicher Favorit für dieses Amt ist der Consular Faustus Foslius Cluvianus Gurges.


    Natürlich käme es dem Kaiser sehr gelegen, wenn die Kurie nicht versucht, seine Autorität zu untergraben, indem sie einen anderen zum Statthalter Africas beruft als den Consular Foslius.


    Es grüßt


    Sergia Fausta

    Ich musste ein Seufzen unterdrücken. Der Prokurator hatte also nicht mit dem Kaiser gesprochen. Das hieß, dass der Kaiser wahrscheinlich immer noch ganz überzeugt war von seiner Idee: Der gesetzlichen Regulierung .. einer gesetzlichen Regulierung. Einem gesetzlichen Kommentar .. der niemandem neuen Erkenntnisse brachte. Oder wenn man so wollte: Einem Gesetz .. das es seit vielen Jahrzehnten schon längst gab. (Und da sah ich natürlich nicht ein, warum ich dieses Rad noch ein zweites Mal erfinden sollte.)


    Aber zurück zu meinem Kreuzzug, den ich vor allem darum führte: Weil auch ich selbst ja das Ius Trium Liberorum haben wollte und davon profitieren wollte und da natürlich nicht nach jeder Gesetzesänderungen, die dieses Recht tangierte, dazu gezwungen sein wollte, zu überprüfen: Waren Lex Iulia et Papia und der Kommentar zum Ius Liberorum immer noch inhaltlich identisch? Oder gab es Stellen, wo sie nicht mehr identisch waren? Und wie wirkten sich solche widersprüchlichen Grauzonen dann eventuell auf meine eigenen Rechte aus? - Das wollte ich alles nicht machen müssen. Warum auch, wenn man es umgehen und vermeiden konnte? "Der Prokurator Duilius hat damit geschlossen, dass er meinen Einwand voll und ganz verstand.", antwortete ich erst wahrheitsgemäß. "Du kannst also davon ausgehen, dass auch er davon abrät, damit anzufangen, neben unserem etablierten Römischen Recht noch ein zweites "Laienrecht" einzuführen, dessen einziger Unterschied in Verkürzungen und Vereinfachungen besteht." Ich lächelte. Denn dieser Einfall, das als paralleles Recht, ein "Laienrecht", zu betiteln, der war mir gerade eben erst ganz spontan gekommen.


    Sim-Off:

    Ich will nochmal betonen: Einen reinen sim-off-Kommentar fänd ich gut. Nur sim-on will mir das nicht einleuchten, weshalb man den Inhalt eines Gesetzes nochmal 1:1 in einen Kommentar übertragen sollte.


    Aber es stimmte ja: Es gab zum Beispiel einen Kommentar zur Lex Mercatus. Und den gab es nicht, damit auch Nicht-Juristen etwas mehr Durchblick hatten. Sondern den gab es, damit sich vor allem die Juristen (die Ankläger und Verteidiger, die Rechtstheoretiker und praktizierenden Anwälte, etc.) nicht stritten, wie man die Lex Mercatus auszulegen hatte. Einen Kommentar zum Ius Liberorum zu machen, nur damit auch alle Nicht-Juristen ein bisschen mehr Ahnung haben konnten, war da eine völlig andere Geschichte. Fand ich.

    Ich lächelte zufrieden. "Schön. Dann bekommst du den Balsam und das Geld für deine Betriebe in den nächsten Tagen von mir überwiesen. Ich werde alles Nötige veranlassen." Ich bewegte mich in Richtung Bürotür. "Gibt es sonst noch etwas oder sind wir dann hier fertig?", winkte ich einmal deutlich mit dem Zaunpfahl.