Beiträge von Iunia Sibel

    [Blockierte Grafik: http://www.bilder-hochladen.net/files/hlfb-2g-93db.jpgAtermas | Ianitor


    Als Atermas das Klopfen an der Tür vernommen hatte, erhob er sich gemächlich von seinem Schemel und streckte sich erst einmal. Dann machte er sich daran, die Tür zu öffnen und erkannte einen gut gekleideten und frisch rasierten Mann. Dementsprechend freundlich fielen seine Begrüßung und die Frage nach dessen Begehr aus. „Salve! Womit kann ich dienen?“

    Einige Tage waren bereits vergangen, seit Morrigans unerwartetem Besuch. Varus war inzwischen wieder zurückgekehrt und hatte sich in seine Räume zurückgezogen.
    In einem passenden Moment hatte Beroe ihre Arbeit beiseite gelegt, war in die Küche geeilt und hatte dort ein Tablett mit einer Kanne verdünntem Wein, einem Schälchen Oliven und etwas Brot und Öl gerichtet. Damit war sie ins Obergeschoss der Casa geeilt, klopfte nun an der Tür des Hausherren und wartete darauf, dass er sie eintreten ließ.

    Natürlich hatte Avianus die Perserin nicht eingeweiht, auf welche Weise er ihr helfen wollte. Wie immer, wenn es um die Lykierin ging, hüllte er sich in geheimnisvolles Schweigen oder gab nur so viel, wie unbedingt nötig etwas über sie preis. „Nein, er will bestimmt nur vorsichtig sein. Nur sehr wenige wissen über „uns“ Bescheid,“ sagte sie fast schon entschuldigend. Doch Morrigan konnte das sicher verstehen, dass ihre Beziehung nicht die Einfachste war. „Ich hoffe nur, er tut nichts Unüberlegtes.“ Noch mehr Probleme konnte sie nun wirklich nicht mehr gebrauchen. Wenigstens hatte sie der Perserin ausgeredet, ihr ganzes Erspartes für sie hinzublättern. Stattdessen suchte sie wohl nun nach einer anderen Strategie, wie sie ihr helfen konnte.


    „Ja, natürlich. Sobald er wieder da ist, werde ich es ihm ausrichten.“ Beroe verzog ihre ernste Miene zu einem Lächeln. Die Perserin gab ihr wieder etwas Hoffnung und das Gefühl, dass sie nicht allein war. Doch dann bemerkte sie eine Veränderung in Morrigans Gesicht, die sich nun ziemlich schnell zu verabschieden begann. Bereo wandte sich kurz um und bemerkte, dass sie nicht mehr allein waren.
    „Äh, ja gut,“ meinte sie flüchtig. In ihr begann die Furcht zu wachsen, dass man sie belauschte. Sie umarmte die Perserin freundschaftlich zum Abschied. „Sag ihm, dass es mir gut geht und dass ich an ihn denke,“ flüsterte sie ihr dabei ins Ohr. Dann löste sie sich von ihr.

    „Ja,“ entgegnete sie. „Aber es ist nicht dasselbe, wie im „Aedes. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich es nicht mehr gewohnt bin, in einem Haus zu dienen, so wie früher. Ich fühle mich einfach immer noch fremd.“ Vielmehr fühlte sie sich wie ein Fremdkörper unter all den anderen Sklaven, die sie abfangs mit schiefen Blicken gemustert hatten, nachdem bekannt geworden war, für welche Aufgaben sie zuvor zuständig gewesen war.


    Wenigstens konnte Morrigan sie aber beschwichtigen. Offenbar war nichts Schlimmes geschehen. Nur eben das, womit sie eigentlich die ganze Zeit schon gerechnet hatte. Ihr Geliebter war ins Lupanar zurückgekehrt, um mit ihr den Abend und die Nacht zu verbringen. Um das nachzuholen, was ihnen beim letzten Mal versagt geblieben war. Wie Avianus sich wohl gefühlt haben mochte, als er davon erfuhr, dass sie fort war? Beroe musste nicht lange darüber nachsinnen, denn sie wusste, dass dies für ihn ein weiterer Schlag gewesen sein musste. Wieder wurden ihnen Steine in den Weg gelegt. Wieder war es schwieriger für sie geworden, beisammen zu sein. Die Frage, die sich ihr langsam stellte war, wie oft er noch weiter solche Schläge hinnehmen würde, bevor er sich endgültig eingestehen musste, dass es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben konnte.
    „Ich danke dir Morrigan! Du bist eine wahre Freundin.“ Die Perserin hatte also Wort gehalten. Sie hatte Avianus alles berichtet. Das war zumindest ein kleiner Trost für Beroe. Zumindest hatte sie nun durch Morrigan eine Verbindung zu ihm. „Er will mir helfen? Aber wie?“ Wie sollte er ihr helfen können? Was wollte er tun? Sie freikaufen? Und dann? Wo sollte sie dann bleiben? Während sie noch darüber nachsann, stellte ihr Morrigan plötzlich diese Frage, mit der sie am wenigsten gerechnet hatte. „Was? Nein! Nein, das musst du nicht tun. Ich will nicht, dass du das tust! Du.. du.. das musst du nicht,“ Es widerstrebte ihr, das Geld von jemand anderem anzunehmen, um sich selbst freikaufen zu können. Selbst von Avianus hatte sie nichts nehmen wollen.

    Als jemand nach ihr rief, ließ Beroe ihre Arbeit ruhen und hielt überrascht Ausschau nach Varia, die nach ihr gesucht hatte. Sie vermutete zunächst, der Dominus der Amazone könnte nach ihr geschickt haben, denn wer sonst hätte Varia dazu beauftragen können, nach ihr zu suchen.
    Umso verblüffter war sie, als sie hörte, dass jemand an der Tür war, der sie sprechen wollte. „Äh ..ja danke,“ erwiderte sie Varia leicht irritiert, als diese sich bereits dazu anschickte, zu verschwinden. Sie sah ihr noch kurz nach, dann wandte sie sich um und ging. Im Grunde konnte es nur jemand aus dem Lupanar sein, der mit ihr reden wollte. Sonst gab es ja niemanden, der wusste, wo sie war. Doch was sie noch mehr interessierte, war der Grund, weshalb man sie sprechen wollte. Ob vielleicht Avianus der Grund dafür war? War er im „Aedes iste Letitia“ gewesen und hatte nach ihr gefragt?
    Beroes Schritte beschleunigten sich. Je mehr sie sich der Tür näherte umso überzeugter war sie davon, dass es um Avianus ging. Und sie sollte mit allem recht behalten, als sie Morrigan an der Tür erkannte. Ihr besorgter Blick, den sie aufgesetzt hatte, wich einem zaghaftem Lächeln, als sie die Perserin sah. „Morrigan!“ rief sie und fiel ihr um den Hals. „Es tut gut, dich zu sehen! Aber… warum bist du hier?“ Es war bestimmt nicht ihre Sehnsucht nach Beroe, die sie hierher getrieben hatte. "Ist etwas mit passiert?" fragte sie vorsichtig. "...mit Avianus?"

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Sarah traute ihren Ohren nicht. Spätestens als über „Waffen“ die Rede war, waren sämtliche Bedenken über ihr Handeln endgültig hinfort gespült. Sie tat recht daran hier zu sein! Sie tat auch recht daran, Leuten wie diesen Narseh mit einer ordentlichen Brise Misstrauen zu begegnen und sie tat recht daran, die Feinde ihrer Gemeinde an die Ordnungshüter in der Stadt zu verraten. Nein, Sarah tat nichts Unrechtes, nichts Verwerfliches! Sie war diejenige, die sie alle vor dem größten Unheil bewahrte.
    Die junge Frau sog jedes der gesprochenen Worte in sich auf wie ein Schwamm. Jede kleine Information nahm sie in sich auf.
    Mit dem, was sie in so kurzer Zeit erfahren hatte, musste sie umgehend zu dem Optio eilen! Optio Iunius Avianus, Cohors XII Centuria III. Sie hatte sich alles ganz genau gemerkt. Sarah konnte sich gut viele Dinge auf einmal merken. Auch das, was sie soeben belauschte. Der Optio würde zufrieden mit ihr sein, so dass die Urbaner alle Friedfertigen ihre Gemeinde in Zukunft unbehelligt lassen würden. Sie würden dafür sorgen, dass das kranke Geschwür aus ihrer Mitte gnadenlos entfernt würde. Die Namen der Verräter brannten sich ihr tief ins Gedächtnis: Narseh, Amal, Arash, David und Yishai. Und auch der Ort, wo und wann sie sich bald wieder treffen wollten.


    Sarah wich erschrocken zurück, als die Tür zur Werkstatt wieder geöffnet wurde und die Männer das Hinterzimmer verließen. Nun war es höchste Zeit, zu verschwinden, bevor sie noch jemand bemerkte. Noch einmal sah sie sich vorsichtig um, dann verschwand sie auf leisen Sohlen. Sie rannte durch ein paar dunkle enge Gassen, bis sie in eine größere, belebtere Straße einbog. Hier mäßigte sie ihre Schritte, um nicht aufzufallen. Sie kannte den Weg zu ihrem Ziel und sie ging ihn, ohne zu zögern.


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    Beroe war mit den anderen ins Innere dieser etwas anderen „Taberna“ gegangen. Natürlich war auch ihr der seltsame Geruch sofort in die Nase gedrungen. Doch vielmehr nahm sie die Innenausstattung des Raumes gefangen. Die Wände waren mit fremd anmutenden ägyptischen Bildern und Schriftzeichen verziert. Hier und da war bereits an manchen Stellen der Putz beschädigt. Doch dies änderte keinesfalls etwas an der Anziehungskraft, die dieser Ort auf Beroe ausübte.


    Sie tat es ihren Begleitern gleich und nahm auf dem Boden Platz, der mit .Matten aus geflochtenem Papyrus ausgelegt war. Eine junge Frau, die eine weiße Tunika aus ägyptischer Baumwolle trug und im ägyptischen Stiel geschminkt war, versorgte sie mit dem Opium und sorgte dafür, dass den Gästen noch einige Kissen gebracht wurden, damit sie es bequemer hatten.


    Noch ehe sich Beroe versah, nahm ausgerechnet Shani als erste auch schon einen tiefen Zug und ließ das Opium in ihre Lungen strömen. Erstaunt darüber verzog die Lykierin das Gesicht und wartete gespannt ab, wie Shanis Reaktion ausfallen würde. Ihre anfängliche Abneigung wich schnell. Denn es war nur eine Frage der Zeit, bis die Droge bei der Nubierin richtig zu wirken begann.
    Beroe selbst wollte es wesentlich vorsichtiger angehen. Mit Opium hatte sie bisher keinerlei Erfahrungen gemacht. Noch ehe sie den ersten Zug nahm, begann die Amazone, die bisher noch kein einziges Wort an sie gerichtet hatte, sie anzusprechen.
    „Ich habe hier in der Nähe gearbeitet. Und ja, ich war nicht immer Sklavin.“ Sie sah sich zur Tür um und wies etwas wehmütig mit der Hand in die Richtung, in der sich nach ihrer Meinung das „Aedes iste Letitia“ befand. „Du doch auch nicht, oder?“ setzte sie kurz darauf nach. Sie hatte nur Gerüchte über Varia gehört. Vielleicht offenbarte ja nun die andere etwas von sich.

    Die Schärfe in Varias Stimme, ließ Beroe zusammenzucken. Frauen wie sie, die so aufbrausend, so stark und so energisch waren, waren ihr bis dato nicht begegnet. Eine Frau in ihrer Stellung, so glaubte sie, musste unterwürfig sein. So hatte man ihr es in ihrer Kindheit eingebläut. Und nun stand Varia vor ihr, die so ganz anders war, die scheinbar allem widersprach, was sie bis dahin für richtig gehalten hatte. Varia selbst fürchtete sich scheinbar vor gar nichts. Sie sagte das, was sie dachte, auch wenn es für ihr gegenüber vielleicht verletzend war. Doch eigentlich hatte sie vollkommen recht, mit dem was sie sagte: Beroe war eine Sklavin unter vielen, vielleicht deshalb, weil sie sich für zu gering schätzte und weil sie niemals gelernt hatte, wozu sie noch fähig war. Wie schon zu oft wollte sie sich bereits wieder in sich selbst zurückziehen, nachdem sie kurz aufgemuckt hatte und als Konsequenz daraus Varias Worte auf sie niedergeprasselt waren.
    Doch Varia war noch lange nicht fertig mit ihr. Ihr nächster Satz hatte zwar nichts an Schärfe eingebüßt, doch ließ er sie aus ihrem Selbstmitleid aufhorchen. Kämpfen sollte sie? Sie? Nur dann könne sie sich selbst aus dem Sumpf ziehen? Nur dann gab es Möglichkeiten? Tja, dann waren wohl Beroes Möglichkeiten bereits zur Gänze ausgeschöpft! „So stark bin ich nicht. Nicht so, wie du,“ gab sie entmutigt zurück. „Wie soll ich denn kämpfen? Das habe ich nie gelernt. Was glaubst du, was geschieht, wenn ich mich gegen den Helvetier erhebe? Dann wird doch alles nur noch schlimmer, als es jetzt schon ist!“ Bedrückt ließ sie wieder ihren Blick sinken. Es war wohl besser, sich wieder an die Arbeit zu machen, bevor jemand merkte, dass sie hier mit einer anderen Sklavin einen „Plausch“ hielt.
    Doch dann plötzlich senkte Varia ihre Stimme und es schien, als wolle sie ihr ein Geheimnis anvertrauen. Frauen sind stärker als Männer? Das klang wahrhaft revolutionär und passte so gar nicht in Beroes Weltbild. „Bist du dir sicher?“, fragte sie leise aber nicht weniger eindringlich. Doch dann musste sie an so manchen Kunden denken, den sie im „Aedes iste Laetitia“ empfangen hatte. Manche spielten sich vor ihr auf und gaben ihr das Gefühl, nur der Staub unter ihren Füßen zu sein, doch für manch anderen Kunden war sie in dieser einen Stunde, in der er in Beroes Zimmer war, so etwas wie eine Herrscherin, die die Macht über ihn hatte.

    Beroe schritt zielstrebig voran. Sie achtete aber darauf, dass ihre Begleiterinnen immer in ihrer Nähe blieben. Am Ende verloren sie sich noch. Wegen Varia machte sie sich dabei wenig Sorgen, aber bei Shani war sie sich nicht so sicher, ob sie hier in der Subura nicht völlig verloren war.
    Bei den Frauen war ihr Vorschlag, den Abend etwas berauscht zu beginnen, auf geteilte Zustimmung gestoßen. wieder war es Shani, die dem ganzen skeptisch gegenüberstand, sich aber dann doch den anderen fügte. Also war es beschlossene Sache, wohin sie ihr erstes Ziel für den heutigen Abend führen sollte. Die Straße in die sie nun einbogen, beherbergte unzählige Tabernae und Lupanaria, vor deren Toren Männer die vorbeischlendernden Besucher dazu animierte, dem jeweiligen Etablissement einen Besuch abzustatten. Beroe jedoch wusste genau, wohin sie wollte und steuerte ein ganz bestimmtes Haus an. Sie selbst hatte diese „Taberna“ der ganz besonderen Art noch nie von innen gesehen, denn sie hatte es sich schlichtweg nicht leisten können. Sie hatte ihr Geld lieber für wichtigere Dinge gespart. Heute Abend jedoch galt es, sich zu amüsieren.
    „So hier wären wir,“ stellte sie fest, als sie direkt vor dem Eingang zum Stehen kam. Aus dem Inneren drang eine fremdländisch klingende Melodie zu ihnen nach draußen und wenn man versuchte, einen Blick nach drinnen zu erhaschen, bekam man von der ägyptisch anmutenden Einrichtung einen kleinen Eindruck. „Wollen wir?“, fragte sie zur Sicherheit. Nun konnten sie es sich noch anders überlegen. Danach gab es wohl kein Zurück mehr, denn allein der Duft, der aus der Taberna strömte, hatte bereits etwas Berauschendes.

    [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141021/e4ctfnz5.jpg] | Sarah


    Nach dem vertraulichen Gespräch mit dem Optio der Urbaner, bei dem sie sich bereit erklärt hatte, ein Auge auf „verdächtige“ Glaubensgeschwister zu haben, war für Sarah nichts mehr so, wie es war. Zu niemandem, nicht einmal zu ihrem Bruder Elias, hatte sie von ihrer Vereinbarung mit den Urbanern erzählt. Dieses Geheimnis schleppte sie ganz alleine mit sich herum und je länger sie das tat, umso schwerer wurde die Bürde, die sie zu tragen hatte.
    Schon kurze Zeit später, nachdem sie ihren Handel mit dem Optio geschlossen hatte, wurde sie von Zweifeln geplagt. In ihr entbrannte ein heftiger Kampf über das Für und Wider. Nächtelang lag sie wach. Nur ihrem Gott konnte sie sich in ihren Gebeten anvertrauen. Doch das alleine half ihr nicht aus ihrer Misere.
    Mit jedem Tag, der verging war sie sich mehr bewusst geworden, dass sie sich auf einem gefährlichen Scheideweg befand, denn nun sollte es ihr allein obliegen, darüber zu entscheiden, wer aus ihrer Gemeinde schädlich war für ihr Sache und wer nicht. Wenn sie mit dem Optio nicht kooperierte, dann drohte ihnen alle die Verfolgung und letztlich Folter und Tod. Ganz gleich, mit welchen Anschuldigungen die Urbaner kommen würden, sie würden einen Weg finden, um der christlichen Gemeinde endgültig den Todesstoß zu versetzen, wenn das ihr Ziel war. Doch mit ihrer Vereinbarung konnte sie das Schlimmste verhindern. Blieb nur die Frage, wer geopfert werden sollte…


    Sarah versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, wenn sie unter ihren Freundinnen war oder mit ihrem Bruder auf ihre Versammlungen ging. Sie hatte ein wachsames Auge auf all jene, die es wagten, Elias zu kritisieren. All jene, die behaupteten, er sei nicht stark genug und zu nachgiebig gegenüber der Staatsgewalt, machten sich dadurch verdächtig. Sie beobachtete solche „verirrten“ Geschwister, die versuchten, andere durch ihre Hassreden aufzuwiegeln. Bald schon hatte Sarah erkennen müssen, dass es unterschwellig in ihrer Gemeinde gehrte. Einige wenige waren es nur. Doch wenn man sie gewähren ließ, dann würden es immer mehr werden, die eine offene Auseinandersetzung, der friedlichen Koexistenz vorzogen.
    Ein besonders waches Ohr hatte sie, wenn in diesem Zusammenhang der Name Narseh fiel. Seit dem letzten „Besuch“ der Stadtkohorte war aus dem einst so friedlichen Perser ein leidenschaftlicher Gegner der römischen Staatsgewalt geworden. Nun hatte sie Gerüchte aufgeschnappt, eben jener Narseh schare andere Brüder um sich, die für seine Reden empfänglich waren.


    Zufällig hatte Sarah von Anat, eine ihrer Freundinnen erfahren, dass der Perser sich an ihren Bruder gewandt hatte. Auch Anats Bruder Arash hatte sich nach der großen Razzia, bei der einige seiner Freunde spurlos verschwunden waren, einmal während ihrer Versammlung abfällig gegen das Handeln der Urbaner empört. Es sei an der Zeit, sich nicht länger wie die Lämmer zur Schlachtbank führen zu lassen, hatte er gemeint. Doch was er dagegen tun wollte, hatte er offen gelassen.
    Nun hatte Sarah sich an seine Spuren geheftet und folgte ihm unauffällig. Er traf sich mit drei anderen Männern aus ihrer Gemeinde. Zusammen machten sie sich auf den Weg. Sarah folgte ihnen und blieb immer in gebührendem Abstand hinter ihnen, so dass man sie nicht entdeckte. Bald wurde ihr klar, wohin die Vier wollten: Zu Narsehs Werkstatt.
    Der Perser hatte ihnen Einlass gewährt, nachdem sie an seiner Tür geklopft hatten. Dann verriegelte er die Tür hinter sich. Nun näherte sich auch Sarah der Werkstatt und versuchte, etwas von dem, was die Männer dort drinnen besprachen, aufzufassen. Aber die Männer mussten sich wohl ins Hinterzimmer begeben haben, denn in der Werkstatt war alles ruhig. Die junge Frau überlegte kurz, was sie tun sollte. Dann erinnerte sie sich an die Hintertür, die zu diesem Hinterzimmer führte.
    Dass sie mit ihren Überlegungen richtig gelegen hatte, konnte sie kurze Zeit später feststellen. Gerade noch rechtzeitig hatte sie sich in einer Häusernische verbergen können, als Narseh die Tür aufgerissen hatte, um nachzusehen, dass niemand sie belauschte. Sarahs Herz klopfte heftig. Beinahe hätte er sie entdeckt. Dennoch durfte sie nun nicht schwächeln. Spätestens jetzt wusste sie, dass sie auf der richtigen Spur war. Sie trat näher und versuchte, die Männer zu belauschen. Und dies sollte ihr auch gelingen, mehr als ihr lieb war…

    Wie einfältig sie doch gewesen war und geglaubt hatte, niemand würde davon etwas merken. Wenn immer der gleiche Mann am frühen Abend zu ihr kam und erst am frühen Morgen wieder verschwand, dann konnte man es sich doch an drei Fingern abzählen, dass es sich bei ihm um keinen „normalen“ Kunden handeln konnte. ‚Ihren Anker‘, wie Morrigan ihn nannte hatte sie nun verloren und im Augenblick konnte sich Beroe noch gar nicht ausmalen, wie ihr Leben von nun an werden solle – ohne ihn!


    Die Perserin begann wieder zu weinen. So schwach und verletzlich hatte Beroe sie bisher noch nie erlebt. Offenbar hatte man all ihren Stolz und ihr ungezügeltes Temperament aus ihr heraus geprügelt. Aus ihrer Zeit in Misenum wusste sie, wie grausam Menschen sein konnten. Sie selbst hatte es zwar in dem Maße bisher noch nicht erleben müssen, doch sie hatte es bisweilen mit ansehen müssen, wie andere bestraft worden waren. Spätestens dann hatte sie erkannt, wie wertlos ihr Dasein war und dass es andere gab, die es ihr nehmen konnten, wann immer es ihnen beliebte.
    Dennoch gab die Perserin Beroe ihr Wort, für sie da sein zu wollen und ihr zu helfen, wie es eben die Umstände zuließen. Sie gab ihr sogar wieder ein kleines Stück Hoffnung. Vielleicht war ja doch nicht alles verloren… Ein Stück Hoffnung, was man zum (über-)leben brauchte.
    Sie umarmte Morrigan. Es war nur zu hoffen, dass die Schrecken, die sie erlebt hatte, bald verheilen würden. Zu hoffen, dass man sie ganz vergessen machen konnte, war sicher aussichtslos. Doch zu hoffen, dass sie daran nicht verzweifelte, war sicher ein gutes Ziel.
    „Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast und auch noch für mich tun wirst.“ Sie löste sich von ihr und erhob sich dann langsam. Sie beide wussten, dass es nun Zeit war, zu gehen. Denn jede Minute würde ihnen die Trennung noch schwerer machen. „Doch jetzt sollte ich besser gehen. Pass auf dich auf, bis wir uns wiedersehen!“ Zum Abschied küsste sie sie noch einmal auf die Wange. Dann ging sie…

    Es war lächerlich zu glauben, sie könne mit Hilfe ihrer geballten Fäuste auch nur irgendetwas ausrichten. Sie war nicht wie Varia, die mit ihren Händen zu kämpfen wusste. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal den Mut, ihre Hand gegen diejenigen zu erheben, die sie unterdrückten. Wie eh und je würde sie sich beugen. So, wie sie es bereits als Kind gelernt hatte, nachdem sie ihre Eltern, ihr Zuhause und ihre Würde verloren hatte.
    Doch die Amazone war nicht gewillt, sich lustig über sie zu machen. Sie glaubte erkannt zu haben, wo Beroes Stärken lagen und ermutigte sie, diese Stärken auch zu nutzen. Beroe allerdings, deren Selbstwertgefühl von Haus aus schmal bemessen war, glaubte nicht wirklich daran, überhaupt auch nur eine Stärke zu besitzen. Zu oft war sie wegen ihres unüberlegten Handelns in die Falle getappt. Zu oft hatte sie nur das Gute im Menschen sehen wollen und übersah dabei glatt den Wolf, der ihr gegenüberstand.
    „Mein Dominus, ein Menschenfreund?“, fragte sie abschätzig. „Wenn dein „Menschenfreund“ mir nicht meine Verdienstquelle genommen hätte, dann wäre ich vielleicht in fünf oder sechs Jahren frei. So werden es wohl fünfundzwanzig Jahren sein, bis ich vielleicht frei sein werde. Im Lupanar wusste ich wenigstens, wofür ich das alles tue. Aber hier bin ich wieder nur eine Sklavin, die den Launen ihrer Herren ausgesetzt ist.“

    Eigentlich hätte sie sich diese Frage sparen können, denn sie wusste die Antwort doch selbst nur zu gut. Auch sie war doch deswegen schon wütend oder verzweifelt gewesen. Und die Antwort nach dem warum war auch einleuchtend. Natürlich hatte sie nichts tun können. Für eine Frau wie Varia musste das Leben als Sklavin noch um ein Vielfaches schlimmer sein. Aber was sollte sie ihr jetzt sagen? Sollte sie sie etwa trösten und sie mit denselben Worten einlullen, wie es vor kurzem Varus getan hatte? Wer konnte Varia oder ihr garantieren, dass man sie jemals wieder frei lassen würde? Niemand! Genau wie Varia war auch sie hier gefangen und den Launen ihres Dominus ausgesetzt.
    „Ich weiß, es ist furchtbar ungerecht. Wenn ich daran denke, dann packt mich auch die Wut!“ Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt. Doch der Baum, der von Varias Schlägen bereits lädiert war, hatte von ihr nichts zu befürchten.

    Nun erlebte Beroe die Perserin zum ersten Mal fassungslos, da sie feststellen musste, dass ihr Wohltäter, der sie aus den Fängen der Claudier befreit hatte und ihr die Freiheit versprochen hatte, doch auch nur ein weiterer kühl berechnender Sklavenhalter war, der Beroes Schwächen für seinen Vorteil ausgenutzt hatte. Auch wenn er all das in schöne Worte und Versprechungen gepackt hatte. Diese Versprechungen aber war er gerade im Begriff zu brechen…


    Die Lykerin schüttelte den Kopf. „Nein, das war ich nicht. Trotz der Arbeit, die ja nicht immer einfach war. Aber ich hatte zumindest das Gefühl, endlich einen Platz zu haben.“ Morrigan nahm ihre Hand. Sie, die sie in den letzten Wochen, in denen sie verschwunden war, so viel Leid hatte ertragen müssen, gab ihr nun Trost uns Halt. Ihre nächste Frage jedoch ließ Beroe aufsehen und zunächst erstarren. Ihr Freund? Hatte sie eben richtig gehört? Was wusste sie von ihrem Freund… und was noch wichtiger war, wer wusste noch davon? „Mein Freund…? Woher…. Wieso weißt du davon?“ Letztendlich aber musste sie sich doch eingestehen, dass wohl die meisten hier, und Morrigan erst recht, mehr über sie gewusst hatten, als sie es sich jemals hätte denken können. Sie hatte wohl nur Augen für Avianus gehabt und darüber hinaus alles andere schlichtweg nicht bemerkt. Morrigan aber zeigte dafür vollstes Verständnis und sie machte auch klar, dass sie ihr helfen würde, irgendwie… doch letztendlich war sie nun auch nur noch eine Sklavin. Aber sie machte sich auch Vorwürfe, die Schuld an Beroes Misere zu tragen. Das aber konnte die Lykierin keinen Moment lang so stehen lassen.
    „Nein, du bist nicht schuld! Wirklich nicht! Wenn jemand die Schuld für alles trägt, dann bin ich es ganz allein. Alles was ich dem Moment tat, als ich das Haus meines Dominus in Misenum verließ, tat ich, weil ich es so wollte. Also trage ich auch dafür alle Konsequenzen. Die Menschen, die mir auf meinen Weg begegnet sind, haben es nicht immer gut mit mir gemeint. Doch du gehörst zu jenen, die mir nur mit guten Absichten entgegen getreten sind und dafür werde ich dir immer dankbar sein.“ Bei diesen Worten drückte sie Morrigans Hand fester und versuchte, zu lächeln. nun war es an ihr, die Perserin zu trösten, die in der Gefangenschaft einen erheblichen Teil ihres Stolzes und ihres selbstbewussten Auftretens eingebüßt hatte.


    „Mein Freund… Avianus weiß nicht, dass ich fortgehen muss. Ich hatte keine Gelegenheit mehr, es ihm zu sagen. Aber wenn er wieder kommt…. Er wird bestimmt bald wieder kommen… dann…“ Beroe musste bei diesem Gedanken wieder mit den Tränen kämpfen. All ihr Hoffen, in vielleicht wenigen Jahren wieder frei zu sein, waren zunichte gemacht. Und für ihren Geliebten würde sie nun schier unerreichbar sein. „Bitte sag ihm, was passiert ist und dass ich ihn immer lieben werde... ganz gleich, ob ich ihn jemals wieder sehen kann.“

    Vielleicht solltest du einfach auch in Betracht ziehen, in dieses Spiel als Peregrinus einzusteigen und dich dann hochzuarbeiten. Dabei kannst du ja allen zeigen, welche rollenspielerischen Qualitäten in dir stecken. Außerdem hast du ja auch noch die Möglichkeit, einen zweiten Char in Absprache mit der SL zu erstellen. ;)


    ... und ja, das Anmeldeboard ist wie im Vorstellungsgespräch. Der erste Eindruck zählt.

    Varias Antwort auf ihr Hilfsangebot kam ziemlich überraschend. Es war ja wohl ganz offensichtlich, dass die Amazone gerade ihren Frust an dem Baum entlud. Aber sie deshalb gleich von ihrem Leben befreien? Natürlich konnte sie das nicht ernst meinen. Es war lediglich eine Abwehrhaltung.
    Zumindest aber hatte Beroes Frage dazu geführt, dass Varia nicht weiter auf den Baum einprügelte. Der sah eh schon sehr mitgenommen aus.
    Trotz ihrer Bandagen war an einigen Stellen die Haut, an den zu Fäusten geballten Fingern, aufgeplatzt. Endlich sah die Amazone auf und würdigte Beroe eines Blickes. Sie schien nicht gerade glücklich darüber, gestört worden zu sein und wägte ihr Hilfsangebot natürlich sofort ab. Dass sie die Lykierin nicht einfach stehen ließ, grenzte fast an ein Wunder. Denn aus irgendeinem Grund, der nicht wirklich ersichtlich war, besann sich Varia ganz schnell eines Besseren und öffnete sich der Anderen doch ein wenig.
    Beroe nickte und lächelte zaghaft. „Ja, hab ich. Ich bin Sibel. Und ja, ich bin die Neue von Varus... Und du? Warum bist du so wütend? Und auf wen?“

    Ihr Vorschlag stieß nicht gerade bei allen ihrer Begleiterinnen auf stürmischen Beifall, was mehrere Ursachen haben konnte. Zum Einen waren sie und die beiden anderen Frauen ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Unter normalen Umständen wäre wohl keine von ihnen auf den Gedanken gekommen mit den jeweils anderen etwas zu unternehmen. Außerdem lag es ebenso sehr nahe, dass sie weit davon entfernt waren in echter Feierlaune zu sein. Auf einen Befehl hin zu feiern, war wohl die ungünstigste Ausgangsposition für einen lustigen Abend. Mal ganz abgesehen davon, wenn man von Leuten umgeben war, die ansonsten auch nicht viel zu lachen hatten. Und dann war da auch noch das Ziel, welches Beroe vorgeschlagen hatte. Die Subura… Allein schon der Name verursachte manchen Leuten bereits schon Bauchschmerzen. Natürlich, es gab dort jede Menge Abschaum: Diebe, Mörder und Halsabschneider, die zwangsläufig mit den ansässigen Vergnügungsstätten einher gingen. Die Amazone konnte so etwas aber nicht schrecken, dachte sich Beroe. Wahrscheinlich tat das Gesindel gut daran, sich nicht mit ihr anzulegen.
    Shani hingegen sah man es an, was in ihr vorgehen mochte, als Beroe das Wort „Subura“ auch nur ausgesprochen hatte. Für einen Moment hing es an ihr, wohin es gehen sollte. Nicht etwa, weil sie die Vilica war. Nein, einfach deswegen, weil sie etwas gemeinsam unternehmen sollten. Dennoch schien sie diesmal nicht die Spielverderberin sein zu wollen und vertraute, wie auch Beroe insgeheim, auf die Fähigkeiten der Amazone, falls es doch noch brenzlig werden sollte.


    „Ach, da gibt es einige,“ gab Beroe fachmännisch zur Antwort, auch wenn sie wohl nur in den wenigsten einmal zu Gast gewesen war. „Notfalls können wir ja auch dahin gehen, wo ich bis vor kurzem noch gearbeitet habe.“ Morrigan würde sie bestimmt nicht abweisen.
    „Na, dann lasst uns mal gehen!“ Beroe ging voran und sah sich gelegentlich um, ob ihr auch alle folgten. Eigentlich widerstrebte es ihr, die kleine Gruppe anzuführen. Viel lieber hätte sie sich mittreiben lassen. „Worauf habt ihr denn Lust? Wollt ihr etwas trinken und essen…. oder lieber etwas rauchen? Letzteres ist allerdings etwas teurer…“

    Nicht nur die Casa, auch der Garten sollte anlässlich des Empfangs in neuem Glanz erstrahlen. Nach dem Winter gab es dort ordentlich viel zu tun.
    Beroe hatte Glück, nicht zum Unkraut jäten eingeteilt worden zu sein. Stattdessen war es ihr vorbehalten, die steinernen Bänke mittels einer Wurzelbürste vom angesetzten Moos zu befreien. Sie schruppte und schruppte, dann spülte sie mit Wasser nach und konnte so feststellen, dass die mühselige und Arbeit ihr nur mäßigen Erfolg beschert hatte. Also schruppte sie weiter.
    Aber dann hielt sie ein, weil sie geglaubt hatte, etwas gehört zu haben. Sie legte die Bürste beiseite und ging ein paar Schritte. Jetzt hörte sie es ganz deutlich, ein lautes Schluchzen und Stöhnen. Dazu ein lautes Geschrei und dumpfe Geräusche von Schlägen. Ihre Schritte wurden schneller. Das konnte nur eines bedeuten. Warum sollten die Helvetier anders zu ihren Sklaven sein, wie es einst die Aurii in Misenum waren?
    Doch statt einer Sklavin, die mit Stockschlägen malträtiert wurde, fand sie Varia vor, die wie wild mit ihren Fäusten auf einen Baum einschlug. Einen Moment lang verfolgte sie stumm die Szenerie. Varias Hände waren schon ganz blutig. Sie fragte sich, was das sollte. Schließlich räusperte sie sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht konnte sie Varia so dazu bringen, endlich damit aufzuhören.
    „Ähm, kann ich dir irgendwie helfen?“ Eigentlich hätte der Baum inzwischen wohl mehr ihrer Hilfe bedurft.