Beiträge von Angus

    Natürlich versuchte sich der Mistkerl unter mir zu befreien. Er wandte sich hin und her, so gut er es eben konnte, dann allzu viel Spielraum ließ ich ihm nicht. Trotzdem hatte ich meine Mühe, ihn weiterhin festzuhalten. Außerdem hoffte ich auf eine baldige Ansage, was mit dem Angreifer geschehen sollte. Aber von flavischer Seite passierte da mal erst gar nichts. Zuerst musste man sich gegenseitig über das jeweilige Befinden austauschen.
    Inzwischen hatte sich eine richtige Menschenmasse um uns herum gebildet. Ich wartete ja im Grunde nur darauf, bis mich jemand von diesen Leuten auch noch anfeuerte. Aber dafür waren die meisten einfach zu sehr überrascht. Ich glaubte sogar, Vulpes bei den umstehenden Leuten erkannt zu haben. Auch ihr stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben.


    „Lass mich los, ich bin unschuldig,“ schrie der Kerl unter mir und versuchte es nun mit dieser Masche. Aber darauf fiel ich nicht hinein.
    „Halt‘ die Fresse, du Dreckskerl!“ , schrie ich wütend zurück und wandte dann wieder meinen suchenden Blick gen Scato, in der Hoffnung endlich noch ein paar brauchbare Anweisungen zu bekommen. Doch über das weitere Vorgehen musste erst noch lang und breit beraten werden, am besten vielleicht noch bei einem Becher verdünnten Wein... Es war wirklch nicht zu fassen! Inzwischen musste ich mein ganzes Gewicht auf diesen Mistkerl legen, damit er mir nicht noch entwischte. 'Holt doch endlich einer die Stadtwachen', schrie meine innere Stimme.


    Wieder sah ich zu dem Flavier hiüber. Scato war allerdings, wenn ich das so sagen darf, ziemlich weiß um die Nase herum und auch sonst machte er keinen stabilen Eindruck. Eigentlich wartete ich nur noch, bis er zusammenklappte. Zum Glück war ja sein Bruder und auch Lupus in seiner Nähe. Der konnte ihn auffangen, falls es dazu kommen sollte…


    „Verdammt nochmal!“, grummelte ich schließlich in meinen nicht vorhandenen Bart, als es mir langsam dämmerte, dass es dann wieder einmal Lupus war, der am Ende wahrscheinlich die ganzen Lorbeeren einheimsen würde.

    Während sich Fusus bereits zum Aufgang zur nächsten Etage begab, versuchte ich weiterhin diesen komischen Kautz zu beobachten, der sich immer noch in Scatos Umgebung aufhielt und hin und wieder einen Blick auf ihn warf. Zwar hatte sich Scato etwas von seinen Bruder zurückfallen lassen, doch würde auch er sich zu jenem Aufgang begeben müssen, wenn er den beiden anderen Flaviern folgen wollte. Die Enge des Aufgangs war es, die mir große Sorgen bereite: Unzählige Menschen, die auch diese Treppe benutzen wollten, sich sich zusammendrängen mussten, genau dort wo es fast unmöglich wurde, seine Augen überall zu haben.


    Natürlich bewegte sich der Kerl auch zur Treppe hin. Ich überlegte schon, mich jetzt sofort auf ihn zu stürzen, noch bevor er sich an Scato oder an einen der anderen Flaviern heranmachen konnte. Nur dann konnte das Ganze auch nach hinten losgehen und dann war ich der Dumme. Am Ende war er vielleicht doch ganz harmlos und ich sah nur Gespenster, wo eigentlich gar keine waren.


    Doch unmittelbar vor dem Aufgang war es schließlich so weit. Der Kerl hatte sich so dicht an Scato heran geschoben, so dass es mir eigentlich klar sein musste, dass er es darauf anlegte, ihn anzurempeln. Allerdings versuchte ich auch meinerseits, mich neben Scato zu schieben. Im Bruchteil einer Sekunde geschah schließlich das, was ich bereits geahnt hatte. Der Kerl rempelte Scato an und hätte sich ganz bestimmt noch auf ihn gestürzt, um ihn zu Fall zu bringen, wenn ich mich nicht zwischen ihn und Scato geworfen hatte.
    Der Bursche hatte sich ganz schon erschrocken, denn offensichtlich hatte er mich nicht auf seiner Rechnung gehabt. Während einige Frauen um uns herum begannen, laut aufzukreischen, zwang ich ihn zu Boden und legte mein ganzes Gewicht auf ihn, um ihn mit einer Hand zu durchsuchen zu können. Einige Schaulustige standen um uns herum und begafften mich dabei. Ich ließ mich aber davon nicht ablenken, wenn nur auch Scato es sah, was ich gerade tat.
    Es hätte mich stark gewundert, wenn ich nicht fündig geworden wäre. Es war ein Messer, welches der Mann unter seiner Tunika verborgen hatte, griffbereit um es sofort hervorzuziehen, wenn er es brauchte.
    „Er hat ein Messer!“, rief ich und schaute zu Scato hinüber. Am liebsten hätte ich den Kerl mit seinem eigenen Messer abgestochen, aber hier ging es ja nicht darum, was ich wollte.

    Naja, das war ja nun wirklich keine genauen Angaben. Bevor ich aber etwas dazu sagen konnte, geschah etwas sehr denkwürdiges! Vulpus machte einen Scherz, einen ziemlich trockenen sogar. So trocken, dass ich erst nicht wusste, was ich sagen sollte.
    „Mit dem Vilicus also, aha, gut dass ich´s weiß!“ gab ich ebenso trocken zurück und versuchte keinesfalls mein Gesicht zu einem grinsen zu verziehen.
    Diesen Vilicus allerdings hatte ich noch gar nicht zu Gesicht bekommen. Irgendwie waren wir uns bisher sehr erfolgreich aus dem Weg gegangen, was eigentlich schade war. Denn ich hätte schon gerne selbst mal herausgefunden, ob er wirklich so ein übler Kerl war, wie alle sagten. Ich war mir sicher, von Vulpes würde ich das Gleiche hören, wenn ich sie fragte. Und da ich wissen wollte, ob ich recht hatte, fragte ich sie einfach!
    „Ähm, dieser Vilicus muss ja wirklich ein widerlicher Kerl sein, wenn alle so einen riesen Schiss vor ihm haben, oder?“ Noch immer grinste ich nicht, obwohl ich die Geschichten, die man mir bisher über Sciurus erzählt hatte, nicht wirklich ernst genommen hatte.


    Etwas mehr Kopfzerbrechen bereitete mir jedoch ein ganz anderes Thema. Offernbar führte wohl kein Weg daran vorbei, nicht das Gesicht zu verlieren, um Scato Aufmerksamkeit zu gewinnen. Aber was sie sagte, war absolut einleuchtend, das musste ich zugeben.


    Bei dem Idioten, der es gewagt hatte, uns zu stören und hier gerade eben noch eine dicke Lippe riskiert hatte, war bei Vulpes‘ Erwähnung des Sklaventreibers regelrecht eingebrochen. Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, nochmals ordentlich nachzutreten, schließlich hatte er mich kleines Würstchen genannt!
    „Wie es scheint, hat sich unser Freund hier für die dritte Variante entschieden. Schade eigentlich, ich hätte sicher meine helle Freude an ihm gehabt, mal ganz abgesehen von dem Sklaventreiber!“, meinte ich lachend aber mit einem anerkennenden Nicken zu Vulpes gerichtet. Jedoch vergas ich aber auch nicht den Sklaven. „Los, verzieh dich und lass dich ja nicht mehr blicken, Sklave!“ Als ob er darauf noch gewartet hätte, machte er sich schnell aus dem Staub ohne noch etwas zu sagen.
    Ich setzte mich wieder, aber im Grunde wusste ich selbst, dass ich bald wieder los musste.

    Na bitte, sie kannte niemand, der schon mal in besagter Kammer gewesen war. Aber offenbar hatte sie eine Heidenangst davor und gerade deshalb machte sie mich richtig neugierig. Nicht dass ich etwa danach strebte, in dieser Kammer zu landen. So verrückt war ich nun auch nicht. Aber vielleicht sollte ich mich mal bei Gelegenheit etwas besser in der Villa umsehen.... „Hast du eine Ahnung, wo sich diese Kammer befindet?“, frage ich nur so interessehalber. Wenn sie mir eine ungefähre Richtung nennen konnte, dann musste ich nicht zu lange suchen.


    Weitaus entspannter wurde sie dann wieder, als sie mir weitere Tipps gab, um Scato auf die eine oder andere Weise zu beeindrucken… und zwar so, dass er es auch wahrnahm. Das bedeutete, ich musste bereits im Voraus wissen, welche Wünsche er hatte, um ihm quasi diese Wünsche zu erfüllen zu können, sobald der sie äußerte. Uff, das war verdammt schwierig! Schließlich war ich ja kein Hellseher und außerdem kannte ich ihn dafür zu wenig, um seine Marotten zu kennen. Da hatte Lupus eindeutig einen Vorsprung. Und naja, das erwähnte Fingerspitzengefühl gehörte auch nicht unbedingt zu meinen Stärken.
    „Das… das ist gar nicht so einfach,“ meinte ich schließlich etwas nachdenklich und wirkte vielleicht auch ein wenig deprimiert, da ich erkennen musste, dass noch ein sehr langer Weg vor mir lag. Aber sie machte mir wieder Hoffnung und zwar ausgerechnet mit Sactos Charaktereigenschaften. Gerade darum, weil Scato eben war wie er war. Allerdings sah ich da schon das nächste Problem auf mich zu kommen. Es stand mir wie eine steinerne Festung im Weg – mein Stolz!
    „Du meinst, ich soll ihm in den Ar… Allerwertesten kriechen? Ihm Zucker ums Maul schmieren?“, fragte ich leicht aufbrausend, relativierte aber schnell wieder meine Stimmlage. Es kostete mich ja schon Überwindung, ihn 'Dominus' zu nennen! „Das… das kann ich nicht! Es ist schlimm genug, dass… nein Vulpes, das geht nicht!“ Ich schüttelte den Kopf, mein Inneres wehrte sich heftig, bei dieser Vorstellung.


    Als sich plötzlich diese hirnlose Muskelmasse vor unserem Tisch aufbaute und in einer ziemlich unverständlichen Sprache auf uns einsprach, konnte ich an Vulpes eine blitzschnelle Veränderung ihres Wesens erkennen. Aus der netten Füchsin, die mit der Zeit etwas redseliger geworden war, wurde vom einen auf den anderen Moment eine unnahbare gefährliche Viper, die nur darauf wartete, zubeißen zu können. Mal ganz unter uns, dieser Vulpes wollte ich auch nicht nachts begegnen! Tja, irgendwie hatte unser Freund hier was an den Ohren, denn er zeigte sich ziemlich unbeeindruckt.„Du bist doch eine, noch nicht gemerkt?“, entgegnete er dümmlich.
    Ähm ja, und wo war ich bei der ganzen Sache? Schließlich war ich ja eigentlich der Kerl am Tisch, da war es doch auch meine Pflicht, den anderen Kerl zu vertreiben, nicht ihre! Also erhob ich mich langsam und baute mich in all meiner muskulären Pracht vor dem Sprücheklopfer auf. „Hast du nicht gehört, Sklave? Zieh Leine und zwar schnell, bevor ich mich vergesse!“, sagte ich drohend. Ha, es machte wirklich Spaß, so herablassend zu sein! Mein Gegenüber hatte es aber offenbar auch Spaß bereitet, denn er grinste ziemlich blöd. „Ach nee, was willst du denn, kleines Würstchen?“ Würstchen? Hatte der mich gerade kleines Würstchen genannt? Ja, hatte er. Der Kerl spielte mit seinem Leben!

    Zitat

    Original von Caius Flavius Scato


    "Angus, Lupus, in meiner Nähe bleiben.", sagte er knapp und zupfte seine Toga zurecht...


    Nach Scatos Anweisung wich ich ihm nicht mehr von der Seite. In dem Gedränge konnte von überall her irgendein Verrückter nahen, der sich auf die in feine Togen gekleideten Flavier stürzen konnten. Die Drei fielen hier natürlich sofort auf. Die meisten anderen Leute trugen weitaus einfachere Kleidung. Manche drehten sich natürlich auch sofort nach ihnen um, wenn sie an ihnen vorbei eilten. Meine aufmerksamen Augen versuchten überall zu sein. Dies war meine Chance, um Pluspunkte zu sammeln.


    Die treibende Kraft für diese Einkaufsexkursion war zweifellos Fusus, der jüngere Bruder Scatos. Die beiden anderen Flavier schienen von dem Gedanken, nun über den Markt schlendern zu müssen, nicht gerade begeistert. Aber mir sollte es recht sein, es war eine willkommene Abwechslung. Ich sammelte die Eindrücke dieses Ortes, seine Gerüche und Farben. Mich interessierte es nicht sonderlich, nach welchem Tand Fusus Ausschau hielt oder welche edlen Stoffe eine Etage höher wartete, wie Vulpes mitteilte.


    Nur fiel mir plötzlich ein Mann auf, der mir ein bisschen zu neugierig erschien. Für einen normalen Passanten war er einfach zu auffällig, da er sich immer nur in einem bestimmten Abstand zu Scato bewegte und keine Anstalten machte, weiter zu gehen. Ich behielt den Kerl weiter im Auge.

    Ziemlich ruckartig schoben sich meine Augenbrauen nach oben, als Scato in die Hände klatschte und sich sichtlich freute. Dummerweis sprach er in keinster Weise das Thema ‚Hose‘ an, wie ich gehofft hatte, denn nur in dieser Tunika kam ich mir mächtig dämlich vor. Aber ich hätte es mir auch denken können, die Römer hatten es nun mal nicht so mit Hosen…
    Stattdessen ging er aber lang und breit auf ein anderes Thema ein, was mir ebenso sehr am Herzen lag. Aber besonders befriedigend war es nicht, was er mit mitteilte. Im Grunde aber erzählte er mir nichts was Lupus mir bereits gesagt hatte. Als er dann noch meinte, ich hätte es verdient, was mir widerfahren sei, hatte er mich fast schon wieder so weit, dass ich ihm heftig widersprochen hätte. Doch außer zu einem „Ähm..,“ kam es nicht. Ich hatte mich offensichtlich recht gut im Griff.
    Aber das war noch lange nicht der Gipfel. Seine schier unerschöpfliche Großzügigkeit, die er an den Tag legte, war mehr Schein als Sein, genauso viel wert, wie Katzengold. Die Vergrößerung meiner Ration würde mich auch nicht schneller wieder nach Hause bringen. Außerdem wusste ich noch gar nicht, ob das eine Belohnung war – mehr Essen zu bekommen. Wenn das Essen hier genauso schlecht war, wie das von Mitros, dann glich die Vergrößerung der Ration einer handfesten Strafe!
    Statt zu murren, setzte ich auch ein Lächeln auf, das allerdings nur gekünstelt war. ‚Du und ich, Scato‘, dachte ich, ‚wir beide allein in einem Raum, ohne dass dir dein treuer Lupus zu Hilfe kommen kann…‘ Dieser Gedanke war einfach zu verlockend, als dass ich ihn weiterspinnen konnte.
    „Danke, Dominus,“ antwortete ich brav und hätte mir am liebsten die ganze Faust in den Rachen gerammt. Dann tat ich es Lupus gleich, der sich andeutungsweise verbeugte und folgte ihm aus dem Raum.

    Im Grunde hatte ich mir nicht viel dabei gedacht, als ich ihr meine Gedanken offenbart hatte. Aus Vulpes Körpersprache hingegen sprach nur die blanke Furcht. Furcht davor, dass uns jemand belauschen könnte, denn dann drohte nicht nur mir, sondern auch ihr eine Strafe, die wie sie sagte, ziemlich martialisch ausfallen würde. Doch so, wie ich die Sache sah, gab es hier unter den Sklaven keinen, der sich mit mir anlegen wollte, denn sie war doch alle nur ein Haufen Schafe, die sich nichts trauten und viel zu viel Angst hatten. Und natürlich fand sie auch dafür wieder eine Rechtfertigung, warum alles seine Richtigkeit hatte, so wie es war. Nein, es hatte wirklich keinen Zweck, mit ihr darüber zu diskutieren. Ganz gleich, welche Argumente man anführen würde, Vulpes würde sie alle nacheinander auseinander nehmen und sie Stück für Stück in Nichts auflösen, so dass nur noch das übrig blieb, woran sie glauben wollte... dass, was man ihr über Jahre hinweg eingetrichtert hatte.


    Auf meine doch recht arglose Frage, wie die Flavier ihre Sklaven zu bestrafen pflegten, folgte eine ziemlich vage Antwort, denn offenbar hatte jeder der Herrn seinen eigenen Stil, wie sie sagte. Das klang fast so, als ob sie dafür über eine spezielle künstlerische Veranlagung verfügten. Nun, wie dem auch sei, ich konnte mich also auf Schläge mit dem Stock oder der Peitsche gefasst machen, wenn Scato mal seinen schlechten Tag hatte. Weshalb sie aber in aller Welt einen solchen Tamtam um diese ominöse Kammer machte, erschloss sich mir nicht ganz.
    „Ach was, was soll denn an einer Kammer denn schon so schlimm sein, hä? Man wird für einige Stunden eingesperrt und wenn es ganz schlimm kommt, für ein paar Tage… aber dann… was soll denn dann schon sein? Kennst du denn einen Sklaven, der in dieser Kammer war?“ Diese Kammer war bestimmt einfach nur überbewertet. Man wusste ja, wie solche Gerüchte entstanden. Am Ende steckte nur die halbe Wahrheit dahinter, der Rest war pure Übertreibung.


    Viel wichtiger erschien mir da die Frage, wie ich es schaffte, Scatos Aufmerksamkeit zu gewinnen, ohne hinterher Reif für den Medicus zu sein. Vupes nannte mir dann auch ein paar interessante Vorschläge, die ich mir durchaus merken wollte, um sie dann später in der Praxis, sozusagen am lebenden Objekt, auszuprobieren.
    „Ach, und wie stelle ich es an, damit er bemerkt, dass ich es war, der ihm einen Dienst verrichtet hat?“ Ich wusste, meine Fragerei musste sie langsam ermüden. Aber ich hatte hier einen Profi an meiner Seite. Und ehrlich gesagt wollte ich lieber Vulpes fragen, statt Lupus damit zu behelligen. Schließlich war er der potentielle Mitsklave, den eventuell es galt, auszustechen.


    Dass sie natürlich nicht einer Meinung mit mir war, dass alle Römer gleich waren, hätte ich mir eigentlich denken können. Und naja, vielleicht hatte sie ja bei genauerer Betrachtung sogar recht.
    „Das mag ja sein. Aber ich habe gelernt, dass man gut daran tut, wenn man ihnen lieber nicht traut! Und auch diesem Scato würde ich nicht mal zehn passus über den Weg trauen, so arrogant und selbstverliebt, wie er ist. “ Ehrlich gesagt hätte ich nicht viel mehr über Scato berichten können, denn dafür kannte ich ihn einfach zu wenig. Doch mein erster Eindruck, den ich von ihm gewonnen hatte, war bisher nicht widerlegt worden.


    Ihr Mitgefühl aber, welches sie mir zu bekunden versuchte, indem sie ihre Hand auf meinen Arm legte, überraschte mich angenehm, denn ich hatte schon vermutet, dass sie dazu gar nicht fähig sein konnte.
    Doch ehe ich noch etwas sagen konnte, baute sich vor unserem Tisch so ein großer blonder muskelbepackter Schwachkopf auf, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Er entsprang wohl ganz frisch aus den germanischen Urwäldern. Ich bezweifelte ja, dass er sprechen konnte, aber er konnte es doch! „He du! Was hast du da gelabert? Bist bescheuert, oder was?“ Dann wandte er sich zu Vulpes und quatsche auch sie dumm von der Seite an. „Und du? Lässt dich von so´nem Typen vollsülzen, oder was?“

    Meine Stimmung wollte sich kein bisschen heben. Auch nicht, als es endlich weiter zu gehen schien. Doch bevor sich der flavische Tross endlich wieder in Bewegung setzen konnte, war Vulpes aufgefordert worden, als wandelndes Lexikon und Reiseführer zu dienen. Unweigerlich war ich wieder an unsere Unterhaltung von neulich erinnert, als sie mir von den zwei Alternativen berichtete, wie ein Sklave die Aufmerksamkeit seines Herrn auf sich ziehen konnte. Dabei war die zweite Alternative die weitaus schmerzloserer, dafür aber auch die schwierigste. Vulpes, so musste man auch jetzt wieder zugeben, war einfach eine Meisterin darin, denn sie verstand es nicht nur Fusus sondern auch noch die anderen Flavier zu beeindrucken… Nun ja, bei Scato war ich mir da nicht so sicher. Aber das lag wohl daran, dass man sich bei Scato eben nie sicher sein konnte.
    Eigentlich hörte ich dem, was sie aus ihrem Gedächtnis aufsagte, nur mit einem Ohr zu. Den Rest meiner Aufmerksamkeit verwandte ich damit, um die Umgebung im Blick zu behalten, falls doch noch der Irre aus der Seitenstraße auftauchen sollte… Aber irgendwie wollte der heute nicht kommen...


    Als es nun endlich weiterging und die Sänftenträger die Sänften anhoben, war ich schon froh, dass ich nicht länger nutzlos in der Gegend herumstehen musste. Schön brav trabte ich neben Scatos Sänfte her und konnte mich somit auch nicht Vulpes Rezitationen entziehen. Eines war mir mittlerweile klar geworden, so wie sie würde ich niemals werden. Dazu war ich meilenweit von ihr entfernt. Und ob es mir tatsächlich gelingen würde, Scato auch nur mit einer winzigen Kleinigkeit zu beeindrucken, wagte ich zu bezweifeln. Dafür lag die Messlatte einfach zu hoch.
    Doch nach all dem literarischen Zeugs, welches ich eh nicht verstanden hatte und den ellenlangen Erläuterungen zu irgendwelchen Bauwerken, die mich kein bisschen interessierten, wurde ich dann doch noch durch Vulpes' letztem Satz etwas hellhörig! Auf das Hab und Gut sollte man hier achten… na wenn sich hier nicht endlich eine Chance ergab, um sich profilieren zu können,... dann wusste ich wirklich keinen Rat mehr.

    „Hä?“ Mit ihrer Frage hatte sie mich nun vollends aus dem Konzept gebracht. Allerdings, wenn ich es nun recht bedachte, fielen mir nicht besonders viele Möglichkeiten ein, wie eine Frau sich auf die Schnelle ein bisschen Geld verdienen konnte, außer nun ja.... Aber natürlich gab ich nicht zu, dass mir auch nichts anderes eingefallen wäre. „Ach, da gibt´s bestimmt noch andere Möglichkeiten!“, winkte ich ab und versuchte so schnell wie möglich den Bogen zu einem anderen Thema zu spannen, bevor sie mir auch dieses Argument vor meinen Augen demontierte.
    „Ja, natürlich musst du, auch wenn du frei bist, auf die anderen, mit denen du zusammen in irgendeiner Gemeinschaft lebst, eingehen und auch Rücksicht auf sie nehmen. Wenn jeder machen würde, was er wollte, wo kämen wir denn da hin? Dann gäbe es nur Chaos und jeder würde dem anderen den Schädel einschlagen,“ begann ich zu erklären. Dabei stellte ich mir vor, dass bestimmt einige Römer genau das von uns dachten. „Und natürlich muss man irgendetwas tun, um von den Früchten seiner Arbeit leben zu können. Wenn ich mein Feld nicht bewirtschafte, dann werde ich und meine Familie im Winter hungern müssen. Aber wenn ich es tue, dann lebe ich von dem, was ich mir erarbeitet habe. Die Flavier hingegen leben von dem, was ihr Riesenheer von Sklaven ihnen erwirtschaftet und eben diese Sklaven müssen sich mit einem Schälchen von diesem ranzigen Fraß zufrieden geben, während die Flavier wie die Fürsten leben. Findest du das etwa gerecht?“ Wieder war ich lauter geworden, als ich eigentlich sein wollte. Verstohlen warf ich einen Blick auf die anderen Sklaven, die zum Glück alle etwas weiter weg saßen. Wenn jemand von denen meine Reden mithörte und sich damit bei einem der Flavier beliebt machen wollte, denn konnte es noch richtig „lustig“ werden! Doch gegen solche Schwätzer hatte ich zwei schlagende Argumente parat... und mit gebrochenem Unterkiefer ließ es sich bestimmt nicht mehr so gut petzen.
    Vulpes ,die wahrscheinlich ähnlich dachte, lenkte daraufhin das Gespräch in andere, weitaus weniger gefährlichere Bahnen. Als erfahrene Sklavin im Dienste der Flavier konnte sie mir jede Menge Tipps geben, wie aus mir vielleicht doch noch ein guter Sklave werden konnte, obwohl dies sicher das Letzte war, was ich werden wollte. Letztendlich konnten mir ihre Ratschläge aber helfen, um mich näher an mein Ziel zu bringen. Darum hörte ich ihr aufmerksam zu und versuchte sie nicht zu unterbrechen. „Ach ja, welche Strafen sind das denn?“ Wie gesagt, ich versuchte es, aber meine Versuche waren nicht immer von Erfolg gekrönt.
    Vulpes Erläuterungen über die zwei Alternativen, wie ich Scatos Aufmerksamkeit auf mich ziehen konnte, fand ich natürlich besonders interessant und auch hilfreich. Dennoch gewann ich langsam den Eindruck, dass es ein langer Weg werden würde, um mit Alternative zwei erfolgreich zu sein. Oder etwa nicht? „Ähm. entschuldige, dass ich dich schon wieder unterbreche, aber was verstehst du genau unter ‚Übererfüllung des eigenen Pensums‘? Soll das etwa heißen, ich soll mich zu Brei schlagen lassen, nur um sein Leben zu retten?“ Nun ja, dieses Beispiel war vielleicht etwas zu überspitzt, aber im Grunde traf es doch genau den Punkt, den ich wissen wollte.


    Dass nun Vulpes aber auch noch eine „Notfalllösung“ parat hatte, falls es mit Scato nicht klappen sollte, erstaunte mich. Ich hatte immer geglaubt, ich wäre diesem selbstverliebten Löckchendreher auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Dass ich nun selber daran schrauben konnte, um ihn loszuwerden, war mir davor nie in den Sinn gekommen. Allerdings kamen mir dann nach und nach einige Zweifel. Schließlich wollte ich nicht, wie Vulpes vielleicht, als Sklave Karriere machen. Ich wollte einfach nur wieder frei sein, nicht mehr aber auch ganz bestimmt nicht weniger!
    „Naja, im Grunde ist ein Römer, wie der andere! Was macht es da schon, ob Scato oder ein anderer über mich bestimmt? Ich weiß nicht so recht, ob ich so etwas anstreben wollte, dann müssten ja auch alle meine Bemühungen wieder auf Anfang zurückgedreht werden… Ich weiß nicht…“ Ziemlich unschlüssig sah ich aus der Wäsche. Um weder in den Geschmack einer Peitsch zu kommen, noch vom Regen in die Traufe zu gelangen, war es ganz offensichtlich, dass ich aus mir herausgehen musste, und zwar mehr, als mir lieb sein konnte. Das würde sicher sehr schwierig werden!


    Hätte ich auch nur geahnt, dass sie, nach meiner Erzählung über mein früheres Leben, in mir einen einfachen Bauern sah, hätte ich garantiert lautstark protestiert. Hätten die alten Gesellschaftsformen, wie sie vor dem Eintreffen der Römer noch Bestand gehabt, hätte ich mich ohne weiteres als ‚angesehener Krieger‘, der dazu noch ein großes Stück Land besaß, bezeichnen können. Aber diese Zeiten gehörten bereits schon vor meiner Geburt der Vergangenheit an.
    Und als ob es nicht schon genug der Schmach war, setzte Vulpes genau da an, wo es für mich am schmerzlichsten war. „Als ich gefangengenommen wurde,“ beendete ich räuspernd den Satz. „...und ich mit ansehen musste, wie sie meine Frau und meinen Jungen töteten…“ Die letzten Worte schnürten mir förmlich die Kehle zu. Dieses eine Bild meiner sterbenden Familie würde ich wohl bis zum Ende mit mir herumtragen müssen.

    Am liebsten hätte ich mir die Zunge verschluckt, als ich den Kerl ‚Dominus‘ nannte. Doch ich sagte mir einfach, dass es der erste Schritt auf meinem Weg nach Hause war. Wenn mich das dann tatsächlich zurück an die Gestade Britannias brachte, würde ich ihn meinetwegen zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit Dominus nennen.
    Allerdings, so musste ich zugeben, wurde er mir etwas sympathisch, als er meine Kleidung ansprach. Innerlich nickte ich, als er meinte, ich sähe furchtbar aus. Dass ausgerechnet dieser lockengewickelte Schönling das so sah, verwunderte mich doch. Andererseits war er vielleicht daran interessiert, dass ich in meinem Äußeren besonders ‚authentisch‘ herüber kam. „Ein paar Hosen wären gut!“, gab ich, wenn auch ungefragt, zu bedenken. Genau, ein paar Hosen würden mein äußeres Erscheinungsbild in recht harmonischer Weise abrunden. Diesmal bekam Lupus den Rüffel. :D


    „Angus, Dominus. Mein Name ist Angus. Und ja… äh Lupus hier, war so freundlich, mich etwas aufzuklären.“ Kurz schweifte mein Blick zu Scatos Leibsklaven, der leicht versetzt hinter mir stand. „Also unter gewissen Umständen bin ich ja bereit… äh ja… also nur damit du es weißt, ich strebe danach, irgendwann... und damit meine ich nicht erst wenn ich alt und grau bin, wieder frei zu kommen und bin auch bereit dafür einiges auf mich zu nehmen!“ Ich war ein Mann der klaren Worte. Dieses ganze Herumgedruckse war nicht mein Ding. Lieber kurz und schmerzlos frei heraus von Mann zu Mann...

    „Ja, das habe ich auch schon bemerkt,“ stimmte ich ihr zu. Daher wunderte es mich auch nicht, dass man sich auf diesem Wege den neuen Nachschub an Sklaven sicherte. Wenigstens waren wir uns in diesem Punkt einig. Allerdings begann sie schon gleich darauf mir lang und breit aufzuzeigen, welches primäre Ziel sie in ihrem Leben anstrebte, nämlich eine noch bessere Sklavin zu werden, mit der ihr Herr voll und ganz zufrieden war, auf dass sie recht lange in seinem Besitz verbleiben konnte. Nach allem, wie sie sich bisher geäußert hatte, hätte es mich doch sehr stark gewundert, wenn sie mit irgendetwas anderes gekommen wäre. Nun ja, mit dieser Vorstellung konnte ich nicht viel anfangen, das war einfach nicht meine Welt.
    Und so wie ich nichts Gutes an der Sklaverei finden konnte, tat sie sich schwer, mit der Aussicht eines Tages frei zu sein. Natürlich war es schwierig, wieder auf eigenen Füßen zu stehen und selbstverständlich musste man Einbußen hinnehmen, wenn man bisher ein gesichertes, wenn auch nicht freies Leben geführt hatte.
    „Nun, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg! Natürlich müsstest du anfangs auf einige Bequemlichkeiten verzichten. Jeder Schritt, der dich der Heimat bringt, ist ein Schritt in die richtige Richtung, sei der Weg auch noch zu lange. Und bedenke, du kannst dir unterwegs immer etwas dazu verdienen, um über die Runden zu kommen. Du könntest auf einem Schiff anheuern…“ Äh ja, ich musterte sie kurz. „Naja, das mit dem Schiff, das wird in deinem Falle wahrscheinlich nicht funktionieren, aber es gibt andere Möglichkeiten… bestimmt!“ Im Gegensatz zu ihr würde ich keine Minute zögern, mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu wollen. Fast schon glaubte ich, sie fürchtete sich vor der Freiheit und dem Gefühl, frei zu sein. Das war wohl der grundlegendste Unterschied zwischen uns.


    Als sie wieder auf Scato zu sprechen kam, nickte ich anfangs nur nachdenklich. Dieser Kerl machte es einem nicht einfach, sich vor ihm zu profilieren, wie sie es so schön ausdrückte. „Ja, das hoffe ich sehr. Wenn er mir nur etwas mehr Beachtung schenken würde. Aber er nimmt meine Gegenwart als selbstverständlich wahr. Für ihn bin ich nicht mehr, als der Staub an seinen Stiefeln, denke ich manchmal.“ Nun ja, es war kein Geheimnis, dass auch ich nicht das Geringste für diesen eingebildeten Geck übrig hatte. Dummerweise hatte ich ihn mir ja nicht aussuchen können.


    Aber ich schob Scato schnell wieder beiseite und erzählte ihr weiter über meine Heimat und über mich. Wieder bekam ich diesen entrückten Blick, den ich oft bekam, wenn ich an damals dachte.
    „Ich besaß ein Stück Land, welches ich von meinem Vater geerbt hatte. Wir hatten etwas Vieh, um das ich mich gekümmert habe. Und natürlich hatte mir mein Vater beigebracht, wie man ein Schwert führt, als ich ein Junge war. Als ich ein Mann wurde, habe ich unserem Stammesoberhaupt einen Eid geschworen, dass ich ihm die Treue schwöre und mein Schwert gegen unsere Feinde erhebe, wenn er mich dazu aufruft. So wie es auch schon in alter Zeit war, bevor die Römer kamen. Nun ja, eigentlich haben wir unsere Schwerter nie gegen unsere Feinde erhoben… bis eben auf dieses eine Mal… als ich…“ Als wir verraten worden waren.

    Ob ich mich tatsächlich seinem Willen beugen würde und unter welchen Bedingungen ich dies tun würde, sollte sich schon ziemlich bald zeigen. Im Grunde war ich bereit, wieder meinem „Herrn“ unter die Augen zu treten. Naja, eine winzige Kleinigkeit hatte da noch gefehlt. Neue Kleidung, eine Tunika und ein paar Hosen wären sicher sehr wünschenswert gewesen. Aber für dies Hosen hatte es ganz offensichtlich nicht gereicht. So trug ich, neben ein paar Sandalen, also nur diese kurze Tunika, die ziemlich ungewohnt für mich war.
    Wieder stand ich vor der Tür, die zu Scatos Cubiculum führte, hinter mir wachte Lupus über mich, damit ich ja keine Dummheiten anstellte. Diesmal war ich es, der anklopfte und die Tür öffnete. Es war schon ein sehr absonderliches Gefühl, wieder hier zu sein. Hatte ich mich doch beim ersten Mal ziemlich ruppig und uneinsichtig gezeigt. Naja, nun konnte ich beweisen, dass ich auch anders konnte, auch wenn mir das nicht besonders leicht fiel. Ich dachte einfach nur an Aislin und überlegte mir, was sie mir in dieser Lage raten würde. Sie war immer mein ruhiger Pol gewesen, der mich stets zur Besonnenheit aufgerufen hatte.
    Ich trat ein und bleib kurz nach der Tür stehen. "Hier bin ich wieder, Dominus."

    Zitat

    Original von Caius Flavius Scato
    Scato folgte seinen beiden Verwandten mit ein wenig Abstand, Manius Minor schritt mit dem flavischen Selbstbewusstsein voran welches auch Scato, welcher fernab der Familie aufwuchs, erst spät zu entwickeln begann, und deshalb auch nur zaghaft auf den Tempel zuging, freilich war die Zaghaftigkeit getarnt als abgeklärte Ruhe, mit welcher Scato langsam voran lief, und Angus, und Lupus ein wenig hinter sich ließ..
    "Münze!", befahl Scato mehr oder minder und streckte die Hand aus, wer auch immer ihm eine angemessene Münze gab, oder in Besitz seines Geldbeutels war, Angus oder Lupus, es war ihm recht gleichgültig solange er seinen Ahnen etwas darzubringen hatte.
    ...


    Offenbar musste dieser Tempel etwas immens Wichtiges für die drei Flavier sein, sonst hätten sie wohl kaum ein solches Tamtam darum gemacht. Aufmerksam hörte ich ihnen zu. Man konnte ja nie wissen, am Ende lernte man noch etwas, ganz nebenbei. Sie sprachen von irgendwelchen Leuten, deren Asche man hier aufbewahrte.
    Nachdem sich der Junge und Fusus sich jeweils eine Münze von ihren Sklaven hatten zustecken lassen, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch Scato bemerkbar machte. Das tat er dann auch, auf die für ihn so typische Art und Weise. Da ich ihm am nächsten stand (zumindest was meine Position anging), zückte ich den Geldbeutel, den man mir anvertraut hatte und nahm irgendeine Münze heraus. Im Gegensatz zu Vulpes hatte ich meinen Blick nicht zu ihr gewandt, um den Wert der Münze zu erspähen, den sie gewählt hatte. Vielmehr erfreute ich mich an ihrem Anblick.


    Schließlich reichte ich Scato die Münze und fragte mich gleichzeitig, was die Drei denn damit genau machen wollten. Ihre Ahnen oder etwa irgendwelche Götter damit abspeisen? Mit nur einen Münze? Aber offenbar war das ausreichend. Seltsam, diese Römer!

    Waren ihr denn Gefühle so fremd? Hatte sie niemals erfahren, was Liebe war oder Zuneigung? Was es bedeutete, sich auf einen anderen einzulassen, um mit ihm den Rest seines Lebens verbringen zu wollen?
    „Es mag sein, man hat ihnen keinen körperlichen Schaden zugefügt. Aber hat sich jemand dafür interessiert, wie es ihnen hier drinnen dabei ergangen ist?“ Mit meiner flachen Hand klopfte ich auf die Stelle, am der mein Herz saß. Was musste in ihren Eltern vorgegangen sein, als man sie wie Vieh behandelt hatte, nur damit aus ihrer Verbindung ein neuer Sklave entstand? Ob sie sich das jemals gefragt hatte?
    Nein, das hatte sie wohl nicht, wenn sie nicht einmal wusste was wirklich Liebe war. Sie schockierte mich völlig, ich wusste nicht, was ich noch sagen konnte. Am besten ließ ich es gut sein. Ich sah sie nur an und schüttelte nur den Kopf. Gegen das, was man ihr über Jahre hinweg immer wieder eingetrichtert hatte, konnte ich nicht ankommen. Es war wie ein undurchdringliches Bollwerk, gegen das man vergeblich ankämpfte.


    „Deiner Perspektive?“ Ich hatte mich doch wieder hinreißen lassen und eine ihrer Aussagen aufgegriffen. Schließlich war es doch gut, so dachte ich, wenn man sich um seine eigene Zukunft Gedanken machte. „Welche Perspektive hast du denn? Welche Anforderungen stellst du an dein Leben?“ Vermutlich hatte sie nicht im Traum gedacht, diesem Leben in Unfreiheit eines Tages den Rücken zu kehren. „Meine Anforderung an mein Leben ist es, wieder meine Freiheit zu erlangen, um endlich nach Hause zurückzukehren.“


    Aber offenbar hegte sie doch einige Wünsche, die sie mir ganz nebenbei offenbarte. Den Wunsch fremde Länder zu sehen, vielleicht sogar das Land ihrer Mutter. Wenn sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen könnte, dann hatte sie auch die Möglichkeit, ihre Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen.


    „Wenn du frei wärest, könntest du dir alle diese Wünsche erfüllen, Vulpes. Dann müsstest du nicht warten, bis es deinem Herrn einfällt, dich mitzunehmen,“ meinte ich schließlich und zog dabei meine Augenbrauen nach oben. Vielleicht begriff sie endlich, welche Vorzüge die Freiheit doch mit sich brachte.


    „Ehrlich gesagt kann es kaum abwarten, endlich hier raus zu kommen!“ Ich lächelte, denn vor meinem inneren Auge erkundete ich bereits die Stadt zusammen mit ihr. Wahrscheinlich würde sie dann noch weiter auftauen, je weiter weg sie von diesen Flaviern war.
    „Ich soll ihn beschützen, als sein Leibwächter, wenn er die Villa verlässt,“ entgegnete ich auf ihre Frage. Ausgerechnet ich, ich sollte mein Leben für einen Römer riskieren!

    Meine Freude hatte sich in Grenzen gehalten, als mir Lupus offeriert hatte, dass heute endlich der Tag gekommen sei, an dem ich aus diesen Gemäuern nach draußen dürfte. Wohlgemerkt nicht als freier Mann, nein, eher in der Funktion, für die ich als Sklave ursprünglich vorgesehen war –als einer der begleitenden Custodes, die ein paar Flavier, darunter auch Scato, beschützen sollten.
    Eigentlich hätte meine Freude unbeschreiblich groß sein müssen, denn eingesperrt in der Villa zu sein, war nun wirklich nicht mein Fall. Selbst Lupus, unter dessen ständiger Fuchtel ich stand, bei allem was ich tat oder nicht tat, hatte dies in ein gewisses Erstaunen versetzt.
    Die Gründe dafür konnten nur wenige kennen. Eigentlich gab es nur zwei Menschen in der Villa, die davon wissen konnten. Der eine war ich und die andere…
    Nun, ich hole wohl am besten etwas aus. Einige Tage zuvor im Speisesaal der Sklaven, hatte ich beim Essen die Chance genutzt, um mit Fusus kleiner Füchsin zu plaudern. Ich gebe offen zu, sie hat mir vom ersten Augenblick, als ich sie sah, gefallen. Dummerweise hatte ich mich bei unserer kleinen Unterhaltung zum Idioten gemacht, denn ich hatte ziemlich schnell erkennen müssen, obwohl sie auch britannische Wurzeln hatte, dass zwischen uns Welten lagen, die wohl niemals überwunden werden konnten.
    Danach hatte ich mich wie der einsamste Mensch auf Erden gefühlt, obwohl ich mich über mangelnde Gesellschaft im Servitriciium kaum hätte beklagen können. Hatte es in dem Moment, da ich sie zum ersten Mal erblickt hatte, noch so etwas, wie einen Lichtschein gegeben, so lebte ich nun forthin in Dunkelheit.


    Was nun das Ganze noch schwieriger machte, war die Tatsache, dass eben auch Vulpes an diesem ominösen Ausflug teilnehmen würde. Und das tat sie dann auch.
    Während die drei Flavier sicher in ihren Sänften saßen (wohlgemerkt drei Sänften für drei Flavier!), wurden sie von einem kleinen Heer an Sklaven begleitet. Jeder der Herren hatte sein eigenes kleines Aufgebot um sich versammelt. Einige von denen hatte ich bisher noch gar nicht gesehen. Ich selbst lief, unter Lupus ständiger Beobachtung, neben Scatos Sänfte her und hielt die Augen auf, damit sich kein Irrer, aus der nächstbesten Seitenstraße kommend, auf Scato stürzte und ihn massakrierte.


    Gelegentlich jedoch warf ich einen kurzen Blick zu Vulpes hinüber, die allerdings, voll in ihrem Element, wohl davon gar nicht mitbekam. Seufzend blieb ich stehen, als auch die Sänften vor einem Gebäude stehen blieben. Ein wenig verwirrt sah ich mich um, ob ich vielleicht etwas verpasst hatte. Aber man hielt wohl um des Gebäudes willen, wie ich aus den Gesprächsfetzen der Flavier entnehmen konnte.
    Als sie nun einer nach dem anderen aus ihren Sänften ausstiegen, hielt ich mich in Scatos unmittelbarer Nähe auf und konnte dabei nun auch das Bauwerk, bei dem es sich um einen Tempel handelte, zum ersten Mal bewundern. Nun ja, bewundern war sicher zu viel gesagt. Ich machte mir eigentlich nicht viel aus diesem römischen Zeugs. Vielmehr versuchte ich meiner Aufgabe gerecht zu werden, zum einen lenkte es mich ab, noch länger an Vulpes denken zu müssen, zum anderen konnte dies für mich eines Tages der Freifahrtschein für nach Hause sein.

    Eigentlich hätte ich es mir denken können, dass sie sofort alle meine Einwände nahm und sie vor meinen Augen, Stück für Stück demontierte. Sie gab nur das wieder, was man ihr alle die Jahre über eingepflanzt hatte und ich machte ihr deswegen auch gar keine Vorwürfe. Wie hätte sie anders argumentieren können, wenn sie doch nichts anderes kannte!


    „Es ist mir egal, was die Angehörigen der oberen Schichten tun oder auch nicht tun. Doch auch wenn zwei Menschen zueinander finden, weil ihre Eltern es so wollten, kann es passieren, dass dabei Liebe entsteht. So war es damals bei meiner Frau und mir. Deine Erzeuger jedoch haben sich zusammengefunden, weil man es ihnen befohlen hat und sie sind auch wieder auseinandergegangen, weil man es ihnen befohlen hat. Es tut mir leid, Vulpes, daran kann ich nichts Gutes finden.“ Das gehörte wohl auch zu den Dingen, die ich niemals lernen würde und ehrlich gesagt, wollte ich sie niemals lernen. Selbst dann, wenn man mich eines Tages dazu zwingen sollte…


    Fast schon hatte ich geglaubt, ich hätte an ihr doch noch so etwas, wie einen menschlichen Zug entdeckt, als sie sich betroffen zu meinem Verlust äußerte. Ich war ihr sehr dankbar für die tröstenden Worte, die sie fand und nickte ihr zu. Doch dann zögerte sie, bevor sie weiter sprach. Mein Blick ging nach oben zu ihr und das, was aus ihrem Mund kam, hörte sich plötzlich für mich wie eine Fremdsprache an. Eine Fremdsprache, deren Bedeutung ich nicht verstand und in der kein Platz für Gefühle war. Es war die Sprache der Römer, genauso sprachen sie – ich hatte es selbst erlebt.
    „Ja, sicher“, antwortete ich nur und ließ es dabei bewenden. Ich wollte sie nicht gegen mich aufbringen. Innerlich jedoch begriff ich, dass Vulpes zwar hier bei mir saß, doch meilenweit von mir entfernt war und ich bezweifelte, ob wir es jemals schaffen würden, diese riesige Distanz zwischen uns bewältigen zu können.
    Die betretene Stille, die nun zwischen uns entstand, war schier unerträglich für mich. Ich hätte ihr noch so viel sagen, sie überzeugen wollen, dass es falsch war, was mit uns geschah, aber ich konnte nicht.
    Schließlich brach sie die Stille und endlich kam wieder die wahre Vulpes zum Vorschein, die sich mit einem vagen Lächeln vorzustellen versuchte, wie es in dem Land sein mochte, aus dem ihre Mutter stammte. Auch ich reagierte wieder versöhnlicher und wollte einfach vergessen, worüber wir uns bisher unterhalten hatten.
    „Ja, genau! Er lebt in unseren Flüssen, dann zieht er ins Meer hinaus und am Ende seines Lebens kehrt er in seine alte Heimat wieder zurück um dort führ seine Nachkommenschaft zu sorgen.“ Als ich ihr dies erklärte, kam ich mir selbst vor, wie einer dieser Lachse, der hinaus in die Fremde schwimmt, um eines Tages… am Ende seines Lebens, wieder zurückzukehren.
    „Ja, es ist ganz anders,“ bestätigte ich ihr nachdenklich und ich wurde erst durch ihre Frage aus meinen Gedanken gerissen. „Ich habe noch nicht viel von der Stadt oder dem Land gesehen. Bisher durfte ich nicht die Villa verlassen. Nur das, was auf dem Weg von Britannia bis hierher lag, als sie mich herschafften. Aber das war nicht viel.“ Und in Ketten gelegt hatte mir einfach der Sinn dafür gefehlt, die Schönheiten der vorüberziehenden Landschaft zu genießen.

    Dass Lupus einen Stein im Brett bei Scato hatte, war mir ja schon von Anfang an aufgefallen. In wieweit er aber gewisse Annehmlichkeiten genoss, die ihm sein Herr zubilligte, hatte ich noch nicht herausfinden können. Ich wollte aber auch nicht fragen. Das würde ich noch früh genug herausbekommen.
    Auf jeden Fall war es recht aufschlussreich, was er sagte, denn für mich war in erster Linie die Frage wichtig, wie ich hier wieder herauskam. Allerdings störte mich an Lupus´ Vortrag die Formulierung „wenn der Dominus etwas betagter ist“. Ehrlich gesagt, wollte ich solange nicht warten, bis Scato alt und grau war. Denn das bedeutete auch, dass ich alt und grau sein würde – wahrscheinlich kaum mehr in der Lage ,ein Schwert führen zu können, um Cedrec damit von seinem armseligen dreckigen Leben zu befreien.


    Nun, ob Lupus damit meinen Ehrgeiz geweckt hatte, würde sich noch herausstellen müssen. Schließlich hing es ja auch von Scato ab. Wenn der sich nämlich weiter wie ein eitler Idiot benahm, würde es mir sicher schwer fallen, mich zu fügen. Aber ich würde es versuchen, auch wenn ich jetzt schon wusste, dass ich in Zukunft mein Temperament im Zaun halten musste.
    „Na gut, ich werde versuchen mich seinem Willen zu beugen. Wenn ich damit eines Tage meine Freiheit wieder zurückerhalte, dann bin ich bereit, einiges dafür zu tun… unter gewissen Bedingungen.“ Ich ahnte bereits, dass mir mein Stolz schon bald im Weg stehen würde.

    Ich wollte nicht glauben, was ich da hörte! Sie beharrte weiter darauf, dass es doch etwas Gutes sei, einem Pferd oder Ochsen gleich, aus einer Zucht zu stammen. Offenbar hatte man es ihr so oft eingeredet, bis sie nun selbst daran glaubte. Wieder fehlten mir einfach die Worte. Ich konnte nicht verstehen, dass sie die Unfreiheit als etwas Selbstverständliches ansah.
    „Wenn du sagst, du stammst aus einer Zucht, dann bedeutet das doch, man hat deine Eltern gezwungen … sie haben nicht freiwillig… verstehst du?“ Anfangs hatte ich geglaubt, ich könne ihr auf diesem Wege veranschaulichen, wie abscheulich es war, gezüchtet zu werden, doch je mehr ich sagte, umso mehr wurde mir bewusst, wie sehr ich sie damit kränken konnte, mit dem was doch eigentlich ganz offensichtlich war - sie war kein Produkt der Liebe, sondern war entstanden, weil man zwei Sklaven genommen hatte und sie miteinander gemischt hatte.
    Augenscheinlich war sie aber damit zu Frieden. Natürlich! Sie hatte ja auch nie etwas anderes erlebt. Sie wusste nicht, wie Freiheit schmeckte. Sie hatte keine Ahnung davon, wie befriedigend es war, von dem zu leben, was man sich selbst geschaffen und erarbeitet hatte. Bisher hatte sie nur anderen gedient und war dabei nur mit Essensresten abgespeist worden.
    „Aber sieh doch, was sie dir und mir antun! Sie haben meine Familie auf dem Gewissen, meine Frau und meinen Sohn. Sie haben einen aus unserem Dorf mit ihren Verlockungen so verblendet, dass er seine eigenen Leute verriet. Und du sagst, ich solle sie nicht hassen?!“ Ich versuchte sie davon zu überzeugen und senkte dabei wieder meine Stimme, damit wir am Ende nicht noch ein paar ungebetene Zuhörer hatten, die uns womöglich bei einem der Flavier anschwärzten.


    Ein zaghaftes Lächeln konnte ich auf einmal in ihrem Gesicht erkennen, als sie wieder zu mir sprach. Ich sah zu ihr auf. Allein das war mir schon ein kleiner Trost, ihr Lächeln und der Blick in ihre schönen grünen Augen. Auch wenn sich mein Verdacht bestätigte, dass sie Albion nicht einmal ansatzweise kannte.
    „Naja, im Sommer ist es nicht so heiß, wie hier und es regnet auch öfter. Aber dafür sorgt der Regen für saftig grüne Wiesen, auf denen unser Vieh alles findet, was es braucht. Das Wasser der Bäche und Flüsse ist vom Moor braun gefärbt. Mit etwas Glück kann man darin fette Lachse fangen.“
    Meine Augen begannen zu leuchten, als ich ihr zu berichten begann. Ich würde alles geben wollen, um wieder dorthin zurückkehren zu können. Eines Tages…
    „Aber kalt? Nein. Die Winter sind meist mild. Natürlich fällt auf den Bergen Schnee, aber unten im Tal, hält er sich meistens nicht lange. In den Eichenwäldern gibt es genug Holz und auch der getrocknete Torf sorgt für eine warme Hütte im Winter.“ Vor meinem inneren Auge sah ich wieder unsere Hütte, erkannte Aislin, die gerade das Essen zubereitete und den Kleinen, der am Boden saß und spielte.

    Ich war mir bereits gewiss, schon wieder das Falsche gesagt zu haben oder noch schlimmer, irgendetwas, was mir im Moment gar nicht bewusst gewesen war, falschgemacht zu haben. Wie sonst hätte ich es mir erklären sollen, warum sie mir so lange eine Reaktion auf das Gesagte vorenthielt? Offenbar hatte ich noch viel zu lernen, im Umgang mit ihr und wahrscheinlich auch noch mit den meisten Sklaven, die hier lebten.


    „Keine Ursache!“, entgegnete ich ihr schließlich. „Als ich dich zum ersten Mal sah, da musste ich einfach an zu Hause denken. Vielleicht habe ich dich deshalb so angestarrt. Bitte verzeih mir, aber…“ , fügte ich fast schon entschuldigend an. Mir dünkte, sie hatte noch nicht allzu viel Erfahrung in zwischenmenschlichen Dingen. Vermutlich war sie es einfach nicht gewohnt, dass jemand freundlich zu ihr war. Als sie dann nach einer Weile auf meine Frage antwortete, schien sich meine Vermutung auf ziemlich abscheuliche Weise zu bestätigen. Spätestens als sie das Wort „Zucht“ verwandte, um mir damit ihre Herkunft zu erklären, setzte es bei mir aus. „Zucht?“ Ich war einen Augenblick sprachlos! „Du stammst aus einer Zucht?!“ Nein, ich wollte es nicht glauben, was ich da hörte. „Vulpes, du bist ein Mensch, kein Tier! Menschen stammen nicht aus einer …Zucht, selbst dann nicht, wenn sie als Sklaven geboren wurden. Das ist einfach…“ Kopfschüttelnd hatte ich mich in Rage geredet, konnte mich aber noch rechtzeitig bremsen, so dass sich nicht wieder der halbe Speisesaal nach mir umdrehte. „Aus diesem Grund hasse ich die Römer!“, fügte ich fast flüsternd hinzu, immer noch schockiert darüber, was sie mit uns machten. Schließlich brachte mich ihre Frage wieder zurück und ermöglichte es mir, meine Wut wenigstens für kurze Zeit herunterzuschlucken.
    „Ja, mich verbindest etwas mit Britannia,“ antwortete ich ihr lächelnd und dabei standen mir beinahe die Tränen in den Augen. „Ich komme von dort. Da war meine Heimat…“ Wieder starrte ich in die leere Schale. Doch diesmal geschah es nicht, um Vulpes nicht zu verunsichern. Eher aus einem Wunsch heraus, mich und meine Trauer vor ihr zu verstecken.