Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    Bestia kam gebürtig aus Belgica, doch hatte es ihn als romanisierten Peregrinus in den Dienst des Reichs gezogen, um - wie so viele andere - das Bürgerrecht zu erwerben. Daher hatte er im nächstgelegenen Castellum angeheuert und war als Soldat zu den Grenzkohorten versetzt worden. Im Laufe seiner Dienstzeit hatte er sich vor allem durch seine Kampfstärke zu einem wichtigen Soldaten der Grenzkohorte gebracht. Regelmäßig war er in den ersten Schlachtreihen eingesetzt worden, wenn es zu Zusammenstößen gekommen war. Der alte Fabricier und sein Kamerad hatten den Mann kurz vor dem Erwerb des Bürgerrechts während ihrer Erkundungsritte am Limes kennengelernt und sich gewissermaßen mit ihm angefreundet. Doch war ihm ein weiterer Aufstieg verwehrt geblieben, sodass er nach dem Erwerb des Bürgerrechts das Ende seiner Dienstzeit abgewartet und anschließend den Abschied eingereicht hatte. Seitdem verdingte er sich als Helfershelfer und Söldner in privaten Diensten seinen Lebensunterhalt, der aber eher dürftig ausfiel, wie der alte Fabricius schilderte.


    Curio hörte dem Vater seines Freundes konzentriert und interessiert zu, musste dann aber doch irgendwann nachfragen, da ihm der Name doch seltsam vorkam.


    Aber er heißt doch nicht wirklich Bestia, oder? Ich mein, wer will schon freiwillig so genannt werden?


    fragte er also und blickte in die Gesichter der beiden Alaveteranen. Es war wieder der Kamerad des Fabriciers, der ihm antwortete.


    Doch, doch. Er heißt Bestia: Galeo Vedius Bestia.


    Curio runzelte die Stirn. Das klang ja sehr vertrauenswürdig. Ein Mann, der sich bei seiner Einbürgerung freiwillig als Bestie bezeichnet? Und eine solche Bestie sollte dann auch noch auf seine Familie aufpassen? Allerdings stellte nun der Fabricius noch etwas klar.


    Eigentlich heißt er Roderiq. Bestia war lediglich ein Spitzname, der ihm in seiner Kohorte gegeben wurde. Warum er ihn allerdings auch als Cognomen gewählt hat, kann ich dir nicht sagen.


    führte der Alte aus und trank einen weiteren Schluck Wein.


    Jedenfalls ist er schwer in Ordnung und seinen Arbeitgebern gegenüber absolut loyal. Da kommt bei ihm der Ethos des römischen Soldaten durch.


    Curio nahm nun seinerseits seinen Becher und trank einen großen Schluck. Er kannte den Loyalitätsethos der Soldaten sehr gut, wahrscheinlich war er selbst so sehr davon geprägt, dass er selbst kleinste Indiskretionen schon als Vertrauensbrüche wertete. Zudem hatte ihm dieser während der ganzen Geheimnistuerei um seine Beziehung zu seiner heutigen Frau extrem zu schaffen gemacht. Nachdenklich blickte er in seinen Becher und drehte ihn leicht, sodass der Wein in ihm einen kleinen Strudel bildete.


    Wo kann ich diesen Roderiq denn finden?


    fragte er irgendwann nach einer kurzen Pause und blickte zwischen den beiden Männern hin und her.


    Ich werde mich für dich umhören, Curio, und dir dann eine Nachricht zukommen lassen. Wir können ihn dann aufsuchen, allerdings nur zu zweit, da er auf Fremde manchmal nicht gut zu sprechen ist.


    versprach der alte Fabricius und lachte dann laut auf, als er die Pointe eines Witzes mitbekam, der soeben zu seiner linken erzählt worden war. Schnell wechselte er das Thema und sorgte dafür, dass der Witz erneut, dieses mal aber lauter, wiederholt wurde.

    Als mittlerweile arrivierter Decurio der Stadt war Curio noch enger in den Kreis der Fabricierfreunde hineingewachsen, die regelmäßig im Triclinium des fabricischen Hauses zusammenkamen und über aktuelle Fragen diskutierten. Natürlich wurden hier auch Bündnisse geschmiedet, insbesondere für Wahlkämpfe, Informationen weitergegeben, Neuigkeiten ausgetauscht und grade von den älteren Teilnehmern in den guten alten Zeiten geschwelgt. Für Curio war diese Runde ein wichtiger Einflussfaktor, denn hier hatte er schon bei seinen ersten lokalpolitischen Schritte wichtige Kontakte knüpfen können, unter anderem zu dem ehemaligen Duumvir Acutius Diadematus, der mit zu den engsten Verbündeten des Helvetiers im Ordo decurionum abseits des duccischen Blocks gehörte. Nichtsdestotrotz hatte Curio dafür gesorgt, dass auch dessen Verhältnis zu den Ducciern besser geworden war. Hinzu kam, dass der alte Fabricier Curio sozusagen als Protegeé betrachtete und nahezu bei allen politischen und persönlichen Vorhaben des Helvetiers in irgendeiner Art und Weise beteiligt war. Das alles hatte Curio zweifelsohne seiner engen Freundschaft mit dem jüngeren Sohn des Fabriciers zu verdanken.


    Der heutige Abend plätscherte so ein bisschen vor sich hin. Am längsten wurde über die Folgen des frühen Wintereinbruchs diskutiert, aber auch die längst bekannten Unruhen jenseits des Limes waren ein Thema. Ein alter ehemaliger Centurio sprach sich ungehemmt für eine großangelegte Militäroperation aus, während der "allen widerspenstigen Germanen der Garaus gemacht" werden solle. Der alte Fabricier hielt, unterstützt durch den Acutier dagegen, dass das kaum zielführend sei, da eine komplette Niederschlagung auf germanischem Gebiet nahezu unmöglich sei, wie schon das allseits bekannte Beispiel des Quinctilius Varus gezeigt habe. Theatralisch zitierte er dabei den legendären Ausruf des Divus Augustus, der seine Legionen zurückgefordert hatte. Beim Thema Wintereinbruch wiederum war die Meinung recht einhellig: Der Handel und die Kommunikation in den Süden würden darunter leiden und die Provinz müsse dafür sorgen, dass sie sich in solchen Situation möglichst unabhängig halten sollten.


    Irgendwann kam dann auch wieder die Sprache auf Curios Hochzeit. Die Anwesenden gratulierten noch einmal, lobten die Zeremonieren - auch wenn da und dort missmutige Stimmen über die Übernahme germanischer Traditionen laut wurden - und fragten, ob denn schon "etwas auf dem Weg sei". Curio verneinte höflich, auch wenn er mittlerweile wusste, dass Silvana bereits schwanger war, es also bereits in den ersten Nächten geklappt haben musste. Doch hatten sie sich darauf geeinigt, es noch ein bisschen für sich zu behalten, bis die kritische Zeit vorbei wäre. Und natürllich kam der alte Fabricius auch auf die Karrierepläne Curios zu sprechen.


    Also, Curio, wie sieht es aus? Dürfen wir bei den kommenden Wahlen bereits mit einer neuen Kandidatur rechnen?


    Die Direktheit des Fabriciers haute Curio jedes Mal wieder um und so musste er erstmal einen großen Schluck Wein trinken, bevor er antwortetet.


    Ich bin noch zu jung, Tullus Maior. Bei den darauffolgenden vielleicht. Allerdings muss ich mich bis dahin auch schon nach Spezialisten umsehen. Als Aedil brauche ich ja vor allem einen schlagkräftigen Kämpfer als Custos und einen erfahrenen Ermittler für Sicherheitsfragen.


    Zwar gehörten die polizeilichen Aufgaben nicht direkt in seinen Bereich, aber dennoch waren die Aedilen auch mit Sicherheitsfragen betraut. Zudem könnte ein Ermittler den Kontakt zur Legion halten, wie auch selber bei Bedarf kleinere Ermittlungen durchführen. Der Custos wiederum wäre wohl vor allem dafür zuständig, zwei bis drei Leute anzuführen, die die Autorität der Aedilen unterstreichen und gleicheitig für deren persönliche Sicherheit sorgen sollten. Letzteres wiederum war ihm umso wichtiger, als dass er für Silvanas Schwangerschaft einen zuverlässigen Beschützer haben wollte, der gleichzeitig auch ein Auge auf Alpina und ihre Tochter haben sollte. Curio merkte nämlich schon jetzt, dass ein Lokalpolitiker nicht nur Freunde hatte.


    Ich wollte mich sowieso noch nach einem Custos umschauen, der unserem Ianitor als Beschützer des Hauses zu Hand gehen kann. Ich hatte an einen ehemaligen Soldaten gedacht, dem ich auch gerne Kost und Logis bei uns einräumen würde.


    Den Kauf eines Sklaven ließ sein momentanes Budget schlicht nicht zu, denn wenn, wollte er einen versierten Kämpfer haben, und die waren schlicht zu teuer, da sie ja auch in den Gladiatorenschulen heißbegehrt waren.


    Der Fabricier blickte einen Augenblick in seinen Weinbecher und fing dann unvermittel an, breit zu grinsen. Ein Schluck folgte, mit dem er seinen Becher komplett leerte, und gleich ließ er sich von einer Sklavin, die im Hintergrund stand, nachschenken.


    Sag mal, Praeconinus, kannst du dich noch an Bestia erinnern? Vielleicht kennst du ihn auch noch als Roderiq.


    Mit einer Hand griff er zu der Essensplatte in der Mitte und ließ dann ein halbes gekochtes Ei in seinem Mund verschwinden. Der Angesprochene, einer seiner ehemaligen Kameraden von der Ala, fing ebenfalls an zu grinsen und nickte dann nachdrücklich.


    Natürlich, natürlich. Bestia!


    antwortete er. Sein Nicken ging in ein nostalgisches Kopfschütteln über und da er schwieg, setzte der alte Fabricius an.

    Da der Vorschlag zum Stiftungstag des Apollotempels nur mäßig aufgenommen wurde, erhob sich Curio erneut von seinem Platz.


    Alternativ könnte ich mich auch vorstellen, dass wir die Saturnalien am Ende des Jahres wieder einmal größer feiern. Da würde ich dann aber tatsächlich für die Basilica Germanica als geschlossenem Veranstaltungsort plädieren.


    machte er einen zweiten Vorschlag. Curio meinte, sich an einige Erzählungen seiner Bekannten zu erinnern, die von größeren Feste während der Saturnalien handelten. Vielleicht konnte man diese Tradition ja mal wieder zum Leben erwecken und damit gleichzeitig die Neuankömmlinge willkommen heißen.

    Mit einem freundlichen Lächeln nickte Curio dem Iunier zu.


    Sehr gerne, Praefectus. Der Tempel steht dir zu den üblichen Zeiten stets offen. Und selbst wenn ich grade nicht da sein sollte, gibt es dort reichlich kompetente Tempeldiener, die dir auch gerne bei einem Opfer an Apollo zur Hand gehen.


    Aus Curio sprach das Selbstbewusstsein eines Mannes, der mittlerweile mit großen Teilen der Tempelverwaltung betraut und auch einige der aktuellen Discipuli unterrichtete. Bei den Tempelsklaven achtete er derweil auf die Disziplin, wobei er diese - wie es nun mal seine Art war - auschließlich durch Worte einzuhalten mahnte. Mittlerweile wussten die Tempelsklaven, dass sie im Apollo-Tempel eine gute Stellung hatten und sie jederzeit verkauft werden könnten, wenn sie sich nicht ihrer Aufgabe gemäß verhielten. Daher hatten Curio und seine Kollegen auch genug Druckmittel, sodass sie nicht zur Rute greifen mussten.


    Curio nahm ansonsten mit positiver Überraschung zu Kenntnis, dass es dem Iunier offenbar gleich war, dass er es hier nicht mit einem Ritter, ja, nicht mal mit einem Inhaber des entsprechenden Ordos zu tun hatte. Nach der Hochzeit hätte er das eigentlich erwartet, denn dass Silvana die Tochter eines Ritters war, war ja recht einfach herauszufinden, schließlich war sie ja auch eine Duccia und damit die Tochter aus der einflussreichsten Familie der Stadt. Damit stellte sich aber auch schon die Frage nach seinem Patron auch hier zeigte sich dem jungen Helvetier, dass er nunmal in gewisser Weise eine Sonderrolle einnahm.


    Vielen Dank für die Glückwünsche. Es war aber sozusagen nur der erste Schritt meiner Zukunftplanungen. Ich will in den kommenden Jahren weiterhin für lokalpolitische Ämter kandidieren und strebe insbesondere einen Sitz im lokalen Collegium Pontificium an. Inwieweit danach ein weiterer Aufstieg möglich ist, wird sich zeigen.


    Es war wohl das Paradoxon seines Lebens seit der Hochzeit: Er konnte sich nicht ins Familienleben zurückziehen, denn würde er es tun, würde gleichzeitig die Vorbedingung für diese Familie missachtet, sodass die Familie innerhalb kürzester Zeit in ihre Einzelteile zerlegt werden würde. Das war leider so, doch hatte er sich das selbst so ausgesucht, hatte der Vorbedingung zugestimmt und nahm sie nun auch ernst. Schließlich wollte er ja selbst weiter aufsteigen, schon allein um den Namen seiner Familie wieder nach vorne zu bringen. Allerdings stand nun ja auch noch eine Antwort aus, die dieses Paradoxon wohl nur weiter herausstellen würde.


    Mein Patron ist Pontifex Duccius Verus... ähm... der Vater meiner Frau und Vetter von Procurator Duccius Marsus, dem duccischen Familienoberhaupt, und dem Legaten Duccius Vala.


    stellte er daher recht neutral fest. Ja, er gehörte auch zum duccischen Gefolge und hatte darüber hinaus sogar das Privileg erhalten, eine Duccia zu heiraten. Er konnte sich glücklich schätzen.


    Gehe ich denn recht in der Annahme, dass du auch irgendwie mit den Ducciern und insbesondere mit dem Statthalter verbunden bist?


    Zumindes für Curio lag das auf der Hand, wie er es für sich in einem früheren Gedankengang bereits ausgebreitet hatte.

    Curio grinste über den nächsten Scherz des Iuniers. Er wirkte auf den Helvetier recht locker für jemanden, der die ritterliche Karriereleiter schon relativ weit hochgeklettert war. Ein eigenes Kommando, wenn auch nur über eine Auxiliareinheit, brachte ja in jedem Fall ein gewisses Prestige mit sich. Zumindest wusste er das von seinem Vater, dem alten Primus Pilus.


    Für ein Opfer an die Götter ist es nie zu spät, Praefectus. Je nachdem, ob du dich einem Gott oder einer Göttin besonders verbunden fühlst oder einfach dem Stadtpatron opfern möchtest, kann ich dir gerne einen oder mehrere Ansprechpartner nennen - und bei Bedarf natürlich auch die Wege zu den Tempeln zusammenfassen.


    Der junge Helvetier hatte sich mittlerweile nicht nur als Aedituus, sondern auch während seiner Amtszeit eine gewisse Position innerhalb der lokalen Kulte erarbeitet. Er konnte also gerne Hilfe, Kontakte zustande bringen und den Iunius, je nach persönlicher Präferenz, an die Tempel weiterleiten. Das gehörte ja auch zu seiner Anstellung.


    Ansonsten danke auch ich dir für deine guten Wünsche und richte sie natürlich auch meiner Frau aus. Ansonsten kannst du dich in Bezug auf wirtschaftliche Anliegen sicher bei den Ducciern melden. Für einen guten Quirite können bäuerliche Ambitionen ja immer nützlich sein.


    machte nun Curio auch einen Scherz. Schließlich gründete sich das Römische Reich nicht zuletzt aus dem ursprünglich bäuerlichen Elite, auch wenn die heutigen Patrizier mittlerweile eher für sich arbeiten ließen, als sich selbst die Hände schmutzig zu machen. Curio hatte ja auch gewisse landwirtschaftliche Erfahrungen, auch wenn er sich dabei eher unglücklich angestellt hatte. Inwieweit der Iunier auf solche zurückgreifen konnte, wusste Curio freilich nicht. Allerdings zweifelte Curio daran, dass ihm grade während der allseits bekannten Unruhen jenseits des Limes neben seinem Kommando viel Zeit für Garten- und Landarbeit bleiben würde.


    Dann allerdings war Curio doch etwas verwirrt. Offenbar hatte dem Iunier niemand mitgeteilt, was der Helvetier eigentlich beruflich machte. Vielleicht war es ja dieser Unwissenheit geschuldet, dass der ritterliche Praefect so locker und nahbar wirkte. Als Ehemann der Tochter eines Ritters war es ja normalerweise logisch, dass auch Curio mindestens den Ritterrang innehatte. Dass dem nicht so war, war vielleicht eine eher negative Überraschung für den Iunier... Nun ja, Curio würde es ja gleich in Erfahrung bringen.


    Nun, ich arbeite als Aedituus im Tempel des Apollo Grannus Mogon und bin seit kurzer Zeit Mitglied des Ordo decurionum hier in Mogontiacum.


    fasste er seine Tatigkeit kurz zusammen. Dann blickte er den Iunier gesspannt an. Wie er wohl reagieren würde?

    Curio setzte grade an, etwas zu erwidern, da stürzte Silvana auch schon aus dem Zimmer. Vollkommen perplex starrte Curio durch die offene Tür in den Korridor und von jetzt auf gleich war jeglicher Ausbruch Makulatur. Denn das Ziel, das zu allem Überfluss wahrscheinlich gar nichts dafür konnte, dass es zum Ziel geworden war, ja, das überhaupt nur zum Ziel geworden war, weil das eigentliche Ziel seiner Wut irgendwo im Wald saß und - wenn es nach Curio ging - am besten dort bleiben oder verschwinden könnte, hatte fluchtartig den Raum verlassen. Immer noch den Blick starr in den Korridor gerichtet wurde ihm die Situation bewusst, die er hier erst hervorgerufen hatte. Hatte er ihr nicht geschworen, sie niemals zu verletzen? Na, da hatte er aber grade - mal wieder - grandios versagt.


    Verdammt...


    murmelte er. Die unausgesprochene Drohung verstand er nämlich jetzt erst in ihrer Gänze, sodass er wieder zweimal durchatmen musste. Es konnte doch echt nicht wahr sein, dass dieser verdammte Druide etwas geschafft hatte, was niemand, absolut niemand bislang geschafft hatte, nämlich Curio und seine Frau an den Rand eines Zerwürfnisses zu treiben... Von wegen von diesem Kerl ging keine Gefahr aus! Sie mochte vielleicht nicht physisch sein, aber wenn er es tatsächlich schaffte, einen Keil zwischen sie zu treiben, ging noch eine ganz andere Gefahr von ihm aus, die sich der junge Helvetier nicht mal vorstellen wollte.


    Ruckartig stieß er sich nun vom Beistelltisch ab, schnappte sich dabei aber noch die Taubenfeder der Venus, die neben seiner Holzkiste lag. Er musste ihr nach, ihr zumindest erklären, warum er so wütend war und dass er sie nur zur Zielscheibe gemacht hatte. Und so tat er es auch, verließ das Zimmer, merkte aber schnell, dass er keine Ahnung hatte, wo sie hingegangen war. So musste er wohl jedes Zimmer nach ihr absuchen, angefangen bei dem freien Cubiculum zur rechten und dem Officium gegenüber...

    Einige Zeit blieb Curio, seiner Frau den Rücken zugewandt, stehen und blickte dabei auf sein Kästchen und das Stoffbündel des Druiden. Nach einigen Momenten drehte er sich dann doch um und musterte seine Frau mit gerunzelter Stirn. Wollte er glauben, dass seine Frau bei den Ereignissen des heutigen Abends die Finger im Spiel hatte? Nein, auf keinen Fall. Aber es passte irgendwie alles zusammen.


    Wer hat mich denn vor ein paar Stunden noch quasi bekniet, dass wir den Druiden treffen? Und wer hat dann dafür gesorgt, dass wir mitten in der Nacht das Haus verlassen? Und wer hat uns erstaunlich zielstrebig zu dem Druiden geführt, an einen Ort, wo weit und breit kein mir bekannter heiliger Hain war? Und wer tat denn so, als wäre der Druide ein alter Bekannter?


    Curio setzte ab und blickte zu Boden. Nein, er wollte es wirklich nicht glauben, denn es würde allem widersprechen, was sie sich versprochen hatten, und er kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, dass sie ein Heißsporn war und ihren eigenen Kopf hatte. Aber sowas? Nein, das passte nicht. Und dennoch war es genauso passiert und es hatte zu einer Situation geführt, die in naher Zukunft noch zu massiven Problemen führen könnte.


    Langsam erhob er wieder seinen Blick, griff hinter sich an den Beistelltisch und schaute Silvana fest in die Augen.


    Ich möchte nun zwei klare Antworten haben. Erstens: Hattest du irgendwas mit dem zu tun, was vorhin im Wald passiert ist? Und zweitens: Wie kannst du mir diese ganze Ansammlungen von Zufällen sonst erklären?


    Die Antworten des Druiden waren schon mehr als dürftig gewesen. Offenbar verstand dieser Kerl nicht, dass die Zeiten, in denen die Druiden noch unumschränkte Macht hatten und keine Fragen beantworten mussten, die ihnen nicht gefielen, seit den Gallischen Kriegen und dem überdeutlichen Sieg des Divus Iulius vorbei waren. Wenn der Kerl jemanden zum Narren halten wollte, sollte er sich doch irgendwo einen treudoofen Adlatus rekrutieren. Curio jedenfalls würde sich nicht zum Narren halten und durch rabulistisch-nebulöse Rhetorik beeindrucken lassen. Und seine Frau würde er solch einem Kerl ebenfalls nicht anvertrauen und wenn sich die beiden auf den Kopf stellen würden! In dem jungen Helvetier brodelte es furchtbar und es war nur eine Frage der Zeit, bis es aus ihm herausbrechen würde. Die Intensität des folgenden Ausbruchs würde derweil ganz stark davon abhängen, wie Silvanas Antworten ausfallen würden.

    Erneut lachte Curio, als der Iunier von seinem ersten richtigen Schnee erzählte. Hier wuchsen die Kinder ja mit Schnee auf, aber die Menschen im Süden waren natürlich nicht daran gewöhnt.


    Dann wollen wir hoffen, dass du dich schnell daran gewöhnen kannst, Praefectus. Solltest du aber lang genug hier leben, wirst du den Schnee auch nur noch als unangenehm-schöne Nebensache wahrnehmen, der vielleicht etwas behindert, aber nichts unmöglich macht. Ähnlich wie zum Beispiel... ein Tiberhochwasser in Rom.


    Von Verwandten hatte er gehört, dass der Tiber auch gerne mal über die Ufer ging. Auch das war letztlich nichts anderes, auch wenn der Schnee natürlich potentiell problematischer war. Hier oben im Norden waren die militärischen Einheiten aber ja, soweit er wusste, auch grade auf solche Wetterlagen vorbereitet, weshalb die langjährigen Offiziere der Ala schon wussten, was sie zu tun hatten, und dieses Wissen sicherlich auch an ihren Kommandanten weitgeben würden.


    Ja, dass es mit so einem Tross schwierig ist, kann ich mir vorstellen. Vor allem mit so vielen Leuten. Ehrlich gesagt habe ich komplett den Überblick verloren, wie viele Meschen mit dem Legaten hierher gezogen sind. Ein paar haben bereits Opfer an unseren Stadtgott Apollo Mogon dargebracht. Dabei habe ich ein paar kennenlernen dürfen. Aber das waren ja längst nicht alle.


    Man merkte es der Stadt schon an, dass da vor ein paar Wochen gefühlt zwei bis drei Centurien dazugekommen waren. Schon auf dem kurzen Weg zwischen seinem Haus und dem Tempel sah Curio immer wieder kleine Gruppen, die sich nach Unterkünften umsahen. Der Iunier und seine Frau schienen ihre Wahl derweil schon gefunden zu haben.


    Also erstmal natürlich herzlichen Glückwunsch zum Erwerb des Gutes. Im Moment ist die Nachfrage ja ziemlich groß und wie viel Arbeit mit der Einrichtung eines Hauses einhergeht, weiß ich nur zu gut.


    Die Casa Helvetia stand ja auch noch nicht so lange und grade die Suche nach vertrauenswürdigen, aber nicht übermäßig teuren Lieferanten - wobei Silvana, Alpina und Neman ja meist noch selbst auf den Markt gingen, dort aber schon Stammverkäufer hatten - konnte aufgrund des großen Angebots recht anstrengend sein.


    Lebensmittellieferanten... hmm...


    dachte Curio nach, wobei ihm natürlich gleich eine Möglichkeit in den Sinn kam.


    Empfehlenswert sind sicherlich die Händler der Freya Mercurioque. Es handelt sich dabei um eine Händlervereinigung unter Leitung der Duccier und dort gibt es eigentlich so ziemlich alles. Sie verkaufen Fleisch, Honig, Brot und Gebäck, aber auch Obst, Getreide und Bier. Hinzukommen zahlreiche Gebrauchsgegenstände. Eigentlich fehlt nur noch ein Weingut, aber da gibt es auch sehr gute in der direkten Umgebung, zum Beispiel etwa eine Meile südlich deines Castellums.


    plauderte Curio gleich drauf los. Man merkte, dass er sich erst vor kurzem mit dem Angebot beschäftigt hatte und natürlich auch in gewisser Weise Werbung für die duccischen Produkte machte. An denen kam man hier in Mogontiacum aber ohnehin nicht vorbei, sowohl quantitativ als auch qualitativ.

    Curio hörte dem Iunier interessiert zu. Beide, sowohl er als auch seine Frau - eine Decima, wenn er sich recht erinnerte-, kamen also eigentlich aus Tarraco und waren selber erst später nach Rom gegangen. Hatte er nicht sogar erst vor einiger Zeit auch einen anderen Sohn Tarracos hier in den Thermen getroffen? Er war sich nicht sicher. Als der Iunier dann aber die Kälte erwähnte, lachte Curio ebenfalls.


    Nun, ich kann dich vielleicht ein bisschen beruhigen, dass längst nicht jeder Winter so kalt ist, wie dieser sich grade ankündigt und wie man sich das wahrscheinlich im Süden erzählt. Im Vergleich ist es hier natürlich kühler. Aber wie gesagt, es ist auch für die Einheimischen ein außergewöhnlich früher und starker Wintereinbruch.


    Oh ja, und wie sie das waren. normalerweise kam der Schnee irgendwann zwischem December und dem Februarius. Da freuten sich die Einwohner auch drauf und waren entsprechend drauf vorbereitet. Dieses Jahr aber war es früh, kalt und stark. Alles auf einmal.


    Ich stamme übrigens tatsächlich von hier. Also nicht genau von hier. Eigentlich stamme ich von einem Weingut westlich von Noviomagus. Wahrscheinlich seid ihr ja dort mit dem Treck des Legaten vorbeigezogen?


    Eigentlich hatte Curio ja keine Ahnung von dem Treck. Was hätte er auch schn fragen sollen, als plötzlich der neue Statthalter mit einer Handvoll Begleiter plötzlich bei seiner Hochzeit aufgetaucht war. Soweit er es richtig mitbekommen hatte, waren sie tatsächlich erst an diesem Tag angekommen.

    Einige Tage nach den Geschehnissen rund um den Blutmond und die Begegnung mit dem Druiden Myrddin Ariamir stand wieder die Salutatio bei seinem Patron an. Seit der Hochzeit hatten die Salutationes aufgrund der Ankunft des neuen Statthalters immer mal wieder ausfallen müssen, was aber auch insoweit unproblematisch war, da es nur wenige wichtige Angelegenheiten zu besprechen gab. Die erste Salutatio hatte daher nur den Dekretentwurf umfasst, den Curio jüngst dem Ordo Decurionum vorgelegt hatte und nun die zweite Salutatio, bei der das Thema aber etwas weniger erfreulich war. Zumindest für Curio, der seinem Patron irgendwie beibringen musste, dass er einen Druiden zu sich nach Hause eingeladen hatte.

    Curio musste nochmal tief durchatmen, bevor sich sein Herzschlag wieder normalisierte und er sich nun ebenfalls in gebührendem Abstand zu dem iunischen Alapräfekten wieder mit den Ellenbögen auf den Beckenrand stützte. Weiter in Plauderei begriffen fuhr der Iunier dann mit einer sicherlich scherzhaft gemeinten Bemerkung zu Curios Ehe fort, mit der er aber - das konnte er natürlich nicht ahnen - wieder den Finger in eine Wunde legte, die grade erst einigermaßen verheilt war. Mit Blick darauf, dass der duccische Statthalter, der ja ganz offensichtlich nicht angetan war von der Hochzeit, sich quasi die gesamte Kommando- und Verwaltungsstruktur der Provinz mit herausgebracht hatte und alle diese Leute ja auch irgendwie - und sei es nur durch eine mittelmäßig ausgeprägte Freundschaft, denn freiwillig kamen nur wenige Menschen, die eigentlich beste Möglichkeiten hatten, auch in der Hauptstadt Karriere zu machen, freiwillig hierher in die Provinz im hohen Norden - mit dem Statthalter verbandelt sein mussten. So nett der Einwurf daher möglicherweise gemeint war, versetzte er Curio doch in die Zwickmühle, dass es unter Umständen falsche Antworten auf diese Frage geben könnte, die dann brühwarm an den Statthalter weitergereicht werden würden, der wiederum daraus etwas zusammenstricken konnte... Jedenfalls verzögerte diese Gedankengang Curios Antwort ein wenig.


    Nein, nein, ganz im Gegenteil. Ich habe wirklich viel Glück mit meiner Frau. Als guter Römer sollte man aber die Thermen ja auch regelmäßig aufsuchen, vor allem, wenn man in der Öffentlichkeit stehen will, nicht wahr?


    Wahrscheinlich wirkte er dabei ein bisschen aufgesetzt, allerdings war es ja nichts weiter als eine gesellschaftliche Konvention, mehrmals die Woche in die Thermen zu gehen, nicht nur um sich sauber zu halten, sondern auch um Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Wer wusste schon, wie viele Allianzen letztlich auf einen gemeinsamen Thermenbesuch zurückgingen.


    Aber sag, Praefectus, haben du und deine Frau euch schon ein wenig hier oben einleben können? Leider habt ihr ja einen denkbar kalten ersten Winter erwischt.


    Für diejenigen, die hier oben aufgewachsen waren, war Kälte ja längst kein Faktor mehr. Curio selbst war ja hier geboren und hatte genug kalte, schneereiche Winter erlebt. Der diesjährige Winter aber nahm dabei schon einen einsamen Spitzenplatz ein, da er nicht nur so früh eingesetzt hatte, sondern auch sehr früh überdurchschnittlich schneereich war.

    Einige Stunden später.


    Den Weg aus dem Wald in die Casa Helveita hatten sie schweigend zurückgelegt. Immer wieder hatten dabei die gleichen Gedanken in Curios Kopf herumgegeistert, nämlich inwieweit er das, was im Wald geschehen war mit seiner Frau in Verbindung bringen musste und vor allem ob und wenn ja inwieweit sie daran beteiligt war, Curio soweit zu bringen, dass er den nebulösen Druiden in die Casa Helvetia einlud. Nachdem sie nun wieder im Haus waren, ging er direkten Schrittes in ihr gemeinsames Schlafzimmer und zog dabei seine Frau mit, die glücklicherweise bis jetzt keinerlei Anstalten gemacht hatte, irgendwas dagegen zu unternehmen. Im Schlafzimmer angekommen, zog er sich nicht aus, sondern ging erstmal zu seinem kleinen Holzkästchen, dass auf einem Beistelltisch in einer Ecke stand. Langsam nahm er das Stoffbündel, das ihm der Druide überreicht hatte, aus seiner Mantelinnentasche und legte es neben die Kiste. Ohne seine Frau nochmal angeschaut zu haben schloss er die Augen, atmete dreimal tief durch und sprach mit ungehaltener Stimme.


    Ich will eine Erklärung.


    Je nachdem, ob sie käme und wie sie ausfallen würde, gäbe es einiges in den nächsten Tagen zu tun. Jedenfalls konnte er nur hoffen, dass der Winterm, und damit der erste Schneefall, noch auf sich warten ließe, damit er genug Zeit hatte, schon im Vorhinein die unangenehmsten Konsequenzen der Einladung in Vorgesprächen abzufedern.

    Curio hatte das Gefühl, die Ruhe auf der einen und die gesprächige Geschäftigkeit auf der anderen Seite durch sein Husten schon mehr als genug gestört zu habe, sodass er eigentlich das Becken verlassen wollte. In diesem Moment entdeckte er allerdings ein bekanntes Gesicht, das da auf ihn zuschwamm und ihn etwas holprig begrüßte. Der junge Helvetier brauchte einen Augenblick, um das Gesicht einem Namen zuzuordnen, was aber sehr schnell gelang: Der neue Praefectus Alae Iunius. Der Mann war mit seiner Frau auf Curios Hochzeit gewesen und war sogar noch für den Umtrunk in die Casa Helvetia mitgekommen. Bis auf die Glückwünsche hatte er allerdings keine Worte mit ihm wechseln können. Die Holprigkeit bei der Begrüßung versuchte der Reiterpräfekt gleich mit einem freundlich gemeinten Scherz zu übergehen.


    Salve, Praefectus Iunius. Ja, ganz bestimmt. Andernfalls wäre es auch ein recht absurdes Ende, das sicherlich bald die Runde in der Stadt machen würde.


    Mogontiacum war zwar Provinzhauptstadt aber nicht sonderlich groß. Er hatte bereits zu Genüge lernen müssen, dass hier Famas Geflüster nur noch schneller herumging, als es dies ohnehin schon tat. Ob es auf der anderen Seite bereits einen entsprechenden Fall gegeben hatte, wusste Curio derweil nicht. Sicherlich hatte es schon mal irgendein amüsiersüchtiger aber altersschwacher Decurio geschafft, in den Thermen das Zeitliche zu segnen. Mit einem Schmunzeln stellte sich Curio vor, wie der Decurio dann womöglich stundenlang bäuchlings auf dem Wasser getrieben war, da sich kein Sklave getraut hatte, ihn zu wecken. Davon war er ja zum Glück verschont geblieben.


    Jedenfalls könnte mir dann niemand vorwerfen, ich hätte den Namen Helvetius nicht bekannt gemacht.


    half er dem Iunier danach auch mit dem Namen auf die Sprünge. Na ja, hilfreich wäre das zwar nicht, aber was taten manche Leute nicht alles, um sich im Gespräch zu halten.

    Sim-Off:

    Gerne.


    Ebenfalls die Augen geschlossen ließ sich Curio von dem warmen Wasser, das ja praktischerweise immer auf einem ähnlichen Temperaturlevel gehalten wurde, treiben. Bislang wollte noch niemand seine Gesellschaft, was normalerweise recht häufig vorkam, auch wenn er lediglich ein recht dienstjunger Decurio war. Als solcher zählte er aber, woran er sich immer noch gewöhnen musste, zur lokalen Elite, von der irgendwie jeder irgendetwas wollte. So konnte er einfach mal abschalten, die Wärme genießen und das bitterkalte Wetter einfach mal draußen lassen konnte. So vergingen einige Minuten, ja eine gute Viertelstunde, bis er plötzlich aus dem Becken nebenan einen lauten Seufzer hörte. So schreckte er kurz auf, kam dabei mit der Nase unter Wasser und verschluckte sich dabei dermaßen, dass sein Husten quer durch den großen Raum hallte. Einen herbeigeeilten Sklaven ließ er mit einer schnellen Handbewegung wieder umkehren, denn er wollte keine Umstände machen, sondern musste nur ein paar Mal kräftig Husten, bis seine Luftröhre wieder frei war. Allerdings dürfte er damit aber wohl die gesamte Umgebung auf sich aufmerksam gemacht haben, womit dann auch die angenehme Ruhe bald ein Ende haben dürfte.

    Nachdem er sich im Tepidarium erstmal lange wusch, ging er weiter ins Caldarium, wo er sich ein freies Becken in einer Niesche an der rechten Längsseite schnappte. Langsam stieg er in das Becken, stützte sich dabei mit den Ellenbogen auf den Beckenrand ab und ließ dann seinen Körper bis zum Hals in das angenehm aufgewärmte Wasser gleiten. Wahrscheinlich würde er sich gleich auch nochmal eine lockernde Massage gönnen - dafür hatte er seit Anfang des Monats Woche für Woche etwas Geld zur Seite gelegt - doch im Moment war es erstmal das warme Wasser, das er genießen wollte. Den ganzen Tag über hatte er über den Haushaltsbüchern des Tempels gesessen, da hatte er sich den Thermenbesuch redlich verdient.


    Sim-Off:

    Mitspieler sind gern gesehen. :)

    Kaum hatte sich Curio zu Silvana ins Bett gelegt, kuschelte sie sich auch schon an ihn. Der junge Helvetier atmete einmal tief durch, denn es waren grade diese Moment, die er ganz besonders genoss. Selbstverständlich waren sie aber noch nicht geworden, trotzdem sie mittlerweile nun schon gut zwei Monate verheiratet waren. Sanft legte er seinen Arm um sie und streichelte über den Stoff, der ihren Rücken bedeckte. Die Frage, die sie dann stellte, brachte Curio wieder zum Nachdenken. Konnte er sich sich vorstellen? War ihm bewusst, was damit af sie beide zukam?


    Nein... irgendwie noch nicht.


    antwortete er ebenso flüsternd. Es wirkte noch irreal, zumal einerseits ja auch noch nichts zu sehen war und er sich - obwohl er sich Kinder wünschte - noch nicht wirklich als Vater sah. Grade erst Onkel geworden hatte er gehofft, dass er mit der kleinen Ursicina quasi ein bisschen üben könnte und jetzt hatte er eine schwandere Frau, die nochmal besonders viel Zuwendung bedurfte. Und auch ihre nächste Frage ließ es in ihm arbeiten, auch wenn ihm nach wenigen Augenblicken klar wurde, dass es hier eine richtige und eine falsche Antwort gab.


    Natürlich schaffen wir das, mein Herz. Schau, wir haben schon so viel zusammen geschafft, sind also gut in Übung damit.


    sagte er nach einer kurzen Pause. Natürlich gab es auch in ihm Zweifel, ob sie nicht soch zu jung waren. Allerdings lagen sie ja gesellschaftlich im guten Durchschnitt, auch wenn grade die Männer normalerweise etwas älter waren. Zudem fielen ihm Silvanas Sorgen zur Geburt ein, die sie nach Alpinas Geburt mit sich herumtrug und die Curio nur unzureichend hatte zerstreuen können. So gab er ihr einen Kuss auf den Kopf.


    Wir dürfen nur keine Angst haben. Denn auch wenn wir Hilfe brauchen, haben wir immer noch Alpina, deine Mutter und meine Mutter - wahrscheinlich sogar in dieser Reihenfolge.


    Curio lachte leise, denn seine Mutter würde wohl nur im äußersten Fall nach Mogontiacum reisen, zumal er immer noch nicht einzuschätzen wusste, wie Silvana und sie jetzt eigentlich zueinander standen. In jedem Fall wäre aber Alpina ihre erste Ansprechpartnerin, nicht nur als Freundin, sondern glücklicherweise auch als Hebamme. Seine eigenen Sorgen hielt er dabei aber erstmal zurück. Natürlich befürchtete er, nicht genug Zeit für seine Familie zu haben oder eben beim Zeitmanagement zu versagen. Schon jetzt hatte er lange Arbeitstage, doch eben noch kein Amt inne. Wenn er erstmal zur Aedilität antrat, würde der Wahlkampf noch mehr Zeit fressen, von der eigentlich Amtszeit ganz zu schweigen. Er wollte das Kind aufwachsen sehen und seine Frau bei der Erziehung und Pflege des Kindes unterstützen, doch wollte (und musste) er auch seine Karriere vorantreiben und so gut sich dabei eine gesunde Familie machte, war sie eben auch ein Zeitfaktor, wenn man sie nicht nur aus Werbezwecken vorzeigen wollte.

    Silvanas bestätigendes "Ja" klang in Curio nach. Sie wurden Eltern, sie wurden wirklich Eltern! Und während er euphorisiert aufzählte, was es alles zu tun galt, fasste sie ihn und hielt ihn einfach mal zurück. Der junge Helvetier atmete ein Mal und ein weiteres Mal tief durch, bevor er wieder einigermaßen rational zu denken begann.


    Du hast recht. Wir sollten nichts überstürzen.


    war der erste klare und vernünftige Satz in den letzten Minuten, in denen er entweder neben sich stand oder komplett euphorisiert von der Neuigkeit war, dass er Vater wurde. Die ganzen Risiken und Gefahren für seine Frau und ihr Kind kamen ihm aber nicht in den Sinn, ganz im Gegenteil konnte er nicht damit aufhören, sich Gedanken über das Kind zu machen. Würde es ein Junge oder ein Mädchen? Bekam er einen Stammhalter oder eine kleine Prinzessin? Wie würden sie das Kind nennen? Würde es sich mit Ursicina verstehen? Könnte sich Neman auch um ihr Kind kümmern? Oder benötigten sie noch jemanden? Wann mussten sie spätestens alles für das Kind einkaufen? Wann musste das kleine Cubiculum für das Kind vorbereitet werden?


    Und wieder kam Silvana dazwischen und holten ihn aus der Welle der Fragen heraus. Lächelnd blickte er Silvana an, nahm ihre Hand und führte sie zum Bett.


    Ja, lass uns ins Bett gehen.


    Raus aus den ganzen Schichte von Kleidung und rein ins warme Bett, ja, das wäre klasse. Schlafen würde er aber in den nächsten Minuten nicht, auch wenn er grade merkte, wie müde er eigentlich war. Mit einem griff schlug er die Bettdecke zurück, damit sich Silvana bereits hineinlegen könnte und zog sich dann auf seiner Seite das Togatuch und Pelze aus, sodass er nur noch eine schwergewebte, warme Tunika trug.

    Dass sein Verstand noch nicht komplett zurückwar, merkte man schon daran, dass Curio erneut einige Augenblicke brauchte, um die Bestätigung nicht nur akustisch wahrzunehmen, sondern auch zu verarbeiten und entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen. Dann allerdings schlug die Nachricht ein wie ein Pilum in ein Scutum, Curio sprang auf, was nur mittelmäßig gelang, da er gleich über seine eigenen Füße stolperte und recht unsanft mit den Knien auf dem kalten, harten Boden zu hocken kam. Ein leises


    Uff...


    entfuhr ihm, doch ließ er sich davon nicht lange aufhalten, sondern rutschte an seine Frau heran und küsste sie, zuerst auf ihre Stirn, auf beide Wangen, ihre Nase, ihren Mund, eigentlich ihr ganzes Gesicht, ihre Hände und schließlich auf ihren Bauch - wobei er dabei so vorsichtig wie möglich war. Dabei brachte er in jeder Pause einzelne Worte hervor, die sich schließlich sogar zu Sätzen verbanden.


    Das... ist ja... wunderbar... Wir.... werden... wirklich... Eltern...? Ich... liebe... dich...


    Natürlich hatte er die Stickerei nicht sofort als Babydecke erkannt, sondern hatte eher den freudigen Blick seiner Frau wahrgenommen, als er sie von den Stickerei befreit hatte. Jetzt aber kannte seine Freude keine Grenzen. Erneut versuchte er sich im aufspringen und dieses Mal klappte es deutlich besser.


    Es gibt jetzt so viel zu tun... Ich muss meinen Eltern schreiben... deine Eltern müssen wir aufsuchen... Alpina und Lucius müssen natürlich auch bescheid wissen... Wir müssen eine Wiege kaufen... Anziehsachen... Weißt du schon, was es wird? Ach, nein... Natürlich nicht, wie solltest du auch?


    Hin und her sprangen seine Gedanken und wahrscheinlich wäre er gleich hinausgelaufen, um in die Welt hinauszurufen, dass er Vater wurde gemeinsam mit der wunderbarsten, schönsten, klügsten und patentesten Frau der Welt, die er seine Ehefrau nennen durfte.

    Hä? Die Fragezeichen in Curios Augen wurden nur noch größer, als Silvana zuerst verzögerte und danach mit einem zweiten nebulösen Hinweis fortfuhr - ganz offensichtlich hatte sie tierischen Spaß dabei, ihren Mann zappeln zu lassen - der Curio kein bisschen weiterbrachte. Oder vielleicht doch?


    Runa, ich weiß ja, dass du gerne schwanger werden möchtest. Aber niemand hetzt uns. Wenn Iuno entscheidet, dass es an der Zeit ist, wird es schon klappen. Und überhaupt: Warum sollte ich mich deswegen aus meinem eigenen Schlafzimmer verbannen lassen? Das wäre doch sowieso total kontraproduktiv, oder nicht...


    Ganz offensichtlich musste Curio seinen Verstand grade erst aus dem wohlverdienten Tiefschlaf aufrütteln, bevor er auch nur eine Chance hatte, zu verstehen, worauf Silvana nun hinauswollte. Doch hatte er jetzt schonmal am Thema gekratzt und da sein Verstand langsam wieder zu sich kam - nicht ohne sich mit einem kurzen aber heftigen Ziehen an der Schläfe zu beschweren, dass Curio es doch tatsächlich gewagt hatte, ihn zu dieser unrömischen Zeit zurückzurufen - und gleich alles miteinander verband, was er an Informationen gesammelt und selbst zur Sprache gebracht hatte, machte es dann doch Klick. Vermutlich konnte Silvana regelrecht sehen, wie ihrem Mann ein Licht aufging, zumindest sprach Curios Mimik Bände.


    Oder hat Iuno schon...?


    Angespannt erhob er seinen Blick von den Kinder(!!!)schuhen (wem sollten sie denn auch schon passen, als einem Kind) und fokussierte seine Frau. Hatte es wirklich geklappt? So schnell?