Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    Veränderungen. Nun, Veränderungen konnten was gutes haben, manche sagten, dass Veränderungen immer schlecht seien. Silvana hielt sich aber mit Details zurück und Curios Gedanken schweiften ab. Erst als seine Frau ihm ein Päckchen herüberschob, fokussierte er zuerst seine Frau, ihre Hände, die das Päckchen bewegten und dann das Päckchen selber, das nun vor ihm lag, und das er zu öffnen aufgefordert wurde.


    Veränderungen...


    echote er unschlüssig, nahm dann aber das Paket auf, besah es sich erstmal von allen Seiten, löste dann die Schnüre und klappte den Stoff beiseite. Darunter fand er ein paar kleine Schuhe, definitiv zu klein für sie beide. Immer noch unschlüssig blickte er vor sich auf den Schoß und versuchte schlau zu werden aus dem, was er sah.


    Ähm... die sind doch schon sehr klein...


    verbalisierte er seinen ersten Gedanken. Es war schon spät, es war kalt, sein Gehirn hatte den ganzen Tag gearbeitet und hatte sich wohl schon ins Bett verabschiedet, wo er eigentlich auch am liebsten liegen würde. Vielleicht würde es ja helfen, die Schuhe hochzunehmen und so fasst er sie an der Ferse, hob sie an und besah auch sie sich von allen Seiten. Doch auch hier gab es keine Tipps. Hilfesuchend blickte er zu Silvana hinüber, in der Hoffnung, dass sie nicht in die Fußstapfen ihres Vaters treten und erstmal minutenlang drumherum zu reden, bevor er erfuhr, wofür oder für wen diese winzigen Schuhe nützlich sein konnten.

    Curio nickte. Hatte er doch gewusst, dass die Stickerei nur das kleinste Übel gewesen und sie eigentlich froh war, wenn er sich endlich - im Moment buchstäblich - von seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer loseisen konnte, damit sie zusammen schlafengehen konnten. Doch weit gefehlt. Bereits nach einem Schritt zurück aufs Bett zu, fixierte Silvana ihn mit ihren blauen Augen. Ob er einen Moment hatte, fragte sie und schob dann gleich hinterher, das es etwas zu besprechen galt.


    Um was geht es denn?


    fragte er, als er den Schritt wieder rückgängig machte und sich neben sie in den freien Korbsessel setzte. Ausgezogen hatte er sich freilich noch nicht, dafür war es einfach zu kalt. Was sie auch immer zu besprechen hatte, es war wohl wichtig, dass es nicht bis morgen warten oder sie beide das auch drüben im warmen Bett besprechen konnten. Mit einer Hanbewegung zog er das Togatuch fester und ließ dann seinerseits seinen Blick auf Silvana ruhen.

    In das Togatuch und die beiden Pelze gehüllt, die er sich im Arbeitszimmer über die Beine gelegt hatte, betrat Curio erst sehr spät das gemeinsame Schlafzimmer. Den letzten Brief hatte er sogar noch beiseite legen müssen, da es trotz des Kohlebeckens, das er ins Atrium gestellt hatte, wo ihm nochmal der bitterkalte Wind in die Kleider gehuscht war, des Togatuchs und der Pelze, die er bei sich hatte, war es ihm schlicht zu kalt zum Arbeiten geworden. Als er dann in den Flur hinaustrat, war er überrascht, dass durch denTürschlitz des Schlafzimmers noch Licht hinaus in den Korridor drang. Kurz wurde es Curio warm ums Herz, da seine Frau doch tatsächlich auf ihn gewartet hatte. Leider dauerte das nicht lange an, sodass er schnell die Tür öffnete, ins Schlafzimmer trat, die Tür ebenso schnell wieder schloss und mit einem älteren Stück Pelz auch noch den Türschlitz am Boden abzudichten versuchte. Leider war das Ding zu kurz, sodass an den Seiten noch kleine Löcher blieben, es war aber definitiv besser, als ein komplett offener Türschlitz, durch den die Kälte ungestört in den Raum kriechen konnte.


    Schmunzelnd nahm Curio dann zu Kenntnis, dass sich Silvana mit Handarbeit versuchte, wachzuhalten. Offenbar hatte sie nichts anderes gefunden, was sie in dem nur schwach beleuchteten Raum machen konnte, sodass nun die unliebsame Handarbeit herhalten musste. Langsam ging er auf sie zu und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.


    Darf ich dich von deiner Stickerei befreien?


    fragte er mit einem breiten Grinsen und blickte auf die Stickerei, die eigentlich ganz schön aussah, wenn man die kleinen Unsauberkeiten an den Ränden außer Acht ließ. Curio wollte nur noch ins Bett auf die warmen, größeren Pelze, die sie als Schlafunterlage nutzten, und unter die ebenso warme und große Bettdecke. Danach nur noch Augen zu und schlafen, schließlich musste er morgen wieder früh raus, um den letzten Brief noch zu beantworten und den ganzen Stapel Antwortschreiben rauszuschicken, damit sie in den nächsten Tagen ihre Adressaten erreichten.

    Tatsächlich stand Silvana auf, was Curio schonmal insoweit beruhigte, als dass er nun wusste, dass sie nicht komplett in ihre eigene Welt abgedriftet war, sondern ihre Sinne noch einigermaßen beisammen hatte. Dennoch versuchte sie zu vermitteln und flehte den Fremden regelrecht an, seinen Namen zu enthüllen, den sie offenbar schon kannte, wenn sie ihn mit diesem seltsamen Wort "Galstar" ansprach, das Curio weder kannte, noch irgendeiner ihm bekannten Sprache zuordnen konnte. Es gab jedenfalls Gesprächsbedarf und davon genug, dass die Nacht für das Ehepaar noch sehr lang werden konnte. So etwas wie in dieser Nacht würde jedenfalls nicht noch einmal passieren, dafür würde der junge Helvetier alle notwendigen Maßnahmen treffen.


    Doch selbst das Flehen Silvanas schien zuerst keine Früchte zu tragen, denn anstatt nun mit seinem Namen herauszurücken, nahm er lieber das "Angebot" Curios an, sie zu Hause aufzusuchen, wenn er denn entschieden hatte, ob er seinen Namen offenbaren sollte. Curio sollte es recht sein, denn womöglich hieß das, dass sie ihn nicht mehr wiedersehen würden, denn wenn er jetzt schon dermaßen um seinen Namen herumlavierte, warum sollte sich daran in ein paar Wochen oder Monaten etwas ändern? Doch kam eine erneute Überraschung. Der Fremde reichte ihnen beiden kleine Stoffbündel. Reflexartig lehnte Curio ab, doch bestand der Fremde nachdrücklich darauf, das Bündel anzunehmen, sodass der junge Helvetier seines annahm, aber sofort in seinem Mantel verschwinden ließ, ohne einen Blick darauf zu werfen. Das würde er in Ruhe zu Hause tun, wo sie zudem unter dem Schutz ihrer Hauslaren standen, die irgendwelche Schadzauber abwehren könnten. Die folgende Feststellung zu seiner fehlenden Geduld wirkte auf Curio wie eine Ohrfeige. Hatte er dem Fremden nicht alle Zeit und gleich zwei Möglichkeiten gegeben, sich vorzustellen? Hatte er nicht länger gewartet, als manch anderer es in seiner Situation getan hatte? Curio wollte irgendwas unfreundliches erwidern, schluckte es aber herunter. Beim nächsten Mal wäre der Fremde in Curios Haus und würde dort entweder unter Curios Bedingungen auftreten oder gleich das Weite suchen dürfen, wobei der britische Ianitor Liam bei Bedarf sicherlich gerne nachhelfen würde.


    Und schließlich schien er doch noch eine Entscheidung getroffen zu haben, denn wie aus dem Nichts enthüllte er seinen Namen, wobei dieser mehr eine endlos scheinende Aneinanderreihung fremder Worte aus einer noch fremderen Sprache war, als eine konkrete Benennung, wie sie bei den Römern oder Germanen üblich war. Eines der Worte aber, es war gleich das erste, verstand Curio: Druide. Das war es also, was hier verschleiert werden sollte! Kaum hatte der Druide, der sich, wenn Curio das richtig verstanden hatte Myrddin Ariamirsun nannte, zu Ende gesprochen, blickte Curio zweifelnd zu seiner Frau. Wieder stieg in ihm der Gedanke hoch, dass das hier ein abgekartetes Spiel war, hatte Curio doch vor kaum einer Stunde noch jedes Treffen mit diesem Kerl von dem Einverständnis seines Patrons und Schwiegervaters abhängig gemacht. Nun war er aber in die Falle gegangen und hatte eine "Einladung" ausgesprochen, die ohne weiteres nicht mehr zurücknehmen konnte. War das der eigentliche Plan gewesen? Und war seine Frau darin eingeweiht? Curios Gesichtszüge versteinerten. Der Druide hatte sich mittlerweile wieder schweigend an seinen Platz gesetzt und seine Augen geschlossen und so sah auch Curio keinen Grund für ein Wort des Abschieds. Stattdessen griff er recht unsanft nach der Hand seiner Frau.


    Wie gehen.


    brachte er durch seine zusammengepresste Zähne hervor, bevor er sich in Bewegung setzte und seine Frau mit sich zog. Widerstand jeglicher Art würde er an diesem Punkt nicht mehr dulden.

    Mit einem Lächeln übernahm Curio seine kleine Nichte Ursicina. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie winzig die Menschen doch waren, wenn sie frisch auf der Welt waren. Ganz vorsichtig streichelte er dem Mädchen über die Wange, spürte dabei ihren sanften, regelmäßigen Atem auf seinem Handrücken und gab ihr dann eine kleine Führung durch das Atrium. Wobei er ihr immer wieder zuflüsterte was sie grade oder halt nicht sah, wenn sie entschied, ein kleines Nickerchen einzulegen.


    [SIZE=7]Na, meine kleine Ursicina. Ich bin dein Onkel Curio und das hier ist unser Haus. Das sind dein Großvater und deine Großmutter, deine Tante Coriolana und dein Onkel Cornutus.[/SIZE]


    Nachdem er die Familie abgeschritten war, ging er langsam zum Lararium, wo die Vitalia grade in Flammen aufgingen, bedeckte mit dem Tuch vorsichtig Mund und Nase, damit sie den Rauch nicht einatmete und fuhr dann mit dem Flüstern fort.


    [SIZE=7]Du hast bestimmt als erste gemerkt, dass Iuno ihre Zustimmung gegeben hat, nicht wahr? Die Göttermutter ist dir wohlgesonnen, Ursicina. Du brauchst also keine Angst zu haben.[/SIZE]


    Immer noch lächelnd schritt er vom Lararium weg und als er sich umdrehte, fielen ihm die Blicke von Silvana und Alpina auf, die sich offenbar irgendwas lustiges erzählt hatten, denn beide grinsten in sich hinein. Wenn er da mal durch seine Hochzeit kein infernalisches Duo geschaffen hatte. Na ja, mit dieser Allianz würde er aber auch umzugehen lernen, schließlich ging es um seine Frau und seine Schwägerin und zugleich beste Freundin. Langsam trat er dann auf die beiden zu.


    Und das ist übrigens deine Tante Runa. Sie hat dir auf die Welt geholfen.


    sagte er etwas lauter und reichte die Kleine wieder an Alpina zurück. Eigentlich konnten sie nun mit dem Prandium fortfahren, denn sowohl Curvus, als auch Timarcha hielten sich vornehm zurück. Es war der Tag der kleinen Ursicina und ihrer Eltern, da wussten sich die beiden stolzen Großeltern zurückzuhalten.

    Nach ein bisschen hin und her, einer Spitze Alpinas gegen Curios Verhalten - dabei ging es ihm doch nur darum, dass frühzeitig geschaut wurde, dass auch alles in Ordnung war und keine teuren, Reparaturen an der Casa notwendig waren, die das ohnehin enge Budget mit Sicherheit sprengen würden - und dem Versprechen, dass er seine Revance bekäme, taten die Frauen dann doch das, wofür sie eingeteilt waren. Endlich, dachte Curio, denn je schneller er wieder an die Arbeit kam und je weniger Schnee hier im Atrium verteilt wurde, desto schneller könnten sie sich an den angenehmen Seiten des Schnees gütlich tun. Und so beeilte sich der junge Helvetier mit Hilfe der Sklaven das Atrium weitgehend zu räumen und den gesamten Schnee in den Garten zu bringen, wo gleich die ultimative Schneeballschlacht stattfinden sollte.


    Natürlich brauchte das Vorbereitung und so ging Curio frühzeitig in den Garten, um seine Revanche auf eine sichere Basis zu stellen. Daher baute er sich einen etwa kniehohen Schneewall und formte einige Schneebälle vor, bereit, die beiden Frauen mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

    Ursicina also. Ein schöner Name, wie Curio fand, auch wenn der Bärenname für das kleine Bündel noch nicht so richtig passend wollte. Wenn die Kleine aber die körperliche Stärke ihres Vaters und die seelische Stärke ihrer Mutter mitbekommen hatte, würde der Name perfekt passen. Nun konnte er auch näher an die Frauen herantreten und umarmte als erstes Alpina, seine liebe Schwägerin und Freundin.


    Herzlichen Glückwunsch, Alpina. Darf denn der stolze Onkel seine kleine nichte auch einmal halten, bevor wir sie dann gleich kräftig feiern?


    Auch er wollte seine Nichte auf der welt begrüßen, was bislang ja nicht möglich gewesen war. Gleich würde sie ohnehin noch gefeiert werden, denn soweit er das gehört hatte, hatte Silvana ja schon das Triclinium für das gemeinsame Essen vorbereitet und das ganz ohne Hilfe ihrer Schwiegermutter, die sich stattdessen einen ruhigen Morgen gemacht und bereits die Reisetruhen für die morgige Abreise vorbereitet hatte.

    Unzufrieden stellte Curio fest, dass er auf die einfachste und elementare Frage nach dem Namen des Fremden noch immer keine Antwort bekommen hatte. Stattdessen nur Versprechungen - die nichts wert waren, solange Curio nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte, was der Fremde offenbar immernoch zu verschleiern versuchte - und nun auch noch das Angebot zur Handreichung. Für was eigentlich? Curio war zum jetzigen Zeitpunkt längst noch nicht bereit, irgendwelche Abmachungen per Handschlag zu besiegeln. Ganz im Gegenteil schwand bei ihm mehr und mehr die Bereitschaft, hier länger zu sitzen und Spielchen mit sich spielen zu lassen. Daher blickte er zu seiner Frau, deren Augen weiter auf ihm ruhten. Wahrscheinlich würde ihr die kommende Entscheidung nicht gefallen. Dann ging sein Blick zurück zu dem Fremden.


    Ich glaube, wir missverstehen uns. Ich wäre gerne bereit, dir die Hand zu reichen, aber ich würde schon gerne vorher wissen, mit wem ich es überhaupt zu tun habe und nicht erst in einer nicht näher bezeichneten Zukunft. Dennoch... möchte ich dir Zeit geben, darüber nachzudenken, ob du uns dies mitteilen möchtest.


    Curio machte eine kurze Pause, in der er den Blick in die Glut des brennenden Feuers warf. Dann erhob er sich.


    Sobald du dazu eine Entscheidung getroffen hast, kannst du uns in der Casa Helvetia in den Canabae aufsuchen... Oder eben nicht.


    Erneut folgte eine kurze Pause. Tief sog er dabei die kalte Nachtluft ein und blickte zu seiner Frau.


    Komm, Silvana, wir gehen.


    Würde sie ihm folgen? Er wusste, dass sie eigensinnig sein konnte, es war ja sogar eine ihrer Eigenschaften, die er an ihr liebte und durch die ihre Ehe überhaupt erst möglich geworden war. Die unübliche Nutzung ihres römischen Cognomens sollte allerdings klar gestellt haben, dass es ihm ernst damit war.

    Curio hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass sich die frisch herausgeschnittenen Vitalia nicht grade angenehm anfühlten. Die Untersuchung der Organe verlief daher problemlos: Alles war vorhanden, auf der Leber waren keine außergewöhnlichen Zeichen und grade, als Curio die Annahme des Opfers bestätigen wollte, riss die Wolkendecke auf und die Sonne erleuchtete das Impluvium. Zudem setzte eine leichte Windböe ein, die seichte Wellen auf dem Wasser des Impluviums erzeugte und so die Wände in bunte Farben tauchte. Es war nur ein Augenblick, doch genau in diesem Augenblick gluckste die kleine Helvetia dermaßen freudig auf, dass es keinen Zweifel mehr gab. Iuno und Nundina waren dankbarerweise unmissverständlich gewesen: Sie hatten das Opfer angenommen.


    Litatio.


    sagte Curio daher mit ruhiger Stimme und blickte schmunzelnd auf das kleine Bündel in Alpinas Armen, dass nun leise zu brabbeln angefangen hatte.


    Acanthos und Gwyn machten sich nun bereits daran, das Fleisch in die Küche zu bringen, während Curio die Vitalia in einer Schüssel, verbrannte. Nachdem dies alles abgeschlossen war, trat er vom Lararium weg und auf die vier Frauen zu, die nun zur Gänze gereinigt waren. Mit einer schnellen Bewegung brachte der junge Helvetier seine Toga wieder in ihre eigentliche Position und schaute nun erwartungsvoll zu Alpina.


    Nachdem Iuno und Nundina die Lustratio abgesegnet haben, möchte ich ich dich, Alpina nun nach dem Namen fragen, den eure Tochter tragen soll.


    Tatsächlich hatte er nämlich von niemandem erfahren, wie die Kleine eigentlich hieß. Deswegen war er nun umso neugieriger.

    Curio wartete ab, bis sich die vier Frau gemeinsam aufgestellt hatten und er mit dem Opfer beginnen konnte. Danach stülpte er sich seine Toga über den Kopf, wusch sich die Hände in einer Wasserschale, träufelte etwas Weihrauch in ein Kohlebecken und stellte sich dann mit nach oben geöffneten Handflächen vor den Hausaltar.


    Große Iuno, Beschützerin der Familie und Begleiterin während der Geburt!
    Verehrte Nundina, Herrin über den Dies lustricus!
    Hier stehen Susina Alpina, die vor nunmehr sieben Tagen eine gesunde Tochter zur Welt gebracht hat, sowie Decria Timarcha, Duccia Silvana und Helvetia Coriolana, die dabei halfen, das Kind zur Welt zu bringen. Befleckt durch die Geburt bitten sie nun darum, dass ihr sie reinigt. Dafür bringe ich in ihrem Namen diesen Bund Kräuter aus unserem Garten, diesen Wein und dieses Gemüse als Opfer dar. Nehmt die Gaben an, reinigt die vier Frauen und haltet schützend eure Hände über das neugeborene Mädchen.


    Nach und nach legte er die Gaben an ihren Platz und ließ den Wein aus der Patera langsam auf den Boden fließen. Danach wendete er sich nach rechts, um das Gebet zu beenden, hielt einen Moment inne und nickte Acanthos dann zu. Dieser brachte ihm zuerst die Wasserschale, in der einen Tannenzweig lag, der nun mit Wasser benetzt war. Gemeinsam mit dem Macedonen schritt er einmal um die vier Frauen herum und besprenkelte sie schweigend mit Wasser. Wieder am Altar angekommen nahm er nun eine Schüssel mit Kohle, in die er einige Körnchen Weihrauch gab. Erneut schritt er um die Frauen herum und hielt die Schüssel so, dass der Rauch sie so gut es ging umgab. Beim dritten Mal kam nun das Opfertier zum Einsatz. Die Ziege, die sich bislang unbeteiligt an einer großen Schale mit Gras aus dem Garten gütlich getan hatte, wurde am Strick gefasst und - von Acanthos mit kleinen Brotstücken angelockt - durch den jungen Helvetier ebenfalls um die Frauen herumgeführt.


    Als er nun wieder vor dem Altar stand, wurde die Ziege für das Opfer vorbereitet. Curio glitt mit dem Opfermesser über den Rücken des Tieres, besprenkelte es mit Wein und reichte Tier und Opfermesser an Acanthos zurück, der das Opfer vollziehen würde. Erneut nahm er die Gebetshaltung ein undsprach mit klarer Stimme.


    Große Iuno, Beschützerin der Familie und Begleiterin während der Geburt!
    Verehrte Nundina, Herrin über den Dies lustricus!
    Seht diese makellose Ziege, wie es die Tradition verlangt wurde sie um die Frauen herumgeführt. Nehmt das Tier als Opfer an, reinigt die Frauen und beschützt das neugeborene Mädchen vor Unheil und Gefahren.


    Erneut folgte die Wendung nach rechts, Blickkontalt zwischen Curio und Acanthos und das Nicken des Helvetiers besiegelte das Schicksal des Tieres. Curio fing das Blut mit einer Patera auf und strich einen Teil davon auf das Lararium. Danach entnahm Acanthos die Vitalia, legte sie auf eine andere Patera - Curio bemerkte, dass es sich um jene mit Doppelmotiv von helvetischem Widder und duccischen Wolf handelte, die er Silvana zu ihrem erfolgreichen Prüfungsopfer geschenkt hatte - und Curio begann mit der Untersuchung der Organe.

    Die Arbeit stapelte sich mal wieder auf Curios Schreibtisch. In den letzten Tagen war er vor allem damit beschäftigt gewesen, die Folgen des massiven Schneefalls hinter sich zu lassen, und da währenddessen natürlich auch der Postverkehr nahezu zum Erliegen gekommen war, war die ganze Post auf einmal über ihn hereingebrochen. Den heutigen Abend hatte er sich daher freigehalte, hatte aber nicht damit gerechnet, dass er noch bis mitten in die Nacht brauchte, um den ganzen Schriftkram abzuarbeiten.


    So saß er nun an seinem Schreibtisch, der nur durch eine Öllampe beleuchtet war, die allerdings teilweise flackerte, was das Lesen und Schreiben nicht unbedingt leichter machte. Wärme spendete ein Kohlebecken, in dem eine äußerst bescheidene Menge Kohle vor sich hinglühte und das dafür sorgte, dass es wenigstens nicht allzu kalt bei den immer noch bitterkalten Temperaten außerhalb des Hauses wurde. Zudem hatte er sich eine Wolldecke über die Beine und eine dicke wollende Toga über die Schultern gelegt, sodass er nun mehr schlecht als recht arbeiten konnte. Wahrscheinlich würde auch Silvana auf ihn warten, wenn sie nicht bereits, wie es sich für einen vernünftigen Bürger um diese Nachtzeit gehörte, bereits eingeschlafen war. Doch lagen immer noch vier Tabulae vor dem Helvetier, die es noch heute durchzuarbeiten galt, damit noch morgen Antworten rausgehen konnten.

    Curio hielt sie fest, während sie unter der Kälte in ihrem Nacken in seinen Armen zappelte. auch er lachte dabei, auch wenn er sich im Moment eher Sorgen darum machte, ob mit dem Haus alles in Ordnung war. Also ließ er sie los und zu Alpina hinüber laufen, während er noch einen großen Schluck aus seinem Becher nahm und sich daraufhin wieder seine Schaufel schnappte. Doch noch bevor er sich wieder an die Arbeit machen konnte, hatte er auch schon den nächsten Schneeball im Nacken, oder besser an der Schulter.


    Was zum...?!?!


    entfuhr es ihm, während Acanthos und Gwyn, die wohl auch was abbekommen hatten, ihn fragend anblickten. Schnell drehte er sich um und sah, dass es nun Alpina war, die bereits dabei war, weiteren Schnee aufzunehmen. Leise seufzte er auf. Schneeballschlachten schön und gut, aber nicht hier im Atrium. Daher stützte er sich auf seine Schaufel ab und blickte ernst zwischen den beiden Frauen hin und her.


    Können wir das erstmal verschieben. Von mir aus gleich im Garten - da solltet ihr euch übrigens in Acht nehmen, zu Hause habe ich immer gewonnen! - aber jetzt müssen wir erstmal alles saubermachen und überall nach dem Rechten sehen. Tut ihr mir den Gefallen?


    Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Ja, man konnte ihn mit Fug und Recht als Spaßbremse bezeichnen, allerdings lag das vor allem an dem latenten Druck, den er seit der Hochzeit auf seinen Schultern spürte. Im Moment trug er diesen noch so mit sich herum und es war lediglich manchmal ein bisschen lästig. Und dennoch bestimmte es mehr und mehr sein Handeln.

    Die Situation wurde immer kurioser und verwirrender. Der Fremde begann in Rätseln zu reden, was Curio gar nicht gefiel. Nicht dass er etwas gegen Rätsel hätte, ein großer Teil seines Jobs bestand aus dem Lösen von Rätseln, schließlich sprachen die Götter, wenn sie sprachen, nicht direkt, sondern immer über irgendwelche Ecken. Bei Curio und einigen seiner Kollegen führte dies unweigerlich zu einer Art sportlichen Ehrgeizes bei der Entschlüsselung göttlicher Zeichen. Je kleiner und verworrener, desto reizvoller. Doch hatte Curio eine klare und unmissverständliche Frage gestellt und das nicht an irgendeine göttliche Erscheinung - obwohl: Woher wusste dieser Kerl seinen Namen? - sondern einem Menschen. Die Antwort aber war, gelinde gesagt, unzufriedenstellend: Entweder weichte der Fremde geschickt aus, und verführte die beiden mit seinem Rabulistik, in seine Falle zu tappen, oder er war - aus welchen Gründen auch immer - nicht in der Lage, die Frage zu beantworten. Der junge Helvetier runzelte die Stirn.


    Du verlangst von uns, dass wir uns in deine Lehre begeben. Allerdings wissen wir beide, dass dafür ein gewisses Maß an Vertrauen nötig ist. Dabei ist es wenig hilfreich, wenn du auf eine klare Frage um den warmen Puls herumredest. Also nochmal die Frage: Wer bist du?


    Es war die zweite und letzte Chance für den Fremden, zu verhindern, dass Curio aufstünde, sich seine Frau schnappte und zurück nach Hause gehen würde. Mehr Chancen, diese Entscheidung hatte Curio nun für sich getroffen, gäbe es nicht. Würde der Fremde diese Hürde nehmen, hieße das aber nicht das automatische Ja des Helvetiers. Es gab noch genug Fragen und schließlich bliebe "aufstehen und gehen" bis zuletzt als mögliche Alternative. Und zuletzt würde er in jedem Fall vorher mit seinem Patron besprechen, bevor er sich und seine Frau in die Hände eines dahergelaufenen, möglicherweise gefährlichen Fremden begeben würde.

    Curio nickte. In dem dünnen Leibchen konnte sie kaum lange hier im Atrium bleiben, ohne sich den Tod zu holen. Alle anderen hatten sich dich eingekleidet, denn alle wussten, dass es der Hausherr kaum zugelassen hätte, dass sich einer von ihnen ungeschützt der Kälte aussetzen würde. Umso dankbarer war er dann auch, als Silvana schließlich - ebenfalls dick eingepackt - zurückkam, in der Küche ein warmes Getränk zubereitete und es dann mit ein paar Bechern ins Atrium stellte. Der junge Helvetier ordnete eine kurze Pause an und alle sammelten sich um den warmen Topf und wärmten ihre Hände an den Bechern, die ihrerseits durch den Kräutersud erwärmt wurden.


    Viel war zum Glück nicht mehr zu tun und so machten sich alle an die Arbeit, bis, ja bis Silvana ihre kindliche Ader entdeckte und einen Schneeball in Curios Nacken warf. Das traf ihn nun aber vollkommen unerwartet, sodass er beim Arbeiten zusammenzuckte und die Schaufel fallen ließ. Dem folgte ein vergnügtes Kichern der jungen Duccia und ein ebensolches von Gwyn, die sich in diesem Moment offenbar wirklich nicht mehr unter Kontrolle halten konnte. Curio blickte sich um und schüttelte indigniert den Kopf, bevor dann doch ein leichtes Schmunzeln seine Lippen umspielte.


    So, so, die junge duccische Dame ist also nicht ausgelastet.


    antwortete er mit ernstem Gesicht, wobei das Schmunzeln verriet, dass er nicht wütend war.


    Also braucht die junge duccische Dame wohl etwas zu tun.


    Langsam kam er ihr näher, bückte sich auf dem Weg einmal kurz, um etwas Schnee vom Boden aufzunehmen, und zog sie dann sanft von ihrem bequemen Sitzplatz zu sich hoch und an sich heran.


    Aber erstmal erfährt die junge duccische Dame jetzt, wie kalt der Schnee ist.


    Dabei ließ er ihr den aufgehobenen Schnee in den Nacken rieseln und gab ihr danach einen Kuss.


    So, und jetzt schaust du bitte nach Alpina und Ursi und gehst auch mal mit ihnen in die Taberna Medica, um zu gucken, ob da alles in Ordnung ist.

    Sie folgte ihm nicht. Hatte sie das Zeichen überhaupt wahrgenommen? Oder war es schlicht zu klein gewesen, als dass sie es hätte wahrnehmen können? Oder waren die Eindrücke so umfangreich, so aufdringlich, dass sein Zeichen untergegangen war? Curios Blick schweifte zu dem vermummten Mann mit den Narben im Gesicht ab und kehrte wieder zu Silvana zurück. Curio sah ihr an, dass sie mit ihrer Entscheidung haderte. Es dauerte einen Augenblick, bis Silvana ihre Sprache wiederfand und ihn mit ihren blauen Augen, ihren wunderschönen blauen Augen fixierte. Sie überließ ihm die Entscheidung... ob sie wusste, dass ihre Augen wunderschöne Waffen waren, gegen Curio gerichtet in dem Wissen darin, dass er bei diesen Augen eigentlich immer schwach wurde? Nur kurz hielt er ihrem Blick stand und wich ihm aus und konzentrierte sich dann seinerseits auf ihr Gegenüber. Er mussterte ihn von oben bis unten, versuchte sich irgendeinen Reim auf ihm zu machen, doch sah er nur lose Enden und riesengroße Fragezeichen.


    Wer bist du?


    brach schließlich die Frage aus dem jungen Helvetier hinaus, die ihn beschäftigte seitdem sie hier saßen. Nein, der junge Mann hatte definitiv keine seherischen Fähigkeit. Ganz im Gegensatz zu Silvana. Er konnte sie nur dabei unterstützen und Entscheidungen zu treffen, die ihr dabei nutzen konnten. Das hier allerdings wirkte alles andere als sinnvoll und nützlich. Nein, es wirkte bedrohlich und gefährlich und es wäre vollkommen verantwortungslos, diesem... zwielichtigen angebot zuzustimmen.

    Silvana schlief wie ein Stein. Eigentlich ungewöhnlich für sie, aber Curio war froh, dass seine Frau noch ein bisschen schlafen konnte und er sie nicht geweckt hatte. So trat er aus dem Zimmer, schloss leise die Tür hinter sich und spürte bereits, als er in den Korridor hineintrat, einen eiskalten Windzug der durch den offenen Türschlitz der Tür zum Atrium hereinschlich. Kurz blickte Curio in Acanthos' Kammer. Sie war leer. Das Schaben aber wurde lauter und Curio konnte es nun erstmal auf das Atrium verorten. Curio trat zur Tür, öffnete sie und was er sah, verschlug ihm die Sprache. Die Sklaven waren damit beschäftigt, einen riesigen, sicher hüfthohen Schneeberg aus dem Impluvium zu entfernen. Offenbar hatte Skadi nun tatsächlich zugeschlagen und das früher und vor allem heftiger als geplant. Schnell schloss Curio die Tür hinter sich, damit es nicht noch kälter in seinem Wohnbereich wurde und trat dann auf Acanthos zu, der gemeinsam mit Liam die Eimer befüllte, die von Gwyn und Neman weggeschafft wurde. Als der Macedone seinen Herrn sah, ließ er die Arbeit für einen Moment ruhen und trat auf ihn zu.


    Guten Morgen, Helvetius. Wir wollten dich, deine Frau und Alpina nicht wecken. Daher haben wir schon angefangen.


    sprach er Curio an, dem immer noch die Worte fehlten. Klar, er kannte Schnee, er kannte auch starken Schneefall, der die Straßen knöchel-, knie- oder sogar hüfthoch bedeckte. Dass dieser allerdings so früh und mit socher Macht über sie hereinbrach, damit hatte er nicht gerechnet. Acanthos, der diese Verlegenheit wahrnahm, fuhr daher einfach fort und erklärte die Situation.


    Liam hat mich heute morgen geweckt und auf den Schneefall aufmerksam gemacht. Er hatte bereits den Eingang und einen schmalen Weg zur Straße freigeräumt. Dann allerdings rutschte der Schnee vom Dach ins Impluvium hinab und es gab eine weitere Baustelle. Jedenfalls ist die wohl die ganze Stadt zugeschneit und die Straßen und Wege nur schwer passierbar.


    Soviel zur Zusammenfassung, deren noch kürzere Form wohl lautete: Schneechaos in der Stadt.


    Hmmm...


    gab Curio, als er endliche seine Sprache wiedergefunden hatte, als Antwort.


    Ich nehme an, ihr bringt alles vor die Haustür und den Garten? Und das Dach muss ja bestimmt auch geräumt werden, nicht dass noch etwas einstürzt.


    Er blickte den Macedonen dabei nicht an und nur auf den großen Schneehaufen mitten im Haus.


    Das ist alles richtig, Helvetius. Liam und ich wollen das Dach nachher noch räumen und den größten Teil des Schnees in die Gärten bringen. Allerdings sollten wir diese auch nicht überbeanspruchen.


    Curio nickte, entschied dann aber, dass er hier ja nicht einfach nur stehen und zuschauen konnte.


    Gut. Dann werde ich wohl mal mitanpacken, damit wir hier schneller fertig werden.


    Acanthos zuckte die Schultern, denn er wusste gut genug, dass der junge Helvetier bei solchen Entscheidungen nicht mit sich reden ließ. Nur Liam und Gwyn blickten etwas verwirrt auf, dass Curio nun seinerseits eine Schaufel in die Hand nahm und begann einen Eimer mit Schnee zu füllen.


    Der Haufen war nun bereits ungefähr zur Hälfte entfernt, als Silvana ins Atrium trat, nur leider deutlich dünner angezogen, als ihm lieb sein konnte. So legte er die Schaufel beiseite und trat auf seine Frau zu.


    Guten Morgen, mein Herz. Wie du siehst: Skadi beehrt uns mit ihrer Anwesenheit. Es hat geschneit.


    stellte er überflüssigerweise fest, denn der Schneeberg, wenn auch nur noch halb so groß wie zuvor, war immer noch groß genug, dass offensichtlich war, was in der Nacht vor sich gegangen war.


    Zieh dir aber bitte noch was wärmeres über.

    Schwer atmend ließ Curio seinen Körper auf Silvana nieder. Es war... eine Offenbarung gewesen. Nicht weniger. Und so großartig, wie dieses Gefühl gewesen war, konnte, wollte er sich noch nicht von ihr trennen. Sie gehörten einfach zusammen und wenn es noch irgendwo in einem winzig kleinen Areal seines Hirns einen Zweifel darüber gegeben hatte, war dieser nun endgültig erstickt. So langsam kam dann auch sein Verstand zurück, der sich zuletzt während der Vereinigung mit Silvana verabschiedet hatte, ihm nun aber einflüsterte, dass es für seine Frau wohl kaum angenehm sein konnte, wenn ein Großteil seines Gewichts auf ihr ruhte. So "verabschiedete" er sich vorerst mit einem Kuss von ihr und ließ sich zur Seite hinabgleiten, sodass er nun neben ihr zu liegen kam. Die letzten Takte von Pullos Lied verklangen und endeten - wie es nunmal unvermeidlich war - mit einem verbal-zotigen Höhepunkt, der Curio, als er das Lied kennengelernt hatte, hatte erröten lassen, was danach aber immer zum lautesten Lachen geführt hatte. Hier nun aber, in Anwesenheit der Zeugen, Silvanas Cousine, seiner Mutter (!), dem Statthalter (!!), deren Anwesenheit er sich nun wieder unangenehm bewusst wurde, würde es wohl nur zu Irritationen führen.


    Wie auch immer: Curio konnte daran jetzt nicht seine Gedanken verschwenden. Das Kind war in den Brunnen gefallen, als Corvinus das Lied angestimmt und weder er, noch seiner Mutter dem Einhalt geboten hatten. Stattdessen musste er sich ins Gedächtnis rufen, was sein Patron ihm in den vorbereitenden Gesprächen über den Ablauf der Hochzeitsnacht mitgegeben hatte: Eintreten, Entkleiden, Prüfung des Bettes und Lüften der Bettdecke, Beischlaf... Was kam danach? Irgendwas musste ja kommen, denn die vier Zuschauer würden, soweit war er sich sicher, nicht die ganze Nacht hier im Zimmer bleiben, sondern mussten ja auch noch den Vollzug der Ehe bestätigen und... ja genau... das war es. Langsam ließ er seine Hand an die Stirn gleiten, um die leichte Röte zu verbergen, die ihm ins Gesicht stieg. Eigentlich unnötigerweise, denn den Kern dieser Veranstaltung hatte er - nach eigener Einschätzung - annehmbar über die Bühne gebracht. Jetzt aber kam ein weiterer unangenehmer Teil, denn es ging nun darum zu prüfen, ob die Ehe vollzogen worden und damit einhergehend Silvana noch Jungfrau gewesen war. Curio hätte beides bestätigen können, doch zählten hier nur visuelle Beweise. Daher biss er sich auf die Zähne, denn er konnte sich denken, dass es nicht nur ihm, sondern auch Silvana unangenehm war, was nun folgen würde, und blickte anschließend zu den vier Zeugen auf.


    Wenn ich dann bitten dürfte...


    sagte er und würde für jeden, der heranträte, den Blick auf den roten, noch leicht feuchten Fleck auf dem Betttuch enthüllen, was den Zeugen dann hoffentlich ausreichen würde...

    Sie hatten den Dies lustricus auf Alpinas Wunsch klein gehalten. Nur die Familie und die Mitglieder des Haushalts der Casa waren anwesend. Alle hatten ihre Arbeit für diesen Tag ruhen lassen und die Sklaven würden nur dafür sorgen, den Tisch für das Essen vorzubereiten und ihn am Ende abzuräumen. Ansonsten war ihnen gestattet, mitzufeiern und das neue Mitglied der helvetischen Familie willkommen zu heißen. Silvana hatte zudem dafür gesorgt, dass Atrium und Triclinium buntgeschmückt waren. Sie hatte Geschmack und Curio war schon ein bisschen stolz, dass sie diese Familienfeier so gut vorbereitet hatte, wohlgemerkt ohne, dass Timarcha ihr zu Hand gegangen war, denn die Familie würde bereits am nächsten Tag abreisen. Curio indes hatte alles für das Reinigungsopfer vorbereitet. Ein Ziegenbock für die Laren stand, betreut von Acanthos, der - wie immer bei familiären Opfern - Curio assistieren würde, bereit, ebenso wie einige Kräuter aus dem Garten, Gemüse und Wein.


    Nun stand Curio in seine Toga gekleidet neben seiner Frau und da betrat auch schon Alpina mit ihrer Tochter den Innenhof. Seiner Schwägerin und seiner Nichte ging es gut, zumindest wirkte es auf Curio so. Nach der schweren Geburt war Alpina durch Silvana und seine Mutter aufgepeppelt worden und das kleine Mädchen war ebenso zu Kräften gekommen. Heute, eine Woche nach der Geburt, war nun die Nabelschnur abgefallen und es war Zeit, alle notwendigen Rituale zu vollziehen. Als Alpina grüßte, nickte er lächelnd zurück.


    Salvete, ihr beiden. Seid ihr bereit für die Lustratio?


    Natürlich war es eine Frage pro forma. Sonst hätte sie die Kleine wohl kaum ins Atrium gebracht.

    Schaben, Kratzen, Schieben. Früh am Morgen - es war das Fest Samhain, keltisches Neujahr, das zugleich eng mit dem Totenkult verbunden war - wachte Curio von den Geräuschen aus dem Atrium auf und fröstelte. Er und seine Frau hatten sich bei den zunehmend eisigen Temperaturen bereits mit Decken und Fellen versorgt und zusätzlich dazu spendete ein kleines Kohlebecken Wärme. Das beschlagene Fenster ließ bereits darauf schließen, dass die Temperaturen draußen nochmal angezogen hatten. So leise wie möglich, denn er wollte Silvana nicht wecken, stand er auf. Schon beim Aufstehen nahmen seine noch nackten Füße die Kühle des Bodens auf und erneut fröstelte es ihn. Kalt, es war verdammt kalt. Schnell zog er sich warme, sehr warme Kleidung an und warf sich noch den warmen Wollmantel über. Bevor er dann das Zimmer verließe, folgte noch ein Blick auf seine Frau, ob er sie auch tatsächlich nicht geweckt hatte. Normalerweise war ihr Schlaf nämlich nicht allzu tief.