Beiträge von Iullus Helvetius Curio

    Er kam ihr also bekannt vor?! In Mogontiacum konnten sie sich jedenfalls nicht über den Weg gelaufen sein, so kurz, wie Curio bislang in Mogontiacum gewesen war. So überlegte er sich eine Reihe von Möglichkeiten (Treffen in Noviomagus, Treffen in Borbetomagus, Irgendwo auf dem Weg) und wollte schon antworten, als es die junge Frau dann eine bot, an die Curio nicht gedacht hatte.


    Ähmm... Hmm... Ja.


    antwortete er daher erstmal unschlüssig, zumal er keine Ahnung hatte, in welcher Beziehung die junge Frau zu seinem Bruder stand, zumal sie ihn bei seinem Cognomen nannte, was ja schon eine gewisse Vertraulichkeit implizierte. Oder war damit gar ein anderer Corvinus gemeint? Aber das wäre ja schon ein ziemlicher Zufall, denn schließlich müsste dann ja auch eine Ähnlichkeit bestehen, die bei seinem Bruder nunmal auf der Hand lag.


    Der Centurio ist mein älterer Bruder


    sagte er daher vorsichtig, aber gespannt, was noch folgen würde.

    Auch Curio war war kurz unsicher, es war ja auch schließlich auch seine Schuld, da er nicht aufgefasst hatte. Kaum war er das erste Mal in den Markthallen, schon fiel er irgendwie negativ auf... Na toll. Erst recht stieg ihm dann die Röte ins Gesicht, als er bemerkte, dass sein Gegenüber eine junge Frau war, kaum älter, als er selbst, und diese sich dann auch entschuldigte. Curio war daher kurz unschlüssig, was er machen sollte, entschied sich dann aber für das Naheliegendste.


    ICH bitte um Entschuldigung. Schließlich habe ich auch nicht aufgepasst.


    Allerdings bemerkte Curio auch, dass die junge Frau ihn interessiert musterte, was ihn wiederum etwas unruhig werden ließ. Kannte er sie irgendwo her? Nein, das konnte nicht sein, schließlich war er bislang nicht in Mogontiacum gewesen...


    Ist denn bei dir soweit alles in Ordnung?


    fragte er daher, um überhaupt irgendwas zu sagen, da ihm die unangenehme Pause schon deutlich zu lang vorkam.

    Curio hatte auch den Weg in die Basilika gefunden. Sein Bekannter, der Pelzhhänder Othmar, hatte dieses Mal nur einen Stand am Rand zugewiesen bekommen, wo ihm Curio einen kurzen Besuch abgestattet hatte. Außerplanmäßig war der Händler einige Tage länger in Mogontiacum geblieben und Curio wollte die Chance nutzen, um sich nochmal bei ihm und seinen Begleitern für ihre Hilfe zu bedanken. Als er den Stand dann verlassen hatte, kam er natürlich auch an der Standfront der Freya Mercurioque vorbei, wunderte sich aber erstmal über das einheitliche Logo. So in das Emblem vertieft stieß er mit jemandem zusammen, nicht unbedingt heftig, aber immerhin so stark, dass eine gegenseitige Behinderung nicht ausbleiben konnte.

    Auch Curio aß schließlich seinen Teil des Gerichte, etwas vom Räucherfleisch, noch etwas vom Huhn und schließlich etwas Brot, diesmal mit roter Tunke, die allerdings eine eigene und besondere Schärfe hatte. Curio war froh, dass er das Brot dabei hatte, wodurch die Schärfe etwas abgemildert wurde. Danach trank er den letzten Schluck Bier und schwenkte dann auch auf Wein über, wobei er diesen stark verdünnte.


    Die Worte seines Bruders über die "Gefühle" seines Vaters befremdeten Curio dann aber kurz. Er konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der alte Lucius Curvus überhaupt solcher Emotionen fähig sein sollte. Aber vielleicht hatte Corvinus recht. Er war ja mittlerweile selbst Soldat - und den Ausführunges ihres Vaters zufolge auch ein recht erfolgreicher - und konnte wohl besser verstehen, warum ihr Vater so oder so handelte. Curio nickte daher zögerlich ob der Feststellung seines Bruders und fügte ein kurzes:


    Kann gut sein.


    ein. Dabei blieb Curio allerdings nicht verborgen, dass sein Bruder immer wieder abschweifte und dabei jedes Mal einen unspezifischen Punkt über Curios linker Schulter fokussierte. Curio fragte sich, woran Corvinus dabei dachte... War es seine... Fast-Frau? Seine Erlebnisse im Feldzug gegen den falschen Kaiser? Curio wollte eigentlich gar nicht wissen, was sein Bruder da im Detail alles erleben musste, doch war dem jungen Helvetier auch klar, dass er auf kurz oder lang einmal mit ihm darüber reden musste.


    Vater hat mir auch von ihm erzählt, doch habe ich kein... Verständnis davon entwickeln können. Ich halte mich daher lieber an die Dei Consentes Und grade hier in Mogontiacum glaube ich, dass ich mit Apollo eine gute Wahl treffe.


    Als sein Bruder ihm dann noch dessen Pläne für seine vorläufige Unterkunft mitteilte, fiel Curio ein weiterer großer Stein vom Herzen. die Made im Speck wollte er auch sicherlich selber nicht sein. So wurde er nicht erzogen und das würde ihm auch auf Dauer immens unangenehm werden. Er brauchte was zu tun und dann könnte er sich auf mittelfristige Sicht auch selber finanzieren.


    Ich werde mir Mühe geben, dass ich bald in der Lage sein kann, auf eigenen Beinen zu stehen. Alleine schon, um unserem Vater zu zeigen, dass ich es auch alleine schaffen kann.


    sagte er dann mit einer Mischung aus Zuversicht und - vor allem bei den letzten Worten - ein wenig Trotz. Jetzt, wo er hier war, wollte er es dem alten Primus Pilus zeigen. Er brauchte seine Hilfe nicht, um selbstständig zu werden. Punctum.


    Aber wie ist es dir seit deinem letzten Brief an uns ergangen? Zuletzt haben wir ja unmittelbar nach deiner Rückkunft in Mogontiacum gehört.


    Wobei "unmittelbar" natürlich ein recht dehnbarer Begriff war. Sicherlich hatte er sich erstmal wieder an Mogontiacum gewöhnen müssen, und wahrscheinlich hatte er auch etwas gebraucht, um den Tod seiner... Fast-Frau zu verarbeiten? Curio wusste jedenfalls, dass sein Vater den letzten Brief besonders um die Passagen um Alwina gekürzt hatte, jedoch hatte Curio die Träne im Auge seiner Mutter gesehen, um zu wissen, dass das, was der alte Primus Pilus gelesen hatte, nicht alles gewesen sein konnte. Allerdings wusste Curio auch nicht von den Details, da die Briefe seines Bruders immer im persönlichen Cubiculum des Vaters aufbewahrt wurden. Und zu diesem hatte außer den Eltern niemand Zutritt.

    Das Garum hatte Curio vergessen komplett vergessen. Auch weil er selbst nicht unbedingt ein Anhänger von diesem Zeug hatte. Sein Vater und seine Veteranen verzehrten es aber auch in rauhen Mengen und sein Bruder hatte sich das ebenfalls angewöhnt. Allerdings würde diese eine Portion reichen, da Curio es sowieso nicht essen würde.


    Auch Curio nahm, nachdem Essen und Getränke gebracht worden waren, einen Schluck Bier, beschaute sich kurz das Essen und hörte dann seinem Bruder wieder zu. Glücklicherweise ließ dieser sofort zu Beginn durchblicken, dass er Curio auch unter die Arme greifen würde und der junge Helvetier atmete erstmal tief durch. Natürlich hatte Curio nicht erwartet, dass Corvinus seinen Bruder nicht unterstützen würde, doch bestand auch die theoretische Möglichkeit, dass er den harten Kurs des Vaters weiterführen würde. Doch merkte Curio während der weiteren Rede seines Bruders schnell, dass sie doch ähnliches durchgemacht hatten. Ihr Vater war nunmal ein harter Hund und er war - soweit Curio das wusste - erst durch seine Zeit beim Militär so geworden. Dass er das aber nach seiner Militärzeit an seinen Kindern weiterführte, stieß bei Curio schon länger auf tiefstes Unverständnis. Während der Ausbildung von Corvinus war ihm das noch nicht bewusst gewesen, doch als er dann selber dran war, verstand er, wie schwer es sein älterer Bruder gehabt haben musste. Während er nämlich zu dieser Zeit nur wenig von seinem Vater gehabt hatte, war Corvinus fast vollständig vom Vater eingenommen worden und hatte deshalb seine Mutter nur selten gesehen.


    Das wurde ihm aber erst jetzt bewusst, als Corvinus, der teilweise ernsthaft böse klang, sogar betonte, dass er einen gewissen Neid Curio gegenüber empfand. Ja, natürlich hatte er recht... Die restlichen Worte und die brüderliche Ohrfeige quittierte Curio dann mit dem ersten erleichterten Grinsen seit Tagen.


    Ja, die Götter. Mal ärgern sie uns, mal bringen sie uns Glück. Und manchmal fragt man sich ernsthaft, warum sie genau das grade jetzt machen müssen. Letztlich sind sie einfach unberechenbar, doch können wir zumindest versuchen sie auf unsere Seite zu ziehen, auch wenn sie dann denkbar unzuverlässige Verbündete sind. Ich denke mir jedenfalls: Besser mit ihnen, als gegen sie.


    Was Mithras anging, hatte sein Vater zwar versucht, auch Curio in den Kult einzuführen, doch fand der junge Helvetier keinen Zugang dazu. Curio fand einfach keinen gemeinsamen Nenner mit seinem Vater. Jedenfalls entspannte sich Curio hier nun deutlich. Er war am Ziel seiner kurzen Reise, sein Bruder hatte, trotz allen Neids verständnis für ihn und nun könnte er sich daran machen, hier in Mogontiacum Fuß zu fassen.


    Na ja, ich werde jetzt jedenfalls das beste daraus machen, zurück kann ich auch erstmal nicht mehr, denn Vater wird wohl erstmal froh sein, dass er seinen kleinen Quälgeist vorerst nicht mehr sehen muss, zumal er auch auf meine Abreise bestanden hat.


    Curio hatte natürlich keine Ahnung, ob sein Vater so dachte, oder was er überhaupt dachte. Allerdings war diese Anscht zumindest für Curio naheliegend. Was sollte der alte Primus Pilus auch sonst denken über seinen zweiten Sohn, der sich lieber um die Götter kümmerte, als um die militärischen Übungen, die schon sein ältester Sohn und er selbst durchgemacht hatten?


    Der junge Helvetier stippte ein großen Stück Brot in die Kräutertunke und biss ein gutes Stück ab. Die Tunke war hervorragend, doch das Brot kam nicht jenes heran, das in der Küche des Landhauses gebacken wurde. Man konnte ja nicht alles haben. Dann nahm er etwas Gemüse, das gut gewürzt war und probierte schließlich ein Stück des Huhns. Nachdem er abschließen einen Schluck Bier zum hinunterspülen getrunken hatte, war sein Bruder mit den letzten Worten fertig und schaute ihn nun erwartungsvoll an.


    Ich habe vor, mich als Discipulus im Cultus Deorum der Stadt zu bewerben. Derzeit überlege ich noch in welchem Tempel ich arbeiten kann. Am liebsten wäre mir aber der Apollo-Tempel.


    Tatsächlich wäre das optimal, wobei er natürlich schaue müsste, ob die Priester des Tempels überhaupt noch Discipuli annehmen konnten.


    Danach werde ich mich nach einer günstigen Unterkunft umschauen, vielleicht ein oder zwei Zimmer in einer Insula, je nachdem, wie weit ich mit den Einkünften als Discipulus komme.


    Das war noch ein ganz anderes Problem. Er wollte seinem Bruder ja auch nicht auf der Tasche liegen.

    Als sie in der Taberna angekommen waren, schaute sich Curio ebenso wie sein Bruder nach einem freien Tisch um. Als er einen erblickte wollte er schon dorthin gehen, doch machte sein Bruder, obwohl er ihn eigentlich auch schon gesehen haben musste, keine Anstalten dorthin zu gehen. Ein kurzen Augenblick meinte Curio, ein Zögern oder Zaudern erkennen zu können, doch dieser verflüchtete sich schnell, als der ältere Helvetier auf einen Tisch mit fünf Männern zuging, ihnen im typischen Offiziersbefehlston anzeigte, dass es sich bei dem Tisch wohl um den Stammtisch der Offiziere, oder zumindest den von seinem Bruder handelte und die Legionäre dann auch sofort und ohne zu murren aufstanden und zum anderen Tisch wechselten. Curio staunte kurz über die Autorität, die sein Bruder ausstrahlte, fühlte sich aber auch einen Augenblick an seinen Vater erinnert. Nachdem sich Lucius dann gesetzt hatte, setzte sich Curio dazu, schaute in die Tabula mit der Speisekarte und als der Wirt herüberblickte, bestellte er.


    Also, wie nehmen zweimal das Brot einmal mit Kräutertunke, und einmal die rote Tunke.


    So ein Soldat hatte ja bestimmt Hunger, also fuhr er dann fort.


    Dazu dann das gewürzte Gemüse. Bei den Hauptspeisen dann das Huhn und das Räucherfleisch.


    Der Wirt nickte und Curio schaute zu seinem Bruder.


    Zu trinken?


    Dann wartete er ab, was sein Bruder zu trinken bestellte und beschäftigte sich mit der Frage, wie und wo er anfangen sollte. Auch wenn er sich damt bereits beschäftigt hatte, als er den Weg hierher angetreten hatte, wollte sich darüber keine klare Entscheidung treffen lassen. Daher starrte Curio einige Sekunden lang unschlüssig auf den Tisch vor sich, bevor er dann anfing, zu sprechen.


    Na ja... Es fing halt an, nachdem du hier deinen Dienst angetreten hast. Ich weiß nicht, ob du es auch so wahrgenommen hast, doch hat sich Vater ja vor allem deiner Vorbereitung auf die Adler gewidmet, während wir jüngeren Kinder vor allem von Mutter großgezogen wurden. Nachdem du weg warst, beschäftigte sich Vater einige Zeit mit dem Weingut, doch fehlte ihm offensichtlich der militärische Drill so sehr, dass er ihn nach einiger Zeit auch auf uns Jüngere ausweitete.


    versuchte Curio erstmal eine Grundlage zu schaffen. Sicherlich hatte es ihm nicht geschadet, vor allem kam es seiner Gesundheit und seiner Ausdauer zugute, doch wollte Curio ganz einfach nicht zur Legion.


    Du kennst ja unseren Vater und du weißt, dass er immer der alte Primus Pilus geblieben ist, der er in der Legion war. Doch kommt es zu... Streit, wenn er so in der Familie vor allem Soldat und nicht Vater ist.


    Eigentlich redete Curio etwas um den heißen Brei und er merkte jetzt auch, dass in ihm wieder eine gewisse Wut auf seinen Vater aufstieg.


    Aber wir sind nunmal nicht alle gleich. Wir wollen nicht alle zum Exercitus, zumal sein ältester ja bereits Dienst tut und das, wie du uns ja immer wieder berichtet hast, sehr gut und ehrenhaft. Vater hat deine Briefe immer der ganzen Familie vorgelesen und auch die Berichte aus Italia mit viel Lob kommentiert.


    Curio schaffte es noch, seine Wut etwas zu zügeln, doch würde es wohl - solange er von seinem Vater sprach - nicht lange dauern, bis sie die Oberhand gewinnen würde.


    Ein richtiges Problem entstand dann erst, als ich ihm einmal sagte, dass ich definitiv nicht zum Militär gehen würde und auch nur noch einmal am Tag an seinen... Übungen teilnehmen würde. Ich habe, das solltest du wissen, da schon im Saturnus-Schrein gearbeitet und ausgeholfen.


    So war auch schonmal der Bogen zum Cultus Deorum gespannt, der für Curio ja auch noch weiterhin interessant sein sollte.


    Seitdem verschlechterte sich das Verhältnis zunehmend. Wir sprachen kaum noch ein Wort miteinander und wenn, dann waren es nur noch die Befehle Vaters, ich solle an allen Übungen teilnehmen, während ich darauf bestand, die Ausbildung im Schrein fortzuführen. Vor fünf Tagen hatte unser Vater dann genug, nachdem ich darum gebeten hatte, die Übungen selbstständig zu machen, um auch mehr Zeit für die Ausbildung einzuplanen, stellte er mir ein Ultimatum, das ich ablehnte. Daraufhin sagte er, dass ich, wenn ich schon so selbständig sei, doch auch selbstständig leben solle, und dann auch gleich nach Mogontiacum gehen könne. Direkt am nächsten Tag bin ich dann abgereist.


    Curio schluckte. Sicherlich war sein Bericht sehr aus seiner eigenen Warte gefärbt und sein Vater würde den einen oder anderen Punkt anders darstellen. Nichtsdestotrotz fehlte Curio allerdings jedes Verständnis für die harte Haltung seines Vaters gegenüber seinen Plänen zu einer Karriere im Cultus Deorum. Aber ging es überhaupt darum? Curio hatte zumindest das Gefühl, was mit Sicherheit zur zunehmenden Verschlechterung der Beziehungen beigetragen hatte.

    Curio fühlte sich grade extrem klein. Nicht nur, weil sein Bruder schon körperlich deutlich größer war als er, sondern auch weil er die ganzen Umstände überfordernd fand. Der Rausschmiss aus dem Wein, gut der Überfall auf der Straße zwischen Noviomagus und Borbetomagus und jetzt stand er hier vor dem Castellum und wartete darauf, dass irgendeine Entscheidung getroffen werden würde. Als sein Bruder ihm dann noch die Tabula in die Hand drückte, ihn bat, zu warten und dann schnellen Schrittes ins Castellum zurücklief, schaute das Curio wieder von seinen Füßen auf, und konnte sehen, wie sich bereits einige junge Männer, vermutlich Tiros oder junge Legionäre, auf Hörweite postiert hatten, um zu lauschen, was der Centrurio da mit diesem Zivilisten zu besprechen hatte. Als sich Curios Blick mit einem der jungen Männer Darf, blickte der junge Helvetier schnell auf die Tabula und las sie durch.


    Die Worte seines Vaters bezogen ihre Schärfe vor allem aus ihrer Kürze. Keine nähere Erläuterung, kein böses Wort, sondern nur die üblichen Formalia, die Übertragung der Aufsicht und eine Bitte, na ja, besser ein Befehl, Curios Ankunft in Mogontiacum zu bestätigen. Curio blickte von der Tabula wieder auf, las dann die Nachricht erneut, blickte wieder auf. Er versuchte eine tieferliegende Nachricht hinter diesen wenigen Zeilen zu finden. Doch zwischen den Zeilen zu lesen, weil bei zwei Zwischenräumen eher schwierig.


    Zum wiederholten Mal stiegen in Curio Zweifel auf. Hätte er sich nicht einfach an die Anweisungen seines Vaters gehalten? Wann würde er seine kleinen Geschwister und seine Mutter wiedersehen? Was würde sein, wenn er ohne die Zustimmung seines Vaters zurückkehren würde? Nein, er musste erstmal hier in Mogontiacum bleiben, bei seinem Bruder, und hier den Weg gehen, den er für richtig hielt. Dann würde schon irgendwie alles gut werden. Wenn er erstmal als Discipulus in einem der Tempel arbeiten würde, würde er auch etwas Geld verdienen, mit dem er sich zumindest irgendwo eine Kammer oder gar eine kleine Habitatio mieten können. Und wenn er dann Aedituus werden würde, könnte er zurückschreiben, dass er es auch zu etwas gebracht hatte, auf dem Weg, den er selber eingeschlagen hat.


    Als sein Bruder dann in etwas anderem Aufzug zurückkehrte, ihm eine kurze aber nachvollziehbare Erklärung gab, dass sie weder hier bleiben, noch in ein Haus in den canabae gehen konnten, sondern in eine der Tabernae in der Stadt gehen sollten. So antwortete er kurz


    In Ordnung.


    und folgte ihm dann in die Stadt.

    Curio hatte nach seinem kläglichen Scheitern einer Erklärung nur noch Augen für seine Sandalen. Als sein Bruder dann aber erstmal nicht weiter bohrte - was angesichts der vielen Soldaten um sie rum kaum verwunderlich war -, sondernauf die pragmatische Spur wechselte und Curio nach einer Unterkunft fragte, ging Curio Blick wieder langsam nach oben. Er versucht etwas herauszubringen, verschluckte sich, hustete ein paar Mal und schafft es dann doch, die Frage zu beantworten.


    Nein, ich habe noch keine Unterkunft. Und ehrlich gesagt: eine kostspielige Unterkunft kann ich mir auch nicht leisten, da mir auf dem Weg hierher von ein paar Wegelagerern mein Geldbeutel gestohlen wurde.


    brachte Curio das Gespräch dann nochmal auf ein ganz anderes Problem, was auf den ersten Blick wohl weiterhin von dem "Vater"-Problem ablenken könnte, doch auf den zweiten Blick überhaupt nicht dafür geeignet, das Problem zu umschiffen, da sich dadurch erstmal die Frage stellte, warum er keine Unterstützung von ihrem Vater erwarten konnte. Innerlich verfluchte Curio diese Dummheit und hoffte, dass Corvinus eher den ersten Blick und nicht den zweiten Blick einnehmen würde... Was bei einem so erfahrenen Centurio wie seinem Bruder wohl aber eher unwahrscheinlich war.

    Titus Cornutus hat jüngst seine Toga virilis angelegt und wurde dazu von unseren Eltern in Noviomagus ins Theatrum mitgenommen. Und die kleine Coriolana entwickelt sich prächtig. Mutter hat ihr vor kurzem die ersten Zahlen beigebracht und seitdem plappert sie nicht anderes, als die Zahlen von Eins bis Fünf..


    Je länger Curio die Möglichkeit hatte, vom eigentlichen Thema, nämlich seine Anwesenheit hier in Mogontiacum, abzulenken, desto besser. Als sein Bruder dann allerdings das Siegel brach, die Tabula überflog und sie mit drei rüden Worten kommentierte, zerbrach die letzte Hoffnung, dass das irgendwie erfolgreich sein könnte. Ironischerweise dachte Curio knapp, dass 'Ach du scheiße...' es eigentlich bestens traf, zumal Curio immer noch keine Ahnung hatte, was nun genau auf der Tabula stand. Der Kommentar seines Bruders ließ aber nicht Gutes erahnen.


    Ja, hmm...


    versuchte Curio eine Antwort darauf zu finden, scheiterte aber kläglich. Eigentlich wollte er am liebsten ebenfalls mit 'Ach du scheiße...' antworten, doch würde ihm das wahrscheinlich nur wenig bringen. Eine Erklärung müsste folgen, ob nun früher oder später. Curio jedenfalls war das Später definitiv lieber, als das Früher. Zumal er einfach keine Ahnung hatte, wie er seinem Bruder erklären sollte, dass ihr Vater ihn praktisch aus dem Haus geworfen hatte.

    Sim-Off:

    Die Zeit geht soweit in Ordnung.


    Curio nahm die Anweisung freudig zu Kenntnis und stellte sich dann ziemlich genau dort hin, wohin der Soldat gezeigt hatte. Die erste Hürde war damit genommen und nun würde er wohl gleich endlich seinen Bruder sehen. Allerdings musste er dafür noch eine ganze Zeit warten und statt seinen Bruder zu sehen, zogen jetzt aber noch zahlreiche Legionäre an ihm vorbei. Einerseits kehrten Patrouillen aus der Stadt zurück, wie immer mit Optios, die laute irgendwelche Befehle brüllten, was Curio immer als äußerst unangenehm empfand, weil es ihn an seinen Vater erinnerte, der draußen auf dem Feld mit ähnlicher Lautstärke und in ähnlichem Ton seine Anweisungen brüllte. Andererseits verließen auch einige Legionäre das Castellum in Alltagskleidung, manche schäkernd, andere mit ernstem Blick zur Stadt gerichtet, die meisten aber mit sichtbaren Zeichen des jüngsten Bürgerkrieges: Fehlende Finger, Narben auf Armen, Beinen oder sogar im Gesicht. Wieder schauderte es Curio. Was diese Männer erlebt hatten, und was sein Bruder dann wahrscheinlich auch erlebt haben dürfte, musste schrecklich gewesen sein und er beneidete sie in keinster Weise darum. Auch wenn sie es zu einem guten Zweck gemacht hatten, nämlich den üblen Usurpator aus Rom abzusetzen und den richtigen Kaisers einzusetzen. Doch könnte dadurch das ganze entstandene Übel nicht wieder gut gemacht werden...


    Als er dann eine ihm bekannte Stimme hörte, drehte er sich in deren Richtung und er musste zweimal hingucken, bevor er das ihm entgegenkommende Gesicht, jenem zuordnen konnte, was er noch von seinem Bruder in Erinnerung hatte. Eigentlich war er nur einige Jahre älter, als Curio, doch hatte er jetzt das Gefühl, zwischen ihnen lägen ganze Welten. Die Augen unterlaufen, eine Narbe, die quer über das Gesicht verlief. Curio schluckte. Natürlich kannte er die Briefe, denn sie waren jedes Mal, komplett vor der versammelten Familie vorgelesen worden, wenn auch in Bezug auf Alwina teilweise gekürzt. Dem jungen Helvetier wurde aber jetzt klar, dass Lucius wohl deutlich mehr unter all dem zu leiden hatte, als es aus den Briefen herauszulesen gewesen war.


    Schön, dich zu sehen, Lucius.


    versuchte er dann eine freundliche Begrüßung, wobei ihm die ganze Situation schon zu denken gab und sicherlich auch ein bisschen Angst machte.


    Zu Hause ist soweit alles in Ordnung. Mutter geht es gut und Vater...


    er machte eine kurze Pause, in der er abwägte, wie weit er mit der Wahrheit rausrücken sollte oder lieber alles in einem etwas positiverem Licht darzustellen. Er entschied sich letztlich für zweiteres.


    .. Vater geht es auch gut. Er scheucht immer noch die Sklaven über das Gut, so wie immer eigentlich.


    Curio brachte ein Lächeln zu stande. Was dann aber die Frage nach seiner Anwesenheit hier betraf, war die eigentliche gute Frage.


    Vater hat entschieden, dass ich hierher nach Mogontiacum kommen soll Er hat mir eine Tabula für dich mitgegeben.


    Er reichte die Tabula, deren Inhalt Curio immer noch nicht kannte, an seinen Bruder weiter und war gespannt, wie dieser darauf reagieren würde.

    Curio atmete durch. Das war schon mal kein - Verschwinde und such dir nen Job. Allerdings bekam er damit auch schon eine Masse an schlechtne Informationen. Ein Stadtbrand? Da hatten die Legionäre und Stadtbewohner bestimmt viel zu tun gehabt. Und es erklärte auch, warum die Stadtwache wohl eine etwas längere Pause gemacht hatte. Nun brauchte Curio allerdings noch einen Nachweis, dass er tatsächlich er war, also ein Helvetier und Bruder von Lucius. Curio nickte und streckte dem Soldaten daher zuerst seinen Siegelring hingegen.


    Dieser Siegelring zeigt einen Widder, das Wappentiert der Helvetii.


    so ließ er den Legionär erstmal den Siegelring begutachten, holte dann die versiegelte Tabula seines Vaters an seinen Bruder aus seiner Tasche und reichte sie dem Legionär. Die Tabula war von außen mit den Worten "Ad L. Helvetius Corvinus, Centurio Legionis Secundae" beschriftet.


    L. Helvetius Curvus L. Helvetio Corvino filio suo salutem dixit.


    Mein Sohn,


    hiermit übergebe ich deinen jüngeren Bruder Iullus Curio bis auf weiteres in deine Obhut. Ich erwarte eine kurze Nachricht, sobald er bei dir in Mogontiacum angekommen ist.


    Vale,

    L. Helvetius Curvus



    Und hier, die Tabula ist ebenfalls mit dem Widderemblem gekennzeichnet und an meinen Bruder gerichtet.


    Dann wartete Curio ab, wie der Legionär weiterverfahren würde. Zwei Beweise oder besser Hinweise hatte er jetzt vorgebracht. Nun lag es am Legionär, was er damit machen würde. Jedenfalls stieg die Nervosität bei Curio wieder an.

    Nun war es endlich soweit. Vor Curio erhoben sich die Mauern des Castellums, die vor allem eine Funktion hatte: Unliebsame Menschen fernhalten. Schon auf den ersten Blick fiel auf, dass die Grenzen von Stadt und Stadtmauer flließend waren. Teilweise standen Wohnhäuser direkt an der Mauer des Castellums und nur das große Tor, die Porta Praetoria, stach besonders aus dem Bild heraus. Sein Vater hatte immer erzählt, dass die Stadt eigentlich aus dem Castellum entstanden sei und sich daher eng an es anlehnte. Nun verstand Curio was er damit gemeint hatte. Grade marschierte ein Trupp von Legionären heraus, ein Optio brüllte Befehle und der Truppe ging Richtung Innenstand, vermutlich auf eine Patrouille.


    Curio hatte ein gespaltenes Verhältnis zum Militär: Einerseits großen Respekt und Bewunderung, die vor allem aus den vielen Geschichten seines Vaters über die Verteidigung der Grenzen gegen die wilden Germanen resultierten, andererseits eine gewisse Abneigung gegen die - im wahrsten Sinne des Wortes - martialische Grundhaltung. Das Brüllen von Befehlen, das Poltern der Rüstungen beim Laufen, all das machte ihm gewissermaßen Angst und er war froh, dass er von seinem Vater zwar nach dem Weggang seines großen Bruders körperlich gedrillt wurde, allerding auch klar war, dass er nicht zur Legion gehen musste.


    Nun machte sich aber wieder die Grundnervosität bemerkbar, die durch die gerüsteten und bewaffneten Legionäre vor dem Tor nur noch gesteigert wurde. Curio haderte kurz, atmete dann tief durch, nahm allen Mut zusammen und ging dann auf die wachhabenden Legionäre zu.


    Salve! Meine Name ist Iullus Helvetius Curio. Ich möchte gerne meinen Bruder, den Centurio Helvetius Corvinus, sprechen.


    sagte er mit so viel Bestimmtheit, wie er gegen die natürlich Autorität von Rüstungen und Waffen aufbringen konnte, und hoffte inständig, dass er es nicht mit einem rüden Legionär zu tun hatte.

    Offenbar machten die Stadtwachen grade ein Pause, jedoch war es nun der Ädil, der ihnen die Erlaubnis erteilte, die Stadt zu betreten. Der Händler und seine Begleiter setzten sich mit dem Wagen wieder in Bewegung und der Händler verabschiedete sich noch vom Ädil.


    Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, Aedil. Vale!


    sprachs und machte sich dann auf den Weg gen Forum.


    Ebenso verabschiedete sich Curio vom Aedil, der ihm für einen Magistration sehr locker vorkam. Das störte ihn zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich nicht, da ihm dadurch der Weg in die Stadt eröffnet war und er nun seinen Weg zu Ende bringen und direkt der Wegbeschreibung des matinischen Aedlis folgend zum Castellum gehen konnte.


    Vale, Aedil. Auch von mir einen schönen Tag.


    Ein bisschen nervös war Curio ja schon, zumal er seinen Bruder ja schon lange nicht mehr gesehen hatte, aber er hatte ja noch die Tabula seines Vaters bei sich, die er bis jetzt nicht geöffnet hate. So folgte er der Wegbeschreibung und ging zum Castellum.

    Sogleich spulte Othmar sein Angebot ab.


    Biberpelze, Bärenpelze und noch viel mehr, Ädil. Alles was das Herz begehrt.


    Othmar konnte hier grade ein wichtiges Geschäft machen, denn schon die Aufmerksamkeit des Ädils für seinen Stand und seine Ware könnte am nächsten Tag dazu führen, dass das Interesse an den Pelzen noch weiter stieg.


    Curio hingegen freute sich, dass er so schnell einen Hinweis auf seine Bruder bekommen konnte. Aber so ein Ädil kannte sich nunmal in der Stadt aus und bei ihren Bewohnern aus, jedenfalls mehr, als so eine kleine Stadtwache.


    Vielen Dank für den Hinweis, Ädil Matinius.


    antwortete Curio daher brav und schaute sich nun auch um, ob bald eine der Stadtwachen den Weg in die Stadt eröffneten, wobei der laute Ruf des Ädils zumindest vermuten ließ, dass sich bald eine Wache blicken lassen würde.

    Nicht nur, dass eine Wache erschien, sondern sofort der Aedil der Stadt. Curio schaute den Mann neugierig an. Besonders das markante Gesicht war auffällig. Als erstes ergriff dann aber der Händler das Wort.


    Salve, Aedil Matinius. Das ist richtig. Ich bin Othmar Hadamarsson und verkaufe wunderschöne Pelze aus dem wilden Germania. Schau sie dir gerne an.


    antwortete er im typisch freundlichen Ton des Händlers und lud den Aedil ein, die Pelze zu prüfen und implizierte damit auch, dass er sich bereits einen reservieren könnte. Curio wunderte sich sich kurz, da außerhalb der Marktzeiten eigentlich keine Geschäfte möglich waren. Doch ging es hier ja noch nicht um ein konkretes Geschäft


    Doch dann wurde ihm klar, dass er seit kurzem ja nicht mehr wirklich zu der Gruppe gehörte, sondern jetzt wieder für sich alleine stand.


    Salve, Aedil. Mein Name ist Iullus Helvetius Curio. Ich habe gemeinsam mit dem Händler und seinen Begleitern einen Teil des Weges hierher zurückgelegt.


    erklärte er sich kurz, merkte dann aber, dass er auch irgendwann zum Punkt kommen musste.


    Ich bin auf dem Weg zu meinem Bruder, dem Centurio Helvetius Corvinus von der Secunda. Kannst du mir sagen, wie ich von hier aus zum Lager komme oder ob ich ihn woanders finden kann?

    Der nächste Morgen war bereits sonnig und warm. Nach dem Ientaculum ging es wieder gen Norden, wobei Curio es kaum erwarten konnte, endlich nach Mogontiacum zu kommen. Doch vorher musste noch der Rest des Weges zurückgelegt werden. Curio lief wieder vorne links bei den Eseln. Die Schwellung seines Gesichts war mittlerweile, durch das Kühlen und die Salbe weiter zurückgegangen, doch bildete sich nun ein blaues Auge, das mittlerweile schon streckenweise in gelbliche Farben überging. Curio überlegte schon, wie er seinem Bruder erklären sollte, dass er sich quasi nicht wehren konnte. Der Vater und der Bruder waren erfolgreiche Soldaten des Imperiums, nur der kleine Sohn und Bruder ist nicht in der Lage, sich und sein Eigentum zu verteidigen...


    Othmar, der etwas nach hinten versetzt auf der anderen Seite des Wagen lief, holte ihn kurz vor Mogontiacum aus diesen Gedanken.


    Sag mal, Junge. Und möchtest nicht zufällig auch weiter mit uns ziehen? Ich könnte sicherlich noch jemanden, wie dich brauchen.


    Curio blickte sich um, überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf.


    Ich bin dir sehr dankbar für deine Freundlichkeit und dein Angebot ist sicherlich nicht schlecht. Aber Mogontiacum ist mein Ziel, und dabei bleibt es.


    Sein Vater hatte ihm ja klare Anweisungen gegeben, und auch wenn er sonst eher dazu neigte, diese Anweisungen links liegen zu lassen, hatte er jetzt das Gefühl, dass er sich zu seinem eigenen Wohl daran halten sollte. Vor allem würde sich seine Mutter sorgen machen, hatte er ihr doch versprochen, zu schreiben, sobald er in Mogontiacum angekommen sein würde.


    Schade. Falls du es dir aber doch noch anders überlegen solltest: Wir sind morgen noch den ganzen Tag in der Stadt. Du findest uns entweder auf dem Markt oder in der Taberna im Vicus Novus.


    antwortete der Händler darauf mit einem Schulterzucken, schaute dann zuerst auf die Geldkiste, die etwas versteckt unter den Pelzen lag und dann zu seiner Rechten, ob sich dort irgendwas tat. Ebenso taten es die beiden anderen Begleiter. Hrothgar lief wiederum hinter Othmar, während Wolfhart hinter Curio links vom Wagen lief. Sicherlich war diese Gruppengröße optimal für Othmar, dachte sich Curio, doch konnte und wollte er nicht wirklich weiter gen Norden. Allerdings hing wohl auch viel davon ab, wie sein Bruder Lucius auf seine Ankunft reagieren würde.


    Vielen Dank, ich werde daran denken.


    sagte Curio daher zwar bestimmt, aber dennoch mit dem beruhigenden Wissen darüber, dass es auch noch eine Alternative geben würde.


    So zogen sie weiter gen Norden, bis sie endlich das Stadttor von Mogontiacum erblickten. Othmar übernahm die Zügel der Esel und Curio steckte sich seinen Siegelring wieder an, um sich als Bürger kenntlich machen zu können. So erreichten sie das Stadttor von Mogontiacum. >>>

    Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen. Othmar erklärte Curio, nachdem dieser sich die vom Arzt gemischte Salbe auf dem Gesicht aufgetragen hatte, erstmal, was seine Aufgabe war. Er sollte während der Marktzeit alle Einnahmen notieren, die durch die Pelze zusammenkamen. Dazu musste er die Münzen zählen, ihren Wert notieren und sie dann in die Kassenkiste legen. Allerdings wurde Curio schnell klar, dass Othmar mit seiner Kasse bislang eher locker umgegangen war. Werte wurden durchgestrichen, ergänzt oder korrigiert, ein Gesamtbild wurde dadurch schwierig. Am Ende des Tages müsste Cuio also einmal alles durchzählen, um dann am besten auf einer neuen Tabula den aktuellen Kassenstand festhalten. Also durchaus eine Herausforderung für den jungen Helvetier, der Marktstände bislang nur von der Kundenseite aus gesehen hatte.


    So fuhren sie bereits vor dem Beginn der Marktzeit zum Marktplatz und nahmen dort den ihnen zugewiesenen Platz bei den fahrenden Händlern ein. Der Platz war zwar nicht optimal, aber da Othmar schon zu den Stammgästen gehörte, gut genug um ein gutes Geschäft zu machen. Zumindest sagte das Othmar. Zum ersten Mal nahm Curio tatsächlich wahr, wie voll so ein Marktplatz schon vor dem Beginn der eigentlich Marktzeit war. Überall wurden Stände aufgebuat, Waren abgeladen, von Stadtbeamenten Qualitätsstichproben genommen und vor allem bereits Kontakte unter den Händlern geknüpft. Auch Othmar begrüßte erstmal seine Standnachbarn mit Handschlag. Den linken Nachbarn kannte er schon länder, da er auch Stammgast hier war, der rechte Nachbar war ihm allerdings unbekannt. So wechselten die beiden erstmal eine paar Worte, um die eigenen Tätigkeitsbereiche abzustecken.


    Curio half derweil Wolfhart und Hrothgar beim Abräumen wobei immer jemand mindestens ein Auge auf dem Wagen hatte, damit Diebe, die zu dieser Zeit auf einen wertvollen und ein aufgrund der allgemeinen Hektik und Betriebsamkeit weniger riskantes "Geschäft". So verteilten sie Pelze wie üblich, wobei Othmar immer mal wieder eingriff, um ein besonders schönes Exemplar auch prominent zu positionieren. Als letztes folgte dann die Kassenkiste, die in den hinteren Bereich des Standes ihren Platz fand, gemeinsam mit einem Hocker und einem kleinen Tischchen für Curio, um sich dem Geldzählen widmen zu können. Wolfhart stellte sich derweil zwischen Verkausauslage und Geldkiste, um mögliche Diebe abzuschrecken, während Hrothgar den Wagen wieder zur Herberge brachte. Dann nahm auch Curio platz und versuchte sich einen weiteren Einblick in die Kiste zu schaffen. Ein totales Chaos, dachte er und da die Marktzeit noch nicht begonnen hatte, begann er bereits damit, kleine Zählhaufen zu machen, um das vorhandene Geld zu zählen. Sobald er einen gewissen Betrag zusammenhatte stellte er die Türmchen in die Kiste zurück. Der Plan schien ihm Anfangs recht gut, jedoch merkte er schnell, dass damit der zur Verfügung stehende Raum zu schnell ausgefüllt sein würde... Daher ließ er vom Sortieren ab, zählte nur noch das Geld und legte es dann zurück in die Kiste. So ziemlich genau mit dem Beginn der Marktzeit beendete er dann die erste Zählrunde und wartete darauf, dass die ersten Kunden kamen.


    Und tatsächlich ließen diese nicht lange auf die Warten. Offensichtlich hate Othmar schon einige Stammkunden, für die er sogar seinen Platz hinter der Theke verließ und direkt zu den Kunden trat, um ihnen einen Pelz anzupreisen. Dabei erzählte er teilweise jene Geschichten, die Curio auch schon in Noviomagus gehört hatte, und der junge Helvetier musste wieder schmunzeln, je größer und blutrünstiger die Tiere wurden, teilweise preiste er aber auch die Art, Form oder Ausstattung der Pelze an. Und schon machte Othmar auch schon die ersten Geschäfte.


    Curio, notiere: Ein großer Pelz zu 1 Aureus, 60 Sz., ein kleiner für die Hälfte.


    Curio notierte und notierte, füllte Tabula um Tabula, nahm Geld an, zählte es durch, gab bei Bedarf Geld zurück oder forderte mehr ein und legte die eingenommen dann Münzen in die Kiste. In den wenigen kurzen Pausen kühlte er, wie vom Arzt veordnet, die langsam abschwellende Wange mit nassen Tüchern. Der Tag ging wie im Fluge vorbei, und kaum war die Marktzeit zu Ende, begann wieder die wilde Geschäftigkeit. Waren wurden aufgeladen, Stände abgebaut und am Ende der Gewinn des Tages zusammengefasst. Und so kam auch Hrothgar mit dem Wagen zurück, um den Abbau zu unterstützen. Othmar war indes zufrieden mit seiner Aushilfe.


    Bei Wodan, war ich heute froh, dass ich das nicht auch noch selbst machen musste.


    Zuletzt wurde dann die Geldkiste aufgeladen und der Wagen setzte sich wieder Richtung Herberge in Bewegung. Curio hätte so ins Bett fallen können, doch war er immer noch nervös wegen des morgigen Tages. Denn da würden sie in Mogontiacum ankommen. Dem viel erwarteten Mogontiacum.

    Auf dem restlichen Weg nach Borbetomagus blieb viel Zeit für Unterhaltungen. Othmar, der Pelzhändler legte Curio seine eigene Geschichte und die Geschichten seiner Begleiter dar.


    Othmar stammte aus dem Stamm der Brukterer. Doch spielte er als der drittgeborene Sohn seines Vaters keine Rolle in den Familienplanungen. Sein ältester Bruder erhielt nach dem Tod seines Vaters den größten Teil des Erbes, sein anderer Bruder sollte dem ältesten bei der Bewirtschaftung des Besitzes helfen. Für Othmar jedoch gab es keine Verwendung, sodass er sich zuerst - wenig erfoolgreich - als Jäger und später als Pelzhändler selbstständig machte. Als Curio ihn nach den bunten Geschichten fragte, die er auf dem Markt immer den Kunden erzählte, grinste Othmar. Das letzte wilde Tier hätte er vor über einem Jahr gesehen und an seinen letzten Bären könnte er sich schon gar nicht mehr erinnern. Die Pelze, kaufte er bei deutlich begabteren Jägern aus den germanischen Stämmen jenseits des Limes, sodass er nur noch als Zwischenhändler verdiente. Jedoch, und da wurde das Grinsen wieder größer, wollten die Kunden Geschichten hören, also erzählte er ihnen welche, und erhöhte dabei gleichzeitig seinen Gewinn. Jeder hätte daraus seinen Vorteil, stellte er klar und blickte dann zu den anderen beiden. Curio allerdings hielt dies für eine Art von Betrug, sagte aber nichts, da der Händler dabei offensichtlich kein Problem erkannte.


    Othmar fuhr sodann mit Wolfhart fort. Er hätte ihn in der Nähe von Vetera getroffen, wo er gleich zwei Wegelagerer in die Flucht geschlagen hätte. Man sähe es ihm nicht an, doch wäre Wolfhart ein geschickter Kämpfer und vor allem seiner bärengleiche Statur schreckte bereits mögliche Diebe ab. Da Othmar bis zu diesem Zeitpunkt alleine unterwegs gewesen wäre, machte er Wolfhart das Angebot mit ihm zu reisen. Für den Schutz des Wagens erhielte und des Händlers erhielt er eine feste Anstellung inklusive Unterkunft und Essen. Mit der Aussicht darauf, das Tagelöhnersdasein verlassen zu können, sagte Wolfhart zu, und reiste seit nunmehr zwei Jahren gemeinsam mit Othmar über die Route von Argentorate nach Vetera, durch das germanische Gebiet wieder nach Süden und zurück nach Argentorate.


    Das Schicksal des anderen Begleiters, Hrothgar, war deutlich dramatischer. Als Kriegsgefangener sei er in die Sklaverei geschickt worden und kam in den Besitz eines reichen Römers aus Divodurum. Dieser hätte seine Sklaven allerdings gefoltert und Hrothgar die Zunge herausgeschnitten, da dieser seinem Herrn einen Ratschlag geben wollte. Seitdem konnte Hrothgar nicht mehr sprechen und sich nur behelfsmäßig mit Handzeichen verständigen. Nach dem Tod des Herrn wurde er von den Erben an einen Sklavenhänder verkauft, der ihn dann in Mogontiacum verkauft hätte. Dort wäre er Othmar aufgefallen und da niemand für ihn geboten hätte, gab Othmar ein Gebot ab, bekam den Zuschlag und entließ ihn dann sofort in die Freiheit. Seitdem begleitete er Othmar ebenfalls im Rahmen der gleichen Bedingungen wie Wolfhart.


    Auch Curio erzählte dann seine - wenn auch kurze - Geschichte: Den ständigen Streit mit dem Vater, den letzten Abend im Weingut und danach die (un)freiwillige Flucht nach Mogontiacum bis zu diesem Zeitpunkt.


    Ungefähr zur neunten Stunde erreichten sie schließlich Borbetomagus und nahmen Quartier in einer Heberge etwas außerhalb der Stadt. Curio ging gemeinsam mit Othmar in eine Taberna Medica, damit man sich dort die Wange anschauen konnte. Der Helvetier erhielt eine Salbe und sollte seine Wange mit feuchten Tüchern kühlen. Gemeinsam nahmen sie dann die Cena am Abend ein und gingen dann auf ein gemeinsames Zimmer. Am nächsten Tag würde Curio also das erste Mal auf einem Markt arbeiten und sich dabei sofort um die Kasse kümmern. Ein bisschen nervös war er schon, schließ dann aber schnell ein, wobei er schauen musste, dass er sicht nicht auf die lädierte Gesichtshälfte legte.