Beiträge von Phryne

    Wie vereinbart traf sich Phyne am Nachmittag vor den Treffen des Collegiums zum Unterricht in den tieferen Weihen des Kybelekultes mit dem Gallus. Claudius Atticus war ein strenger Lehrer. Phryne musste bei jedem Treffen penibel mitschreiben und die Notizen anschließend feinsäuberlich auf Papyrus übertragen.


    Atticus legte die Hände in den Schoß und begann die erste Lektion.


    Heute wollen wir darüber sprechen, dass unsere Magna Mater ursprünglich eine Berggöttin war. Was weißt du darüber, Phryne?


    Die Libertina sah von ihrer Tabula auf.


    Nun, ich weiß, dass man sie Mater Idaia oder Große Mutter vom Berg Ida nennt.


    Der Gallus nickte bedächtig.


    Das ist aber noch lang nicht alles. Welche Namen hatte sie zudem noch, die darauf hinweisen, dass sie eine Berggöttin war?


    Phryne runzelte die Stirn. Ob der Name Kybele etwas mit den Bergen zu tun hatte?


    Ich weiss es nicht, verehrter Gallus.


    Der Gallus holte aus. Er erzählte davon, dass Kybele in Phrygien "Matar Kubile", Mutter vom Berg Kubi genannt wurde und dass es zahllose lokale Berggöttinnen in dieser Region gab, die alle letztendlich identisch mit der Magna Mater waren. Phryne notierte: Kybele Dindymene, Sipylene und Lobrine.
    Schließlich erklärte Atticus auch noch, dass sich der Name Kybeles von Kuba herleite, das soviel wie Grab, Höhle oder Felsloch bedeutete. So gab es auch zahlreiche Höhlenheiligtümer Kybeles. Natürlich war nicht ohne Grund ein Stein das Symbol der Göttin, ein Meteorit, den man dann während der punischen Kriege nach Rom brachte.


    Phryne schrieb und schrieb. Als sie endlich den Stilus beseite legen durfte, lächelte der Gallus.


    Das reicht für heute. Das nächste Mal wirst du mir das Gelernte referieren. Jetzt wollen wir die anderen begrüßen.


    Sie standen auf und gingen in den Gemeinschaftsraum hinüber, in dem die wöchentliche Versammlung stattfand.

    Wie schon in den Proben zeigte der Rezitator auch heute eine tadellose Leistung. Mit sonorer Stimme ließ er die Ode über die "Kinder der Leto" erklingen.
    Phryne schloss die Augen. Sie genoss den Klang der Stimme. Als er geendet hatte öffnete sie die Augen wieder. Der Rezitator trat beiseite. Nun sollte der Auftritt des Apollo und der Diana erfolgen sowie der Chor der "Knaben" und "Mägdelein".

    Es ging los! Phryne setzte sich aufrecht hin und war gespannt, was der Leiter der Schauspieltruppe zum Besten geben würde. Seine Erscheinung war beeindruckend, die Stimme rau aber von gleichmäßiger Lautstärke und gut zu verstehen. Er fasste den Hintergrund des Vortragsabends zusammen und stellte die Intention der ausgewählten Oden dar. Sehr zu ihrer Freude erwähnte er sowohl den Magister Vici als auch sie und ließ das Publikum wissen, um wen es sich bei den Veranstaltern handelte. Huldvoll nickte und lächelte Phryne ins Rund des Zuschauerraumes.


    Als er geendet hatte, richtete sie ihren Blick gebannt auf die Scena. Sie war aufgeregt. Viel hing vom Erfolg des Abends ab. Zu gerne wollte sie öfter solche Veranstaltungen inszenieren. Dieses hier konnte der Auftakt für ein Leben im Mittelpunkt der Kulturszene der Stadt werden. Wenn nur die Schauspieler ihre Sache gut machten!

    Phryne hatte ihren Kontrollbesuch bei den Schauspielern beendet und sich davon überzeugt, dass alles bestens vorbereitet war. Nun konnte nur noch ein Stoßgebet an Apollo helfen.


    Sie kehrte in den Zuschauerraum zurück. Helvetius Curio war im Gespräch mit Duccius Verus. Phryne überlegte kurz ob sie sich zu ihnen gesellen sollte, beließ es dann aber bei einem Lächeln und einem Kopfnicken in Richtung des Pontifex. Stattdessen ließ sie ihren Blick über die Zuschauerränge schweifen. Sie sah die Kräuterfrau in Gesellschaft zweier Soldaten. Einer davon war der helvetische Bruder des Magister Vici, der Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach Marcellus zusammengeschlagen hatte. Den zweiten Mann kannte sie nicht, doch ruhte ihr Blick durchaus länger auf ihm. Ein großgewachsener, gutaussehnder Mann... Phryne beschloss, sich in der Pause nach ihm umzusehen. Vielleicht konnte sie bei der Gelegenheit auch den helvetischen Decurio zur Rede stellen. Sie wollte ihm doch zu gerne auf den Zahn fühlen.


    Nun aber bahnte sich Phryne zunächst einen Weg durch das einströmende Publikum, grüßte hier und dort und nahm schließlich auf ihrem Kissen Platz.

    Zitat

    Original Iullus Helvetius Curio: Salve, Phryne! Wie ich sehe, bist du sehr zuversichtlich. Die Geschichte mit dem Tisch gestern, war wirklich alles andere als erfreulich. Heute werden die Darsteller aber wahrscheinlich noch aufmerksamer sein.


    Mit einem freundlichen Lächeln blickte er die Libertina an und sah dann, dass die Tor nun geöffnet wurden und die ersten Zuschauer in die Zuschauerränge strömten. Noch war nicht allzuviel los, doch mussten die Zuschauer ja alle erstmal aus ihren Vici am separat liegenden Theater ankommen. Daher war Curio zuversichtlich, dass die Vorstellung gut besucht sein würde. Für ihn war ja ohnehin ein Platz in den Rängen der Decurionen vorgesehen, der gute sicht bot aber direkt am Gang lag, damit Curio im Fall des Falles schnell nach unten eilen konnte.


    Ich habe dir einen Platz unmittelbar hinter der Ehrentribüne reservieren lassen. Dort warten zwei Mitglieder des Cultus auf dich.


    Der Magister Vici schien ebenso zuversichtlich wie sie zu sein. Mit einem Kopfnicken goutierte Phryne, dass er ihr einen Platz hinter der Ehrentribüne reservieren ließ. Sie wusste diese Geste sehr wohl zu schätzen.


    Besten Dank, Helvetius Curio. Ich werde zunächst noch nach den Schauspielern sehen und hören, ob alles in Ordnung ist.


    Dann gab sie ihrer Sklavin die Order die mitgebrachten Kissen auf den reservierten Plätzen auszubreiten und ihr einen gekühlten gemischten Weisswein zu besorgen. Mit wehenden Gewändern verschwand sie hinter der Scena.

    Phryne erschien in Begleitung ihrer beiden Sklaven in eine aufwändige Robe aus nachtblauer Seide mit Goldfäden gekleidet. Der passende Goldschmuck und ein luftiger Schleier über der kunstvoll drapierten Hochsteckfrisur komplettierten die Erscheinung. Mit wehendem Gewand lief sie auf den Magister Vici zu, der sehr nervös wirkte.


    Salve, Helvetius Curio. Es sieht alles sehr schön aus: die Girlanden über dem Eingang und das Bühnenbild. Hervorragend! Eigentlich kann es nur ein Erfolg werden. Zumal wenn man bedenkt, dass die Generalprobe gestern nicht wirklich zufriedenstellend war... so sagt man doch immer, dass dann wenigstens die Aufführung gut wird, nicht wahr?


    Sie lächelte sich und ihm Mut zu. Am vergangenen Tag war bei der Generalprobe der Tisch mit dem Wein und den kulinarischen Genüssen umgekippt und hatte die Kleidung des Hauptdarstellers über und über bespritzt. Nun ja, vielleicht ein unbewußtes Opfer an die Musen? Wie auch immer, Phryne hoffte dass es bei der Aufführung keine unerwarteten Ereignisse geben würde.


    Nun war es an der Zeit die Tore für das Publikum zu öffnen.

    Phryne nickte.


    Gut. Dann lassen wir ihnen ein wenig Zeit sich einzuarbeiten. Ich bin schon sehr gespannt. Aber es verspricht wirklich ein interessanter Abend auf hohem Niveau zu werden. Ich muss schon sagen, Helvetius Curio, du bist einer der wenigen Politiker mit kulturellen Ansprüchen.


    Sie zwinkerte ihm zu und sprach es nicht aus, aber sie dachte es: schade, dass du so jung bist. Sonst könnte ich direkt Gefallen an dir finden....


    Dann raffte sie ihre Röcke und machte sich auf den Heimweg.


    Bis morgen, Helvetius Curio.

    Phryne nickte auf den Vorschlag hin, einen der älteren Schauspieler für die Darstellung des Apollo herzunehmen. Dann wäre das Problem des "Knabenchors" geklärt. Und auch zu den Vorschlägen des Magister Vici bezüglich der Darstellung des Apollo mal mit Pfeil und Bogen mal mit Lyra gab Phryne ihr Einverständnis.


    Das klingt doch schon sehr ansprechend, wenn du mich fragst. Also sollen wir gleich einen Probelauf machen oder uns morgen zur ersten wirklichen Probe hier wiedersehen.
    Im Übrigen könnte ich meine Sklavin Korone als Sängerin und Tänzerin anbieten, sie ist in beidem ausgebildet. Sagt mir nur, wenn es gewünscht wird.


    Mit fragendem Blick musterte sie die Schauspieler und anschließend den Magister Vici.

    Wie von Phryne gewünscht zeigten die Schauspelerinnen einen schönen Reigen und wenig später gemeinsam mit den jungen Männern einen Kreistanz. Phryne nickte überzeugt und sah zu dem jungen Helvetier hinüber.


    Das sah doch ganz gut aus. Was meinst du?


    Sie versuchte sich die Oden ins Gedächtnis zu rufen, die sie sich für den Vortragsabend ausgesucht hatten. Bilder kamen in ihr hoch. Phryne bemühte sich, sie in Worte zu fassen.


    Ich würde für die Ode, die die Kinder der Leto vorstellt, einen der jüngeren Männer als Apollo verkleiden, mit dem Köcher über der Schulter, dem Bogen und der Leier. Und vielleicht eine der jungen Frauen als Diana, im kurzen Chiton und ebenfalls mit Pfeil und Bogen. Dazu sollte, wie es in der Ode heißt ein "Knabenchor" singen oder zumindest ein Männerchor. Zur zweiten Ode über Apollo selbst, könnten wir einen Tisch auftragen lassen, Wein, Oliven, Endivien und Malven. Für die Ode über den "friedlichen Ort", mit dem wir natürlich Mogontiacum darstellen wollen, könnte man eine Fortuna mit dem Füllhorn auftreten lassen und Männer und Frauen einen Kreistanz aufführen lassen. Natürlich begleitet von Musikern. Dazu einen im Schatten ruhenden und Wein trinkenden Mann. Und nach der letzten Ode könnten die drei Grazien oder Horen auftreten und die Otio, die Muße, tanzend darstellen. Zum Schlussbild dann alle gemeinsam vielleicht noch ein Lied und einen Tanz aufführen. Wie findest du das?


    Wieder sah sie den Magister Vici fragend an. Was sagte er zu diesen Vorschlägen?

    Sie lauschten der Darbietung des älteren Schauspielers. Phryne genoss die schöne Ode des Horaz, schloss die Augen und ließ den sonoren Klang der Stimme au sich wirken. Ja, so sollte es klingen!
    Sie nickte dem jungen Helvetier zu.


    Das ist hervorragend! Genauso habe ich mir das vorgestellt. Ein Genuss. Nun, dann würde ich gerne sehen, ob mir die Damen einen Reigen tanzen können und vielleicht anschließend einen Kreistanz mit ein paar Herren. Wie wär das?


    Phryne sah die Schauspielerinnen herausfordernd an und nickte dazu mit dem Kopf.

    Mit einem Lächeln bedachte Phryne den jungen Helvetier. Tatsächlich hatte er Kunstverstand.


    Dann begaben sie sich in die Nähe der Bühne. Der Magister Vici begrüßte die Truppe. Die Schauspieler stellten sich vor. Gleich erkannte Phryne, das einer der Männer, der schon etwas älter war, eine geeignete Sprechstimme hatte und wohl gut als Rezitator geeignet sein würde. Zwei Männer im mittleren Alter, die eine gute Figur abgaben und zwei junge, die Phryne mit Kennerblick musterte, stellten sich vor. Dann sah sie sich die drei Fauen an. Nun ja, keine konnte ihr das Wasser reichen, aber das war schon vorher klar gewesen. Aber sie würden sich schon halbwegs als Grazien einsetzen lassen können.
    Phryne nickte und grüßte.


    Mein Name ist Aciliana Phryne. Ich habe in Rom an einigen Inszenierungen selbst teilgenommen und freue mich nun auf die reizvolle Aufgabe, gemeinsam mit dem von mir hochgeschätzten Magister Vici, Helvetius Curio, einen Vortragsabend zu Ehren des Stadtgottes zu veranstalten. Wir haben uns für den Abend einige Oden des Horaz herausgesucht. Sie werden neben Apollo auch das Thema des Friedens und der Otio zur Vorstelllung bringen.


    Phryne machte eine Pause und wartete, wie das Gesagte ankam. Das Nicken und die interessierten Gesichter der Schauspieler verleiteten sie dazu, noch fortzufahren.


    Wir dachten an einen Vortragenden, der die Oden in seiner schönsten Sprechstimme zum Besten gibt und dann zwischen den Vortragsteilen, szenische Darstellungen des Inhaltes mit kleinen Tanzeinalgen. Wie ich vernommen habe, stellt das für euch sicher kein Problem dar.
    Sie musterte den älteren Mann eindringlich.


    Ist dir etwas von Horaz bekannt, oder möchtest du etwas anderes vortragen, damit ich hören kann, ob deine Stimme sich für den Rezitator eignet?

    An den forschenden Augen erkannte Phryne, dass Helvetius Curio in ihrem Angebot eine Falle sah. Seine Antwort war dementsprechend routiniert neutral wie bei allen Politikern.


    Sie lächelte und nickte gleichzeitig. Unverbindlich konnte sie auch. Doch Phryne ahnte, dass ihn das Angebot durchaus reizte. Er war auf dem besten Wege in die höchten Kreise der Stadt, da musste er auch Wert auf eine adäquate Konversation mit den Honoratioren legen. Und was, wenn sie ihn dabei erwischten, dass er die wichtigsten Klassiker nur vom Hörensagen oder in der Zusammenfassung für faule Discipuli kannte... er würde auf ihr Angbot eingehen - früher oder später.


    Selbstverständlich lasse ich es dich wissen sobald die Bücher da sind.


    Als er dann wieder auf das Projekt zu sprechen kam, lächelte Phyne huldvoll. Ja, er war auf ihre Erfahrung angewiesen, wenn er nicht baden gehen wollte und so strebsam und ehrgeizig wie er war, würde er es nicht darauf ankommen lassen.


    Der Vortragsabend wird deinen Namen auch bei Leuten bekannt machen, die bislang nicht vom Magister Vici des Vicus Apollinensis gehört haben. Es könnte ein wichtiger Trittstein auf dem Weg nach oben sein. Wir sollten gut zusammenarbeiten und sehen, dass wir das Beste daraus machen. In erster Linie um den Kulturbetrieb in Mogontiacum wieder auf ein höheres Niveau zu heben, aber wenn das als Nebeneffekt deine Karriere fördert, wird es dir sicher nicht unangenehm sein, nicht wahr?


    Sie lächelte nun tiefsinning und stieß erneut mit ihm an. Ihr Blick war dabei direkt auf seine Augen gerichtet.

    Phryne lächelte. Ja, so machte das Spaß! Der junge Magister Vici entbrannte für das Projekt und begann kluge Fragen zu stellen.


    Im Prinzip ist beides möglich. Ich hätte eigentlich gerne den Text für sich wirken lassen und dann, vielleicht noch im Ausklang des Textes, die Tänzerinnen und Schauspieler auf die Bühne geschickt, die den Text dann szenisch umsetzen. Wie fändest du das?


    Tatsächlich kam nun die Schauspielertruppe auf die Bühne. Fünf Männer, drei Frauen. Neugierig blickten sie zu ihnen empor.


    Gut. Das sieht doch ganz ordentlich aus.


    Salvete! rief sie hinüber.


    Sollen wir gleich zu ihnen auf die Bühne gehen, um uns bekannt zu machen und vielleicht den Ablauf des Vortragsabends zu besprechen? Bei der Vorstellung kann ich ja gleich die Stimmen kennenlernen. Dann können wir uns auf einen Rezitatior festlegen.

    Phryne spitzte in Richtung der Umkleiden, neugierig darauf wieviele Schauspieler ihr zur Verfügung stehen würden, um das Projekt umzusetzen. Viele würde sie nicht brauchen. Einen Mann mit sonorer Stimme, ein oder zwei für die Rollen, die sie sich ausgedacht hatte und vielleicht zwei oder drei Tänzerinnen. Das müsste genügen.
    Zunächst hörte sie nur mit einem Ohr zu, was der Magister Vici von sich gab. Dann aber fragte er nach ihren Vorstellungen zu dem Vortragsprojekt. Sie wandte sich ihm zu.


    Nun, ich würde mit der Ode an die Kinder Letos beginnen und dann mit einer zweiten Ode zu Apollo weitermachen. Das gibt einen guten Einstieg für den Ehrentag des Apollo Mogonis. Rezitieren sollte sie jemand mit sonorer Stimme und dazu wäre ein Knabenchor sehr nett, aber im Grunde tun es auch die Schauspieler und Tänzerinnen, die als Chor auftreten könnten. Ein Schauspieler, der Apollon mit der Leier und Pfeil und Bogen darstellt, wäre schön. Um Diana geht es bei dem Fest nicht, wie könnten sie unter den Tisch fallen lassen, oder doch eine der Tänzerinnen entsprechend kleiden. Was meinst du?"

    Phryne lauschte den Ausführungen des jungen Helvetiers. Es war immer gut ein wenig mehr über die Menschen im Umfeld zu erfahren. Die Mama hatte ihn also an die schönen Künste herangeführt, die Lust am Kuss der Musen geweckt. Phaedrus, naja... aber Vergil und Horaz das waren schon Genüsse nach ihrem Geschmack. Die Ilias und die Odysse kannte Phryne auch nur in Übersetzung, dafür aber zur Gänze. Nun ja, die Philosophie war nicht sein Gebiet. Wen wunderte es - dafür war er auch noch reichlich jung. Ein wenig mehr an Lebenserfahrung würde vielleicht auch in ihm die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Daseins hervorrufen und ihn dazu bewegen darüber nachzudenken, was die Welt im Innersten zusammenhielt.
    Er sprach an, sich eine Bibliothek zulegen zu wollen. Phryne horchte auf.


    Ich habe hier im Haus wunderbar Platz für eine große Bibliothek und erwarte in wenigen Wochen eine große Lieferung Bücher aus Rom. Mein Gönner, nun du weißt schon, hat mir schon zu Lebzeiten einige seiner Bücherrollen geschenkt. Ich konnte sie nicht mitnehmen, habe den Transport aber in die Wege geleitet. Sie müssten bald hier sein. Wenn dich das ein oder andere interessieren würde, kannst du es gerne ausleihen. Von Horaz sind nicht nur die Oden dabei, sondern auch die Epoden, Satiren und Briefe, dazu einiges von Ovid, Vergil und von den von mir sehr geschätzten Philosophen Seneca und Plutarch. Kennst du Plutarch? Er ist Schriftsteller und Philosoph und logierte oft bei uns, wenn er in Rom war.


    Dann sprach der Helvetier den Wein an. Innerlich grinste Phryne. Sollte sie ihm verraten, dass es der syrische Wein war, den Iulius Antoninus ihr als Anheizer für einen erotischen Abend mitgebracht hatte?


    Ich fürchte, ich kann dir nicht mehr sagen, als dass es ein syrischer Wein ist. Er war das Gastgeschenk eines besonderen Gastes.
    Sie lächelte versonnen.
    Sonst aber kaufe ich meinen Wein bei dem Gallier der seine Taberna neben der Regia hat. Die Qualität stimmt und der Preis auch.


    Nachdem sie selbst noch einen Schluck aus dem Weinkelch getrunken hatte, kam sie noch einmal auf das gemeinsame Projekt zu sprechen.


    Helvetius Curio, die Menschen in Mogontiacum sind doch sehr froh darüber, dass die Zeiten der kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Germanen passé sind, nicht wahr? Wie wäre es, wenn man das Thema "Mogontiacum - ein friedlicher Ort" oder das wichtige Gut der "Otio", also der Muße in den Vordergrund der Darbietungen stellen würde? Kombiniert natürlich mit ein paar Zeilen zu Ehren Apolls?

    Mit Genugtuung stellte Phryne fest, dass dem Helvetier ihr Wein zu schmecken schien. Sie gab Korone einen Wink nachzuschenken. Neugierig geworden, begann sie den jungen Mann zu löchern.


    Du bist also ein Freund der Dichtkunst? Welches sind deine bevorzugten Schriften und Autoren? Bist du auch ein Freund der Philosophie oder nur der literarischen Künste?

    Phryne erschien wie verabredet um gemeinsam mit Helvetius Curio die Schauspieler zu treffen und den Ablauf des Vortragsprogrammes zu besprechen. Er wartete bereits auf sie. Mit einer Handbewegung gebot sie ihrer Leibsklavin Korone vor dem Tor des Theaters zu warten.


    Salve, Helvetius Curio. Ich freue mich, dich zu sehen. Das ist also dann der Ort des Geschehens. Na, dann lass uns doch mal einen Blick ins Innere werfen.


    Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern betrat den Bau und da die Theaterbauten des Imperiums im Aufbau wie ein Ei dem anderen glichen, fand sie auch gleich den Durchgang zur Cavea. Mit einem prüfenden Blick auf Bühne und Tribünen blieb sie stehen und wartete auf den Magister Vici.


    Nun ja, Provinz eben. Aber immerhin - ein Theater.


    Mit einem suchenden Blick fügte sie hinzu: Wo treffen wir die Schauspieler? In den Umkleiden?

    Phryne nickte als der Magister Vici vorschlug, das nächste Treffen sogleich im Theater mit dem Kennenlernen der Schauspieler zu verbinden.


    Gut. Wie du wünscht. Es scheint mir durchaus sinnvoll gleich vor Ort mit den Planungen fortzufahren. Viel Zeit bleibt uns ja ohnehin nicht. Noch Wein?


    Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, ganz ohne Hintergedanken. Die Aussicht darauf in Zukunft ein wenig mehr Kultur in diesem Nest zu erleben, ließ sie alle Animositäten vergessen.

    Der Magister Vici hörte aufmerksam zu. Er schien nicht eben bewandert zu sein in der Theaterwelt. Woher auch in diesem Nest am Ende der Welt. Kulturelle Wüste. Nun wie auch immer, das Angebot mit ihm zusammenarbeiten zu müssen quittierte Phryne mit einem hintersinnigen Lächeln. Es gab schlimmere Vorstellungen - zumindestens für sie.


    Er hatte also eine Theatergruppe aus Argentorate an der Hand, der er aber offenbar die künstlerische Leitung der Vorführung nicht zutraute. Sie nickte verstehend.


    Dann kam er auf den geplanten Rahmen zu sprechen. Selbstredend würde Apollo die Hauptrolle spielen. So so, die Oden des Horaz wollte er szenisch darstellen lassen. Nun ja, ein wenig ungewöhnlich vielleicht, denn meist nahm man mythologische Szenen aber es zeugte von literarischem Feingefühl. Sie musterte den Helvetier neugierig. Schlummerte ein Schöngeist in dem ernsten und zugeknöpften jungen Mann? Würde es sich lohnen öfter und intensiver mit ihm zusammenzuarbeiten?


    Du hast dich mit Horaz beschäftigt? Wie schön Helvetius Curio. Ich bin ein Liebhaber der Oden und da werden sich sicher ein schöne Beispiele finden lassen, die sich für die szenische Darstellung eignen. Doch die herausragende Bedeutung sollte dann ein Rezitator haben, mit einer möglichst sonoren Stimme. Kennst du da jemanden der über ein geeignetes Instrument verfügt?


    Als er auch die Tanzeinlagen als Option ins Auge fasste, nickte Phryne wieder.


    Das ließe sich sicher gut verbinden. Ich lese mich ein und werde dir dann Vorschläge unterbreiten. Es wird dir gut zu Gesichte stehen eine solche Veranstaltung zu organisieren und deinen sagen wir angekratzten Ruf wieder ein wenig aufpolieren, nicht wahr? Du bist zielstrebig in der Verfolgung deiner Karriere, vorbildlich mein Lieber! Wann möchtest du wiederkommen?

    Mit dem Weinkelch in der Hand sah Phryne ihren Gast forschend an. Hinter seiner jungen Stirn arbeitete es unaufhörlich. Dann begann er den Festakt zu Ehren des Stadtgottes anzusprechen. Phryne nickte. Natürlich waren diese kleinen Feste und Theaterdarbietungen in Mogontiacum kaum zu vergleichen mit den großen Festen und Munera in Rom, aber die Aussicht darauf, dass sich kulturell endlich etwas tat in diesem verschlafenen Nest, ließ sie aufhorchen.


    Zu ehren des Apollo Mogon also... An welche Art Theaterdarbietung hattest du gedacht, Helvetius? Da müsste zuerst einmal geklärt werden ob Komödie oder Tragödie, ein Pantomimus oder ein Singspiel? Naja, dann sollte man natürlich den Stoff des Stückes sorgfältig wählen oder nur eine Auswahl an kürzeren Stücken wir beim Mimus zur Darstellung bringen. Dazwischen einzelne Tanzeinlagen? Eine Atellane, ein Possenspiel, wird für diesen Anlass wohl kaum in Frage kommen...


    Sie setzte sich auf. Es war offensichtlich, dass er eines ihrer Lieblingsthemen angeschnitten hatte. Mit glänzenden Augen begann sie sich das klatschende Publikum in der Cavea vorzustellen.


    Nun, viel Zeit für die Vorbereitung haben wir nicht. Wer steht denn für die Organisation bereit und hat eventuell sich um diese Themen schon gekümmert? Und habt ihr Schauspieler und Tänzer?