Wie vereinbart traf sich Phyne am Nachmittag vor den Treffen des Collegiums zum Unterricht in den tieferen Weihen des Kybelekultes mit dem Gallus. Claudius Atticus war ein strenger Lehrer. Phryne musste bei jedem Treffen penibel mitschreiben und die Notizen anschließend feinsäuberlich auf Papyrus übertragen.
Atticus legte die Hände in den Schoß und begann die erste Lektion.
Heute wollen wir darüber sprechen, dass unsere Magna Mater ursprünglich eine Berggöttin war. Was weißt du darüber, Phryne?
Die Libertina sah von ihrer Tabula auf.
Nun, ich weiß, dass man sie Mater Idaia oder Große Mutter vom Berg Ida nennt.
Der Gallus nickte bedächtig.
Das ist aber noch lang nicht alles. Welche Namen hatte sie zudem noch, die darauf hinweisen, dass sie eine Berggöttin war?
Phryne runzelte die Stirn. Ob der Name Kybele etwas mit den Bergen zu tun hatte?
Ich weiss es nicht, verehrter Gallus.
Der Gallus holte aus. Er erzählte davon, dass Kybele in Phrygien "Matar Kubile", Mutter vom Berg Kubi genannt wurde und dass es zahllose lokale Berggöttinnen in dieser Region gab, die alle letztendlich identisch mit der Magna Mater waren. Phryne notierte: Kybele Dindymene, Sipylene und Lobrine.
Schließlich erklärte Atticus auch noch, dass sich der Name Kybeles von Kuba herleite, das soviel wie Grab, Höhle oder Felsloch bedeutete. So gab es auch zahlreiche Höhlenheiligtümer Kybeles. Natürlich war nicht ohne Grund ein Stein das Symbol der Göttin, ein Meteorit, den man dann während der punischen Kriege nach Rom brachte.
Phryne schrieb und schrieb. Als sie endlich den Stilus beseite legen durfte, lächelte der Gallus.
Das reicht für heute. Das nächste Mal wirst du mir das Gelernte referieren. Jetzt wollen wir die anderen begrüßen.
Sie standen auf und gingen in den Gemeinschaftsraum hinüber, in dem die wöchentliche Versammlung stattfand.