Eine autoritäre Stimme hallte durch den Raum wie ein Peitschenknall. Ferox, der gerade geistesabwesend die Fugen der Bodenkacheln betrachtet hatte, fuhr senkrecht von seinem Stuhl hoch. Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann, der wohl dreißig bis vierzig Sommer gesehen haben mochte. Zwischen seinen Augenbrauen grub sich eine Zornesfalte senkrecht die Stirn hinauf. Ferox kam unter dem wütenden Wortschwall nicht einmal dazu, dem Sklaven die Schuld zuzuschieben. Eilends band er sein Muli los und führte es nach draußen.
Vor dem Eingang des Hauses angekommen überlegte er, ob er besser das Weite suchen sollte, immerhin wusste er nun schon, dass sein Vater ihn nie wieder würde besuchen kommen. Und dann? Dann konnte er bis in alle Ewigkeit Jäger bleiben, der im hintersten Winkel der Welt tagein tagaus durch den Wald streift und seine Fallen kontrolliert bis er irgendwann starb. Oder er stellte sich der peinlichen Situation und kehrte zu dem verärgerten Mann zurück. Vielleicht konnte das seinem öden Leben die erhoffte Wendung bringen, die sein Vater ihm nicht mehr geben konnte.
Was hatte er schon zu verlieren? Auffressen würde er ihn sicher nicht. Und immerhin hatte er ihn nicht hinausgeworfen, als er das Maultier entdeckte, was, wie Ferox nun wusste, keineswegs zum üblichen Inventar einer Casa gehörte, sondern ihm bloß befohlen, es hinauszuschaffen und sich dann vorzustellen. Also war er genau genommen schon fast nett. Zumindest redete Ferox sich das ein, um sich zu ermutigen.
Er führte das Maultier in einen weniger gepflegten Teil des Gartens. Da niemand da war, um es in einen Stall oder an eine Anbindevorrichtung zu bringen, band Ferox es an einen Baum und hängte ihm den Futtersack um, damit es den Baum und die Wiese nicht anknabberte. Er hoffte innig, dass niemand das Tier oder die darauf befindlichen Reisesäcke entwendete, denn dies war fast alles, was er besaß.
Er kehrte den Weg zurück ins Atrium. Bis auf ein paar Erdklumpen von den Hufen hatte das Muli zum Glück nichts fallen gelassen. Ferox hätte vor Aufregung fast seine Maultierfinger an der neuen Tunika abgewischt, konnte sich aber im letzten Moment davon abhalten und verschränkte sie hinter dem Rücken, damit sein Gegenüber den Schmutz daran nicht sehen musste.
Dessen Blick schien ihn förmlich zu durchbohren, als er wieder eintrat. Ferox fiel auf, dass er nicht einmal wusste, wie man höher gestellte Personen angemessen begrüßte.
„Salve“, sagte er schlicht und beobachtete genau das Gesicht des anderen, um rechtzeitig zu erkennen, wenn er wieder mit dem Fuß über einem Fettnäpfchen schwebte. „Ich heiße Nero Germanicus Ferox. Ich bin eigentlich gekommen, weil die Besuche meines Vaters Germanicus Varus seit längerem ausgeblieben sind und ich dachte, dass er sich vielleicht hier aufhält. Er hat ab und zu von der Casa erzählt. Doch der Mann an der Tür sagte mir, dass er wohl verstorben sei.“
Ferox stand verloren mitten im Raum. Er traute sich nicht mehr auf den Stuhl, obwohl er gern Platz genommen hätte, weil ihm von der Reise die Beine weh taten.